Grenzen einer zeitkritischen Exegese und die Funktion des Mythos in Gerhart Hauptmanns "Iphigenie in Aulis"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

28 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


0. Einleitung

„Bombengeschwader dröhnen. Sturzkampfflieger heulen. Luftminen krachen. Alles vom Tonband. Dazu ein Bild vom zerstörten Dresden und die Projektion von Hauptmanns Klage über die zerbombte Stadt. […] Soweit wäre es gut gewesen. Was niemand bezweifelt – dass hinter Hauptmanns Darstellung der Fabel vom Götterfluch über dem Haus der Atriden die Schrecken des Weltkrieges stehen – kann man einem Publikum, das man für begriffsstutzig hält einhämmern. […] Nachdem der Krieg mit der ersten Tragödie [Iphigenie in Aulis] zu Ende war, fragte sich der ratlose Zuschauer, weshalb Granatenlärm das Haus erschüttert, wenn eine Frau ihren Mann, wenn ein Sohn seine Mutter umbringt.“[1] Mit diesen kritischen Worten reagiert der Feuilletionist Rolf Michaelis auf die 1962 im Theater am Kürfürstendamm erstmals uraufgeführte Inszenierung der Atriden-Tetralogie Gerhart Hauptmanns unter dem damaligen Intendanten Erwin Piscator. Unter dem Titel „Bomben über Delphi“[2] schließt er sich dem Tenor der zeitgenössischen Theaterkritik an. Darin ist von einer zwanghaften Politisierung, einer gewaltsamen Brechung der originalen Vorlage, dem verloren gegangenen Wiedererkennungswert des Stücks, gar von einem Relikt der hochpolitisierten Zwanziger Jahre die Rede. Mit dem Alterswerk von Hauptmann habe dieses Stück nur noch wenig gemein, so das allgemeine Echo in der damaligen Medienlandschaft. Ein Blick in das Theaterprogramm nimmt die von Piscator vorgenommene Interpretation und angenommene Intention des Stücks vorweg. Er entdeckt in der Atriden-Tetralogie eine Vielzahl von „Ansatzpunkte[n] zur antifaschistischen Interpretation“[3] , deutet sie „als verschlüsselte Anklage gegen das Nazi-Regime“[4] und sieht in ihr vor allem einen pädagogischen Wert in Form einer Warnung an die deutsche Nachkriegsgesellschaft, derartiges nie wieder zu zulassen. Dieser Losung entsprechend verlagert Piscator das Geschehen rund um das Schicksal der Atriden von der antik-mythischen Lebenswelt bei Hauptmann in die zerstörte Kriegslandschaft Deutschlands. Dabei nehmen die handelnden Figuren auch eine andere beziehungsweise erweiterte Rolle an. Sie werden zum Beispiel wie Klytämnestra zugleich zu einer symbolischen Verkörperung der mütterlichen Rächerin und des deutschen Widerstands hochstilisiert. Durch die Friedenstat des Tyrannenmords an Agamemnon wendet sie die Blicke eben nicht wie die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung weg von den Greueltaten und Verbrechen der Nationalsozialisten, sondern handelt entschlossen dagegen. Oder die Figur des Priesters Kalchas, in der Piscator den kriegstreibenden Propagandisten nach dem Vorbild von Joseph Goebbels dargestellt wissen will. Die Kritiker haben Recht damit, wenn sie in diesem Zusammenhang von einer Reduktion des Atridenstoffs auf zeitgeschichtliche Fakten der jüngeren Historie, von einer Verengung des Blickwinkels auf einen einzigen möglichen Aspekt des Werkes sprechen, der eine Vielzahl von interpretativen Erschließungsweisen und Deutungswegen im Dunkeln liegen lässt. Es ist nur folgerichtig, wenn ein Rolf Michalis auf immanente Widersprüche in der Inszenierung Piscators hinweist, wenn die Kritik die lange Bandbreite von Kürzungen und Veränderungen, die er im Stück vorgenommen hat, aufgreift. Es ist außerdem verständlich, dass das anwesende Publikum die Trägodie in dieser Form nicht mit dem originalen Gesamtwerk identifizieren kann. Jedoch muss hier eingeschoben werden, dass sich viele negative Bewertungen der damaligen Aufführung oder vielmehr des interpretatorischen Zugangs, den sich der Intendant erwählt hat, eben am Ende auf die Einseitigkeit dieser Herangehensweise beziehen, die aus diesem Grund allein nicht abwegig sein muss. Eine Inszenierung, die die zeitgeschichtlichen Bezüge der Atriden in den Mittelpunkt der Darstellung rückt, stellt sich zwar als eine unvollständige Interpretation dar, aber über die Richtigkeit dieses einen Interpretationsstranges ist damit noch nichts gesagt. Dieser Sachverhalt soll im Rahmen dieser Hausarbeit geklärt werden. Inwiefern lassen sich in der „Iphigenie in Aulis“ Zeitbezüge und Anspielungen auf zeitgenössische Phänomene der NS-Zeit finden? In einem ersten Schritt wird sich so nah wie möglich an dem originalen Text gehalten, um Textstellen und Belege zu finden, die für die Verarbeitung von Zeitbezügen und Zeiteindrücken durch Hauptmann während der Jahre 1940-43 sprechen. Hauptmann ist Zeitzeuge einer Phase, die sich mit der Annexion Frankreichs vom Höhepunkt der NS-Herrschaft über beinahe ganz Europa bis hin zu Stalingrad, dem Anfang vom Ende Nazideutschlands erstreckt. In einem weiteren Abschnitt wird die Frage nach einer im Werk versteckten Wertung dieser Bezüge, das heißt einer kritischen Auseinandersetzung mit dem NS-System, der menschenverachtenden Ideologie aus „Blut und Boden“ und den NS-Verbrechen im Laufe des Krieges gestellt. Wie verarbeitet Hauptmann die Rückkehr des Krieges in sein Heimatland, finden sich Belege, die die Ursachen dieser Entwicklung im Ansatz kritisch reflektieren? Dazu muss notwendigerweise eine nähere Untersuchung zur Rolle Hauptmanns im nationalsozialistischen Kulturbetrieb, seinem Verhältnis und Verhalten gegenüber führenden NS-Machthabern erfolgen. Wie gestaltet sich die Beziehung zwischen dem alternden Nobelpreisträger für Literatur und den Kräften der deutschen 'Erneuerung' ? Wie nimmt er die Machtübernahme und den Terror gegen 'Volksfremde' und Juden wahr und wie präsentiert Hauptmann sich in der Öffentlichkeit ? Wie fließen diese Erfahrungen und Erlebnisse in sein Alterswerk ein?

