Michael Giesecke und der Buchdruck


Hausarbeit, 2011

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Problemstellung und Quellen

2 Das Buch in der Systemtheorie - Versuch eines einleitenden Abriss-es
2.1 Niklas Luhmann
2.2 Dirk Baecker

3 Eine systemische Medientheorie nach Michael Giesecke
3.1 Die systemtheoretische Analyse des Buchdrucks bei Giesecke erklärt anhand der verwendeten Terminologie
3.1.1 Information
3.1.2 Prozessoren und Medien
3.1.3 System
3.1.4 Evolution der Kommunikationssysteme
3.2 Die Einführung des Buchdrucks und ihre sozialen Folgen

4 Fazit

5 Literatur

1 Problemstellung und Quellen

Im Rahmen dieser Arbeit soll zentral die Frage behandelt werden, ob eine Systemtheorie zum Verständnis medialer Phänomene (etwa des Phänomens der Einführung des Buchdrucks) beiträgt und diesem förderlich ist. Hierzu soll zunächst ein knapper Überblick über die Rezeption des Buches und des Buchdrucks bei Niklas Luhmann1und Dirk Baecker2als bekannten und aktuellen Systemtheoretikern geleistet werden. Ältere Systemtheoretiker wie Alan Parsons werden bewußt ausgeklammert. Den Hauptteil der Arbeit macht eine eingehende Analyse des Werkes „Der Buchdruck in der frühen Neuzeit“ von Michael Giesecke3aus.

Innerhalb dieses Abschnittes wird insbesondere diskutiert, ob Gieseckes Theorien dazu beitragen, das mediale Phänomene verständlich zu vermit- teln und ob dieser Verständnis- und Vermittlungsleistung interne Probleme des Werkes im Weg stehen. Hierzu erfolgt eine Analyse der Theorie anhand der von Giesecke eingeführten Terminologie. Anschließend wird diese Ter- minologie auf das zentrale Problem, die Einführung des Buchdrucks, ange- wandt und aufgezeigt, welcher Aspekte des Phänomens wie erklärt wer- den. Abschließend soll ein Fazit die Antwort auf die Frage liefern, wie nüt- zlich ein systemtheoretischer Ansatz ist, um Prozesse des Medienwandels und insbesondere die EInführung des Buchdrucks zu erklären.

2 Das Buch in der Systemtheorie - Versuch eines einleitenden Abriss-es

Ein Ergebnis des Seminars, in dessen Rahmen diese Arbeit entsteht, war die Feststellung, dass das Buch bzw. der Buchdruck in vielen Medientheorien eine untergeordnete Rolle spielt. Dennoch soll nun einleitend versucht werden, einen kurzen Überblick über die Bedeutung von Buch und Druck im Werk von Niklas Luhmann und Dirk Baecker zu bieten.

In der Systemtheorie Niklas Luhmanns (1927-1998) erfüllt der Buchdruck als eine Form der Verbreitungsmedien die Funktion, die Reichweite von Kommunikationen zu erhöhen:

Zu den Verbreitungsmedien gehören mündliche Sprache, geschriebene Sprache, insbesondere in Form von Druckwerken aller Art und alle technischen Medi- en der Sprach- und/oder Bildübertragung sowie Computer. V[erbreitungsmedien] weiten wie die symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien den Hor- izont der füreinander erreichbaren Kommunikationen aus.4

In der Folge der massenhaften Verbreitung von einzelnen Informatio- nen durch Verbreitungsmedien macht Luhmann dieser Darstellung fol- gend zwei voneinander abhängige Wirkungen aus: Erstens werden Infor- mationen redundant kommuniziert, sind also nicht mehr Privileg und Ve- rantwortung einer einzelnen Quelle. Ein Nutzen hieraus ist etwa, dass in differenzierten Systemen der Ausfalle eines Kommunikators durch einen anderen abgefangen werden kann5. Zweitens trägt das Verbreitungsmedi- um zur Anonymisierung der Quellen bei: Ihre Person ist nicht mehr von zentraler und entscheidender Bedeutung, sie wird ersetzbar und die Infor- mation weniger personell zurechenbar.

Die Erhöhung der kommunikativen Reichweite ergibt sich daraus, dass der Buchdruck eine Form der „Kommunikation von Abwesenden für Ab- wesende“ ist:

Buchdruckals eine Form der Kommunikation von Abwesenden für Abwe- sende weitet den Kreis der an Kommunikationen Beteiligten aus, auch durch funktionale Förderung der Technologien des Lesens und Schreibens und durch die kommunikationserleichternde Standardisierung der Sprache.6

Daraus folgt eine Abkopplung von Schriftkommunikationen von direk- ter Interaktion sowie von zeitlichen und räumlichen Kategorien: Es ist nicht mehr wie bei direkter Kommunikation unmittelbar festzustellen, wer der Empfänger einer Information ist oder sein wird, also wer wann, wie, wo was rezipiert. Gleichzeitig wird die Wahrscheinlichkeit für erfolgre- iche, also anknüpfungsfähige Kommunikationen erhöht, indem Sprache standardisiert und diese Standardisierung dauerhaft dokumentiert wird und die Sozialisation in Gesellschaften des Buchdrucks beinhaltet, lesen und schreiben zu können. Andererseits steigt auch die Möglichkeit der Ablehnung von Kommunikation: „So hat die Schriftsprache in Form des Buchdrucks die Möglichkeiten des Nein-Sagen-Könnens enorm ausgeweit- et.“7

