Der Kaukasuskrieg 2008 und die Theorien der Internationalen Beziehungen

Eine kritische Analyse


Masterarbeit, 2012

77 Seiten, Note: 1,0

Simon Rietberg (Autor:in)


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

TEIL I: KAUKASUSKRIEG 2008 - URSACHEN, VERLAUF, AKTEURE
1.1 Konfliktgenese
Zur Relevanz ethnischer Identität im (post-) sowjetischen Raum
Getrennte Vorgeschichte
Gemeinsame Geschichte unter sowjetischer Ägide
Postsowjetische Entwicklungen
Im neuen Jahrtausend
Kriegsverlauf
1.2 Die Akteure und ihre Standpunkte
Einleitender Exkurs: Territoriale Integrität vs. Selbstbestimmungsrecht der Völker
Konfliktparteien
Externe Akteure

TEIL II: THEORIEN IM ÜBERBLICK
2.1 Realismus
Hans Morgenthau
Kenneth Waltz
2.2 Liberalismus
Andrew Moravcsik
2.3 Neoliberaler Institutionalismus
Robert Keohane
2.4 Konstruktivismus
Alexander Wendt
2.5 Neo-Gramscianismus
Robert Cox

TEIL III: DIE ANALYSE
3.1 Der Erklärungsansatz des Realismus
Macht
Sicherheit
Ein Ungleichgewicht als Kriegsauslöser?
3.2 Der Erklärungsansatz des Liberalismus
Souveränitätsinteresse als patriotisches Bedürfnis nach nationaler Stärke
Wirtschaftsinteressen
Sicherheitsinteressen
3.3 Der Erklärungsansatz des neoliberalen Institutionalismus
Kooperation
3.4 Der Erklärungsansatz des Konstruktivismus
Die Konstruktion des Selbst und des Anderen
Identitäten und ihre Folgen
3.5 Der Erklärungsansatz des Neo-Gramscianismus
Hegemonie

RESÜMEE

LITERATURVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Georgien im geographischen Kontext1

Einleitung

Der Kaukasuskrieg 20082 (auch Südossetienkrieg, Georgienkrieg, Kaukasischer Fünftagekrieg oder RussischGeorgischer Krieg genannt) war kaum vorüber, da verschwand er auch schon wieder von der Bildfläche. Einige Tage bis wenige Wochen hatten sich die Medien auf ihn gestürzt und ausführlich von der militärischen Auseinandersetzung zwischen Georgien und Russland um die Region Südossetien berichtet. Dann ereilte ihn das Schicksal der meisten Kriege und Katastrophen, die sich entweder abseits der westlichen Hemisphäre abspielen oder nicht „genügend“ Todesopfer fordern. Er geriet in Vergessenheit. In den (westlichen) Medien fristet der Konflikt mittlerweile allenfalls ein Schattendasein, so rar gesät sind dort die Berichte, die sich mit der Lage und den Entwicklungen nach Kriegsende genauer beschäftigen. Dabei spielt der Konflikt um Südossetien trotz seiner Dauer von gerade einmal fünf Tagen und seiner verhältnismäßig geringen Opferzahl eine wichtige Rolle auf der Ebene der internationalen Beziehungen. Es geht um nicht weniger als die Frage nach nationaler Unabhängigkeit - eine Frage, die weitreichende Folgen für andere Nationen mit ebenfalls nach Autonomie oder gänzlicher Unabhängigkeit strebenden Ethnien haben könnte. Dennoch wird dem Kaukasuskrieg 2008kaum mehr Beachtung geschenkt.

Fragestellung, methodische Herangehensweise und Analyseraster

Die vorliegende Arbeit wird sich diesem Konflikt nun genauer widmen. Dabei spielt die Frage, warum dem Konflikt nur noch so wenig (mediale) Aufmerksamkeit zuteil wird, jedoch keine Rolle. Im Zentrum der Analyse steht vielmehr die Frage, wie dieser Konflikt überhaupt entstehen konnte. Warum kam es überhaupt zum militärischen Schlagabtausch zwischen Russland, Südossetien und Georgien? Was sind die Ursachen, die Wurzeln dieses Konflikts? Warum brach er ausgerechnet im August 2008 aus - und nicht zu einem späteren Zeitpunkt? Und wie kam es zu einem Waffenstillstand? Auf diese und weitere Fragen wird die vorliegende Arbeit in kritisch-analytischer Herangehensweise versuchen, Antworten zu finden. Die Arbeit bedient sich dafür der vier vorherrschenden Theorien der Internationalen Beziehungen, des Realismus, des Liberalismus, des neoliberalen Institutionalismus und des Konstruktivismus, und zieht eine vierte hinzu: den Neogramscianismus. Diese Theorie, die auf Ideen Antonio Gramscis zurückgreift, vertritt ein Konzept, das für diesen Konflikt einen ebenfalls sehr interessanten Erklärungsansatz bieten könnte: das der Hegemonie. Wie diese aufgebaut sein muss und welche Auswirkungen ihr Niedergang haben könnte, steht im Zentrum dieser Theorie, die als Alternative zu den herkömmlichen Theorien der Internationalen Beziehungen als weiteres Analyseraster hinzugezogen wurde. Ziel dieser Betrachtung aus fünf verschiedenen Blickwinkeln ist es, dem Leser ein überblickartiges Verständnis der wichtigsten Kausalzusammenhänge des Konflikts zu ermöglichen und gleichzeitig die genannten Theorien auf ihr Erklärungspotential hinsichtlich des Kaukasuskrieges 2008 zu untersuchen.

Forschungsstand

Angesichts der Tatsache, dass der Krieg im Kaukasus noch keine vier Jahre (Stand Juli 2012) vorüber ist, ist die Anzahl umfangreicher Quellen, die sich detailliert mit den Ereignissen des Fünftagekrieges auseinandersetzen, in Grenzen. Hier ist beispielsweise das von Svante E. Cornells und S. Frederick Starrs verfasste Werk The Guns of August 2008 - Russia’s war in Georgia erwähnenswert, da es gerade den Krieg im August 2008 sehr detailliert behandelt. Ansonsten überwiegen Berichte unterschiedlicher Organisationen, die jedoch ebenfalls einen sehr guten Überblick verschaffen und sich für eine kurze Darstellung des Konfliktgeschehens sogar besser eignen, weswegen sie auch als Grundlage dieser Arbeit herangezogen wurden. Was die Konfliktursachen anbelangt, sei auf die sehr gute Zusammenfassung der International Crisis Group (ICG) hingewiesen, die in ihrem Papier „Avoiding the War in Georgia“ - das zwar aus dem Jahre 2004 stammt, jedoch die zugrunde liegenden Konfliktmuster sehr gut veranschaulicht - das Konfliktgeschehen aus verschiedenen Blickwinkeln analysiert. Aber auch das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg macht mit seinem Bericht zum Geschehen, der zwar mit einer weniger umfangreichen, dafür jedoch umso aktuelleren Analyse der Geschehnisse und Vorgeschichte aufwartet, einen sehr guten Eindruck. Schließlich darf aber auch der Bericht der Untersuchungsmission der EU nicht vergessen werden, der insbesondere den Konflikt und seine völkerrechtliche Dimension sehr anschaulich zusammenfasst und eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Konfliktaspekte abdeckt.

