Staat und Steuerung – Eine Kombination der Vergangenheit?

Inwieweit bzw. in welchen Sphären verlieren Staaten an Macht und Einflussmöglichkeiten? Was sind moderne staatliche Steuerungselemente?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der (National-) Staat
2.1 Idee und Entstehung des modernen Nationalstaates
2.2 Steuerungsinstrumente des Staates
2.3 Vom Interventions- zum Minimal- und Kooperationsstaat

3 Government, Gouvernementalität und Governance
3.1 Government
3.2 Gouvernementalität
3.3 Governance

4 Realität, Folgerungen und Ausblick

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Nicht erst seit der Weltfinanzkrise des Jahres 2008, die ihre Anfänge in der Immobilienkrise in den Vereinigten Staaten von Amerika hatte und sich dann – gewiss mit Ausnahmen – auf den gesamten Globus ausweitete, sondern bereits seit geraumer Zeit länger ist offensichtlich, welch wichtige und einflussreiche Rolle der Finanzwelt zukommt – gerade in einer sich wandelnden Welt, in der Begrifflichkeiten wie Denationalisierung oder die scheinbar omnipräsent voranschreitende Globalisierung von sich reden machen.

Die Auswirkungen der gerade bereits genannten Finanzkrise allerdings beschränkten sich nicht nur auf den damaligen Zeitpunkt ihres Auftretens. Vielmehr war das Jahr 2008 mit der einsetzenden US-Immobilienkrise lediglich der Auslöser für eine bis heute und höchstwahrscheinlich noch länger andauernde Instabilität und Zerrüttung der Finanz- und Wirtschaftswelt.

Über die ökonomischen Sphären hinaus hat die Krise an den Finanzmärkten mitunter enorme Auswirkungen auf die gesellschaftliche wie auch politische Ebene. Gerade auf Letzterer wird seither vehement versucht, durch die Einführung internationaler Finanzmarktregelungen und verstärkter Kooperation nationaler, transnationaler, internationaler sowie supranationaler Akteure für Stabilität in der Weltwirtschaft zu sorgen, Schuldenkrisen zu bewältigen, Konjunkturen und Konsum in betroffenen Nationalstaaten anzukurbeln sowie Ängste in der Bevölkerung und mittlerweile aufgekommene Vorbehalte gegenüber Börsen, Unternehmen und sogar ganzen Staaten zu verringern.

Mit welchen Mitteln und durch welche Handlungen dies seitens der Akteure und darunter im Speziellen der Nationalstaaten bzw. supranationaler Akteure, wie bspw. der Europäischen Union, versucht wird und welche Mittel und Wege in Form von Steuerungsinstrumenten überhaupt vorhanden sind und genutzt werden können, soll im nachfolgenden Gegenstand dieser Arbeit sein. Hierfür wird zuerst ein Überblick über die Entwicklung des modernen Nationalstaates und über Steuerungsinstrumente formuliert, bevor auf gegenwärtige Ausprägungen und Eigenschaften eingegangen wird sowie neue Formen des Steuerns, Regierens und allgemein Entscheidungsfindungsprozesse (z. B. durch Verhandeln) dargestellt werden. Zuletzt soll mithilfe einer Synthese die Basis für einen Ausblick gegeben werden, in dem der Fokus auf geplanten Beschlüssen und Handlungen politischer Akteure sowie möglicher Wirkungen gerichtet wird.

2 Der (National-) Staat

2.1 Idee und Entstehung des modernen Nationalstaates

Mit dem Zerfall des Römischen Reiches Mitte des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung begannen sich in Europa nacheinander verschiedene Formen von Herrschaft[1] zu entwickeln. Bis in das Mittelalter hinein können so primär feudale Herrschaftsformen festgestellt werden, deren Hauptmerkmal nicht staatliche, sondern personenbezogene Herrschaft war (vgl. Benz 2008: 13ff.). Mit dem Feudalismus hielt im mittelalterlichen Europa die Bildung von Ständen und damit von Ständegesellschaften Einzug. Max Weber sah diese Entwicklung zur Form eines „Staates“, bestehend aus Ständen, wie folgt begründet:

„Der Ständestaat entstand, nachdem einmal die Zusammenfassung der Lehensträger zu einer Rechtsgenossenschaft vorhanden war, aus sehr verschiedenen Anlässen, dem Schwerpunkt nach aber als eine Form der Anpassung der stereotypierten und daher unelastischen Lehens- und Privilegiengebilde an ungewöhnliche oder neu entstehende Verwaltungsnotwendigkeiten. Diese waren selbstverständlich in starkem Maße, wenn auch durchaus nicht immer, und rein äußerlich nicht einmal überwiegend, ökonomisch bedingt“ (Weber 1976: 637).

