Ich mach' schon – Einflussfaktoren auf das Gerechtigkeitsempfinden von Frauen bei der Verteilung der Hausarbeit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Austauschtheorie
2.2 Theorie der distributiven Gerechtigkeit

3 Forschungsstand
3.1 Effekt der relativen Ressourcen
3.2 Effekt der Qualität von Alternativen
3.3 Effekt des Ausmaßes der Geschlechtergleichstellung
3.4 Effekt der Geschlechterideologie

4 Diskussion und Fazit

Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Eine beachtliche Anzahl an Studien beschäftigt sich mit der Aufteilung der Hausarbeit und dokumentiert, dass diese stark zu Lasten der Frauen ausfällt (Beck-Gernsheim 1992: 273). Weder deren zunehmende Erwerbstätigkeit noch das Einkommen oder die Bildung im Verhältnis zum Partner scheinen das zu ändern (Greenstein 2009: 1039) - die primäre Verantwortung für Haushalt und Kindererziehung bleibt nahezu unverändert bei den Frauen. Selbst in Doppelverdiener-Haushalten übernehmen diese in der Regel zweimal so viel Hausarbeit wie ihr Partner (Ruppanner 2008: 509). Dabei ist die zusätzliche Belastung meist nicht folgenlos: Berufstätige Frauen, die den Großteil der Hausarbeit übernehmen, zeigen eine verminderte Partnerschafts- und Lebenszufriedenheit sowie vermehrt depressive Symptome (Lennon/Rosenfield 1994: 507). Umso überraschender ist es, dass der Großteil der Frauen die Aufteilung dennoch als gerecht empfindet. In der Regel nehmen nur 20 bis 30 Prozent die Verteilung der Hausarbeit als ungerecht wahr (Mikula 1998: 218). So scheint die ungleiche Hausarbeitsverteilung generell Akzeptanz zu finden: Wie eine Studie zeigt, haben Männer schon bei weniger als der Hälfte aller Aufgaben das Gefühl, sie würden mehr als ihren gerechten Anteil übernehmen, während Frauen Ungerechtigkeit zu eigenen Lasten erst dann empfinden, wenn sie etwa drei Viertel aller Aufgaben übernehmen. Paradoxerweise betrachten selbst Frauen, die etwas mehr als die Hälfte aller Aufgaben erledigen, die Verteilung als ungerecht gegenüber ihrem Mann (Lennon/Rosenfield 1994: 520).

Welche Faktoren eine Rolle dabei spielen, dass Frauen - trotz offensichtlich ungleich verteilter Hausarbeit - das Gefühl haben, die Aufteilung sei gerecht, soll im Rahmen dieser Arbeit beantwortet werden. Der Fokus liegt dabei auf zwei der prominentesten Theorien. Diese werden im Folgenden näher vorgestellt um anschließend Hypothesen abzuleiten, die in einem weiteren Schritt anhand von empirischen Forschungsergebnissen überprüft werden. Im abschließenden Fazit werden die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst und diskutiert.

2 Theoretischer Hintergrund

Eine ganze Reihe von Theorien beschäftigt sich mit der Frage, welche Faktoren zu einer als gerecht oder ungerecht wahrgenommenen Verteilung der Hausarbeit führen. Da im Rahmen dieser Arbeit nicht auf alle Erklärungsansätze eingegangen werden kann, sollen im Folgenden zwei der populärsten Theorien - mit sehr unterschiedlichem Fokus - näher in den Blick genommen werden.

