Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Spezifikation des Burnout
1.1 Begriffsdefinition und Geschichte
1.1.1 Definition von Burnout
1.1.2 Begriffskarriere
1.1.3 Zusammenfassung
1.2 Symptomatik
1.2.1 Kategorien
1.2.2 Abgrenzung und Parallelen zu anliegenden Forschungsgebieten
1.2.3 Folgen eines Burnout
1.2.4 Zusammenfassung
1.3 Verlauf
1.3.1 Das Verlaufsmodell von Freudenberger & North
1.3.2 Zusammenfassung
1.4 Ergebnisse
2. Ursachen und Erklärungsansätze
2.1 Persönlichkeitszentrierter Ansatz
2.1.1 Helferansatz
2.1.2 Frustration durch Arbeitsbedingungen
2.1.2.1 Arbeitsbedingungen
2.1.2.2 Motivationslage
2.1.2.3 Belastung durch das Team
2.1.2.4 Belastung durch die Institution
2.1.3 Zusammenfassung
2.2 Sozial-, Arbeits- und Organisationspsychologischer Ansatz
2.2.1 Der Ansatz von Pines, Aronson & Kafry
2.2.1.1 Überlastung
2.2.1.2 Mangel an Autonomie
2.2.1.3 Mangel an Belohnung
2.2.2 Gesellschaftlicher Ansatz
2.2.3 Zusammenfassung
2.3 Ergebnisse
3. Handlungsansätze
3.1 Professionalität und Selbstreflexion
3.1.1 Achtsamkeit
3.1.2 Salutogenese
3.1.3 Zusammenfassung
3.2 Institutionelles Handeln
3.2.1 Supervision
3.2.2 Fort- und Weiterbildung
3.2.3 Zusammenfassung
3.3 Soziale Unterstützung
3.3.1 Funktionen sozialer Unterstützungssysteme
3.3.2 Umgang mit Lob und Kritik
3.3.3 Zusammenfassung
4. Zusammenfassung der Erkenntnisse
5. Abstract
6. Literaturverzeichnis
7. Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Fußballtrainer Ralf Rangnick, Fernsehkoch Tim Mälzer und der Politiker Thomas Platzeck stehen als Persönlichkeiten stellvertretend für das Burnout- Syndrom, welches in der medialen Öffentlichkeit in den letzten Jahren eine stetig wachsende Bedeutung einnahm. Dabei bestehen unterschiedliche An- sichtenüber den Zusammenhang dieses Phänomens. Welchen Hintergrund besitzt Burnout in den Berufsfeldern der Sozialen Arbeit und welche Ursa- chen liegen dabei zugrunde? Wie lässt sich dennoch die psychosoziale Ge- sundheit der gefährdeten Menschen erhalten bzw. wiederherstellen? Diese Fragen sollen in der vorliegenden Bachelorarbeit beantwortet werden. Mein Praktikum im Studiengang Soziale Arbeit an der Evangelischen Hochschule Darmstadt leistete ich im Jugendamt des Landkreises Marburg-Biedenkopf. In dieser Zeit begegnete ich engagierten Mitarbeitern1, bei welchen bereits ein Burnout diagnostiziert wurde oder welche vom Ausbrennen gefährdet waren. Hintergrund war in der Regel die enorme bürokratische Arbeitsbelas- tung und der erschwerte Klientenkontakt. Diese Mitarbeiter erfüllten mit einer großen Motivation ihren beruflichen unterstützenden Auftrag der Sozialen Arbeit. In einer Verwaltung ist der administrative Aufgabenanteil gegenüber dem direkten Klientenkontakt vermindert. Diese Tatsache kann Frustration bei den betroffenen Menschen auslösen. Außerdem tragen kommunale Spa- ranstrengungen und Budgetkürzungen des Sozialhaushaltes zu dieser Ent- wicklung bei. Dabei sind die Beschäftigten des Jugendamtes - neben media- ler Kritik bei Kindeswohlgefährdungen - den knapper werdenden finanziellen Ressourcen gegenüber verwaltenden Vorgesetzten ausgesetzt. Diese ge- wonnenen praktischen Erfahrungen bilden die Interessensgrundlage für die- se Bachelorthesis.