Der dritte Teil im Rahmen dieser Arbeit wird sich mit dem Gegenstand des Mythos und seiner Bedeutung, Auffassung und Verarbeitung in „Iphigenie in Aulis“ beschäftigen. Es wird versucht, die Faszination Hauptmanns für den griechischen Sagenkreis und die griechische Tragödie begreifbarer zu machen, zumal er den klassischen Stoff des Euripides für die Abrundung seines Lebenswerks zur Grundlage nimmt. Und es wird die Frage gestellt, wie diese Stoffwahl mit der zeitgenössischen Lebenssituation zusammenhängt, aus welchem Grund der Autor sich in den letzten Kriegsjahren verstärkt auf den Mythos konzentriert. Inwiefern kann es zeitgeschichtliche und zeitkritische Bezüge in der Adaption und Weiterverarbeitung zeitloser, existenzieller Lebensproblematiken und Konflikte aus der Mythologie geben? Bis zu welchem Grad bieten Mythos und Gegenwart eine Vereinbarkeit? Lässt Hauptmanns Vorstellung von Mythos überhaupt Raum für die konkrete Gegenwart, die Spiegelung gegenwärtiger Probleme und zeigt sie den Weg in eine bessere Zukunft? Lassen sich Piscators Aufführung und die berechtigte Kritik in einem Stück vereinen?

