Montessori-Pädagogik und Neurodidaktik im Vergleich


Dossier / Travail de Séminaire, 2009

25 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Montessori Pädagogik
2.1 Grundgedanken der Montessori-Pädagogik
2.2 Konzept, Ziele und Methoden

3. Neurowissenschaftlich informierte Didaktik
3.1 Grundlagen der Hirnforschung
3.2 Konsequenzen für die Didaktik
3.3 Konzept, Ziele und Methoden

4. Alter Wein in neuen Schläuchen – Montessori Pädagogik und die neurowissenschaftlich informierte Didaktik im Vergleich
4.1 Gemeinsamkeiten
4.2 Unterschiede
4.3 Kritik

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Bildungsforschung und die damit verbundenen Schulleistungsuntersuchungen lösten Ende 2001 einen regelrechten Bildungsschock durch die PISA-Studie aus. Seitdem wird noch intensiver über funktionalere Lehr- und Lernkonzepte diskutiert und auch neue wissenschaftliche Disziplinen werden für erneuerte Unterrichtsvorhaben hinzugezogen. Eine dieser neuen Disziplinen stellt die „Neurodidaktik“ dar, in welcher neurobiologische Erkenntnisse der Gehirnforschung hinzugezogen werden, um die Didaktik mit neurologisch- wissenschaftlichen Befunden zu erweitern bzw. neue Forschungsergebnisse der Pädagogik bereitzustellen. Dabei werde ich explizit auch noch auf die irrtümliche Begriffsgebung der Neurodidaktik eingehen. Die aktuellen Befunde aus der Gehirnforschung lassen demnach ebenfalls neue Kenntnisse in der Didaktik zu, „also der Teildisziplin der Erziehungswissenschaften, die sich unabhängig vom Unterrichtsfach damit beschäftigt, wie Lehren und Lernen am effektivsten funktioniert“ (Friedrich/Preiss 2002, 64).

In meiner Hausarbeit möchte ich zunächst die zwei didaktischen Disziplinen getrennt voneinander in ihren Grundgedanken bzw. –aussagen und im Hinblick auf Konzepte, Ziele und Methoden darstellen. Im späteren Verlauf dieser Arbeit werde ich dann im direkten Vergleich beider Disziplinen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede analysieren, um die neurodidaktisch fundierten Resultate auf ihre Aktualität hin zu überprüfen. So scheint zunächst die 100 Jahre alte Montessori-Pädagogik in ihren Grundzügen der „Neurodidaktik“ sehr ähnlich zu sein, diese These gilt es nun im weiteren Verlauf meiner Hausarbeit zu erörtern.

2. Montessori - Pädagogik

Die Montessori-Pädagogik bietet eine Vielzahl an Lehr- und Lernkonzeptionen, die auf den ersten Blick von einer Fülle pädagogischer Ideen gekennzeichnet sind. Es gibt zahlreiche Literaturangaben zu der Montessori-Pädagogik und ihrer Didaktik, dabei muss jedoch von den Grundgedanken Montessori, den daraus entstandenen Montessori-Schulen sowie dessen individueller Pädagogikkonzeption unterschieden werden. Während letzteres sich über 100 Jahre entwickeln konnte und auch auf unterschiedlichste Weise betrieben wird, ist die ursprüngliche Montessori-Pädagogik seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr weiterentwickelt worden. Trotzdem erhalten die Grundgedanken Montessori eine zunehmende Präsenz in der Bildungsreformpolitik und sind damit wieder hoch aktuell. „Dass Montessoris Konzeption so vielseitig ist und ihr breites, erwiesenermaßen tragfähiges Fundament solche Entwicklungsmöglichkeiten überhaupt bietet, erklärt vielleicht das auch 100 Jahre nicht nachlassende Interesse an ihr. Ihre Entwicklungsfähigkeit verleiht ihr besonderen Reiz und macht die Montessori-Pädagogik für viele einzigartig – weltweit“ (Klein-Landeck 2005, 179).