Der Aufbau der Arbeit orientiert sich an der dreigliedrigen Anordnung der Forschungsfragen. Im ersten Gliederungspunkt beschreibe ich die wissen- schaftlichen Hintergründe des Burnout. Dafür erfolgt die Auseinandersetzung mit den Spezifikationen des Burnout, mit seiner Begriffsdefinition und seiner Karriere. Daran schließt sich die Bearbeitung der Symptomatik des Ausbren- nens an, welche sich in die verschiedenen Kategorien und die Abgrenzung zu benachbarten Forschungsgebieten untergliedert. Es folgt eine kurze und ausführliche Verlaufsdarstellung des Burnout. Die gewonnenen Erkenntnisse werden im Anschluss zusammengefasst. Im anschließenden Kapitel erfolgt die Auseinandersetzung mit zwei unterschiedlichen Erklärungsansätzen, welche sich in der Wissenschaft als ursächliche Beschreibungen eines Burn- out eröffnet haben. Dabei existiert zum einen der Persönlichkeitszentrierte Ansatz mit seinen Vertretern FREUDENBERGER und EDELWICH & BRODSKY. Dieser betrachtet die individuellen Ursachen eines Burnout, wie den in der Sozialen Arbeit verankerten Helferansatz und die Frustration durch Arbeitsbedingungen. Neben dem Persönlichkeitszentrierten Ansatz existiert zum anderen der Sozial- Arbeits- und Organisationspsychologische Ansatz von PINES, ARONSON & KAFRY sowie der gesellschaftliche Ansatz. Letzterer betrachtet die von den Arbeitgebern zunehmend geforderte Flexibi- lisierung im Berufsleben als Ursache des psychischen Ausbrennens. In die- sem Absatz wird ebenso nach dem besonderen Auftreten eines Burnout in der Sozialen Arbeit gefragt. Es erfolgt auch in diesem Abschnitt eine Zu- sammenfassung der Ergebnisse. Aufbauend auf den Erklärungsmodellen werden im letzten Gliederungspunkt verschiedene Handlungsansätze be- schrieben, welche sowohl präventiv als auch intervenierend einen Burnout vermeiden bzw. aussetzen sollen und somit die psychosoziale Gesundheit der vom Ausbrennen gefährdeten Menschen erhalten soll. Es wird darauf hingewiesen, dass auf eine Beschreibung der gängigsten Messinstrumente eines Burnout, wie der MBI (Maslach Burnout Inventory) oder die Überdruss- skala von PINES, ARONSON & KAFRY (vgl. Reiners-Kröncke, Röhrig & Specht 2010, S. 19-22), aufgrund des Umfangs verzichtet wird. Zum Abschluss folgen eine Zusammenfassung der Erkenntnisse und ein studiendidaktischer Ausblick.
1. Spezifikation des Burnout
„ Pia bebt. Sie ballt ihre Fäuste und spannt Nacken und Stirn an. Ihre Augen sind verkniffen und ihr Kopf droht zu explodieren. Diesen Druck erlebt sie immer, wenn Patienten sich wegen etwas bei ihr beschweren, für das Pia nichts kann. Sieärgert sich manchmal so sehr, dass ihre Kopfschmerzen noch Stunden nach Arbeitsende anhalten. Den Umgang mit dementen Pati- enten erlebt Pia immer belastender: Sie reagiert ihnen gegenüber fahrig und ungehalten. Ihr fällt das unbewusste Fäuste machen kaum noch auf. Sie hat Angst, dass ihre Hand ihr einmal ausrutschen kö nnte. Klar ist sie eine vor- bildliche Fachkraft, die sich intensiv in die Situation des Patienten hineinver- setzen kann. Aber es gelingt ihr im Privatleben kaum noch abzuschalten “ (Quernheim 2010, S. 1).
Das Fallbeispiel beschreibt einen Menschen, welcher in seiner Berufstätigkeit eine starke emotionale Belastung empfindet. Der Person fällt es zunehmend schwerer, eine professionelle Haltung gegenüber ihrer Klientel zu bewahren und berufliche Themen in der Freizeit auszublenden. Die empfundenen psychosozialen Überbeanspruchungen zeigen sich in psychosomatischen Schmerzreaktionen des Körpers und erschweren durch Krankheitsausfälle eine vollständige berufliche Präsenz und Fürsorge.