Zu den vier Theorien Realismus, Liberalismus, neoliberaler Institutionalismus und Konstruktivismus existiert hingegen eine kaum überschaubare Fülle von wissenschaftlichen Arbeiten, deren Aufzählung in ihrer Gesamtheit den Rahmen dieser Arbeit sicherlich sprengen würde. Daher sei im Folgenden nur auf die exponiertesten Vertreter eingegangen, die durch ihr Schaffen ihre jeweilige Theorie entscheidend geprägt haben. Beim Realismus führt dabei kaum ein Weg an Hans Morgenthau vorbei, der in seinem Werk Macht und Frieden. Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik3 den theoretischen Überbau des Realismus umfassend darlegte und ihn insbesondere gegen den Idealismus abgrenzte. Aber auch Kenneth Waltz darf dabei nicht übergangen werden, legte dieser doch mit seinem Werk Theory of International Politics die Grundlagen des Neorealismus. Was den Liberalismus anbelangt, gilt auf internationaler Ebene Andrew Moravcsik mit seinem Aufsatz „Taking Preferences Seriously - a Liberal Theory of International Politics“, in welchem er versucht, dem Liberalismus eine klare Form zu geben, als einer der wichtigsten Vertreter dieser Theorie. Beim neoliberalen Institutionalismus ist insbesondere auf Robert Keohane zu verweisen, der mit seinem Werk After hegemony: cooperation and discord in the world political economy nicht zuletzt das Fundament dieser Theorie goss. Als wichtigster Vertreter des Konstruktivismus wiederum gilt Alexander Wendt. In seinem Aufsatz „Anarchy is what States Make of it: The Social Construction of Power Politics” macht er deutlich, welche Rolle Identitäten in Konflikten spielen und wie diese entstehen, und versucht, eine Brücke zwischen den Theorien des Liberalismus und (Neo-) Realismus zu schlagen. Der Neogramscianismus hingegen stellt eine Theorie dar, die bisher eher ein Schattendasein fristet. Im Vergleich zu seinen berühmten Pendants scheint es, als sei es dieser Theorie auf internationaler Ebene bisher noch nicht gelungen, sich durchzusetzen. Pionierarbeit hat dabei in erster Linie Robert Cox geleistet, der in zwei Aufsätzen, „Social Forces, States and World Orders: Beyond International Relations Theory” und „Gramsci, hegemony and international relations: an essay in method”, als erster die Ideen Gramscis auf die Ebene der Internationalen Beziehungen hob und zu einer Theorie der Internationalen Beziehungen entwickelte.

Eingrenzung

Verständlicherweise kann ein Konflikt dieses Umfangs in diesem Rahmen nicht in all seinen Facetten abgebildet werden. Um den Umfang der Arbeit nicht zu sprengen, aber auch um die Komplexität des Konfliktes nicht ausufern zu lassen und ein überblickhaftes Verständnis der Geschehnisse nicht weiter zu erschweren, wurden thematische Eingrenzungen vorgenommen. Aus diesem Grund wird im Folgenden nur auf den georgischsüdossetischen Konflikt eingegangen, da der Kaukasuskrieg 2008 insbesondere um das Gebiet Südossetien ausgetragen wurde. Der eng damit verknüpfte georgisch-abchasische Konflikt wird hier bewusst ausgegrenzt. Aus genannten Gründen können im Folgenden auch nur die wichtigsten Konfliktakteure thematisiert werden. Auch auf eine genaue und detaillierte Beschreibung der militärischen Auseinandersetzung wird an dieser Stelle ebenfalls verzichtet, da die daraus gewonnenen Einsichten kaum einen Erkenntnisgewinn für die anschließende Analyse der Kriegsursachen darstellen würden. Gleiches gilt für die Geschehnisse nach Ende des Kaukasuskrieges 2008, die ebenfalls nur bedingt etwas mit der Fragestellung dieser Arbeit gemein haben. Letztlich mussten auch bei den vorzustellenden Theorien Einschränkungen vorgenommen werden. Theoriegeschichte, Schwächen und Stärken und die Vergleichbarkeit der Theorien untereinander können hier nicht bzw. nur am Rande berücksichtigt werden, zumal diese Aspekte thematisch weit über die Arbeit hinausreichen würden.

Aufbau der Arbeit

Teil I der vorliegenden Arbeit beginnt mit einigen, für das Verständnis des Krieges unerlässlichen Bemerkungen zur Konfliktgenese. Dafür wird die Vorgeschichte der beiden Ethnien kurz untersucht, wobei dann das Augenmerk vor allem auf die gemeinsame Geschichte bzw. Interaktion unter russischer bzw. sowjetischer Herrschaft gerichtet wird. Es folgt eine kurze Betrachtung der Kriegshandlungen im Sommer 2008. Um eine genaue Einsicht in die unterschiedlichen Realitätsauffassungen zu ermöglichen, wird dann ein Blick auf die Standpunkte der wichtigsten Akteure, die in den Konflikt direkt oder indirekt involviert sind, geworfen. Mit einer kurzen völkerrechtlichen Betrachtung schließt Teil I.

Teil II widmet sich den verschiedenen Theorien der Internationalen Beziehungen. Dabei werden die wichtigsten Autoren bzw. deren Beiträge zu ihren Theorien kurz vorgestellt. Während beim neoliberalen Institutiona- lismus, Konstruktivismus und Neogramscianismus die wichtigsten Autoren relativ deutlich hervorstechen, ist eine solche Einschätzung beim Realismus deutlich schwieriger. Hier muss daher etwas weiter ausgeholt werden, um auch der Wirkung und Bedeutung des Neorealismus gerecht zu werden - ohne dabei jedoch Konzepte, die in beiden Strömungen eine wichtige Rolle spielen, wie beispielsweise das Mächtegleichgewicht, doppelt zu thematisieren.4

Teil III steht als Analyseteil im Zentrum dieser Arbeit. In diesem Teil wird versucht, die vorgestellten Theorien auf den Konflikt anzuwenden. Hier steht die Frage, welche der in Teil II aufgeführten Theorien die beste Erklärung für den Ausbruch des Kaukasuskrieges 2008 liefert, im Vordergrund. Dabei werden die wichtigsten Konzepte dieser Theorien zu Beginn erneut aufgegriffen, um diese dann auf das Konfliktgeschehen anzuwenden und ihre Fähigkeit, Erklärungen für die anfangs gestellten Leitfragen zu generieren, jeweils in einem Zwischenfazit beurteilen zu können. Um den Analyseprozess plastischer zu gestalten und die unterschiedlichen (Realitäts-) Perspektiven auf den jeweiligen Seiten aufzuzeigen, wird überall dort, wo es sinnvoll erscheint, länderspezifisch5 vorgegangen. Dabei werden auch Bezüge zu bereits angesprochenen Theorien hergestellt, auch wenn dies aus genannten Gründen lediglich am Rande geschieht. Am Ende eines jeden Abschnitts werden in einem Fazit die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst. Anschließend werden Ereignisse thematisiert, die sich aus der Perspektive der jeweiligen Theorie nicht oder nur kaum erklären lassen, bevor schließlich in einer Schlussbemerkung das Erklärungspotential der jeweiligen Theorie eingeschätzt wird. Die Arbeit wird mit einem Resümee, das neben einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse schließlich die Theorien anhand ihrer jeweiligen Erklärungskapazitäten klassifiziert, abgerundet. Mit einem kurzen Ausblick auf offen gebliebenen Forschungsfragen schließt die vorliegende Arbeit.

Teil I: Der Kaukasuskrieg 2008 - Ursachen, Verlauf, Akteure

Bei der Betrachtung der Wurzeln eines bestimmten Territorialkonflikts steht im Normalfall vor allem das Gebiet als solches bzw. die Geschichte menschlicher Interaktion auf diesem im Vordergrund. Eine solche Herangehensweise würde sich in diesem Fall aufgrund der unklaren Faktenlage bezüglich der Frage, wer das Gebiet Südossetien zuerst besiedelt hat, aber auch angesichts rar gesäter Quellen, die Zeugnis über die Entwicklung Südossetiens vor der Neuzeit ablegen, jedoch als schwierig erweisen. Aus diesem Grund wird in diesem Fall mit einer Betrachtung der beiden um das Gebiet Südossetien konkurrierenden Ethnien begonnen, deren jeweilige Vorgeschichte ebenfalls von großer Bedeutung für den vorliegenden Konflikt ist. Teil I dieser Arbeit wird daher im Folgenden, beginnend mit einer kurzen Ausführung zur Relevanz ethnischer Identität, die unterschiedliche Entwicklung der beiden Ethnien offenlegen, um dann ab der Neuzeit vor allem auf die Interaktionen der beiden Entitäten Georgien und Südossetien einzugehen. Dieser historischen Betrachtung folgt eine kurze Übersicht über den Kriegsverlauf im August 2008, bevor danach genauer auf die Standpunkte der unterschiedlichen Parteien eingegangen wird. Abschließend wird dann in einem Fazit versucht, die völkerrechtliche Dimension des Konflikts aus neutraler Perspektive darzustellen.