Zunächst möchte ich die Grundgedanken der Montessori-Pädagogik vorstellen, dazu habe ich den Quellentext von Maria Montessoris – Grundgedanken meiner Pädagogik- aus dem Jahre 1934 hinzugezogen, um aus diesem die wichtigsten Überlegungen zu skizzieren. Im Kapitel Konzept, Ziele und Methoden erweitere ich die Grundgedanken mit den Leitlinien, die sich aus den ursprünglichen Überlegungen Montessoris ableiten, aber auch jene die heute unter der gewandelten Montessori-Pädagogik zu verstehen sind bzw. weitestgehend an Montessori-Schulen praktiziert werden.

2.1 Grundgedanken der Montessori-Pädagogik

„Die Ordnung im Kind wird von außen diktiert, und Gehorsam und Disziplin sind die Folgen der Autorität des Erwachsenen. Wie es um die innere Ordnung bestellt ist, interessiert immer nur dann, wenn ein Kind krank, übernervös oder über das Normalmaß hinaus ungezogen ist“ (Montessori 1934, 5).

Montessori sah zu ihrer Zeit die Pädagogik als eine Erziehungsarbeit an, die vom Erwachsenen ausgeführt und dominiert wurde. Dieser versuchte unentwegt das Kind schnellstmöglich nach seinen Vorstellungen zu formen, bevor es im späteren Alter unbeeinflusst blieb. Er verbietet Fehler und Ungehorsam und hat damit den eigentlichen „Nutzen der pädagogischen Lehre, nicht das Kind“ (Montessori 1934, 5). Diese Beziehung zum Kinde – nämlich die des Objektes der Erziehung – wurde jedoch nicht hinreichend analysiert, denn diese Verbindung stammt aus zwei grundlegend differenzierten Wesenszügen. „Der Erwachsene ist ein willensstarker, herrschender Mensch im Gegensatz zu dem kleinen, unwissenden Kinde, das hilflos seiner Obhut anvertraut ist“ (Montessori 1934, 6). Das Kind kann sich demnach in dieser Objekt-Beziehung nicht entfalten: Es wird zum außersozialem Wesen, da sein inneres Leben nicht weiter beachtet wird. Die Grundlagen der Montessori-Pädagogik stellen also Forderungen an den erwachsenen Erzieher und nicht an das Kind: So sollte dieser erkennen, dass sich die Phase der Kindheit grundlegend mit der des Erwachsenenlebens unterscheidet. „Das Kind trägt nicht die verkleinerten Merkmale des Erwachsenen in sich, sondern in ihm wächst sein eigenes Leben, das seinen Sinn in sich selber hat“ (Montessori 1934, 7). Die Anforderungen an den Erzieher sollten daher sein, dass er die Beziehung zum Kind harmonisch und verständnisvoll gestaltet und dessen Persönlichkeit anerkennt. Denn dann kann er auch die Lernumgebung dem Kinde anpassen und es sich frei entwickeln lassen. „Es ist notwendig, daß der Erwachsene die beiden verschiedenen Lebensrhythmen ordnet und miteinander ausgleicht, daß er die Grenzen begreift, innerhalb deren er pädagogisch handeln darf“ (Montessori 1934, 7). Hierbei betont Montessori besonders die Bescheidenheit und die Geduld, die man in die Erziehung des Kindes stecken müsste, dabei sei der Erwachsene auch dafür verantwortlich äußere Störungen vom Kinde abzuwenden. Beispielsweise dürfen die ersten sprachlichen Äußerungen oder Bewegungen niemals ausgelöscht werden, denn diese tragen das Fundament der zu entwickelnden Persönlichkeit. „Das ganze unbewußte Streben des Kindes geht dahin, sich durch die Loslösung vom Erwachsenen und durch Selbstständigkeit zur freien Persönlichkeit zu entwickeln“ (Montessori 1934, 7). Deshalb muss der Erwachsene einsehen, dass dessen Handlungen oftmals dahin führen, das Kind zu unterdrücken und nicht ihm zu helfen (vgl. Montessori 1934, 5ff.).