Die persönliche Motivation spielt besonders in helfenden Berufen, wie beispielsweise in den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit, eine starke Rolle. Mitarbeiter in diesen Tätigkeitsfeldern, wie die Fachkraft im Fallbeispiel, haben das Bedürfnis, sich intensiv mit der Situation ihrer Klientel auseinanderzusetzen und geraten dabei in die Gefahr, das professionelle Nähe-Distanz- Verhältnis außer Acht zu lassen.
Wie einleitend beschrieben nehmen solche Belastungskonstellationen zu und gewinnen in der beruflichen Tätigkeit stetig an Bedeutung. Unter dem Begriff Burnout werden im Anschluss diese Belastungen durch den gesellschaftlichen Diskurs aufgeführt.
1.1 Begriffsdefinition und Geschichte
Im Folgenden werden verschiedene Definitionen des Begriffs Burnout ge- genübergestellt und Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten benannt. Anschließend erfolgt die Beschreibung der Begriffskarriere der Bezeichnung Burnout.
1.1.1 Definition von Burnout
Der Begriff Burnout stammt aus dem technischen Sprachgebrauch von der Wortgruppe „to burn out“ (engl. für Durchbrennen) ab und meint einen physi- kalischen Prozess, welcher jedoch gegenüber der langwierigen Abfolge des psychischen Ausbrennens abrupt, beispielsweise bei einer Glühbirne (vgl. Burisch 2010, S. 7) oder einem Gebäude (vgl. Wagner 1993, S. 5), ge- schieht. In diesem Zusammenhang stellt Burnout für LITZCKE & SCHUH einen Zustand der Erschöpfung dar, bei dem die betroffene Person nicht mehr aktiv ihr eigenes Leben gestalten kann (vgl. Litzcke & Schuh 2010, S. 157). Sie sehen Burnout als einen Begriff der Alltagssprache, der bezug- nehmend auf DEMEROUTI (1999), im Gegensatz zur Diagnose Depression weniger negativ belastet ist und somit gesellschaftsfähiger zu sein scheint (vgl. ebd., S. 157). Des Weiteren findet der Ausdruck Burnout meist im Be- rufsleben Anwendung (vgl. Hedderich 2009, S. 10). So berichteten Mitarbei- ter in den USA in einer Umfrage durch SCHAUFELI & ENZMANN2 von zu- nehmenden beruflichen Stressoren. Eine weitere Studie in Großbritannien zwischen 1982 und 1985 belegte diese Beobachtung durch den Nachweis der Zunahme von Krankmeldungen mit der Diagnose Stress (vgl. Burisch 2010, S. IX). Zu beachten ist dabei, dass diese Entwicklung auch das subjek- tive Empfinden der Betroffenen und die „[…] diagnostischen Gewohnheiten der Ä rzteschaft […]“ (ebd., S. IX) widerspiegelt. Gemeint ist damit eine ver- mehrte Zuschreibung stressartiger Symptome der Diagnose Burnout. Dieser inflationäre Gebrauch der Begrifflichkeit führte zu einer Aufweichung des Be- griffs Burnout und zu einer mit Vorbehalt behafteten Annäherung wissen- schaftlicher Untersuchungen. Hintergrund war die fehlende Benennbarkeit des Forschungsgegenstandes, dem allein die Symptomatik aus den Be- obachtungen zugrunde lag. Unter dieser Tatsache litt damit auch die Qualität der Forschung. Bis heute besteht eine begriffliche Ungenauigkeit und Unei- nigkeitüber die Definition des Begriffs Burnout (vgl. Rainers-Kröncke, Röhrig & Specht 2010, S. 11). Dennoch existieren verschiedene Definitionsversu- che, deren drei wichtigste Vertreter im Folgenden vorgestellt werden: QUERNHEIM bezeichnet Burnout als den […] Zustand emotionaler Erschö p- fung mit deutlich reduzierter Leistungsfähigkeit […] (Quernheim 2010, S. 2). FREUDENBERGER & NORTH sehen Burnout in ihrer Literatur als „[…] Zu- stand, der sich langsam,über einen Zeitraum von andauerndem Stress und