Im folgenden soll zunächst ein geschichtlicher Überblick zeigen, welche Ansätze von Medienpädagogik sich hierzulande entwickelt haben. Anschließend wird ein Blick auf die gegenwärtige Situation der Medienpädagogik im deutschen Schulwesen geworfen, Problemfelder aufgezeigt und erläutert, welcher medienpädagogische Ansatz heutzutage forciert werden sollte.
Im Anschluss an den Amoklauf von Erfurt im Jahr 2002 entwickelte sich in Deutschland eine
breite gesellschaftliche Debatte über die Auswirkungen von Gewalt in den Medien im Allgemeinen sowie über die von gewalthaltigen Computerspielen im Speziellen. Über angemessene Präventionsmaßnahmen wurde fortan heftigst diskutiert - zwei verschiedene Sichtweisen traten diesbezüglich in den Vordergrund: Einerseits wurde die Notwendigkeit betont, dass Kinder und Jugendliche zum kritischen Medienkonsum befähigt werden müssen; andererseits wurden weitaus häufiger Forderungen nach gesetzlichen Eingriffen laut. Dies führte dazu, dass die Bundesregierung im Jahr 2005 in Erwägung zog, die sogenannten 'Killerspiele' verbieten zu lassen. Nachdem die Diskussionen etwas in den Hintergrund getreten waren, erlangten sie im Anschluss an den Amoklauf von Winnenden im Jahr 2009 neue Brisanz. So betonte der damalige Bundespräsident Horst Köhler auf der öffentlichen Trauerfeier, dass Politik und Gesellschaft entschieden gegen gewalthaltige Computerspiele und Filme vorzugehen haben. Infolgedessen berief beispielsweise der Landtag von Baden- Württemberg einen Sonderausschuss ein, der insbesondere das Schulwesen in die Pflicht nahm: Zum Einen seien verstärkte Sicherheitsmaßnahmen notwendig; zum Anderen müsse die Qualität von medienpädagogischen Maßnahmen verbessert werden. Doch was genau ist unter dem Terminus Medienpädagogik zu verstehen? Im folgenden soll zunächst ein geschichtlicher Überblick zeigen, welche Ansätze von Medienpädagogik sich hierzulande entwickelt haben. Anschließend wird ein Blick auf die gegenwärtige Situation der Medienpädagogik im deutschen Schulwesen geworfen, Problemfelder aufgezeigt und erläutert, welcher medienpädagogische Ansatz heutzutage forciert werden sollte.
Anfang der 1960er Jahre etablierte sich in der Wissenschaft der Terminus Medienpädagogik, allerdings vollzog sich in den darauffolgenden Jahrzehnten kein einheitlicher Diskurs. So merken Hüther/Podehl (2005: 2) an, dass die Auseinandersetzung mit Entwicklungslinien „bis heute weitgehend eklektisch“ geblieben sei und eine systematische Aufarbeitung verschiedener Positionen „allenfalls in Ansätzen“ existiere. Ihren Ursprung hatten medienpädagogische Maßnahmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als sich das damals neue Medium Film zunehmend in der Gesellschaft etablierte. Insbesondere Kirchenvertreter beschäftigten sich mit der Frage, wie man den Film sinnvoll in den schulischen Unterricht integrieren, aber zugleich Heranwachsende hinsichtlich schädlicher Einflüsse sensibilisieren könnte (vgl. Hug 2002: 11). Von dieser Grundhaltung ausgehend etablierte sich die präventiv- normative Medienpädagogik, wobei das Hauptziel darin bestand, „Jugendliche und auch Erwachsene vor den Gefahren dieser neuen bewegten Bilder“ (Hüther/Schorb 2005: 3) zu schützen. Eine propagandistisch-indoktrinäre 'Medienpädagogik' prägte die Zeitepoche während der Diktatur der Nationalsozialisten. Davon ausgehend, dass Medien die Bevölkerung 'formen' können, wurden die zuvor vorhandenen pädagogischen Absichten komplett den propagandistischen Absichten untergeordnet. Hüther/Podehl (2005: 6) sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Funktionalisierung von Massen- und Unterrichtsmedien unter dem Deckmantel einer als Unterhaltung und Volkserziehung getarnten medialen Propaganda“. Im Anschluss an den zweiten Weltkrieg besann man sich zunächst auf die präventiv-normative Medienpädagogik zurück, was nicht zuletzt an den damaligen Erkenntnissen der psychologischen Filmwirkungsforschung lag. So bestand die Annahme, dass insbesondere Jugendliche dem Film „ohne Einleitung entgegenwirkender medienerzieherischer und gesetzlicher Schritte weitgehend hilflos ausgeliefert seien“ (Hüther/Podehl 2005: 8). Trotzdem vollzog sich in den folgenden Jahrzehnten eine bahnbrechende Veränderung. So etablierten sich medienpädagogische Auffassungen, denen die Maxime zugrunde lag, Individuen beizubringen, ihr Medienhandeln „in selbstbeschränkender Auswahl“ (Hüther/Podehl 2005: 9) zu reglementieren und sie demzufolge zu einer Eigenbewahrung vor schädlichen Medieneinflüssen zu befähigen. Dieses Selbstverständnis spiegelte sich ab Mitte der 1960er Jahre im Rahmen von kritisch-rezeptiven Ansätzen wider, bei denen das zentrale Ziel darin lag, „durch hinterfragende Auseinandersetzung und desillusionierende Problematisierung“ (Hüther/Podehl 2005: 10) den Aufbau einer distanzierten Mediennutzung zu bewirken, auf der aufbauend womöglich auch die vielfältigen Verflechtungen von Medienproduktionen durchschaut werden können.
