I. Einleitung
Die Geschichte des deutschen Kolonialismus im Zeitalter des Imperialismus beginnt in den zahlreichen geschichtswissenschaftlichen Darstellungen mit der Vorbereitung der kaiserlichen Politik Anfang der 1880er Jahre, als eine Reaktion auf die Kolonialvereine, welche sich für überseeische Besitzungen aussprachen und im Speziellen mit der Inbesitznahme Deutsch-Südwestafrikas, dem heutigen Namibia, 1884 durch das Deutsche Reich.
Diese Festlegung ist aber in der neuren Forschung zum Thema deutscher Kolonialismus bzw. Imperialismus umstritten, geht sie doch dabei sofort von der praktischen Inbesitznahme von Überseegebieten und deren zeitnahen Vorraus-setzungen aus, lässt dabei jedoch die theoretischen Grundlagen und Impulse, welche den Kolonialismus und Imperialismus von deutscher Seite beförderten, außen vor.
Diese Impulse lassen sich zuerst in der wissenschaftlichen Durchdringung der „Neuen Welt“, etwa durch Humboldt, und der späteren literarischen Vermarktung in Deutschland feststellen. Das Interesse an der Neuen Welt zeigte sich dabei durch Reiseberichte, wie Romane, entwickelte sich aber bis zur Revolution 1848/49 hin zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit neuen, jedoch „unzivilisierten“ Ländern. Im Rahmen dieser Hausarbeit möchte ich daher einige Überlegungen zum Thema „Theoretische Begründung deutscher Kolonisation in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ machen und werde mich dabei vor allem auf den Ökonomen Friedrich List (*1789 † 1846) berufen. [...]
Das Hauptwerk Lists „Das nationale System der politischen Ökonomie“ aus dem Jahre 1841 wurde von mir auch als zentrale Quelle genutzt, da es zahlreiche Gedankengänge enthält, die seine Kolonisationspläne in Übersee und in Europa begründen. Es ist die Vorstellung eines wirtschaftlichen Raumes, der sich von der Nordsee bis zum Mittelmeer, bis hin zum Osmanischen Reich erstrecken sollte, aber auch deutsche Ansiedlungen in Nord- und Südamerikas und deren Beeinflussung vorsah.
Die Frage, welche in dieser Arbeit zur Grundlage gemacht wird, lautet daher: Welche theoretischen Grundlagen, seien sie ökonomischer, politischer oder geographischer Art, werden von List für die Entwicklung eines deutschen Kolonialwesens besonders hervorgehoben und welche Folgen haben diese seiner Meinung nach.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. „Nationale“ Maßnahmen zur Errichtung eines Wirtschaftsraums
- II.1 Der Deutsche Zollverein als Wegbereiter der deutschen Nation
- II.2 Der wirtschaftlich starke Staat und die ersten Überlegungen zur deutschen Expansion weltweit
- II.2.1 Pläne einer indirekten Herrschaft in der „Neuen Welt“
- II.2.2 Die Orientalische Frage und Lists Überlegungen einer Expansion
- III. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht die theoretischen Grundlagen der deutschen Kolonialisierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, insbesondere am Beispiel des Werks von Friedrich List. Sie möchte herausarbeiten, welche wirtschaftlichen, politischen und geographischen Argumente List zur Entwicklung eines deutschen Kolonialwesens anführt und welche Folgen er diesen zuordnet.
- Die Bedeutung des Deutschen Zollvereins für die Stärkung der deutschen Wirtschaft und Politik
- Lists Vision eines „nationalen“ Wirtschaftsraums, der sich über Europa und die Welt erstrecken sollte
- Die Rolle der Kolonialisierung in Lists Theorie und seine Überlegungen zur Expansion in die „Neue Welt“ und nach Asien
- Die Beziehungen zwischen Deutschland und den zu kolonisierenden Gebieten
- Kritische Würdigung von Lists Kolonialisierungstheorie
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich dem Deutschen Zollverein als einem entscheidenden Schritt für die deutsche Nation. Es werden die Ziele des Zollvereins und seine Bedeutung für die wirtschaftliche und politische Entwicklung Deutschlands untersucht.
Das zweite Kapitel stellt die weiteren Überlegungen Lists dar, die sich aus der Entwicklung des Zollvereins ergeben. Es geht dabei insbesondere um die Expansion Deutschlands in die Welt und die Rolle der Kolonisierung in dieser Strategie.
Die Kapitel II.2.1 und II.2.2 befassen sich mit den konkreten Plänen Lists für eine deutsche Kolonisierung, sowohl in der „Neuen Welt“ als auch in Asien. Es werden die jeweiligen Argumente und Ziele von List für diese Expansionen untersucht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die theoretischen Grundlagen der deutschen Kolonialisierung im 19. Jahrhundert, insbesondere die Werke von Friedrich List. Die wichtigsten Schlüsselbegriffe sind dabei: Deutscher Zollverein, „nationaler“ Wirtschaftsraum, Kolonialismus, Imperialismus, „Neue Welt“, Asien, Wirtschaft, Politik, Kultur, Expansion, Handelsbeziehungen.
- Citation du texte
- Lars Rahn (Auteur), 2011, Theoretische Begründung deutscher Kolonisation in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199544