Energieeinsatz entwickelt „ (Freudenberger & North 1996, S. 26). MASLACH definiert Burnout als „[…] ein Syndrom emotionaler Erschö pfung, Depersona- lisation3 und persö nlicher Leistungseinbu ß en, das bei Individuen auftreten kann, die in irgendeiner Art mit Menschen arbeiten. Es ist eine Reaktion auf die chronische emotionale Belastung, sich andauernd mit Menschen zu be- schäftigen, besonders, wenn diese in Not sind oder Probleme haben […] (Christina Maslach 1982a aus der deutschen Übersetzung von Burisch 2010, S. 17). Alle drei Definitionen von Burnout sehen den betroffenen Menschen in einem Erschöpfungszustand durch andauernden psychischen Einsatz. Eine Besonderheit liegt bei MASLACH in der Benennung der Interaktion mit anderen Menschen und die Auseinandersetzung mit deren Anliegen. Hier lässt sich ein Bezug zur Sozialen Arbeit und deren Profession herstellen. QUERNHEIM und FREUDENBERGER sehen hingegen die Ursachen im allgemeinen beruflichen Stressempfinden. Bei QUERNHEIM heißt es weiter, dass der Mensch mit seiner Begabung für seine Tätigkeit „brannte“, jetzt aber „erloschen“ sei. Er habe anfangs eine optimistische Einstellung besessen, die sich in eine negative und belastende Ansicht des beruflichen Wirkens gewandelt habe (vgl. Quernheim 2010, S. 3). Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD- 10), herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), besitzt keine eigene Definition von Burnout. Sie klassifiziert Burnout unter „ Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung “ als „ Zustand der totalen Erschö pfung “ (vgl. ICD-10 Schlüssel = Z.73.0). Aus diesem Grund stellt Burnout keine klinische Diagnose dar und ist daher nicht als Krankheit, sondern lediglich als Syndrom zu bezeichnen. Sowohl in der Wissenschaft als auch im Katalog der Krankenkassen führt dieser Tatbestand zu einer fehlenden fachlichen Etablierung. Die kassenärztliche Abrechnung führt demnach bei einer Diagnose „Burnoutsyndrom“ die Bezeichnung Depression auf (vgl. Hedderich 2009, S. 10). Der inhaltliche Zusammenhang wird im folgenden Kapitel erläutert. Zuvor wird auf die geschichtliche Entwicklung des Begriffs Burnout und dessen Historizität eingegangen.
1.1.2 Begriffskarriere
Bereits in der biblischen Geschichte vom Propheten Elija (vgl. 1. Könige 19, 1-4) und im Roman von Thomas Mann „Buddenbrooks: Verfall einer Familie“ (1901) zeigen sich Tendenzen eines Burnoutsyndroms. So schreibt MANN von seiner Figur des Senators Thomas Buddenbrook: „ Die phantasievolle Schwungkraft, der muntere Idealismus war dahin, (er) fühlte sich unaus- sprechlich müde und verdrossen […] (Rainers-Kröncke, Röhrig & Specht 2010, S. 9, zit. n. Mann 1963, S. 633). In der bibliografischen Auseinander- setzung stellt die Person des Elija, ähnlich wie der Charakter in MANNs Er- zählung, einen erschöpften und ausgebrannten Menschen dar, der große Anstrengungen in sein Leben investierte und dem dafür jedoch - dem eige- nen Empfinden nach - keine entsprechende Belohnung zuteilwurde. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden unter dem Begriff Neurasthenie symp- tomähnliche Parallelen zu einer Burnoutsymptomatik beschrieben (vgl. Hed- derich 2009, S. 13)4. HEDDERICH sieht durch diesen Zusammenhang das Vorurteil der Modediagnose an den Burnout widerlegt (vgl. ebd., S. 13). Fallbeobachtungen waren anfänglich ausschlaggebend für die forschende Auseinandersetzung mit der Symptomatik des Ausbrennens (vgl. Wagner 1993, S. 5).