1. Zeitbezüge und Verarbeitung von Zeiteindrücken in „Iphigenie in Aulis“

Die Atriden-Tetralogie gilt in der heutigen Forschung als das letzte Spätwerk Hauptmanns, vielen Interpreten als die Krönung seines dramatischen Schaffens, gleichsam als „eine Art geistigen Testaments“[5] seines Verfassers. Der Dramenzyklus zeichnet sich durch die Uneinheitlichkeit der verschiedenen Einzelstücke und den damit einhergehenden Brüchen und Widersprüchen im Handlungsgeschehen aus, worin auch vorrangig die Schwierigkeit einer schlüssigen Interpretation und die Rätselhaftigkeit des Gesamtwerks begründet liegt. Endet das zuerst entstandene Dramenstück „Iphigenie in Delphi“ durch den selbst gewählten Freitod der Iphigenie in einem optimistischen und hoffnungsvollen Ausblick auf die Möglichkeit einer existenziellen Mitwirkung des Menschen an seinem Schicksal, so erfährt diese Erkenntnis im nachfolgenden Stück (das auf der Handlungsebene den Zyklus eröffnet) eine absolute Negation. „Iphigenie in Aulis“ ist durchzogen von einem düsteren, pessimistisch-fatalistischen Grundton und steht mit der darin offenbarten unentrinnbaren Schicksalsgebundenheit der Figuren in einem starken Kontrast zu dem als messianisches „Erlösungsdrama“[6] verklärten Vorgängerstück. Dieser Sachverhalt spiegelt sich auch in der langen Bearbeitungszeit von drei Jahren und den unzähligen unternommenen Abänderungen im Stück wider. Von September 1940 bis September 1943 fertigt Hauptmann neun verschiedene Fassungen des Stücks an. Die zahlreichen Vorarbeiten, Notizen und Aufzeichnungen zu der Konzeption der „Iphigenie in Aulis“ deuten auf die umfangreichste Beschäftigung Hauptmanns mit der Thematik hin. Dieser lange Entstehungszeitraum mag auch ursächlich für die Behauptung Peter Sprengels sein, dass sich das Werk sprachlich ausgereifter und poetisch intensiver durchdrungen zeigt als das 1940 verfasste Stück „Iphigenie in Delphi“ oder die beiden Einakter „Agamemnons Tod“ und „Elektra“. Den Anstoß für die Beschäftigung mit dem Atridenmythos erfährt Hauptmann bei der Lektüre von Goethes autobiographischen Reisebericht „Italienische Reise“, in dem der Dichter mit dem Gedanken spielt, eine Fortsetzung der „Iphigenie auf Tauris“ unter dem Titel „Iphigenie in Delphi“ zu verfassen. Hauptmann greift diese Dramenidee auf, verbindet sie jedoch mit einer völlig unterschiedlichen Intention, was er in einer abfällig-kritischen Bemerkung an dem idealistischen Humanismus Goethes in „Iphigenie auf Tauris“ hervorhebt: „Dies Kunstwerk ist nicht elementar. Es ist nicht aus starker Intuition hervorgeschleudert. Es zeigt nicht, lässt nicht einmal ahnen die Furchtbarkeit der Tantaliden. […] Das Grausen ist nirgend wahrhaft da. Hier sprechen allzu wohlerzogene, allzu gebildete Leute.“[7] Diese Einschätzung ist bezeichnend für Hauptmanns Verständnis und Adaption des Atridenmythos und der Tragödie im Allgemeinen, vor allem leistet sie aber einen Beitrag zum Verständnis der „Iphigenie in Aulis“. Hier erschafft der Schriftsteller durch seine Auffassung von Mythos und Tragödie, durch den Einbezug wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Psychologie beziehungsweise Psychopathologie, durch die Auseinandersetzung mit philosophischen und mythographischen Theorien eine gnadenlose, archaische und grausame Welt, in der sich der „Schicksalssturm“[8] erhebt und alle Figuren in wahnsinniger Raserei zu verschlingen droht. Dunkle chthonische Mächte brechen über das griechische Heerlager herein, eine dämonische Besessenheit und ein blinder Wahnsinn bestimmen das Verhalten der Figuren. In der düsteren und verzweifelten Atmosphäre des Tragödienstücks schlägt sich eine tief verwurzelte pessimistische, von Hoffnungslosigkeit geprägte Weltsicht eines alternden Schrifstellers nieder. Das Stück zeugt von einer elementaren Ratlosigkeit gegenüber den als übermächtig empfundenen Geschehnissen jener Kriegszeit, zugleich von einer künstlerisch sehr versierten Verarbeitung der Erfahrungen und Eindrücke Hauptmanns von der Rückkehr des Krieges in sein Ursprungsland. Dieser Kontrast zwischen dem gegenwärtigen dunklen Zeitgeschehen und dem Höhepunkt der künstlerischen Qualität im Werk des Autors macht die „Iphigenie in Aulis“ so produktiv. Jedoch erzeugt die Verwendung des Atridenmythos ein Spannungsverhältnis zwischen der antiken Vorlage und dem gegenwärtigen Zeitgeschehen, das es schwierig macht, direkte Bezüge auf den geschichtlichen Hintergrund der Entstehungszeit des Stücks auszumachen. Der Zusammenhang zwischen Werk und dem zeitgeschichtlichen Rahmen seiner Produktion unter der NS-Herrschaft sowie der Kriegssituation ist vielmehr durch indirekte Bezüge gegeben, die keineswegs die Frage nach der Einbettung und der wechselseitigen Durchdringung von künstlerischem Ausdruck und aktuellem Zeitgeschehen negieren. Der Verweis auf mögliche Widerspiegelungen der eigenen geschichtlichen Epoche, auf mehr oder weniger bewusste Anspielungen auf die kriegsbedingte Not der deutschen Bevölkerung durch den alliierten Bombenkrieg und die tiefere Ursache dieser Entwicklung kann einen gewichtigen Beitrag zu der Interpretation der „Iphigenie in Aulis“ liefern. Bereits bei einer genaueren Betrachtung der Eingangsszene drängt sich der Verdacht auf, dass das dargestellte Geschehen eine aktuelle Dimension besitzt. In diesem gedankenvollen Monolog des wachenden Kritolaos, der gleichsam zur Einführung in das Sachgeschehen dient, wird die schreckliche Lage des griechischen Heeres auf Aulis in der Schilderung düsterer apokalyptischer Bilder beklagt. „Wann endet dieser schlimme Trug und wo?