1.1 Konfliktgenese

Zur Relevanz ethnischer Identität im (post-) sowjetischen Raum

Ethnische Identität, auch Ethnizität genannt, war bereits zu Sowjetzeiten von zentraler identitätsstiftender Bedeutung. Die ethnische Zugehörigkeit, die auch auf Geburtsurkunde und Pass vermerkt war, stellte für viele den wichtigsten Bestandteil der eigenen Identität dar; andere Identitätsmerkmale mit Bezug zu Nation, Religion, Geschlecht oder Hautfarbe traten dieser gegenüber in den Hintergrund. Nicht alle Ethnien der Sowjetunion wurden jedoch gleichbehandelt. Einige Ethnien erhielten ihre eigenen sozialistischen Sowjetrepubliken. Andere wiederum mussten sich mit dem Status einer Autonomen Republik oder gar einer Autonomen Region begnügen. Viele erhielten jedoch gar keine Sonderstellung. Diese Ungleichbehandlung führte zu einer Art „ethnischer Rangordnung“. Da politische Freiheiten zudem Mangelware waren, setzten viele Menschen ihre Hoffnungen auf den politischen Status der eigenen Ethnie. Dieser Status stand in engem Zusammenhang mit der eigenen Kultur, Geschichte und sogar Bevölkerungsgröße, vor allem aber mit der Sprache, über die sich zu Sowjetzeiten eine Ethnie definierte. Um den Status der eigenen Ethnie aufzuwerten, beispielsweise durch das Erreichen gewisser Autonomie, musste man jedoch durch Nachweis der eigenen kulturellen wie sprachliche Authentizität bzw. einer kontinuierlichen Staatstradition in vorsowjetischer Zeit belegen, dass die eigene Ethnie indigene Ursprünge hatte. So wurde selbst die Archäologie zum Politikum.6

Getrennte Vorgeschichte

Auch wenn das Konzept der Ethnie ein7 Konstrukt darstellt, das sich lediglich als grober Orientierungsrahmen, nicht jedoch als absolute, auf jedes Individuum anzuwendende Kategorie versteht und eine genaue ethnische Unterscheidung zwischen Osseten und Georgiern unmöglich ist, ist es angesichts der obigen Ausführungen dennoch unerlässlich, auf die beiden Ethnien genauer einzugehen. Dabei wird deutlich, dass beide zwar gewisse Gemeinsamkeiten aufweisen - beispielsweise die christliche Prägung -, sich im Großen und Ganzen aber deutlich voneinander unterscheiden. Wie bereits angedeutet spielt dabei insbesondere die Sprache eine wichtige Rolle, dient sie doch als Grundlage ethnischer Identität. Während das Ossetische der indoeuropäischen Sprachgruppe angehört, ist die georgische Sprache Teil der kartwelischen oder südkaukasischen Sprachen.8 Insbesondere aber die historische Perspektive offenbart deutliche Unterschiede zwischen beiden Ethnien, auf die nun genauer eingegangen werden soll.

Osseten

Die Wurzeln der Osseten gehen zurück auf die Alanen, die eng mit den Skythen, einem nordiranischen Reitervolk, verwandt sind, welches im 7. Jahrhundert v. Chr. in den zentralen Nordkaukasus auswanderte. Ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. herrschten die alanischen Vorfahren der Osseten über das gesamte heutige Südrussland, ehe die Hunnen sie 374 n. Chr. in den Nordkaukasus abdrängten. Dort gründeten sie im 9. Jahrhundert ihren eigenen Staat. Um 1230 bzw. im späten 14. Jahrhundert wurden die Alanen von den Mongolen bzw. Tamerlan aus den fruchtbaren Tiefebenen des Kaukasus vertrieben und gezwungen, gen Süden in der kaukasischen Gebirgskette Zuflucht zu suchen. Erst im Zuge der russischen Expansion in der Region im späten 18. Jahrhundert wurde es den ossetischen Nachfahren der Alanen, die im Jahre 1774 freiwillig dem Russischen Reich beitraten, schließlich ermöglicht, in die Tiefebenen zurückzukehren.9

Über die Frage, wann genau die Besiedlung des heutigen Südossetien, das lange Zeit unter dem Namen Samatschablo von georgischen Fürsten beherrscht und 1801 als Teil von Georgien dem Russischen Reich einverleibt wurde10, erfolgte, gibt es widersprüchliche Angaben. Beide Konfliktparteien unterscheiden sich hinsichtlich der genauen Datierung beträchtlich11 und ringen diesbezüglich um die Deutungshoheit. Während die georgische Seite davon ausgeht, dass die Besiedlung zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert erfolgte, behaupten südossetische Historiker, dass man selbst mindestens so lange wie die georgische Bevölkerung vor Ort gesiedelt habe. Autoren, die nicht einer der Konfliktparteien angehören, datieren die südossetische Besiedlung hingegen großenteils auf die Zeit der mongolischen Herrschaft12, womit sie sich eher auf die Seite der georgischen Historiographie schlagen.

Georgier

Die Geschichte der Georgier hingegen lässt sich bis in die Prähistorie zurückverfolgen. Im Gegensatz zu den Osseten wurde die proto-georgische Kultur vermutlich nicht im Rahmen einer Völkerwanderung „importiert“, sondern etablierte sich direkt vor Ort. Die Wurzeln des georgischen Gemeinschaftslebens liegen in der Ära der Hethiter, Urartäer und Assyrer. Erstere waren es, die das Gebiet um Georgien gegen Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. eroberten, was zu einer Blüte in der Region und der Entstehung der Kolchis-Kultur im Westen und der Trialeti-Kultur im Osten führte. Ab ca. 1190 v. Chr. geriet der Westen unter phrygischen, der Osten unter assyrischen Einfluss. Im 8. Jahrhundert v. Chr. fielen die Skythen ein, ihnen folgten wenig später die Kimmerer. Im 7. Jahrhundert v. Chr. begann der Aufstieg der proto-georgischen Stämme, wobei östlich von Kolchis das Iberische Reich entstand. Bald darauf drangen die Perser und später Alexander der Große in die Region vor, bevor sich die Römer Georgiens bemächtigten. Es folgten die Perser und Araber, ehe die Begratiden im Hochmittelalter ein Imperium errichtete, das vom Schwarzen bis zum Kaspischen Meer reichte. Unter David dem Erbauer bzw. Königin Tamara war Georgien dabei vom 11. bis 13. Jahrhundert die stärkste Macht in der Region. Diese Blüte war jedoch nur von kurzer Dauer und alsbald zerfiel Georgien erneut in einzelne Fürstentümer, die teils unter persische, teils osmanische Herrschaft gerieten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fielen diese Gebiete der russischen Krone zu, die die einzelnen Fürstentümer wieder vereinte, die georgische Kultur - vor allem Muttersprache, Schrift, Literatur und Religion - jedoch unterdrückte.13

Betrachtung der historischen Zugehörigkeit des heutigen Südossetiens ist aufgrund der sehr dünnen Quellenlage zu diesem Thema nur sehr begrenzt möglich.

Gemeinsame Geschichte unter sowjetischer Ägide

Nachdem sich Georgien 1918 erfolgreich14 von der kurz zuvor gegründeten Sowjetunion lossagen konnte, wurde das Siedlungsgebiet der Osseten15 auseinandergerissen. Bereits zu dieser Zeit kam es zu Auseinandersetzungen zwischen georgischen Menschewiken und südossetischen Bolschewiken. Revolten der Südosseten wurden von georgischer Seite blutig niedergeschlagen. 1921 eroberten die russischen Truppen die ehemalige Kolonie Georgien zurück. Im Jahr darauf wurde Südossetien gegen den Willen der Georgier zum Autonomen Gebiet (Oblast) innerhalb der Georgischen Sowjetrepublik erklärt. Das Misstrauen war groß auf beiden Seiten. Einerseits war man in Georgien der Meinung, den südossetischen Landesgenossen würden Rechte zugestanden, über die man selbst nicht verfüge. Andererseits fühlten sich die Südosseten sowohl wirtschaftlich als auch politisch benachteiligt, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass den Nordosseten 1936 eine Autonome Republik innerhalb der Sowjetunion gewährt worden war, während man selbst in Georgien nur ein Autonomes Gebiet darstellte. 1988 beantragten die Südosseten schließlich den gleichen Status, was jedoch von georgischer Seite abgelehnt wurde. Nur ein Eingreifen der Roten Armee konnte im November 1989 eine Eskalation der Gewalt zwischen beiden Lagern verhindern. 1990 verschlimmerte sich die Lage weiter, als Minderheitenparteien von den georgischen Wahlen ausgeschlossen wurden. Südossetien erklärte sich infolgedessen für vollständig souverän innerhalb der UdSSR und hielt eigene Wahlen ab, wodurch sich die georgische Seite dazu veranlasst fühlte, auch den bisherigen Status Südossetiens für nichtig zu erklären und den Notstand auszurufen.16

Postsowjetische Entwicklungen

Nach Auflösung der Sowjetunion setzte sich der Konflikt unvermindert fort. Im Januar 1990 waren bereits georgische Truppen in Zchinwali, der Hauptstadt Südossetiens, einmarschiert. Ein Jahr voller Chaos und Städtekämpfen war die Folge. Das Eingreifen der Russen ließ die Lage nur noch weiter eskalieren. Ein 1992 in Zchinwali abgehaltenes Referendum machte deutlich, dass eine klare Mehrheit die Sezession bei gleichzeitiger Eingliederung in die russische Föderation befürwortete. Im Juni desselben Jahres, als der Krieg bereits mehrere Tausend Tote gefordert, viele Menschen vertrieben und zu weitreichenden Zerstörungen geführt hatte, unterzeichneten der russische Präsident Boris Jelzin und Eduard Schewardnaze, Präsident Georgiens, in Sotschi ein Waffenstillstandsabkommen. Zusatzprotokolle legten dabei fest, wem die Gebietshoheit über die verschiedenen Teile der abtrünnigen Region überlassen werden sollte. Während Südossetien die Kontrolle über Zchinwali, Java, Snauri und Teile Achalgoris behielt, wurden der georgischen Seite das restliche Gebiet Achalgoris und einige Gebiete um Zchinwali, die überwiegend von Georgiern besiedelt waren, zugewiesen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Aufteilung Südossetiens17

Zudem rief man eine aus russischen, georgischen, nord- und südossetischen Vertretern zusammengesetzte Kontrollkommission ins Leben, die in Zusammenarbeit mit der OSZE die Befolgung des Waffenstillstandsabkommens überwachen, die Rückkehr der Flüchtlinge und den Wiederaufbau gewährleisten und den Dialog zwischen beiden Seiten fördern sollte. Zur Sicherung des Friedens und Wiederherstellung der Ordnung wurde eine aus russischen, georgischen und ossetischen Verbänden bestehende Friedenstruppe gegründet. 1996 unterzeichnete man ferner ein Abkommen, das vertrauensbildende Maßnahmen und eine Demilitarisierung des ehemaligen Kampfgebietes vorsah. Die Verhandlungen im Allgemeinen gestalteten sich jedoch zäh. So blieb trotz verschiedenster Selbstverpflichtungen eine vollständige Lösung des Konflikts aus.18

Im neuen Jahrtausend

Auch im neuen Jahrtausend konnte der Konflikt vorerst nicht ausgeräumt werden. Die Wahl Eduard Kokojtys zum De-facto-Präsidenten bescherte Südossetien 2001 ein autoritäres Regime, das immer stärker auf die Eingliederung des Gebiets in die russische Föderation pochte und gleichzeitig die Glut der antigeorgischen Propaganda schürte. Russland tat sein Übriges dazu, indem es sich verstärkt als Schutzmacht gebärdete, den Rubel vor Ort etablierte, vielen Südosseten die russische Staatsbürgerschaft offerierte und Investitionen vor Ort tätigte. Unter Saakaschwili, der sich 2003 nach zahlreichen Aufständen und manipulierten Wahlen im Rahmen der so genannten „Rosenrevolution“ gegen Schewardnaze durchsetzen konnte, setzte Georgien alles daran, die volle staatliche Souveränität und territoriale Integrität wiederzuerlangen. Eine Kampagne gegen Schmuggel sollte dazu dienen, die Macht der lokalen Behörden in Südossetien zu brechen. Es kam zu den heftigsten Auseinandersetzungen seit dem Waffenstillstand. Nach deren Ende wurde der Waffenstillstand zwar erneuert; das Verhältnis zwischen beiden Seiten hatte jedoch großen Schaden genommen. Im Herbst 2006 etablierte Georgien in Südossetien eine loyale Nebenregierung. Der Dialog zwischen Tiflis und Zchinwali war nun endgültig zum Erliegen gekommen. Saakaschwili benötigte zudem dringend einen Erfolg in der Frage der territorialen Integrität, stand er doch innenpolitisch unter großem Druck. Seine Reformbemühungen waren misslungen, sein Regime galt als autoritär, Demonstrationen entgegnete er gar mit dem Einsatz von Panzern. Der dadurch erklärte Ausnahmezustand führte zu Neuwahlen, die Saakaschwili jedoch knapp in seinem Amt bestätigten. Auch die Entwicklungen im Kosovo setzten Georgien unter Druck. Dessen erfolgreiche Loslösung von Serbien lieferte den Sezessionisten Argumente für die eigene Unabhängigkeit. Russland, das die Unterstützung der Unabhängigkeitsbewegung im Kosovo durch den Westen als Affront auffasste, verstärkte infolgedessen seine Zusammenarbeit mit den südossetischen Behörden und stockte seine Truppen vor Ort auf. Neben den üblichen Manövern georgischer Verbände auf der einen Seite und russischer Truppen auf der anderen Seite des Kaukasus stieg die Kriegswahrscheinlichkeit aber auch aufgrund vermehrter bewaffneter Übergriffe, Anschläge und Gefechte, für die beide Seiten sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe schoben. Dies blieb auch Vertretern anderer Regierungen nicht verborgen. Deren diplomatische Versuche, einen offenen Schlagabtausch doch noch zu vermeiden, blieben jedoch erfolglos.19

Kriegsverlauf

In der Nacht vom 7. auf den 8. August 2008 griffen georgische Verbände Zchinwali und dessen Umgebung an. Damit brachen die Feindlichkeiten zwischen beiden Lagern offen aus. Russlands Antwort auf die georgische Militäroperation ließ nicht lange auf sich warten. Die russische Luftwaffe flog bereits am Tag darauf Angriffe auf verschiedene georgische Ziele, u.a. Zentralgeorgien, aber auch die auf die Hauptstadt Tiflis und den Hafen Poti. Neben der Luftwaffe schalteten sich auch die Artillerie und die russische Schwarzmeerflotte ein, die beide ebenfalls Ziele in Georgien beschossen. Der Vorstoß georgischer Truppen in südossetisches Gebiet wurde schnell gestoppt. Bereits am 10. August erklärten die georgischen Truppen einen einseitigen Waffenstillstand, der jedoch auf russischer Seite nicht auf Gehör stieß. Spätestens in der Nacht vom 10. auf den 11. August hatten sich alle georgischen Truppen aus Südossetien zurückgezogen. Russische Truppen drangen dennoch in georgisches Territorium ein und errichteten Brückenköpfe u.a. in Gori und Poti. Zudem besetzten abchasische Truppen mit russischer Unterstützung das Kodorital, dessen Bevölkerung zuvor von georgischer Seite evakuiert worden war. Am 12. August wurde schließlich ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet.20 In nur fünf Tagen hatte die Auseinandersetzung ca. 850 Zivilisten und Soldaten das Leben gekostet und zu 2.300 bis 3.000 Verletzten geführt21 ; die Anzahl der Vertriebenen lag bei ca. 138.000.22

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Der Kriegsverlauf23

1.2 Die Akteure und ihre Standpunkte

Einleitender Exkurs: Territoriale Integrität vs. Selbstbestimmungsrecht der Völker

Für das Konfliktverständnis sind neben den historischen Ereignissen auch die Standpunkte und Realitätsauffassungen der jeweiligen Konfliktakteure von Bedeutung. In dieser Hinsicht dürfte es kaum überraschend sein, dass letztere sich von Partei zu Partei stark unterscheiden. Dabei spielen zwei nur schwerlich zu vereinbarende Grundsätze des Völkerrechts eine wichtige Rolle: die territoriale Integrität und das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Während Ersterer, vor allem in Artikel 2, Absatz 4 der UN-Charta24 verankert, besagt, dass das Hoheitsgebiet eines Staates und seine Grenzen unverletzlich sind und, sieht das Selbstbestimmungsrecht der Völker vor, dass diese frei über ihren politischen Status und die Verwirklichung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung befinden dürfen. Dieser Grundsatz ist u.a. in Artikel 1 des Paktes für Bürgerliche und Politische Rechte bzw. des Paktes für Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte25 festgesetzt. Auch die Erklärung der Vereinten Nationen über freundschaftliche Beziehungen geht in eine ähnliche Richtung:

Die Gründung eines souveränen und unabhängigen Staates, die freie Assoziation mit einem unabhängigen Staat, die freie Eingliederung in einen solchen Staat oder der Eintritt in einen anderen, durch ein Volk frei bestimmten politischen Status sind Möglichkeiten der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts durch das betreffende Volk.26

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker entstammt jedoch in erster Linie dem kolonialen Kontext und war vor allem an Nationen gerichtet, deren Siedlungsgebiete einst Kolonien anderer Länder darstellten. Außerhalb dieses Kontextes ist die Bedeutung dieses Prinzips deutlich schwammiger und ist umstritten.27 Im Grunde genommen existiert keine völkerrechtliche Norm, die ein Anrecht auf Unabhängigkeit gezielt bejaht oder verneint.28 Entsprechend wird der oben zitierte Absatz einige Zeilen später relativiert:

Die vorstehenden Absätze sind nicht so auszulegen, als ermächtigten oder ermunterten sie zu Maßnahmen, welche die territoriale Unversehrtheit oder die politische Einheit souveräner und unabhängiger Staaten, die [] eine Regierung besitzen, welche die gesamte Bevölkerung des Gebiets ohne Unterschied der Rasse, des Glaubens oder der Hautfarbe vertritt, ganz oder teilweise auflösen oder beeinträchtigen würden.29

Einzig und allein im Falle einer Diskriminierung der Sezessions- oder Autonomiebewegungen verwirken Staaten also ihr Recht auf territoriale Integrität. Das Selbstbestimmungsrecht kann dabei als Notwehrrecht bezeichnet werden, das notfalls auch den Einsatz von Gewalt legitimiert. Dabei handelt es sich jedoch um eine absolute Ausnahme.30 In anderen Fällen dürfte sich dieses Recht nur schwer durchsetzen lassen. Letztlich spielt aber noch ein weiteres völkerrechtliches Gebot eine Rolle: das der friedlichen Streitbeilegung. Dieses besagt, dass bei einer Sezession grundsätzlich auf Gewalt verzichtet werden muss und für politische Verständigung zwischen den Parteien zu sorgen ist31, was im vorliegenden Fall klar missachtet wurde.

Konfliktparteien

Georgien

Im Zentrum der georgischen Forderungen steht vor allem ein Aspekt: der der territorialen Integrität. Georgien macht immer wieder deutlich, dass es ein Recht auf die Unverletzlichkeit der eigenen Grenzen und des eigenen Staatsgebietes habe. Abgesehen davon sei eine Unabhängigkeit der Region Südossetien ohnehin unrealistisch, da das Gebiet wirtschaftlich nicht auf eigenen Beinen stehe. Die georgische Bevölkerung vor Ort und die Tatsache, dass Russland und Südossetien durch gerade einmal eine Hauptverkehrsstraße miteinander verbunden sind, werden von georgischer Seite ebenfalls als Argumente gegen die Unabhängigkeit der Region angeführt. Zudem stelle der Kaukasus eine natürliche Grenze dar, die einer Vereinigung von Nord- und Südossetien im Weg stehe. Was den Krieg selbst anbelangt, spricht man in der offiziellen Stellungnahme Georgiens gegenüber der EU-Mission von einer „umfangreichen Invasion“32 bzw. Aggression Russlands, was einen „unerhörten Bruch der politischen Souveränität und territorialen Integrität Georgiens“33 darstelle. Eine Resolution des Sicherheitsrats habe nicht vorgelegen, auch von einem unmittelbar bevorstehenden Angriff Georgiens auf das Territorium könne kaum die Rede gewesen sein. Der von Russland angeführte Genozid, den Georgier im Konfliktgebiet verübt hätten, sei einzig und allein „Propaganda“34, die dazu gedient habe, das brutale Vorgehen russischer und südossetischer Verbände gegen Georgier zu rechtfertigen. Zudem sei das Recht auf den Schutz der eigenen Bevölkerung im Ausland international nicht zweifelsfrei anerkannt. Russland habe die südossetische Bevölkerung ohnehin nur durch die Verteilung russischer Pässe künstlich zu eigenen Staatsbürgern gemacht, um einen „Vorwand für eine militärische Intervention“35 zu kreieren. Auch das Argument, man habe die eigenen Friedenstruppen vor Ort schützen wollen, sei nur ein Vorwand gewesen. Das eigene Vorgehen hingegen bezeichnet man als „verhältnismäßige, notwendige und vollständig gerechtfertigte Anwendung des üblichen und auf der UN-Charta basierenden Rechts auf Selbstverteidigung“36.37

Russland

Russland ist eine von vier Nationen, die die Unabhängigkeit Südossetiens bereits anerkannt haben.38 Um diese zu rechtfertigen, bezieht sich Russland immer wieder auf den Kosovo und dessen Unabhängigkeit39 auch wenn man über Jahrzehnte die Ansicht vertrat, die territoriale Integrität eines Staates habe Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Völker.40

Die eigene militärische Intervention legitimiert Russland in der Stellungnahme gegenüber der EU-Mission mit der angeblichen Aggression Georgiens, welches „friedliche südossetische Bürger und russische Friedenstruppen“41 angegriffen und dort einen Genozid verübt habe. Damit sei der Eingriff angesichts des in Artikel 51 der UN-Charta42 festgelegten Selbstverteidigungsrechts völkerrechtskonform gewesen. Das damit verbundene Anliegen habe man zudem unmittelbar nach Ausbruch des Krieges vor den Sicherheitsrat gebracht. Georgien wirft man vor, die zur Verfügung stehenden friedlichen Mittel der Streitbeilegung nicht ausreichend ausgereizt zu haben, denn es habe Möglichkeiten gegeben „die Frage nach Georgiens territorialer Integrität auf zivilisierte Weise anzugehen“43. Beratung und die Lieferung von Waffen durch die NATO und Kiew hätten „dazu beigetragen, den militaristischen Trend in der Politik der georgischen Regierung zu verstärken“44. Zudem habe man Russlands Warnungen hinsichtlich eines bevorstehenden Ausbruchs des Konflikts kein Gehör geschenkt.45

Südossetien

Südossetien liegt mit seiner Position erwartungsgemäß ganz auf einer Wellenlänge mit Russland. Seit 1989 macht man sich für zwei verschiedene Optionen stark: vollständige nationale Unabhängigkeit und internationale Anerkennung einerseits oder Eingliederung in die Russische Föderation andererseits. Man legitimiert diese Ansicht mit dem Verweis auf das Recht auf Selbstbestimmung und die Wiedervereinigung Deutschlands. Auch auf die enge Zusammenarbeit mit Nordossetien verweist man gerne. Insgesamt verspricht man sich von der Eingliederung in die Russische Föderation eine bessere Wahrung der eigenen Rechte.46 Was den Krieg selbst angeht, sieht auch Südossetien die Schuld an dessen Ausbruch auf Seiten der Georgier, die durch Aggression, Provokationen, Kriegstreiberei und ähnliche Feindseligkeiten dem Krieg den Weg geebnet hätten.47 Eduard Kokojty sprach von „Unmenschlichkeit und Aggression“48 auf georgischer Seite. Der Angriff sei völkerrechtswidrig erfolgt, „beinahe alle NATO-Mitgliedstaaten“49 hätten zudem „Waffen geliefert und die georgische Armee vorbereitet, einschließlich der Ukraine und Israel“50. Doch selbst als klar gewesen sei, dass Georgien zum Krieg rüstete, habe man nicht mobilgemacht, um nicht als Kriegstreiber da zustehen. Auf südossetischer Seite sei dabei alles getan worden, „um dieses Szenario [das eines Krieges] zu vermeiden“51.52

