Ausbildung und die Theorie der öffentlichen Bereitstellung privater Güter


Seminararbeit, 2005

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Umverteilung über monetäre Transfers
2.1 Pauschaltransfers und gebundene Transfers
2.2 Das Problem der Informationsasymmetrie

3. Öffentliche Bereitstellung privater Güter zur Lockerung des Asymmetrieproblems
3.1 Der Einfluss der Güterbereitstellung auf die Umverteilungsmöglichkeiten
3.2 Bedingungen für Wohlfahrtssteigerungen durch öffentliche Bereitstellung
3.3 Anwendung der vorgestellten Modelle auf den Fall der Bildung

4. Kritik

5. Fazit

Literatur

Symbole

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Die Zuordnung von Bildung zu öffentlichen oder privaten Gütern ist alles andere als eindeutig. Das gesellschaftliche Bildungsniveau weist beispielweise Implikationen für die Wohlfahrt in der entsprechenden Volkswirtschaft auf, die nicht im Optimierungskalkül der Individuen berücksichtigt werden. Solche Externalitäten deuten auf das Vorliegen eines öffentlichen Gutes hin. Auf der anderen Seite dient Bildung als Indikator für Produktivität und hilft damit, Informationsasymmetrien zwischen Arbeitgebern und Bewerbern abzubauen. Ein Individuum profitiert persönlich von seinem hohen Bildungsgrad, da es einen höheren Lohn erwarten kann als bei einem niedrigen Bildungsabschluss [Stiglitz 1974, Usher 1977]. Im Rahmen dieser Arbeit wird, Stiglitz (1974) und Usher (1977) folgend, der öffentliche Gut-Charakter vernachlässigt, und Bildung als ein privates Gut angesehen.

Private Güter werden nach dem ersten Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie auf Märkten Pareto-effizient und first-best verteilt. Das Marktergebnis kann jedoch von den Gerechtigkeitsvorstellungen einer Gesellschaft abweichen. Das heisst, je nach historisch-kulturell entstandenen gesellschaftlichen Wertvorstellungen, wird die Marktallokation möglicherweise als ungerecht empfunden. Entsprechend versuchen die gesellschaftlichen Entscheidungsträger, die vorhandene Wohlfahrt umzuverteilen [Corneo 2003].

Solche Umverteilungen finden in den meisten entwickelten Ländern von Haushalten[1] mit hohem Einkommen zu Haushalten mit niedrigem Einkommen statt [Blomquist und Christiansen 1999]. Üblicherweise werden dazu drei verschiedene Politikinstrumente eingesetzt: direkte monetäre Transfers, progressive Einkommenssteuern und materielle Transfers. Das letztere Instrument bezieht sich auf die öffentliche Bereitstellung privater Güter. Der Staat stellt kostenfrei ein Gut bereit, das prinzipiell auch auf Märkten handelbar wäre. Ein häufig anzutreffendes Beispiel hierfür ist das Bildungswesen [Besley und Coate 1991, Blomquist und Christiansen 1999, Usher 1977].

Wie ist die öffentliche Bereitstellung von Bildung in Anbetracht des ersten Hauptsatzes der Wohlfahrtstheorie zu bewerten? Welche Rolle spielen Umverteilungsziele und Informationsasymmetrie in diesem Zusammenhang?

Um diesen Fragen nachzugehen, werden in Kapitel 2 zunächst die Auswirkungen von Informationsasymmetrien auf die Effizienz des Marktes und die Handlungsmöglichkeiten des Staates dargestellt. In Kapitel 3 wird anhand eines Modells analysiert, welche Implikationen sich durch die öffentliche Bereitstellung privater Güter bei Informationsasymmetrie für die gesellschaftliche Wohlfahrt ergeben. Nach einer zunächst allgemeinen Formulierung und Analyse des Modellrahmens, wird es im Anschluss speziell auf den Fall des staatlichen Bildungswesens übertragen.

2. Umverteilung über monetäre Transfers

2.1 Pauschaltransfers und gebundene Transfers

Der zweite Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie besagt, dass jede Pareto-effiziente Allokation durch die Umverteilung der individuellen Budgets mittels pauschaler Steuern und Subventionen erreicht werden kann [Blackorby und Donaldson 1988, Boadway und Bruce 1984, Corneo 2003]. Erfolgt die Umverteilung nicht pauschal, sondern gebunden an bestimmte Güter, führt dies zu Wohlfahrtsverlusten. Grund für diese Wohlfahrtsverluste ist die Verzerrung der relativen Preise aus Sicht des Konsumenten. Sie verursacht einen Substitutionseffekt, der das Erreichen einer first-best Allokation verhindert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Verzerrender Effekt einer gebundenen Subvention verglichen mit einem monetären Pauschaltransfer. Quelle: Corneo (2003).

Abbildung 1 verdeutlicht den verzerrenden Effekt einer gebundenen Subvention. Ohne staatlichem Eingriff sieht sich das Individuum der Budgetbeschränkung R0 gegenüber und erzielt einen Nutzen U0. Durch die einseitige Subvention des Gutes B dreht sich die Budgetgerade auf R1. Die neue Optimierung des Haushaltes führt zum Nutzenniveau U1>U0. In diesem Optimum erhält das Individuum einen Subventionsbetrag s für seinen Konsum an Gut B[2]. Erhielte es diesen Betrag s pauschal, würde sich die Budgetgerade nicht drehen, da die relativen Preise zwischen den Gütern A und B nicht verzerrt würden. Das Einkommen des Haushaltes würde sich in diesem Fall um s erhöhen, was zu einer Verschiebung der Budgetgerade nach außen auf R2 führen würde. Dort könnte das Individuum mit dem gleichen Subventionsbetrag s das Nutzenniveau U2>U1 erreichen. Somit entstehen bei einseitiger Subvention Wohlfahrtsverluste. Die Allokation mit dem Nutzenniveau U1 ist nicht Pareto-effizient, da sich das Individuum besser stellen kann ohne gleichzeitig ein anderes Individuum schlechter zu stellen [Corneo 2003].

Nach dieser Erläuterung stellt sich die Frage, warum staatliche Umverteilung in der Realität nicht ausschließlich auf Basis pauschaler Transfers erfolgt, auf welche im folgenden Unterkapitel eingegangen wird.

2.2 Das Problem der Informationsasymmetrie

Die Hauptsätze der Wohlfahrtstheorie beanspruchen ihre Gültigkeit nur in einer Welt mit perfekten Märkten, also in Abwesenheit von Informationsproblemen [Boadway und Bruce 1984]. In der Realität herrscht jedoch Informationsasymmetrie zwischen dem Staat[3] und den Individuen. Der Staat kann sein Politikinstrumente nicht an jede beliebige Eigenschaft der Individuen binden, da ihm nicht alle Charakteristika bekannt sind. Es ist ihm zum Beispiel nicht möglich, die Transferbegünstigung eines Individuums direkt mit dessen Produktivität zu verknüpfen, da ihm diese Information nicht zur Verfügung steht. Daher muss er bei der Gestaltung seiner Politik auf die ihm zugänglichen Indikatoren zurückgreifen, um die Individuen zuzuordnen. Als Indikator für Produktivität könnte beispielsweise das Arbeitseinkommen dienen.

Allerdings führt die Verwendung von Indikatoren zu Anreizproblemen. Es kann für ein Individuum vorteilhaft sein, durch Verhaltensänderungen seinen Indikatorwert zu beeinflussen, um beispielsweise der Besteuerung zu entgehen oder als transferberechtigt zu erscheinen [Corneo 2003, Nichols und Zeckhauser 1982].

Blackorby und Donaldson (1988) zeigen, dass in einer Welt mit Informationsasymmetrien die Gleichverteilung des Einkommens die einzig mögliche first-best Lösung ist. Alle anderen erreichbaren Lösungen befinden sich auf einem niedrigeren Wohlfahrtsniveau als bei symmetrischer Information.

Dazu nehmen sie an, eine Gesellschaft besteht aus zwei Typen von Individuen, die sich in ihren exogen gegebenen Fähigkeiten[4] unterscheiden. Individuen haben entweder geringe Fähigkeiten (L-Typ) oder hohe Fähigkeiten (H-Typ). Weiterhin gibt es zwei Güter A und B, deren Preise auf 1 normiert sind. Es wird angenommen, dass Gut B nur von L-Typen nachgefragt wird. Die nachgefragten Mengen eines L-Typen seien Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Der H-Typ fragt Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und gemäß der obigen Annahme Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten nach. Der Nutzen des H-Typen sei Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, wobei xH das Nettoeinkommen des H-Typen darstellt. Der Nutzen des L-Typen sei durch die Nutzenfunktion Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, beziehungsweise die indirekte Nutzenfunktion Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, mit xL als dem Nettoeinkommen des L-Typen gegeben. Die Ökonomie verfügt über eine exogen gegebene Produktionskapazität von k Einheiten. Daher ist die Produktionsmöglichkeiten-Kurve mit Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten gegeben. Die Nutzenmöglichkeiten-Kurve der first-best Verteilungen (Abbildung 2) resultiert aus der Maximierung von uL unter Berücksichtigung der Produktionsmöglichkeiten-Kurve und des Nutzens des H-Typen Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Wenn der Staat nun das Ziel verfolgt, eine bestimmte Verteilung auf der Nutzenmöglichkeiten-Kurve zu implementieren, muss er Einkommen umverteilen. Nach dem zweiten Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie ist die Umverteilung der Bruttoeinkommen Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten zur Verteilung Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten bei symmetrischer Information first-best.