“ […] O Gott, in welchem Grauen sind wir gefangen.“[9] Nazideutschland befindet sich zu dem Zeitpunkt der Uraufführung des Stücks im fünften Kriegsjahr, der Luftkrieg tobt über dem Land, die Wehrmacht befindet sich nach der Niederlage in Stalingrad auf dem Rückzug an der Ostfront und in Italien landen alliierte Truppen. So mancher Zuschauer hätte wohl den bitteren Zweifel des Kritolaos nachvollziehen können und hätte sich 1943 insgeheim gefragt: Wann endet dieser Krieg endlich? Im Heerlager der Griechen herrscht durch eine einbrechende lebensfeindliche Dürre eine allgemeine Atmosphäre der Ohnmacht, des gewaltsamen Aufruhrs, des Wahnsinns und der existenziellen Not. Dieses Bild von einer fanatisierten und der Fesselung aller niederen Triebe entrückten Volksmasse steht in einem eigentümlichen Kontrast zu dem euphorischen Aufbruch der Streitkräfte zu ihrem Beutezug nach Troja und der allgemeinen Kriegsbegeisterung der Hellenen unter ihrem Heerführer Agamemnon. Bei dieser Beschreibung der kriegsbegeisterten Masse durch Kritolaos rückt dem Leser das Bild von dem nationalen Kriegstaumel zu Beginn des Ersten Weltkrieges in das Gedächtnis. In der darauffolgenden Unterredung mit Menelaos, dem Bruder des griechischen Heerführers, beklagt der ebenfalls aus dem Geschlecht der Atriden stammende König die zunehmende Entfremdung Agamemnons. Menealos führt den verwirrten Zustand seines Bruders auf die Einflüsterungen des Priesters Kalchas zurück, der Agamemnom mit dem unheilvollen Götterspruch aus Delphi vor eine seelische Zerreißprobe stellt. In seinen Augen ist der Feldzug – obwohl er noch gar nicht begonnen hat – ein selbstzerstörerisches Werk, nicht aus dem Grund, weil er, sondern eher auf welche Weise er geführt wird. So „stürzt man mit sinnlos blindem Rachezug das ganze reiche Hellas ins Verderben.“[10] In diesem Zusammenhang kommen Kritoalos und Menelaos auch auf die Ursache für den Einbruch der göttlichen Mächte in das griechische Heerlager zu sprechen. Sie liegt zu aller erst in der Versündigung Agamemnons gegenüber der Göttin Artemis, der er eine ihr geweihte und vor allem tragende Hirschkuh erlegt hatte. Darin besteht ein besonders schwerer Fall von Weidfrevel, dem sich der griechische Heerführer schuldig gemacht hatte. Gewissermaßen greift diese Episode dem folgenden sittlichen Verfall und der Entmenschlichung im Heerlager voraus, da Agamemnon durch seinen leichtsinnigen „ Knabenstreich“[11] eine große Gewissenlosigkeit an den Tag legt, die das mütterliche Recht und die Achtung vor dem Leben mit den Füssen tritt. Menelaos reagiert sehr angewidert und entsetzt darüber, dass die Göttin zur Entsühnung und Wiedergutmachung der Schuld die Opferung Agamemnons Tochter Iphigenie fordert, die sich auf Befehl des Heerführers bereits mit ihrer Mutter auf den Weg nach Aulis macht. Das geplante Menschenopfer stellt für Menealos einen Rückfall in eine dunkle, archaische Vorzeit dar und den Niedergang einer Kultur durch die Neuauflage längst hinter sich geglaubter, atavistischer Riten. Er befürchtet, „dass ein Verbrechen sich vollenden will, ganz Hellas schändend, so wie keines vor ihm und keins in aller Zukunft es vermag.“[12] Dies ist die Ausgangssituation der Tragödie. Die zeitlichen Bezüge auf das Deutschland der 40er Jahre werden im Folgenden durch eine nähere Beleuchtung der verschiedenen Figuren, ihrer Rede und Verhaltensweisen herausgearbeitet. Im Mittelpunkt der Handlung scheinen der Wankelmut und die Seelenqualen des Agamemnon zu stehen, bei dem einen Großteil des Stücks über Anfälle der geistigen Umnachtung, Bewusstseinstrübungen und unheimliche Schlaf- und Wachzustände zu beobachten sind. Der griechische Heerführer steht aufgrund des delphischen Orakelspruchs vor einem Dilemma. Erfüllt er die grausame Forderung der Artemis und opfert seine geliebte Tochter Iphigenie, so macht er sich vor den Menschen, vor seiner Familie und in erster Linie vor sich selbst schuldig. Handelt er dagegen nicht nach der Weissagung und verweigert dem göttlichen Postulat den Gehorsam, so rückt der erfolgreiche Kriegszug gegen Troja in weite Ferne und es bleibt ihm zugleich die Entsühnung seiner Schuld vor der Götterwelt verwehrt. Im Gespräch mit seinem Bruder Menelaos und Kritolaos entscheidet sich der Heerführer wiederum für die zweite Lösung, nachdem er vorher nach seiner Tochter und Frau Boten entsandt hatte. Sind Agamemnons Worte, die er zu seinem Bruder spricht noch von einem prometheischen Geist getragen, der eine menschliche Empörung über den Orakelspruch und ein rebellisches Element gegenüber der grausamen Götterwelt beinhaltet, wird das kraftvolle Gefühl „dass etwas sich in mir erhebt vom Trotze des Titanen, den die Wut für seine Menschenliebe traf“[13] im Laufe des Stücks immer schwächer.