Dabei ergibt sich die bereits unter Punkt 1.1.1 beschriebene Herausforde- rung aufgrund des fehlenden Forschungsgegenstandes und der daraus re- sultierenden erschwerten definitorischen Abgrenzung zu benachbarten For- schungsgebieten. Auf Grundlage dieser Fallbeobachtungen prägte FREU- DENBEGER 1974 den Begriff Burnout durch den veröffentlichten Artikel „Staff Burn-out“ in seiner heutigen Bedeutung im „Journal of social issues“5 (vgl. ebd., S. 5 und Hedderich 2009, S. 13f). Ab 1976 reservierten MASLACH und PINES den Begriff für helfende Berufe, deren psychische Beanspru- chung als Ursache der Erschöpfung angesehen wurde. Diese geistigen An- forderungen sahen sie in der beruflichen Interaktion mit den Klienten (vgl. Rainers-Kröncke, Röhrig & Specht 2010, S. 10). 1980 wurde die Thematik durch Übersetzungen der Werke von FREUDENBERGER und RICHELSON „Ausgebrannt“ in Deutschland präsent (vgl. ebd., S. 10). Ein Jahr später ent- standen Publikationen von PINES, ARONSON & KAFRY in der Fachzeit- schrift „Psychologie heute“ und später in dem Buch „Ausgebrannt - vom Überdruss zur Selbstentfaltung“ (vgl. ebd., S. 10). In den Jahren von 1981 folgten Veröffentlichungen deutscher Autoren, wie ENZMANN & KLEIBER (1986) oder BURISCH (1985, 1987) (vgl. Burisch 2010, S. 6). Das Internet bietet heutzutage viele Informationen zur Thematik Burnout. Dabei sind die Quellen jedoch stets auf ihre Wissenschaftlichkeit und Nachweisbarkeit zu hinterfragen.
1.1.3 Zusammenfassung
Eine allgemeingültige Definition des Begriffs Burnout, dessen Ursprung in der amerikanischen Forschung liegt, existiert nicht. Es bestehen im wissen- schaftlichen Diskurs verschiedene Definitionsmodelle, die aus Beobachtun- gen der Praxis resultieren. Einigkeit besteht in der Feststellung, dass eine starke psychische Belastung im Berufsalltag zu einem Burnout beitragen kann. Diese Erkenntnis besitzen die genannten Begriffsbestimmungen als Gemeinsamkeit. Für die Soziale Arbeit ist entscheidend, dass durch MASLACH die Interaktion mit dem Klienten als Belastungsfaktor benannt wird. Durch diesen Aspekt bekommt das Burnoutsyndrom einen besonderen Stellenwert in den Berufsfeldern der Sozialen Arbeit.
1.2 Symptomatik
Nachdem die Begrifflichkeit des Burnout beschrieben wurde, soll in diesem Kapitel die Symptomatik eines Burnoutsyndroms charakterisiert werden. Zu Beginn werden neben dem Vorkommen von Burnout auch die Kategorien benannt, welche als Gliederungspunkte der Burnoutsymptomatik dienen. Es folgt die Auseinandersetzung mit benachbarten Forschungsgebieten, wie Stress oder Depressionen, in der es um mögliche Parallelen im Krankheits- bild gehen soll. Zuletzt wird auf die Folgen eines Burnout sowohl aus Sicht der Betroffenen als auch ausökonomischer Perspektive eingegangen.
1.2.1 Kategorien
Eine ausführliche Beschreibung der Symptomatik stammt von BURISCH (2010), auf welche in diesem Abschnitt Bezug genommen wird. Es finden sich weitere Modelle von SCHAUFELI (1992) oder SCHAUFELI & ENZ- MANN (1998), auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. BURISCH beschreibt das Auftreten des Burnoutsyndroms in unterschiedlichen Berufs- gruppen (vgl. Burisch 2010, S. 21-24), wie u.a. in Dienstleistungsberufen (Apotheker, Berater), in der Wirtschaft (Banker, Kreditberater) und - für diese Ausarbeitung von besonderer Wichtigkeit - in der Seelsorge und der Sozia- len Arbeit (Seelsorger, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen). Dienstleistungsbe- rufe in der Wirtschaft besitzen dabei meist einen sächlichen Handlungsge- genstand, wie den Handel einer Ware; wohingegen die Seelsorge und die Soziale Arbeit das menschliche Individuum mit seiner Lebensgeschichte so- wie seinen persönlichen Stärken und Schwächen in den Mittelpunkt stellt. Somit lässt sich feststellen, dass Burnout in unterschiedlichen Handlungsfel- dern vorkommt. Die Ausprägung des Burnout bei den betreffenden Men- schen ist ebenso verschieden (vgl. Litzcke & Schuh 2010, S. 158). So unter- scheiden sich die Herausbildungen der Merkmale eines Burnout zwischen den Individuen. Dabei müssen nicht alle Symptome vollständig auftreten (vgl. Burisch 2010, S. 27). Die Folge ist eine häufig ungenaue ärztliche Diagnose.
