Ein Blick in den Berliner Rahmenlehrplan für die gymnasiale Oberstufe im Fach Deutsch zeigt, dass das Themenfeld „Theater“ mit durchaus hohen Ansprüchen an Schüler und Lehrer verankert ist. Unter dem Punkt Literatur und Sprache im Kontext anderer Kulturen, Künste und Medien werden die Inhalte „Film- und Theatertraditionen in ihren jeweiligen kulturellen Besonderheiten“, „Literatur und Theater im Spannungsfeld zwischen ästhetischem Anspruch, Medien und Publikumserwartungen“ und „Wechselwirkungen zwischen Bildender Kunst, Musik, Film und Literatur“ konkretisiert. Allerdings setzen diese Lern- und Erkenntnisziele einen Deutschunterricht voraus, der nicht ausschließlich beim dramatischen Text und dessen Interpretation verbleibt. Die Reduktion des Themenfelds „Theater“ auf die Analyse und Interpretation der klassischen Dramentexte ist jedoch größtenteils Unterrichtsrealität. Nach Göbel sei die ausschließliche Fokussierung auf die sprachliche Dimension des Dramas, den dramatischen Lesetext, mediendidaktisch falsch und deshalb fachdidaktisch unverantwortlich. Der Medienwechsel ist für das Drama geradezu konstitutiv. Gabriela Paule setzt diese Forderungen fort und beschreibt eine Zielsetzung für den Deutschunterricht, die sowohl Kompetenzen des Zuschauens als auch des Dramenlesens entwickeln möchte. Um Dramen kompetent lesen und dabei mentale Inszenierungen vornehmen zu können, muss eine Vorstellung von der Spielpraxis des Theaters vorhanden sein, die sich nur durch kontinuierliche Aufführungserfahrungen entwickeln kann.
Im Rahmen dieser Arbeit soll mit René Pollesch ein zeitgenössischer Regisseur und Autor in die Diskussion eingeführt werden, dessen Stücke sich m.E. eignen, um oben benannten Desideraten hinsichtlich eines aufführungsbezogenen Dramenunterrichts in der Oberstufe zu begegnen. Erstens erzwingen seine Stücke durch ein eigens verhängtes Nachspielverbot geradezu den Gang ins Theater. Weiterhin kommt man, wendet man sich Polleschs Stücken zu, der Forderung nach, zeitgenössische Kunst in den Deutschunterricht einzubeziehen. Es sollte bedenklich stimmen, dass Frisch und Dürrenmatt noch vielfach die Sparte „Gegenwartsdrama“ repräsentieren. Will man aber Theater nicht als „museale Stätte für die Reproduktion von bekannten literarischen Formen“, sondern als „Ort der lebendigen Auseinandersetzung mit Phänomenen und Fragen der Gegenwart“ vermitteln, muss man sich der Herausforderung des Neuen und Unbekannten stellen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Warum Pollesch?
- Postdramatisches Theater im Deutschunterricht
- Pop-Kultur und Intermedialität
- Die Kunst des Zuschauens und das Verstehen von Theatralität
- Was tun? Überlegungen zum Stück Kill your Darlings! Streets of Berladelphia.
- Vorbereitungen
- Erinnerungsprotokoll
- Aufführungsanalyse
- Körper
- Musik
- Fazit und Ausblick
- Literatur
- Internetressourcen
- Anhang
- Ansätze zur Vorbereitung
- Erinnerungsprotokoll zum Stück Kill your Darlings! Streets of Berladelphia, Volksbühne Berlin, 26.01.2012.
- Ansätze zur nachbereitenden Aufführungsanalyse
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit argumentiert für die Einbeziehung von postdramatischem Theater in den Deutschunterricht und untersucht, wie sich die Stücke von René Pollesch für diesen Zweck eignen. Der Fokus liegt auf der Förderung von Kompetenzen im Zuschauen und Verstehen von Theatralität, insbesondere in Bezug auf die zeitgenössische Theaterpraxis.
- Postdramatisches Theater und dessen Bedeutung im Deutschunterricht
- Die Einbeziehung von Pop-Kultur und Intermedialität in der Bildung
- Die Schärfung des Verständnisses von Theatralität und die Unterscheidung zwischen alltäglicher und "theatraler" Theatralität
- Die Auseinandersetzung mit den Werken von René Pollesch als exemplarische Beispiele für postdramatisches Theater
- Die Förderung von kritischer Medienkompetenz im Kontext der mediatisierten Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung befasst sich mit dem Themenfeld "Theater" im Berliner Rahmenlehrplan für die gymnasiale Oberstufe. Sie argumentiert gegen die ausschließliche Fokussierung auf klassische Dramen und plädiert für einen aufführungsbezogenen Dramenunterricht, der auch zeitgenössische Theaterformen einbezieht.
Das Kapitel "Warum Pollesch?" stellt den Autor und Regisseur René Pollesch vor und begründet, warum seine Stücke für den Deutschunterricht relevant sind. Polleschs Werke zeichnen sich durch ihre Abkehr von der traditionellen Dramenform aus und bieten Möglichkeiten, postdramatisches Theater und seine interdisziplinären Aspekte zu erforschen.
Das Kapitel "Was tun?" widmet sich den konkreten Möglichkeiten, Polleschs Stücke im Unterricht zu behandeln. Es werden Vorschläge für die Vorbereitung auf eine Aufführung, für die Erstellung eines Erinnerungsprotokolls und für die nachbereitende Analyse der Inszenierung gegeben.
Schlüsselwörter
Postdramatisches Theater, René Pollesch, Theatralität, Intermedialität, Pop-Kultur, Dramenanalyse, Aufführungsanalyse, Medienkompetenz, Unterrichtspraxis, zeitgenössische Theaterformen, Bühnenkunst, Drameninterpretation.
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- Thérèse Remus (Author), 2012, Mut zu unbequemen Inszenierungen!, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202041