Montessori skizziert differenzierte Phasen, die den Leser und vor allem auch die entsprechenden Lehr- bzw. Erziehungspersonen dazu aufrufen sollen, die innere Entwicklung des Kindes besser verstehen zu lernen:

- Die Außenwelt beobachten: In der Epoche des Beobachtens kann der Erwachsene nichts Unmittelbares tun, so entsteht häufig der Fehler des falschen Eingreifens;
- Das Bedürfnis einer Ordnung: Diese dient dem Kind dazu, sich in seiner Außenwelt zurechtzufinden. Dahingehend sol-ten auch hier die Dinge unverändert bleiben, wenn es sich zum Wohle der Kindesentwicklung äußert.
- Gedächtnis der Bewegung: Ferner stört der Erwachsene allzu häufig das Gedächtnis der Bewegung, welches sich das Kind mühsam im Zusammenhang mit verschiedenen Äußerungen angeeignet hat.
- Eigene spontane Bewegungen: Das Kind muss in dieser Phase in der Lage sein, sich ausreichend bewegen zu können, denn nur dann kann es seinen Geist weitestgehend frei entfalten, aufpassen und denken. „Die Bewegung [ist] notwendige Äußerung einer inneren Tätigkeit“ (Montessori 1034, 11).
- Handlungen wiederholen: Auch wenn der Erwachsene den Zweck dieser scheinbar sinnlosen und sehr häufigen Wiederholungen nicht erkennt, so beginnt das Kind diese Tätigkeiten zunächst aus einem bestimmten Zweck, vergisst diesen bald und wiederholt seine Handlungen aus Freude an der Bewegung. Das Kind beendet seine Aktivitäten, wenn sich eine Befriedigung aus der Wiederholung einstellt (vgl. Montessori 1934, 9ff.).