2.1 Austauschtheorie

Die Austauschtheorie zählt zu den Ansätzen, welche die Hausarbeit aus einem pragmatischen Blickwinkel betrachten. Die Erklärung des Gerechtigkeitsempfindens bezieht sich vor allem auf objektive Komponenten wie individuelle Ressourcen und Macht- beziehungsweise Abhängigkeitsverhältnisse (Nordenmark / Nyman 2003: 183). Um die Überlegungen zum Gerechtigkeitsempfinden in den allgemeinen Theoriekontext einzubetten, werden zunächst kurz die wichtigsten Annahmen skizziert:

Die Thesen der Austauschtheorie basieren auf dem Rational-Choice-Ansatz, der - stark vereinfacht ausgedrückt - jedem Individuum eine bestimmte Ressourcenausstattung und das Streben nach Nutzenmaximierung unterstellt. Da Individuen stets versuchen, den höchstmöglichen Gewinn zu erzielen, wählen sie unter den verschiedenen Alternativen zur Zielerreichung immer diejenige aus, die das beste Ergebnis liefert. Um eine Steigerung des Nutzenniveaus zu erreichen, sind Akteure gemäß der Austauschtheorie aufgrund ihrer begrenzten eigenen Ressourcenausstattung auf den Austausch mit anderen Akteuren angewiesen. Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen somit vor allem soziale Interaktionen, welche als Tauschhandlungen interpretiert und aus einem ökonomischen Blickwinkel betrachtet werden: Jede Handlung wird nach Kosten und Nutzen bewertet (vgl. Esser 1996: 238; Hill / Kopp 2004: 107). Diese Kosten-Nutzen- Kalkulation orientiert sich dabei an zwei Bewertungsmaßstäben, die Einfluss auf die Evaluation der Situation haben können: Das „ comparison level “ repräsentiert als Vergleichsniveau die Erwartungen des Individuums und das, was das Individuum meint verdient zu haben. Das „ comparison level for alternatives “ - Vergleichsniveau für Alternativen - entspricht dagegen der besten zur Verfügung stehenden Alternative. Auf das Thema der Hausarbeitsverteilung bezogen wäre diese Alternative beispielsweise das Austreten aus der Partnerschaft oder das Eintreten in eine andere Partnerschaft, in der die Verteilung dem eigenen Wunsch nah ist (Thibaut / Kelley 1959: 21).

Nimmt man nun wieder die Bewertung von Gerechtigkeit in den Blick, ist zunächst festzuhalten, dass im Sinne der Austauschtheorie ein Tausch dann als gerecht betrachtet wird, wenn sich das Verhältnis von Kosten und Nutzen beider Tauschpartner entspricht. Zur Beurteilung der Gerechtigkeit vergleichen Individuen ihren tatsächlichen Gewinn jedoch mit dem eben angeführten Vergleichsniveau, weshalb sie auch bei objektiv gegebener Benachteiligung nicht zwingend unzufrieden sein müssen, wenn ihr Gewinn genauso hoch ausfällt wie der von Personen, die ihnen ähnlich sind - und die deshalb als Referenzgruppe gelten (Lennon / Rosenfield 1994: 508 f.). Das Vergleichsniveau spielt somit aus austauschtheoretischer Sicht eine wichtige Rolle, um die Zufriedenheit mit bestimmten Situationen und deren Gerechtigkeit zu erklären. Eine besondere Bedeutung für Gerechtigkeitsentscheidungen haben vor allem die Macht- und Abhängigkeitsprozesse in einer Beziehung, da sie auf das Vergleichsniveau wirken. Wie viel Macht einem Akteur zukommt, wird von den Ressourcen und Optionen bestimmt, die ihm zur Verfügung stehen: Ob etwas als gerecht empfunden wird, hängt von den individuellen Ressourcen und verfügbaren Alternativen zu einer Beziehung ab, die jeweils das Vergleichsniveau - als entscheidenden Bewertungsmaßstab - senken: Da für Individuen mit geringeren Ressourcen die Verfügbarkeit von Belohnungen eingeschränkt ist, haben diese geringere Erwartungen an eine Beziehung. Gleichzeitig führen geringere Alternativen zu niedrigeren Erwartungen, da Akteure mit wenig anderen Optionen bei Verlust der aktuellen Beziehung mehr zu verlieren haben und stärker von dieser abhängig sind.