[...]


[1] Delvaux, Peter: Antiker Mythos und Zeitgeschehen. Sinnstruktur und Zeitbezüge in Gerhart Hauptmanns Atriden-Tetralogie. Amsterdam: Rodopi, 1992, S.42.

[2] Stuttgarter Zeitung vom 9.10.1962

[3] Stolper, Armin: Zur Bearbeitung von Hauptmanns Atriden-Tetralogie. In: Gerhart Hauptmann. Neue Akzente – Neue Aspekte hrsg. Von Gustav Erdmann. Berlin: Stapp, 1992, S.154.

[4] Ebenda.

[5] Santini, Daria: Gerhart Hauptmann zwischen Modernität und Tradition. Neue Perspektiven zur Atriden-Tetralogie. Berlin: E.Schmidt, 1998, S.9.

[6] Delvaux, Peter: Antiker Mythos und Zeitgeschehen, S.8.

[7] Sprengel, Peter: Gerhart Hauptmann. Epoche – Werk – Wirkung. München: Beck, 1984, S.250.

[8] Delvaux, Peter: Antiker Mythos und Zeitgeschehen. S.56.

[9] Hauptmann, Gerhart: Iphigenie in Aulis. In: Reader zum Seminar „Literatur und Mythologie“. Jena, 2011, S.17.

[10] a.a.O. S.18.

[11] a.a.O. S.39.

[12] a.a.O. S.20.

[13] Ebenda.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Grenzen einer zeitkritischen Exegese und die Funktion des Mythos in Gerhart Hauptmanns "Iphigenie in Aulis"
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
28
Katalognummer
V201734
ISBN (eBook)
9783656282839
ISBN (Buch)
9783656284208
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
grenzen, exegese, funktion, mythos, gerhart, hauptmanns, iphigenie, aulis
Arbeit zitieren
Hannes Engl (Autor:in), 2011, Grenzen einer zeitkritischen Exegese und die Funktion des Mythos in Gerhart Hauptmanns "Iphigenie in Aulis", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201734

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