Ebenfalls in den 1960er Jahren wurde mit der bildungstechnologisch-funktionalen Medienpädagogik ein völlig anderer Ansatz entwickelt, gemäß dem ausschließlich das funktionsgerechte Einsetzen von Medien von Bedeutung ist. Insbesondere in Lehreinrichtungen fand dieser Ansatz fortan Zustimmung, um „vorgegebene Lernziele durch optimalen Mitteleinsatz möglichst gradlinig“ (Hüther/Podehl 2005: 11) zu erreichen. Die bildungstechnologisch-funktionale Medienpädagogik etablierte sich in den folgenden Jahrzehnten; zugleich wurden aber auch subjektzentrierte Ansätze weiterentwickelt. Diese sahen das Individuum immer weniger als unmündiges Wesen an, das vor schädlichen Medieneinflüssen geschützt werden muss. Dieses Selbstverständnis mündete in der Etablierung der reflexiv-praktischen Medienpädagogik, die „den Menschen als Subjekt der Medienentwicklung [...] in den Mittelpunkt“ (Hüther/Schorb 2005: 4) stellt. Die Aufgabe der Medienpädagogen lag folglich darin, dem Individuum die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln, damit dieses sich „zu einem aktiven Mitgestalter des öffentlichen Mediengeschehens“ (Hüther/Podehl 2005: 14) entwickeln kann.
Widmet man sich der gegenwärtigen Situation der Medienpädagogik im deutschen Schulwesen, so lässt sich feststellen, dass vereinzelt Positionen existieren, die optimistisch in die Zukunft blicken, aber weitaus häufiger auf Mängel hingewiesen wird. So merkt beispielsweise Schill (in Antritter/Schill 2008: 3) einerseits kritisch an, dass in Schulen vorwiegend mit Printmedien gearbeitet werde und eine „sinnvolle Verbindung von Lese- und Medienerziehung nach wie vor eine Ausnahme“ sei. Anderseits verweist er auf zwei medienpädagogische Entwürfe aus dem Jahr 1990, die - um Heranwachsende auf ein Leben in einer sich damals anbahnenden Mediengesellschaft vorzubereiten - unter anderem die Notwendigkeit betonten, dass alle Schulfächer an der Förderung von Medienkompetenz mitwirken und zudem Kooperationen mit außerschulischen Partnern aufgebaut werden müssen. Obwohl sich die Situation seitdem zwar verbessert habe, sei „die erhoffte medienpädagogische Wende“ (Antritter/Schill 2008: 10) bislang ausgeblieben. In Anbetracht dessen sowie aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Medien für die Identitätsbildung von Heranwachsenden und den damit verbundenen Risiken wurde im Jahr 2009 unter der Leitung von Professor Horst Niesyto, Professor für Erziehungswissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, ein medienpädagogisches Manifest entworfen, das auf Mängel im deutschen Schulwesen hinweist und Handlungsempfehlungen aufführt. Zwei Jahre später fand der erste medienpädagogische Kongress statt, der mit einem ernüchternden Fazit endete: Es bestehe enormer Aufholbedarf - im europäischen Vergleich sei Deutschland derzeit höchstens im Mittelfeld zu platzieren. Wo konkret die Schwachstellen unserer Medienpädagogik liegen, soll im folgenden verdeutlicht werden.
Zunächst ist festzuhalten, dass sich bislang unter Lehrkräften noch nicht flächendeckend ein Selbstverständnis von kontinuierlicher Medienbildung durchgesetzt hat. So werden häufig erst nach aufsehenerregenden Zwischenfällen Fortbildungen für notwendig befunden (vgl. Kammerl/Ostermann 2010: 40) und fundierte medienpädagogische Maßnahmen in die Wege geleitet. Beispielsweise führten Berliner Schulen im vergangenen Schuljahr das Projekt Mobbingfreie Schule - gemeinsam Klasse seindurch, was eine Reaktion auf das ausartende Cybermobbing war, das bereits zahlreiche Selbstmorde zur Folge hatte. Es steht außer Frage, dass solche befristeten Projekte sinnvoll sind, aber ohne langfristig angelegte Konzepte wird die Medienpädagogik hierzulande wohl kaum nachhaltig an Qualität gewinnen können. Hierzu ist jedoch nicht nur ein Bewusstseinswandel unter Lehrkräften notwendig, vielmehr sind auch Veränderungen auf struktureller Ebene unabdingbar, was von den Verfassern des medienpädagogischen Manifests betont wird.
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- Daniel Seehuber (Author), 2012, Ein langer, steiniger Weg..., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201974
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