BURISCH teilt die Merkmale eines Burnoutsyndroms in sieben Oberkatego- rien mit einzelnen Unterabschnitten (vgl. Burisch 2010, S. 25f, modifiziert). Die Klassifikationen sind verlaufsmäßig geordnet. So wird deutlich, wann welche Symptome auftreten können6. Eine ausführliche Verlaufsbeschrei- bung findet sich im folgenden Kapitel. Zu Beginn stehen Warnsymptome der Anfangsphase, wie erhöhter Energieeinsatz und eine besondere Motivation für die berufliche Tätigkeit (Helferansatz in der Sozialen Arbeit). Dies führt zu einer psychischen und physischen Erschöpfung. Es kommt zu einem redu- zierten Engagement für die Klientel (Ausweitung der professionellen Distanz und Verlust von Empathie, Depersonalisation (siehe 1.1.1, S. 3)). Der perip- here Personenkreis des betroffenen Individuums reagiert durch Verständnis- losigkeit und Gefühlskälte auf das veränderte Verhalten. In der beruflichen Tätigkeit weicht die anfängliche Begeisterung allmählich; Überdruss und Konzentrationslosigkeit stellen sich zunehmend ein. Erhöhte berufliche An- sprüche, wie der Wunsch nach höherer Entlohnung und Anerkennung, kom- men hinzu. Oftmals können diese in den Tätigkeitsfeldern der Sozialen Arbeit nicht befriedigt werden und es kommt in der Folge zu emotionalen Reaktio- nen bei der betreffenden Person. Diese zeigen sich sowohl introvertiert durch Selbstmitleid oder Schuldgefühle als auch extrovertiert durch Schuldzuwei- sungen und Negativismus. Es kommt zum Abbau der Leistungsfähigkeit auf kognitiver Ebene durch Konzentrations- und Organisationsschwäche und auf der Motivationsebene durch verringerte Initiative, Produktivität und Kreativität sowie durch Entdifferenzierung (Schwarz-Weiß-Denken). Es stellt sich eine Verflachung des emotionalen Lebens (Gleichgültigkeit) und des sozialen Le- bens (Rückzug von Freunden, Einsamkeit) sowie des geistigen Lebens (Ver- lust von Hobbys, Desinteresse) ein. In der Folge treten psychosomatische Reaktionen wie Schmerzen, Schlafstörungen oder Schwächungen des Im- munsystems auf. Zuletzt zeigen sich Symptome des Burnout durch Verzweif- lung, Hoffnungslosigkeit und Depression. Die Schwere der Symptome und deren Veränderung im Burnoutprozess machen deutlich, welche einschnei- denden Merkmale dieser Prozess für die Betroffenen haben muss. Eine an- fängliche Verringerungen der Motivation kann sich zu einer Depression mit allgemeiner Hoffnungslosigkeit entwickeln und sowohl das Privatleben als auch die Berufstätigkeit des betroffenen Individuums tangieren. Zuletzt sei angemerkt, dass dennoch keines dieser Symptome spezifisch für einen Burnout sei (vgl. Hedderich 2009, S. 27), was wiederum eine treffende Diag- nose erschwert.
1.2.2 Abgrenzung und Parallelen zu anliegenden Forschungsgebieten
Die Vielschichtigkeit der Symptome beeinträchtig neben dem richtigen Unter- suchungsbefund eine Abgrenzung zu den benachbarten Forschungsgebie- ten. Dennoch wird im Folgenden der Versuch unternommen, das Burnout- syndrom von angrenzenden Bereichen der Wissenschaft zu trennen und dessen Proprium herauszustellen. Diese Gebiete7 sind die Formen der De- pression, Neurasthenie (siehe 1.1.2, S. 4), Stress und Frustration, bzw. Überdruss.