Wenig Macht und hohe Abhängigkeit in einer Beziehung stellen somit aus austauschtheoretischer Perspektive mögliche Ursachen dafür dar, dass ungleiche Verteilungen der Hausarbeit als gerecht empfunden werden. Das Ausmaß der Macht und Abhängigkeit in einer Beziehung definiert sich jeweils über die Ressourcen und Alternativen, die einem Akteur zur Verfügung stehen. Sowohl geringe Ressourcen als auch geringe Alternativen führen über eine Reduzierung der Erwartungen dazu, dass eine Situation subjektiv gerecht erscheint (ebd.). Um zu erklären, weshalb Frauen die ungleiche Verteilung der Hausarbeit als gerecht bewerten, lassen sich vor diesem theoretischen Hintergrund folgende Hypothesen formulieren:

H1: Wenn Frauen gegenüber ihrem Partner weniger Ressourcen haben, empfinden sie eine ungleiche Verteilung der Hausarbeit eher gerecht.

H2: Wenn Frauen gegenüber der aktuellen Partnerschaft geringe Alternativen haben, empfinden sie eine ungleiche Verteilung der Hausarbeit eher gerecht.

2.2 Theorie der distributiven Gerechtigkeit

Als theoretischer Ansatz, der den Fokus weniger auf objektive Ressourcen und Abwägungen, sondern viel mehr auf subjektive Komponenten lenkt, gilt die Theorie der distributiven Gerechtigkeit. Um zu erklären, wie Individuen eine Entscheidung darüber treffen, ob die Aufteilung der Hausarbeit gerecht oder ungerecht ist, rückt diese vor allem symbolische und relationale Bedeutungen von Hausarbeit in den Vordergrund (Nordenmark / Nyman 2003: 183). Dass Hausarbeit für Frauen nicht zwingend etwas Negatives bedeutet, sondern die Fürsorge und Liebe für den Partner oder die Familie repräsentieren kann - die wiederum mit Anerkennung und Wertschätzung belohnt wird - stellt einen wesentlichen Argumentationspunkt der Theorie dar (Mikula 1998: 220). Es wird postuliert, dass Frauen die ungleiche Verteilung der Hausarbeit als gerecht empfinden, weil diese ihren Vorstellungen gerecht wird. Um den Zusammenhang zu verdeutlichen, stellt die Theorie der distributiven Gerechtigkeit drei allgemeine Faktoren auf, die das Gerechtigkeitsempfinden bestimmen: Ausschlaggebend dafür, ob etwas als gerecht empfunden wird, ist zunächst der Anspruch an eine Beziehung. Es kommt darauf an, was sich ein Individuum für seine Bemühungen erwartet („ Outcome values “). Die Bewertung der Situation orientiert sich zusätzlich an sozialen oder normativen Vergleichsstandards („ Comparison referents “) und wird von Rechtfertigungen („ Justifications “) bestimmt, die eine Situation aus bestimmten Gründen oder Umständen legitimieren oder akzeptabel erscheinen lassen (ebd.). Wendet man den ersten Faktor explizit auf die Verteilung der Hausarbeit an, ließe sich aus Sicht der Theorie der distributiven Gerechtigkeit argumentieren, dass Frauen die ungleiche Verteilung als gerecht wahrnehmen, weil sie dem Ergebnis, das aus den Bemühungen resultiert - beispielsweise der Wertschätzung durch Andere oder dem Wohlergehen der Anderen - einen hohen Belohnungswert zuordnen und die Hausarbeit somit nicht ausschließlich als Kosten, sondern Aufgabe in der Beziehung betrachten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Ich mach' schon – Einflussfaktoren auf das Gerechtigkeitsempfinden von Frauen bei der Verteilung der Hausarbeit
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
16
Katalognummer
V202131
ISBN (eBook)
9783656280439
ISBN (Buch)
9783656280675
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Hausarbeit, Hausarbeitsverteilung, Partnerschaft, Gerechtigkeit, Gerechtigkeitsempfinden
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Elena Gratzke (Autor:in), 2012, Ich mach' schon – Einflussfaktoren auf das Gerechtigkeitsempfinden von Frauen bei der Verteilung der Hausarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202131

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Ich mach' schon – Einflussfaktoren auf das Gerechtigkeitsempfinden von Frauen bei der Verteilung der Hausarbeit



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden