Die Abfärberegel des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG führt dazu, dass sämtliche Einkünfte einer Personengesellschaft - das kann zB eine freiberufliche Sozietät von Rechts-anwälten, der Zusammenschluss von zwei Diplom-Ingenieuren zwecks Erstellung von Systemsoftware für gemeinsame Kunden oder auch eine zahnärztliche Berufsaus-übungsgemeinschaft (auf die im Folgenden exemplarisch immer wieder beispielhaft zurückgegriffen wird), sein - der Gewerbesteuer unterliegen. Dieses unbefriedigende Ergebnis betrifft nur Personengesellschaften, jedoch keine Einzelunternehmer was somit eine steuerliche Ungleichbehandlung zur Folge hat. Der BFH geht indes in ständiger Rechtsprechung von der Verfassungsmässigkeit der Abfärberegel aus mit dem Hinweis, dass die Steuerpflichtigen die Möglichkeit hätten, trennbare Tätigkeiten auf eine gesonderte Personengesellschaft auszugliedern. Diese starre, „gebetsmühlen-artige“ Haltung des BFH lässt sich aus dem Sinn und Zweck der Abfärberegel begründen die deshalb als einer der Oberpunkte des Hauptteils vertiefend dargestellt werden sollen, nachdem Eingangs die Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG erörtert werden. Es soll damit zunächst näher mit der Bestimmung vertraut gemacht werden, denn die sog. „Abfärbe- oder Infektionstheorie“ wurde ursprünglich von der Rechtsprechung entwickelt und wird inzwischen auf den durch das Steuer-bereinigungsgesetz 1986 geänderten Wortlaut von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gestützt („. . . in vollem Umfang“).
Nach einer Bestandsaufnahme der aktuellen Situation zur Verfassungswidrigkeit der Gesetzesvorschrift, soll das sog. Ausgliederungsmodell als originäre Gestaltungs-empfehlung des BFH - auf welches dieser in mehreren Urteilen nachhaltig verwiesen hat - näher erläutert werden. Eingegangen wird in diesem Zusammenhang auch auf den Problemfall einer steuerlich verunglückten Ausgliederung, wenn nämlich eine Be-triebsaufspaltung begründet wird.
Nach Durchleuchtung von Vergangenheit und Gegenwart - insbesondere der Zeit von 1997 bis Ende 2000 - gilt es abschließend zukünftige steuerpolitische Perspektiven der Abfärberegel zu eruieren. Anhand eines BFH- bzw. von mehreren FG-Urteilen werden erste „Aufweichungstendenzen“ in der Rechtsprechung aufgezeigt und mög-liche Grenzwerte bis zu denen gewerbliche Einnahmen bei der Gewerbesteuer zu vernachlässigen sind, diskutiert. Auswirkungen aus dem ab dem 01. Januar 2001 geltenden Steuersenkungsgesetz schließen die Ausführungen ab.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
- 2.1 Umfassend gewerbliche Personengesellschaft
- 2.2 Vorliegen einer anderen (als die gewerbliche) einkommensteuerpflichtigen Tätigkeit dieser Personengesellschaft mit Einkünfteerzielungsabsicht (typische praktische Fallkonstellationen)
- 2.3 Eine gewerbliche Tätigkeit iSv § 15 Abs. 1 Nr. 1 iVm Abs. 2 EStG
- 2.4 Weitere Möglichkeiten für eine Abfärbung
- 3. Vorrangige Klärung, ob eine gemischte Tätigkeit als einheitlich freiberuflich oder gewerblich zu werten ist
- 4. Rechtsfolgen bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
- 5. Sinn und Zweck der Abfärberegel
- 5.1 Zielsetzung des historischen Gesetzgebers
- 5.2 Aspekt der Praktikabilität nach Ansicht der Rechtsprechung vorrangig
- 5.3 Abfärberegel als kombinierte Vereinfachungs- und Missbrauchsvermeidungsvorschrift zum Schutze des Gewerbesteueraufkommens
- 6. Ist die Abfärberegel wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz verfassungswidrig?
- 7. Das Ausgliederungsmodell als Gestaltungsempfehlung
- 7.1 Ausgliederung gewerblicher Tätigkeiten auf die Gesellschafter
- 7.2 Ausgliederung auf gesonderte - auch personenidentische - Personengesellschaften (sog. Zweit- bzw. Schwestergesellschaften/Parallelgesellschaften)
- 7.2.1 Prämissen einer Zweitgesellschaft und die zu ziehenden Konsequenzen für die steuerliche Anerkennung nach dem BMF-Schreiben vom 14.05.1997 (BStBl I 1997, S. 566)
- 7.2.2 Beeinträchtigung der Anwendung des Ausgliederungsmodells durch die Grundsätze zur Betriebsaufspaltung
- 7.2.3 Gefahr der Abfärbung durch gewerbliche Sonderbetriebseinnahmen?
- 8. „Aufweichungstendenzen“ in der Rechtsprechung zu § 15 Abs. 3 Nr.1 EStG durch den BFH und die Finanzgerichtsbarkeit
- 8.1 Abfärbetheorie greift nicht bei äußerst geringfügigen gewerblichen Einkünfte
- 8.2 Gewerbliche, aber von der Gewerbesteuer befreite Einkünfte aus einer Klinik können aus Gründen der Verhältnismässigkeit keine Abfärbewirkung iSd § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auf Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit entfalten
- 9. Mögliche Grenzwerte, um gewerbliche Einnahmen von untergeordneter Bedeutung bei der Gewerbesteuer zu negieren
- 10. Auswirkungen ab dem Jahr 2001 durch das Steuersenkungsgesetz (StSenkG)
- 11. Die Ansichten des Bundesverfassungsgerichts
- 12. Zusammenfassung und eigenes Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Abfärberegel des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG im Kontext der aktuellen Rechtsprechung. Sie analysiert die Tatbestandsmerkmale dieser Regelung, untersucht ihre verfassungsmässige Zulässigkeit und betrachtet die Möglichkeit der Ausgliederung gewerblicher Tätigkeiten als Gestaltungsempfehlung. Darüber hinaus wird die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte im Hinblick auf mögliche "Aufweichungstendenzen" der Abfärberegel beleuchtet. Der Text behandelt auch die Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes auf die Abfärberegel und beleuchtet die Position des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema.
- Die Tatbestandsmerkmale der Abfärberegel des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
- Die verfassungsmässige Zulässigkeit der Abfärberegel
- Das Ausgliederungsmodell als Gestaltungsempfehlung
- Die "Aufweichungstendenzen" der Abfärberegel in der Rechtsprechung
- Die Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes auf die Abfärberegel
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problematik der Abfärberegel dar und skizziert den Aufbau der Arbeit. Kapitel 2 erläutert die Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Kapitel 3 befasst sich mit der Frage, ob eine gemischte Tätigkeit als einheitlich freiberuflich oder gewerblich zu werten ist. Kapitel 4 analysiert die Rechtsfolgen bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Kapitel 5 untersucht den Sinn und Zweck der Abfärberegel, während Kapitel 6 die verfassungsmässige Zulässigkeit der Regelung diskutiert. Kapitel 7 betrachtet das Ausgliederungsmodell als Gestaltungsempfehlung. Kapitel 8 analysiert "Aufweichungstendenzen" in der Rechtsprechung, Kapitel 9 beleuchtet mögliche Grenzwerte für gewerbliche Einnahmen. Kapitel 10 behandelt die Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes, Kapitel 11 die Position des Bundesverfassungsgerichts und Kapitel 12 bietet eine Zusammenfassung und ein eigenes Fazit.
Schlüsselwörter
Abfärberegel, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, Personengesellschaft, Gewerbesteuer, Ausgliederungsmodell, Betriebsaufspaltung, Rechtsprechung, Bundesfinanzhof, Finanzgerichte, Steuersenkungsgesetz, Bundesverfassungsgericht, Verfassungsmässigkeit, Gestaltungsempfehlung.
- Arbeit zitieren
- Dipl. Kaufmann/Dipl. Betriebswirt Baldur Hötten (Autor:in), 2012, Die Abfärbetheorie des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG im Lichte der neueren Rechtsprechung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/200103