Aus diesen Phasen geht hervor, dass das Kind sich in seiner Arbeitsweise vollkommen von der des Erwachsenen unterscheidet. „Es ist nicht unsere Aufgabe, dem Kind schnelles und zielbewußtes Arbeiten beizubringen“ (Montessori 1934, 12), stattdessen ist es der Auftrag eines Erwachsenen, das Kind in seiner Persönlichkeitsbildung zu stärken, die Handlungen des Kindes (auch wenn sie ein unerkennbares Motiv vertreten) nicht zu belächeln und anerkennen, dass die äußere Umwelt dem Kind dessen natürliche Sinneswahrnehmung bereitet. Infolgedessen sei es die Verpflichtung des Erwachsenen, die äußeren Reize mit geeignetem Material zu ordnen. „Wir bieten dem Kind mit dem Material geordnete Reize an und lehren […] durch eine Ordnung, die im Material liegt und die das Kind sich selbstständig erarbeiten kann“ (Montessori 1934, 13). Die Lernumgebung wird demnach soweit vorbereitet, dass das Kind seine Aktivität selbstständig ausführen kann. Wichtig bleibt dabei allerdings, dem Kind die Freiheit zu geben seine Beschäftigung aus inneren Motiven heraus auswählen zu dürfen, und somit keine aufgedrängte Beschäftigung die innere Entwicklungsphase des Kindes stören kann. Eine derartige Lernumgebung kann laut Montessori dem Kind nun zu einer tiefen Konzentrationsphase verhelfen, welche „von größter Wichtigkeit für das innere Wachstum ist“ (Montessori 1934, 14). Bedauerlicherweise werde jedoch diese Konzentration vom Kinde überall gestört und die eigentliche Arbeit kann vom Kind nicht richtig ausgeführt werden. Montessori bezeichnet die Arbeit als etwas, dass „das kindliche Wesen mit der Umgebung [eint]“ (Montessori 1934, 14). Dabei muss die Arbeit, dem Kinde angepasst und nicht erzwungen werden. Laut Montessori entsteht hier der erste wichtige Arbeitswille, der durch Freiwilligkeit und Freude gekennzeichnet sein sollte. Die Fehlerkontrolle nimmt indessen die Rolle einer gemeinsamen Eigenschaft zwischen Erzieher und Lernenden ein: Das Kind kann durch sein Verlangen der Vollkommenheit seine Handlungen gemeinsam mit dem Erzieher kontrollieren. „Dazu geben wir dann ein intellektuelles Material, das die Darstellung der abstrakten Geistesarbeit des Menschen ist. Mit ihm kann das Kind gemäß seiner Natur arbeiten, es kann seinen Forschungstrieb befriedigen und Kenntnisse erwerben“ (Montessori 1934, 15). Im anderen Falle strebt Montessori klar an, dass Geist und Bewegung im Gegensatz zum passiven Unterrichten nicht getrennt werden dürfen, denn „[d]iese Trennung führt zur Spaltung der kindlichen Persönlichkeit“ (Montessori 1934, 16). Die Bewegung sei eine wichtige Ausdrucksmöglichkeit des Menschen. Maria Montessori fordert infolge dessen, dass eine neue Beziehung zwischen Kind und Erzieher geschaffen und die innere Persönlichkeitsentwicklung des Kindes anerkannt und gefördert werden muss. Gelingt es nicht diese Forderungen durchzusetzen, entsteht in der Beziehung zum Kind der fortlaufende Drang, dieses verbessern zu wollen. Dem Kind wird demnach immer mehr die Chance genommen, seine innere Entwicklung weiter zu formen: So entstehen Symptome psychischer Erkrankungen (beispielsweise Launen, Lügen oder Schüchternheit), die aus dem fehlenden Verständnis für die innere kindliche Entwicklung rühren. Das Montessori-Haus sollte aus diesem Grunde eine Lernumgebung schaffen, die das natürliche Lernen unterstützt, das soziale Gemeinschaftsgefühl stärkt und vor allem die innere Ordnung des Kindes fördert. Demgemäß kann das Kind eine Arbeitsbegeisterung entfalten, die für die innere Entwicklung von entscheidender Bedeutung ist. „Die Vorbereitung der Umgebung und die Vorbereitung des Lehrers sind das praktische Fundament unserer Erziehung“ (Montessori 1934, 20). Die Lehrperson sollte sein Einschreiten begrenzen, denn auch ein zu häufiges Eingreifen kann dem Kind wiederum schaden. „Ein Kind kann sich nur äußern, wenn eine Position der Ruhe, der Freiheit und Ungestörtheit gegeben ist, die nicht durch den Erwachsenen beeinträchtigt wird“ (Montessori 1934, 21). Um dies gewährleisten zu können, darf vom Kind kein Fächerwechsel verlangt werden. Kein festes Programm sollte den Schulalltag prägen: „Wir bemühen uns, die sensitiven Perioden, diese Intervalle der inneren Entwicklung des Kindes, zu erkennen und ihnen in allem gerecht zu werden“ (Montessori 1934, 21). Auch dem Verlangen einer ständigen Aufnahmebereitschaft und der Belehrung durch Worte wird nicht allzu viel Beachtung geschenkt, stattdessen tritt der Lehrer als Rolle des Gehilfen auf: „Er zeigt dem Kind jede Übung mit Freundlichkeit, mit klaren Bewegungen und großer Genauigkeit“ (Montessori 1934, 22). So kann das Kind damit beginnen, freudig und konzentriert zu arbeiten, ohne Schüchternheit oder Angst. Es wird plötzlich beginnen, in seiner Freiheit eine natürliche Bescheidenheit zu entwickeln und die Gebundenheit zu anderen Menschen zu verlieren. Gemäß Montessori wurde damit das normale Kind gefunden, das sich durch sein inneres Gleichgewicht auszeichnet. „Aus einem Naturgeschöpf wird ein Vernunftgeschöpf, das durch Sammlung und Stille zum sozialen Menschen heranwächst, das in der Harmonie des Gedankens und der Bewegung, des freien Willens und der Tat seine sittliche Persönlichkeit bildet“ (Montessori 1934, 24). Montessori weist am Ende ihrer - Grundlagen meiner Pädagogik - darauf hin, dass aus einem Kind, welches in seiner inneren Entwicklung sklavisch gestört wird, kein Erwachsener werden kann, der große Werke verrichten wird (vgl. Montessori 1934, 12ff.).

[...]

Fin de l'extrait de 25 pages

Résumé des informations

Titre
Montessori-Pädagogik und Neurodidaktik im Vergleich
Université
University of Dortmund
Cours
Sprachpraxis in aktuellen interdisziplinären Kontexten
Note
1,3
Auteur
Année
2009
Pages
25
N° de catalogue
V200105
ISBN (ebook)
9783656266846
ISBN (Livre)
9783656267508
Taille d'un fichier
561 KB
Langue
allemand
Mots clés
alter, wein, schläuchen, montessori, pädagogik, neurodidaktik, vergleich
Citation du texte
Julia Bleffert (Auteur), 2009, Montessori-Pädagogik und Neurodidaktik im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/200105

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