Die Symptome einer Depression sind u.a. Antriebslosigkeit und Schwermut, wobei letztgenannter mit suizidalen Gedanken einhergehen kann (vgl. Quernheim 2010, S. 3). Dazu kommen körperliche Beschwerden wie bspw. Schlafstörungen oder Magen-Darm-Beschwerden (vgl. Hautzinger 2003, S. 2). Beachtenswert ist, dass diese Krankheitsmerkmale sich in der beschrie- benen Symptomatik eines Burnout wiederfinden. So treten nach SCHMIE- DEL somatische Reaktionen des Körpers beim Burnout als Folge der Verfla- chung des emotionalen, sozialen und geistigen Lebens sowie der Depression am Ende des Burnoutprozesses auf. SCHMIEDEL unterscheidet diese Form der Depression als „[…] Folge der lang andauernden Erschö pfung “ (Schmie- del 2010, S. 19) von einer allgemeinen Depression. Dieses Ermüdungssyn- drom besteht nach SCHMIEDEL bei einer Depression von Krankheitsbeginn an, wohingegen es sich bei einem Burnout durch den anfänglichen Ehrgeiz erst im Verlaufe des Prozesses entwickelt (vgl. ebd., S. 19). Für eine diag- nostische Unterscheidung von Burnout und Depression ist die Erhebung ei- ner Anamnese und der Unterscheidung von Belastungsfaktoren notwendig (vgl. Stock 2010, S. 13). Somit lässt sich festhalten, dass eine Depression ohne Burnout möglich ist. Die Depression ist jedoch stets Bestandteil eines Burnout. Die Neurasthenie stellt die durch SCHMIEDEL beschriebene Form der Erschöpfung dar. Sie charakterisiert die Klageüber vermehrte Müdigkeit nach einer körperlicher Anstrengung und eine abnehmende Leistungsfähigkeit oder Erschöpfungserscheinung (vgl. Litzcke & Schuh 2010, S. 157). Der Bezug zum Burnout besteht in den Ermüdungszeichen, die sich beim ausgebrannten Menschen durch emotionale Reaktionen auf kognitiver und Motivationsebene sowie durch Entdifferenzierung (vgl. Burisch 2010, S. 26) einstellen. Neurasthenie steht somit im engen Bezug zum Burnout und beschreibt eine Vordefinition des Burnout (siehe 1.1.2, S. 4).
Ein weiteres benachbartes Forschungsgebiet des Burnout ist Stress im be- ruflichen Kontext. Er stellt den konstanten Leistungsdruck (vgl. Quernheim 2010, S. 4) und eine fehlende Befriedigung von Bedürfnissen (Lob, Anerken- nung) dar. Das Entgegenhandeln durch das betreffende Individuum kann einen Burnout auslösen (vgl. Litzcke & Schuh 2010, S. 158 zit. n. Burisch 2006, o.S.). Jeder Mensch reagiert dennoch unterschiedlich auf berufliche und private Stressoren (vgl. Hedderich 2009, S. 18). „ Stress wird als Schlüs- selphänomen für das Verständnis von Burnout gesehen “ (ebd., S. 18). Das bedeutet, dass Stress ursächlich verantwortlich für einen Burnout ist, jedoch nicht in allen Fällen daraus der Status des Ausgebranntseins resultieren muss. Weitere Folgen von anhaltendem Stress und Widrigkeiten des berufli- chen Alltags stellen Überdruss bzw. Frustration dar (vgl. Pines, Aronson & Kafry 1989, S. 25). PINES et al. sehen Überdruss als Reaktion aus jeglicher chronischer Belastung (Stress) und Ausbrennen bzw. Burnout als „[…] Re- sultat andauernder oder wiederholter emotionaler Belastung im Zusammen- hang mit langfristigem, intensivem Einsatz für andere Menschen “ (ebd., S. 25). Dieser Zustand kann zur Arbeitsverweigerung undüberdrüssigem Ver- halten führen. PINES et al. verwenden den Begriff Überdruss vorrangig in helfenden Kontexten, wie in der Sozialen Arbeit (vgl. ebd., S. 25). Dennoch lässt sich die Definition auch auf nicht helfende Berufe, wie Ingenieurstätig- keiten,übertragen. Der Überdruss entsteht, sofern durch Frustration eigene Ziele und Vorstellungen nicht umgesetzt werden können. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Burnout ein Konglomerat an ver- schiedenen Symptomen, wie den Krankheitsmerkmalen einer Depression, Neurasthenie in seiner Frühform sowie Stress und Überdruss darstellt. Es setzt sich aus diesen Merkmalen zusammen und wird aus diesem Grund als Syndrom bezeichnet. Burnout ist die Schnittmenge aus Depression, Stress, Erschöpfung (Neurasthenie) und Überdruss (vgl. Schmiedel 2010, S. 19), dessen Bestandteile je nach Persönlichkeit und eigenem Empfinden sowie individueller Reizbarkeit unterschiedlich gewichtet sein können. Eine symptomatische Alleinstellung des Burnout ist somit nicht möglich.