Existieren nun aber Informationsasymmetrien, bestehen für alle Umverteilungen außer Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (Gleichverteilung) die oben skizzierten Anreizprobleme.

Angenommen, der Staat ändert die Umverteilungsregel so, dass Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Der H-Typ kann nun seinen Nutzen steigern, indem er sich als L-Typ ausgibt. Er erzielt ein höheres Nettoeinkommen und erweitert dadurch seine Konsummöglichkeiten. Gleichzeitig hat er mehr Freizeit zur Verfügung, da er nur Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten statt Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten erzielen muss. Ändert der Staat die Umverteilungsregel so, dass Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, hat der L-Typ Anreiz, den H-Typen zu imitieren. Dieser Anreiz ist schwächer als der des H-Typen, da der L-Typ länger arbeiten muss, um Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten zu erzielen. Er besteht allerdings, solange der Grenznutzen des Einkommens größer ist, als der (betragsmäßige) Disnutzen der Mehrarbeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Verschiebung der Nutzenmöglichkeiten-Kurve aufgrund von Informationsasymmetrie. Quelle: Blackorby und Donaldson (1988).

Punkt E in Abbildung 2 stellt die laissez-faire Situation dar. Herrscht Informationsasymmetrie, liegt der erreichbare Nutzen des einen Individuums, gegeben dem Nutzen des anderen, für jeden Punkt ungleich E unterhalb des first-best Niveaus bei vollständiger Information. Die Wohlfahrt sinkt mit dem Ausmaß der Umverteilung, da der Anreiz zur Imitation steigt. Dadurch verliert das Instrument der monetären Umverteilung seine Zielgenauigkeit. Es werden mehr Individuen begünstigt, die nicht zur Zielgruppe gehören.

3. Öffentliche Bereitstellung privater Güter zur Lockerung des Asymmetrieproblems

3.1 Der Einfluss der Güterbereitstellung auf die Umverteilungsmöglichkeiten

Um dem Problem des imitierenden Verhaltens zu begegnen, muss der Staat sein Transfersystem so gestalten, dass jedes Individuum seine wahren Eigenschaften freiwillig offenbart. Ein derartiger Selbstselektionsmechanismus als bindende Nebenbedingung schränkt wiederum die Umverteilungsmöglichkeiten ein. Blomquist und Christiansen (1999) analysieren daher, wie sich die öffentliche Bereitstellung privater Güter auf die Selbstselektionsbedingung auswirkt. Der grundlegende Aufbau ihres Modells folgt dabei dem Ansatz der Optimalsteuertheorie [Stiglitz 1982]. Eine Gesellschaft besteht aus L- und H-Typen. H-Typen erhalten einen Stundenlohn in Höhe von wH. L-Typen werden für jede gearbeitete Stunde mit wL < wH entlohnt. Dem Staat ist der Lohnsatz eines Individuums nicht bekannt. Er kennt lediglich das Bruttoeinkommen yi = wi*mi, i={L,H}, wobei mi die angebotene Arbeitszeit eines Individuums darstellt, weiss aber nicht aus welcher (w,m)-Konstellation es sich zusammensetzt. Weiterhin bestimmt der Staat über sein Steuer- und monetäres Transfersystem das Nettoeinkommen xi.

[...]


[1] Im Folgenden werden die Begriffe Haushalt und Individuum synonym verwendet.

[2] Der Preis von Gut A sei zur Vereinfachung auf 1 normiert, so dass s in Einheiten von A gemessen wird.

[3] „Der Staat“ steht im Folgenden als Synonym für Regierung und Verwaltung.

[4] Solche Fähigkeiten können zum Beispiel Produktivität, Lernfähigkeit oder Gesundheitszustand, beziehungsweise Anfälligkeit für Krankheiten sein.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Ausbildung und die Theorie der öffentlichen Bereitstellung privater Güter
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Professur für Volkswirtschaftslehre, insb. Finanzwissenschaften)
Veranstaltung
Bildung, Humankapital und Studiengebühren
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V200931
ISBN (eBook)
9783656270065
ISBN (Buch)
9783656450153
Dateigröße
1204 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
öffentliche Güter, öffentliche Bereitstellung privater Güter, Bildungsökonomik, optimale Bereitstellung öffentlicher Güter
Arbeit zitieren
Dr. Christopher Müller (Autor:in), 2005, Ausbildung und die Theorie der öffentlichen Bereitstellung privater Güter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/200931

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