Externe Akteure

NATO und EU

Im Westen stieß das Vorgehen Russlands hingegen großenteils auf Ablehnung. Jaap de Hoop Scheffer, Generalsekretär der NATO, sprach von einem „exzessiven und unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt“ gegenüber Georgien.53 Viele Mitgliedstaaten des Bündnisses äußerten sich ähnlich. US-Präsident George W. Bush, in dessen Amtszeit georgische Truppen von Amerikanern ausgebildet und mit Material versorgt wurden54, bezeichnete die Gewalt in Georgien als „inakzeptabel“ und sprach ebenfalls von einer „unverhältnismäßigen Reaktion“ Russlands.55 Insbesondere die baltischen Staaten und Polen verurteilten als ehemals besetzte Nationen Russlands Vorgehen scharf und gingen gar dazu über, die Zusammenarbeit mit Russland in Frage zu stellen.56 Andere Mitgliedstaaten der NATO bzw. EU, die bereits seit 1997 durch Finanzhilfen am Wiederaufbau der Infrastruktur in der Konfliktregion beteiligt war57, machten ebenfalls deutlich, dass sie Russlands Auftreten ablehnten. Angela Merkel bezeichnete das russische Vorgehen als „zum Teil [] unverhältnismäßig“ und betonte, dass die territoriale Integrität Georgiens stets der Ausgangspunkt zur Lösung des Konflikts sein müsse.58 Der britische Außenminister David Miliband erklärte, Russland würde durch sein Vorgehen die ohnehin schon angespannte Lage in der Region weiter verschlimmern, und machte gleichzeitig deutlich, dass man an Georgiens territorialer Integrität nicht rütteln werde.59 Sein französisches Pendant, Bernard Kouchner, bezog ebenfalls Stellung und bezeichnete Russlands Position als „außerhalb des Völkerrechts“.60 Zurückhaltender war hingegen das Auftreten des italienischen Außenministers Franco Frattini, der vor einer „antirussischen Koalition Europas“ warnte.61 Auch der spanische Außenminister Moratinos vermied eine klare Stellungnahme und erklärte, der Bruch des Olympischen Friedens62 sei bedauernswert.63 Im Großen und Ganzen überwog jedoch eine russlandkritische Haltung.

Internationale Organisationen

Die OSZE, die seit 1992 ein Büro vor Ort unterhält und hauptsächlich zur Vermittlung zwischen den Parteien, aber auch zur Förderung von Demokratie und Rechtstaatlichkeit in Georgien aktiv ist64, übte scharfe Kritik am georgischen Vorgehen. Konkret wirft man Tiflis vor, den Krieg gegen Südossetien intensiv vorbereitet zu haben, bevor russische Panzer die Grenze nach Südossetien überschritten. Zudem ist von möglichen georgischen Kriegsverbrechen die Rede. Man habe den Befehl gegeben, südossetische Zivilisten zur Schlafenszeit anzugreifen.65 Die Organisation warb aber auch um Verständigung. „Die Wahrheit besteht darin, dass beide Seiten zur Überwindung des Konflikts einander entgegen kommen müssen“66, sagte Herbert Salber, Direktor des Krisenpräventionszentrums der OSZE in Wien. Hinsichtlich der Frage der Unabhängigkeit bezeichnete er seine Organisation als neutral. Die OSZE könne keine klare Haltung dazu haben, welchen Status die beiden abtrünnigen Republiken erhalten sollten.67 Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon nahm Stellung. Bereits einen Tag vor Ausbruch des Krieges hatte er seine Besorgnis über die zunehmende Gewalt in Südossetien zum Ausdruck gebracht.68 Eine eilig einberufene Sitzung des Sicherheitsrates brachte jedoch kein Ergebnis, da man sich nicht auf eine gemeinsame Stellungnahme einigen konnte.69 Viele Hilfsorganisationen äußerten sich ebenfalls sehr besorgt. Caritas Internationalis, deren Ableger Caritas Georgia vor Ort aktiv ist, rief beide Seiten dazu auf, auf kriegerische Mittel zu verzichten, das Leben von Zivilisten zu schützen und die Rechte von Minderheiten zu wahren.70 Auch Human Rights Watch71 und das Internationale Rote Kreuz72 appellierten an beide Seiten, Übergriffe auf Zivilisten zu vermeiden. Auf eine einseitige Verurteilung einer der Kriegsparteien verzichteten die Hilfsorganisationen jedoch.

Fazit

Eine neutrale Einschätzung der Schuldfrage gestaltet sich angesichts der zahlreichen unterschiedlichen Ansichten schwierig. Nicht nur russische, georgische und südossetische Quellen unterscheiden sich bei der Beurteilung der Geschehnisse. Auch unabhängige Beobachter sind dabei nicht immer einer Meinung. Die Untersuchungsmission der EU, deren Expertise hier herangezogen werden soll, kommt zu dem Schluss, dass der georgische Angriff auf Südossetien völkerrechtswidrig war. Georgien habe sich in verschiedenen Dokumenten dazu verpflichtet, in der Region auf Gewalt zu verzichten. Ein Angriff in einem solchen Ausmaß sei weder verhältnismäßig noch notwendig gewesen. Demgegenüber könnten die Maßnahmen, die Südossetien zu seiner Verteidigung ergriff, als völkerrechtskonform eingestuft werden - nicht aber seine Übergriffe auf georgisches Territorium. Auch der Angriff Georgiens auf russische Friedenstruppen sei nicht gerechtfertigt gewesen, da es keine Beweise gegeben habe, die einen bevorstehenden Angriff russischer Truppen belegt hätten. Was das russische Vorgehen anbelangt, kommt die Mission zu dem Ergebnis, dass die Verteidigung russischer Friedenstruppen rechtmäßig, der russische Übergriff auf georgisches Kernland jedoch großenteils unverhältnismäßig und damit völkerrechtswidrig gewesen sei. Das Argument, man sei in Südossetien einmarschiert, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, könne zudem nicht aufrechterhalten werden, da die Legalität humanitärer Einsätze international einerseits sehr umstritten sei und andererseits Russland durch seinen kontinuierlichen Widerstand gegen solche Einsätze sein Anrecht, einen solchen Einsatz durchzuführen - zumal in einem strategisch wichtigen Nachbarland - verwirkt habe. Darüber hinaus habe bereits das Androhen von Gewalt auf beiden Seiten gegen geltendes Völkerrecht verstoßen.73

[...]


1 Spiegel Online (2008): „Konflikt im Kaukasus. Alle Artikel und Hintergründe“, spiegel.de, 08.08., URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,grossbild-1264499-570883,00.html (abgerufen am 01.05.2012).

2 Um Verwechslungen mit anderen Konflikten in der Region bzw. dem georgisch-südossetischen Krieg zu Beginn der 1990er Jahre zu vermeiden, wird stets auch das Jahr des Krieges erwähnt.

3 Genaue Angaben zu den hier vorgestellten Werken, aber auch zu allen anderen, im Laufe der Arbeit verwendeten Quellen finden sich im Literaturverzeichnis am Ende dieser Arbeit.

4 Aufgrund der Tatsache, dass Waltz im Gegensatz zu Morgenthau eine eigene Theorie des Mächtegleichgewichts konstruiert, wird den Ausführungen Waltz‘ Vorrang vor denen Morgenthaus eingeräumt.

5 Um die Begrifflichkeiten in diesem Fall nicht allzu sehr auszuweiten, fällt darunter auch Südossetien, auch wenn dieses bisher von der überwiegenden Mehrheit der Staaten noch nicht als Land bzw. Staat anerkannt worden ist.

6 Vgl. Shnirelman, Victor A. (2003): „Inventing the Alans. Origins of the People, and Politics in the Northern Caucasus”, in: Keiko Sakai (Hrsg.): Social Protest and Nation-Building in the Middle East and Central Asia, Chiba: Institute for Developing Economies, S. 57-58, 62.

7 Der Begriff „getrennt“ soll lediglich darauf hinweisen, dass sich beide Ethnien bis zur russischen Eroberung mehr oder weniger unabhängig voneinander entwickelten und keinesfalls den engen Kontakt aufwiesen, der spätestens ab dem 20. Jahrhundert prägend für ihre Beziehungen sein sollte. Dass dabei dennoch ein gewisser kultureller und ökonomischer Austausch möglich gewesen ist, soll damit jedoch keinesfalls ausgeschlossen werden.