Gleichzeitig sorgt gedruckte Kommunikation dafür, dass Informationen auch nach langer Zeit noch problemlos vergleichbar sind. Nach Krauses Darstellung folgt daraus, dass der Buchdruck „zu Konsistenzprüfungen [veranlasst]“ und somit etwa entscheidenden Einfluss auf das moderne Wissenschaftsverständnis ausübt.8

Dirk Baecker (geboren 1955), ein Schüler Luhmanns, widment in seinem Buch „Kommunikation“ ein Kapitel den schriftlichen Verbreitungsmedien, also der Schrift und dem Buchdruck9. Er schreibt:

Wenig hat nach der Einführung der Schrift die Situation der Kommunikation und damit auch das Verständnis der Kommunikation so durchgreifend verändert wie die Einführung des Buchdrucks.10

Nach Baecker erfüllte die Schrift zunächst die Aufgabe, das Bewusstsein des Individuums von seiner Bedeutung für Erinnern von Handlungen und Erlebnissen zu entlasten und damit für Reflexionsprozesse (auch über sich selbst) zu befreien. Der Buchdruck nun schuf weitere Freiräume: Einer- seits den des einsamen Lesens, andererseits den, „jedermann mit der eige- nen Schrift erreichen zu können, ohne zu wissen, wer oder wann jemand erreicht wird“. Der Buchdruck wurde als Kommunikationsmaschine ver- standen und prägte im weiteren geschichtlichen Verlauf die Gesellschaft der Lesenden und Schreibenden sowie das Bild von dieser Gesellschaft:

Die »Gesellschaft« wurde ausgehend vom Medium des Buchdrucks gedacht, also mit Blick auf die Differenz zwischen dem mit Lesen und Schreiben beschäftigten Individuum und einer unbestimmten Menge von Lesern und Schreibern.

Auch Gesellschaft wurde laut Baecker als Kommunikationssystem ge- dacht: Der Sinngehalt vonKommunikationumfasste nun, Inhalte in das Medium (»in die Gemeyn«) zu geben - später wurde diese Bedeutung aus- geweitet darauf, etwas der Gemeinschaft der Lesenden und Schreibenden zu übergeben.11

In „Der Buchdruck in der frühen Neuzeit“ nimmt sich Michael Giesecke vor, „die Ablaufphasen einer technischen Neuerung nachzuzeichnen“12 und macht hierfür die denkbar günstigsten Bedingungen aus13: Der zeitliche Abstand zur heutigen Analyse ist groß genug, gleichzeitig liegen ausre- ichende Quellen aus der Zeit um die Einführung des Buchdrucks vor. Der gegenwärtige Medienwandel hin zu elektronischen Medien schafft nach Giesecke ausreichende Distanz zur „ideologischen Emphase“ gegenüber dem Buchdruck, um nun auch die Kosten der damaligen Medienevolution in Betracht ziehen zu können und die positiven Folgen neutraler zu bew- erten.

Ziel der Arbeit Gieseckes ist, der nach seiner Ansicht in der ihm vor- liegenden Fachliteratur vorherrschenden Darstellung der Einführung des Buchdrucks in Europa, die Giesecke als Darstellung in ihrer „Überkom- plexität“14wahrnimmt, ein schlankeres theoretisches Modell gegenüber zu stellen:

Was bislang ganz fehlt, ist eine einfache theoretische Modellierung des Phänomens ›Buchdruck‹, die den Leser nicht mehr mit seinen alltagsweltlichen Vorstel- lungen allein läßt.

Gleichzeitig will Giesecke sein Modell auch für die Analyse moderner Mdienrevolutionen - etwa der Einführung elektronischer Medien in der Gegenwart - anbieten und es somit als universelles Modell des Medienwandels etablieren15. Es geht ihm weiter darum, medienpädagogisch auf seine Leserschaft einzuwirken: „Für diese und ähnliche Problematiken [gemeint ist die Einführung von Zensurinstanzen] will das vorliegende Buch ein medienkritisches Bewußtsein entwickeln.“16

[...]


1Diese Darstellung folgt Detlef Krauses Luhmann-Lexikon: Krause, Detlef.LuhmannLexikon. Stuttgart 2005. Im Folgenden zitiert als Krause [3].

2Diese Darstellung folgt Dirk Baeckers Buch „Kommunikation“: Baecker, Dirk.Kommunikation. Stuttgart 2005. Im Folgenden zitiert als Baecker[2].

3Giesecke, Michael.Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudieüber dieDurchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien.Frankfurt/Main 1998. Im Folgenden zitiert als Giesecke[2].

4Krause3, S. 252.

5Vgl. ebd., S. 214.

6Ebd., S. 132.

7Ebd., S. 20.

8Vgl. ebd., S. 132.

9Vgl. Baecker1, S. 43-45.[10]Ebd., S. 43.

11Vgl. ebd. Baecker schließt hieran einige Überlegungen zum Öffentlichen und zum Pri- vaten an und betrachtet die textfokussierte Hermeneutik des 19. Jahrhunderts als Be- leg für die herausragende Bedeutung des Buchdrucks. Eine vertiefte Analyse würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

12Giesecke2, S. 21.

13Ebd. 21f.

14Ebd., S. 23.

15Ebd., S. 24.

16Ebd.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Michael Giesecke und der Buchdruck
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Buchwissenschaft)
Veranstaltung
Die Erfindung des Buchdrucks aus Sicht der Medientheorie
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
22
Katalognummer
V201793
ISBN (eBook)
9783656284567
ISBN (Buch)
9783656284802
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
medientheorie, michael giesecke, niklas luhmann, systemtheorie, buchwissenschaft, buchdruck, gutenberg
Arbeit zitieren
Dennis Schmolk (Autor:in), 2011, Michael Giesecke und der Buchdruck, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201793

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