1.2.3 Folgen eines Burnout
Nachdem die verschiedenen Kategorien des Burnoutsyndroms und die Ab- grenzung und Parallelität zu benachbarten Forschungsgebieten beschrieben wurde, werden im Folgenden die Auswirkungen eines Burnout dargestellt. Diese Folgen lassen sich aus subjektiver, auf die betreffende Person bezo- gen, und aus objektiverökonomischer Sichtweise betrachten. Der subjektive Aspekt stellt die psychosomatischen Beschwerden, die daraus folgende reduzierte Leistungsfähigkeit und im Besonderen den sozialen Aus- schluss im Kontext psychischer Erkrankungen dar (vgl. Litzcke & Schuh 2010, S. 166). Aus objektiver Sichtweise stellt einerseits der Verlust von qua- lifizierten Mitarbeitern für Organisationen und Unternehmen und der aus Fehltagen wegen psychischer Erkrankungen resultierende volkswirtschaftli- che Schaden eine enorme Belastung dar. So hat sich laut einem Bericht8 der Krankenkasse „DAK Gesundheit“ die Krankschreibung wegen psychischer Erkrankungen seit 1997 verdoppelt. Die Folgen dieser Entwicklung sieht EHRENBERG gesamtgesellschaftlich spürbar durch die Orientierungslosig- keit des Einzelnen und das Fehlen von sozialen Bindungen (vgl. Ehrenberg 2008, S. 18). Insgesamt lässt sich sagen, dass ein Burnout für die Gesell- schaft und den Einzelnen eine große Erschwernis bedeutet.
[...]
1 Es wird in dieser Arbeit ausschließlich die männliche Schreibweise verwendet. Gleichwohl sind dabei beide Geschlechter gemeint.
2 Burisch (2010, S. IX) bezieht sich dabei auf Schaufeli, W. B. & Enzmann, D. (1998): The Burnout Companion to Study and Practice: A Critical Analysis. (S. 8-11) London: Taylor & Francis.
3 Depersonalisation ist nach FIEDLER ein subjektives Gefühl der Entfremdung und irrealem Empfinden der Umwelt (vgl. Fiedler 2001, S. 58).
4 Eine Klassifizierung der typischen Anzeichen eines Burnout erfolgt im anschließenden Kapitel.
5 Das „Journal of social issues” ist eine vom Verlag John Wiley & Sons publizierte Fachzeitschrift, welche psychologische, soziologische und globale Umweltprobleme aufgreift.
6 Die Beschreibung der Symptomatik wurde im Konjunktiv vorgenommen, da nicht alle
Merkmale in dieser Reihenfolge auftreten müssen. Es wird auf BURISCH (2010, S. 25f) Bezug genommen.
7 Es wird wiederum darauf hingewiesen, dass nicht alle Formen dieser Krankheitsbereiche bei Menschen mit einem Burnoutsyndrom auftreten müssen.
8 http://www.presse.dak.de/ps.nsf/sbl/772A647898BEEB60C1257759004AB2DD?Open [abgerufen am 03.04.2012] Einer aktuellen deutschlandweiten Langzeiterhebung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist die Zahl der Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen vom Jahr 2001 mit 33,6 Millionen Krankmeldungen auf 53,5 Millionen Fehltage im Jahr 2010 gestiegen (vgl. Frankfurter Rundschau vom 30.04.2012: http://www.fr- online.de/politik/immer-mehr-fehltage-wegen-psychischer- erkrankungen,1472596,15045702.html) [abgerufen am 4.05.2012].