8 Vgl. ebd., S. 59.

9 Vgl. AG Friedensforschung (2006): „Die lange Geschichte des georgisch-ossetischen Konflikts. Eine kurze Chronik vom 9. Jahrhundert bis heute“, ag-friedensforschung.de, 12.10., URL: http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Georgien/ossetien.html (abgerufen am 06.03.2012); Hofmann, Tessa (2010): „Aus Tränen baut man keinen Turm. Dschawacheti, Südossetien, Abchasien: Portraits der (vorläufig) gescheiterten Integration“, in: Matthias T. Vogt / Jan Sokol / Dieter Bingen / Jürgen Neyer / Albert Löhr (Hrsg.): Die Fremde als Bereicherung, Frankfurt a. M.: Peter Lang, S. 309; Klimow, Georgij A. (1994): Einführung in die kaukasische Sprachwissenschaft, aus dem Russischen von Jost Gippert, Hamburg: Buske, S. 21.; Shnirelman (2003): „Inventing the Alans“, a.a.O., S. 59; Potier, Tim (2001): Conflict in Nagorno-Karabakh, Abkhazia and South Ossetia. A Legal Appraisal, Den Haag: Kluwer Law International, S. 12; Wagner, Hans (2004): „Die Skythen“, eurasischesmagazin.de, 23.01, URL: http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/?artikelID=20040106 (abgerufen am 11.04.2012).

10 Vgl. Gumppenberg, Marie von / Steinbach, Udo (2008): Der Kaukasus: Geschichte - Kultur - Politik (= Becksche Reihe), München: C.H. Beck, S. 125; Potier (2001): Conflict in Nagorno-Karabakh, Abkhazia and South Ossetia, a.a.O., S. 12; eine genauere

11 Vgl. ICG (2004): Georgia: Avoiding War in South Ossetia. Europe Report, N°159, 26.11, S. 2.

12 Vgl. u.a. Potier (2001): Conflict in Nagorno-Karabakh, Abkhazia and South Ossetia, a.a.O., S. 12; Hofmann (2010): „Aus Tränen baut man keinen Turm”, a.a.O, S. 309.

13 Vgl. Ehrke, Jürgen (2001): Zur Stabilisierung fragmentierter Staaten. Dezentralisierung, Entwicklungszusammenarbeit und das Gespenst des Separatismus, Potsdam: Universitätsverlag, S. 242; Lang, David M. (1966): The Georgians (=Ancient Peoples and Places, Band 51), London: Thames and Hudson, S. 20, 29; Quiring, Manfred (2009): Pulverfass Kaukasus. Konflikte am Rande des russischen Imperiums, Berlin: C.H. Links, S. 41; Paitschadse, David (1995): „Bemerkungen zur Geschichte Georgiens”, in: Uwe Halbach / Andreas Kappeler (Hrsg.): Krisenherd Kaukasus (= Nationen und Nationalitäten in Osteuropa, Band 2), Baden-Baden: Nomos, S. 53-54; Ehrke (2001): Zur Stabilisierung fragmentierter Staaten, a.a.O., S. 242-243; Suny, Ronald G. (1994): The Making of the Georgian Nation, Stanford: Indiana University Press, S. 5-14.

14 Da beide Ethnien nach der Eroberung durch die Russen im Vergleich zu den Jahrhunderten zuvor relativ ähnliche historischen Entwicklungen durchlebten und ihre jeweilige Historie ab diesem Zeitpunkt zudem nur mit der jeweils anderen verschränkt zu verstehen ist, wird im Folgenden auf eine getrennte Betrachtung verzichtet. Der Fokus der nun folgenden Betrachtung liegt insbesondere auf der gegenseitigen Interaktion bzw. Beeinflussung, da nur so die Wurzeln des Konflikts verstanden werden können. Auf eine genaue Analyse historischer Ereignisse, die nur eine Ethnie betreffen, wird daher im Gegensatz zu den vorherigen Abschnitten verzichtet.

15 Dass der südliche Teil Ossetiens völkerrechtlich betrachtet auch damals schon zu den Vorgängerstaaten des heutigen Georgien gehörte, soll dabei nicht übergangen werden.

16 Vgl. IFSH (2008): Der Kaukasuskrieg 2008. Ein regionaler Konflikt mit internationalen Folgen, Hamburger Informationen zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik, N° 45, Dezember, S. 6; ICG (2004): Georgia: Avoiding War in South Ossetia, a.a.O., S. 3.

17 Wikimedia Commons (2010): „Südossetien. Von Georgien kontrollierte Gebiete 2007“, wikimedia.org, 18.02., URL: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fc/S%C3%BCdossetien_2007_2.png (abgerufen am 01.05.2012).

18 Vgl. ICG (2004): Georgia: Avoiding War in South Ossetia, a.a.O., S. 3-5.

19 Vgl. IFSH (2008): Der Kaukasuskrieg 2008, a.a.O., S. 7-9; ICG (2004): Georgia: Avoiding War in South Ossetia, a.a.O., S. 3-5, 9; Dabei dürfte der Westen eine Mitschuld am Krieg in Südossetien tragen. Neben mangelnder Krisenprävention und geringem Interesse für die Konflikte im Kaukasus waren es aber vor allem Entscheidungen wie die Kündigung des ABM-Vertrags, der Irakkrieg und die NATO-Osterweiterung, aber auch das amerikanische Raketenabwehrsystem und die geplante Eröffnung von Stützpunkten in südosteuropäischen NATO-Staaten, die Russland provozierten. Auch die Anerkennung des Kosovo hat für Russlands Vorgehen eine entscheidende Rolle gespielt. Kurz vor dem Ausbruch des Konflikts war es aber in erster Linie die NATO-Konferenz in Bukarest, bei der Georgien und der Ukraine die Möglichkeit einer Mitgliedschaft im Verteidigungsbündnis eingeräumt wurde. Dies dürfte sowohl auf georgischer als auch auf russischer Seite die Bereitschaft zum Krieg vergrößert haben, vgl. ebd., S. 9-10.

20 IIFFMCG (2009): Report Vol. 1, September, S. 10-11, 19-21.

21 Auf georgischer Seite: 412 Tote / 1.747 Verwundete (georgische Angaben), über 3.000 Tote (russische Angaben); auf russischer Seite: 70 Tote / 283 Verwundete (russische Angaben), über 400 (georgische Angaben); auf südossetischer Seite: 162 Tote / 255 Verwundete (russische Angaben), 365 Tote (südossetische Angaben). Vgl. IIFFMCG (2009): Report Vol. 2, a.a.O., S. 223-224.

22 Vgl. ebd.

23 Wikimedia Commons (2009): „Kaukasuskonflikt 2008“, wikimedia.org, 31.05., URL: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/63/2008_South_Ossetia_war_de.svg (abgerufen am 01.05.2012).

24 Dieser lautet: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt..“ Vgl. Schwartmann, Rolf (2007): Völker- und Europarecht: Mit WTO-Recht und Zusatztexten im Internet, 4. neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Heidelberg: Müller, S. 5.

25 Er besagt: „Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.“ Vgl. Schwartmann (2007): Völker- und Europarecht, a.a.O., S. 173.

26 Vereinte Nationen (1970): „2625 (XXV). Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen“, un.org, 24.10., URL: http://www.un.org/depts/german/gv-early/ar2625.pdf (abgerufen am 06.03.2012).

27 Vgl. Müllerson, Rein A. (2005): International law, rights and politics (=The new international relations series), London/New York: Routledge, S. 62-65.

28 Vgl. Ipsen, Knut (2004): Völkerrecht, 5., völlig neu bearb. Aufl. des von Eberhard Menzel begründeten Werkes, München: C.H. Beck, S. 423.

29 Vereinte Nationen (1970): „2625 (XXV).“, a.a.O.

30 Vgl. Ipsen (2004): Völkerrecht, a.a.O., S. 422.

31 Vgl. IFSH (2008): Der Kaukasuskrieg 2008, a.a.O., S. 8.

32 IIFFMCG (2009): Report Vol. 2, a.a.O., S. 186; Zitate aus fremdsprachlichen Quellen wurden vom Verfasser dieser Arbeit übersetzt.

33 Ebd.

34 Ebd., S.187.

35 Ebd.

36 Ebd., S. 188.

37 Vgl. ebd., S. 186-188.

38 Daneben haben auch Nauru, Nicaragua und Venezuela die abtrünnige Region völkerrechtlich anerkannt, vgl. Auswärtiges Amt (2012): „Russische Föderation: Außenpolitik“, auswaertiges-amt.de, Mai, URL: http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Aussenpolitik_node.html (abgerufen am 24.06.2012).

39 Warum dieser Vergleich nur schwer zu ziehen ist und Russland sich damit in Widersprüche verstrickt, beschreiben u.a. Stefan Kornelius in der Süddeutschen Zeitung, vgl. Kornelius, Stefan (2008): „Konflikt um Georgien. Kein Kosovo im Kaukasus“, sueddeutsche.de, 18.08., URL: http://www.sueddeutsche.de/politik/konflikt-um-georgien-kein-kosovo-im-kaukasus-1.579967 (abgerufen am 06.03.2012), und Cyrill Steiger, vgl. Steiger, Cyrill (2008): „Südossetien ist nicht Kosovo. Fragwürdige Parallelen, markante Unterschiede und unzulässige Gleichsetzungen“, nzz.de, 29.08., URL: http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/suedossetien_ist_nicht_kosovo_1.817400.html (abgerufen am 06.03.2012).

40 Vgl. IFSH (2008): Der Kaukasuskrieg 2008, a.a.O., S. 11. Eine Position, die nicht ohne Risiko ist. Insbesondere die unklare Haltung Russlands bei der Frage, welchem Grundsatz nun Vorrang einzuräumen sei - der territorialen Integrität oder dem Selbstbestimmungsrecht der Völker - dürfte sich negativ auf die eigenen ethnischen Konflikte innerhalb der Staatsgrenzen des Riesenreichs auswirken. Zu nennen sind dabei in erster Linie die Tschetschenen, die von Moskau nach wie vor gewaltsam an einer Sezession gehindert werden. Sie dürften nach dem Umschwenken Russlands hellhörig geworden sein, stellt Russlands Umdenken in der Außenpolitik doch einen willkommenen Präzedenzfall dar, den man argumentativ für die eigene Sache ausschlachten könnte.

41 IIFFMCG (2009): Report Vol. 2, a.a.O., S. 188.

42 Dieser besagt: „Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.“; Schwartmann, Rolf (2007): Völker- und Europarecht, a.a.O., S. 15.

43 Ebd., S. 189.

44 Ebd.

45 Vgl. ebd, S. 188-190; 221.

46 Vgl. ICG (2004): Georgia: Avoiding War in South Ossetia, a.a.O., S. 7-8.

47 Vgl. IIFFMCG (2009): Report Vol. 2, a.a.O., S. 191-195.

48 Ebd.

49 Ebd.

50 Ebd.

51 Ebd.

52 Ebd.

53 Vgl. European Jewish Press (2008): „NATO infuriates Russia by condemning 'excessive use of force' in Georgia”, ejp.org, 13.08., URL: http://www.ejpress.org/article/29327 (abgerufen am 23.03.2012); Zitat ebd.

54 Vgl. ICG (2004): Georgia: Avoiding War in South Ossetia, a.a.O., S. 18.

55 Vgl. The Economic Times (2008): „Bush says violence in Georgia is unacceptable”, economictimes.com, 11.08., URL: http://articles.economictimes.indiatimes.com/2008-08-11/news/28396168_1_south-ossetia-georgian-president-mikhail- saakashvili-georgian-people (abgerufen am 23.03.2012); Zitat ebd.

56 Vgl. Offizielle Webseite des estnischen Präsidenten (2008): „Joint Declaration of Estonian, Latvian, Lithuanian and Polish Presidents on the situation in Georgia”, president.ee, 09.08., URL: http://www.president.ee/en/media/press-releases/1721-joint- declaration-of-estonian-latvian-lithuanian-and-polish-presidents-on-the-situation-in-georgia/index.html (abgerufen am 23.03.2012).

57 Vgl. ICG (2004): Georgia: Avoiding War in South Ossetia, a.a.O., S. 19-20.

58 Vgl. Spiegel Online (2008): „Georgien-Krise. Merkel redet Medwedew ins Gewissen“, spiegel.de, 15.08., URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,572360,00.html (abgerufen am 23.03.2012); Zitat ebd.

59 Vgl. The Telegraph (2008): „Russia inflames Georgia crisis by recognizing separatist republics”, telegraph.co.ok, URL: http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/europe/georgia/2626019/Russia-inflames-Georgia-crisis-by-recognising-separatist- republics.html (abgerufen am 23.03.2012).

60 Vgl. TF1 News (2008): „Géorgie: la Russie ‚hors la loi internationale’“, lci.tf1.fr, 27.08., URL : http://lci.tf1.fr/monde/europe/2008- 08/la-russie-hors-la-loi-internationale-4906329.html (abgerufen am 23.03.2012); Zitat ebd.

61 Vgl. La Stampa (2008): „Frattini: ‚Tregua subito, ma Mosca non sia isolata’", lastampa.it, 11.08., URL: http://www.lastampa.it/redazione/cmsSezioni/politica/200808articoli/35572girata.asp (abgerufen am 23.03.2012); Zitat ebd.

62 Der Konflikt in Südossetien ereignete sich zur Zeit der Olympischen Sommerspiele in Peking.

63 Vgl. ABC (2008): „Moratinos considera ‚lamentable‘ que georgianos y rusos incumplan la tregua olímpica“, abc.es, 09.08., URL: http://www.abc.es/20080809/internacional-europa/moratinos-considera-lamentable-georgianos-200808091918.html (abgerufen am 23.03.2012).

64 Vgl. IFSH (2008): Der Kaukasuskrieg 2008, a.a.O., S. 9.

65 Vgl. Spiegel Online (2008): „Kaukasus-Konflikt. OSZE-Beobachter machen Georgien schwere Vorwürfe“, spiegel.de, 30.08., URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,575396,00.html (abgerufen am 06.03.2012).

66 Rianovosti (2010): „OSZE wünscht sich Entgegenkommen von Georgien und Südossetien“, de.ria.ru, 29.11., URL: http://de.ria.ru/politics/20101129/257768763.html (abgerufen am 06.03.2012).

67 Vgl. ebd.

68 Vgl. UNHCR Refworld (2008): „Georgia: Ban voices alarm at growing violence in South Ossetia”, unhcr.org, 07.08., URL: http://www.unhcr.org/refworld/topic,45a5199f2,45a5fb0b2,48b287d514,0,,,GEO.html (abgerufen am 22.03.2012).

69 Vgl. Le Monde (2008): „La Géorgie et la Russie s'affrontent pour le contrôle de l'Ossétie du Sud", lemonde.fr, 08.08., URL : http://www.lemonde.fr/europe/article/2008/08/08/violents-affrontements-en-ossetie-du- sud_1081796_3214.html#ens_id=1036786&xtor=RSS-3208 (abgerufen am 23.03.2012).

70 Caritas Internationalis (2008): „Caritas responds to conflict in Georgia”, caritas.org, 18.08., URL: http://www.caritas.org/newsroom/press_releases/caritas_responds_to_conflict_in_georgia.html (abgerufen am 23.03.2012).

71 Vgl. Human Rights Watch (2008): „Georgia / Russia: Do not attack Civilians in South Ossetia”, hrw.org, 08.08., URL: http://www.hrw.org/news/2008/08/07/georgiarussia-do-not-attack-civilians-south-ossetia (abgerufen am 23.03.2012).

72 Vgl. Internationales Rotes Kreuz (2008): „Georgia: IRCR to send humanitarian assistance to conflict area“, icrc.org, 11.08., URL: http://www.icrc.org/eng/resources/documents/news-release/georgia-news-110808.htm (abgerufen am 23.03.2012).

73 Vgl. IIFFMCG (2009): Report Vol. 1, a.a.O., S. 22-26. Eine detaillierte völkerrechtliche Betrachtung des Konflikts würde hier zu weit führen. Diesbezüglich sei auf weitere Literatur verwiesen, beispielsweise auf Nußberger, Angelika (2008): „Der ‚Fünf-TageKrieg‘ vor Gericht - Russland, Georgien und das Völkerrecht“, Osteuropa, 58. Jg., November.

Ende der Leseprobe aus 77 Seiten

Details

Titel
Der Kaukasuskrieg 2008 und die Theorien der Internationalen Beziehungen
Untertitel
Eine kritische Analyse
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
77
Katalognummer
V200662
ISBN (eBook)
9783656272762
ISBN (Buch)
9783656272892
Dateigröße
2554 KB
Sprache
Deutsch
Arbeit zitieren
Simon Rietberg (Autor:in), 2012, Der Kaukasuskrieg 2008 und die Theorien der Internationalen Beziehungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/200662

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