Durch eben die Zusammenschlüsse in Ständen kann die Ständegesellschaft mitunter auch von der ursprünglichen Form des Feudalismus abgegrenzt werden. Denn waren dort die Herrschaftsverhältnisse primär personenbezogen, so unterscheidet sich die Ständegesellschaft von der reinen Feudalgesellschaft dadurch, dass zum einen die bereits genannten Zusammenschlüsse entstanden und somit Herrschaft nicht mehr nur vorrangig an einen Herrscher bzw. Lehensherr gebunden war, sondern nun auch an den Stand. Zum anderen gab es eine „(…) Institutionalisierung von Herrschaft“ (Benz 2008: 16). Somit wurden Gesellschaften ihrer Ausrichtung nach quasi ausdifferenziert, was sich erst mit der Ausprägung des Absolutismus erneut änderte. Im Absolutismus ging die Macht[2] , die auf eine Gesellschaft ausgeübt wurde, abermals von einem einzigen Herrscher (wie bspw. Monarchen) aus. Die ausgeprägten Stände verloren ihren bis hierhin gewonnen Einfluss zu großen Teilen wieder; gerade im absolutistischen Frankreich fand eine Zentralisierung nicht nur der Kontrolle und Steuerung des „Staates“ statt. Auch die Gewalten wie bspw. die Gesetzgebung oblagen alleine dem absolutistischen Herrscher, dessen Entscheidungen nun auch Primat für die zwar noch vorhandenen, aber gleichwohl entmachteten übrigen Institutionen war.

Gewiss vollzogen sich diese Entwicklungen hin zu einem Territorialstaat nicht im gesamten Europa der damaligen Zeit, betrachtet man bspw. dezentralisierte oder konsoziative Staaten, wie den „Fleckerlteppich“ des Deutschen Reiches, das zwar übergeordnet formal einen Kaiser besaß, jedoch auf Ebene der einzelnen Länder des Reiches weiterhin primär feudal organisiert war oder aber die italienischen Stadtrepubliken wie Neapel, Venedig u. a. Gerade aber die Entmachtung der Stände in Frankreich sollte später ein großer Faktor für die Französische Revolution und damit einhergehenden Ideen für eine Nation darstellen.[3] Zuvor jedoch soll das Augenmerk noch kurz auf der Idee des liberalen Verfassungsstaates liegen, der auf Grundlage eines Gesellschaftsvertrages zustande kommt und auf legale/rationale Herrschaft gestützt sein soll, die vom sogenannten Leviathan ausgeht. Der Leviathan (Staat) „(…) sollte daher vor allem dem Schutz der Bürger gegen Übergriffe anderer Menschen dienen[.], (…) alle Machtmittel vereinigen und gegenüber den Untertanen absolute Durchsetzungsfähigkeit beanspruchen können“ (Benz 2008: 25). Die Individuen einer Gesellschaft verzichten freiwillig auf die Freiheit, die sie im Naturzustand hätten, um dem Kriegszustand und ständiger Angst um ihr leibliches Wohl zu entfliehen. Mit diesem Verzicht geht eine Übertragung ihrer Macht auf den Staat über, der durch das Staatsvolk letztlich zum Souverän wird, „(…) der eine allgemeinverbindliche Ordnung gegen jedermann durchsetzen soll. So entsteht der Leviathan, (…)“ (ebd.). Weitere Vorstellungen und Ideen Hobbes‘ waren, dass „(…) private und öffentliche Angelegenheiten der Herrscher klar getrennt, die Person der Regierenden von der Institution Staat unterschieden werden konnte[n]“ (ebd.). Hobbes‘ Theorie von der legalen und rationalen Herrschaft über ein Territorium erinnert schon stark an aufklärerisches Gedankengut. Mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Idee und das Bestreben danach, endgültig die absolute(n) Herrschaft (-sansprüche) von Monarchen und Lehnsherren zu brechen, sodass von nun an das Volk eines (Territorial-) Staates der alleinige Souverän sein sollte.

Die Vorstellung des modernen Nationalstaates bzw. der Nation[4] als demokratischer Territorial-, Verfassungs- und Rechtsstaat, in dem jeder Bürger als Staatsbürger seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten genießt sowie allgemein, gleich und frei ist – in Abgrenzung zu bis dato vorherrschenden Ausprägungen von Staaten im Allgemeinen – resultierte schließlich aus den bisher abgelaufenen betrachteten Prozessen und gipfelte nach der Französischen Revolution (1789) in ihrer ersten realen Manifestierung im damaligen Frankreich. Das Modell eines derartigen Nationalstaates, gegründet auf den Werten der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verbreitete sich schnell auch über die Grenzen des damals „neuen“ Frankreichs hinaus – grundsätzlich natürlich auch profitierend von sowieso vorherrschenden Modernisierungstendenzen, wie bspw. der Industrialisierung (vgl. ebd.: 26 ff.).

Zu dem demokratischen Wohlfahrtsstaat, wie wir ihn heute kennen, entwickelte sich Staatlichkeit im Verlaufe des 19. Jahrhunderts mit voranschreitender Demokratisierung. Der Staat übernahm immer mehr Aufgaben und wuchs somit in seinen Tätigkeiten und Tätigkeitsfeldern stetig an. Diese Art staatlichen Handelns resultierte nicht zuletzt aus den Implikationen, die die Modernisierung als Begleiterscheinung der Industrialisierung westlicher Nationen mit sich brachte. Soziale Ungleichheiten, wie man sie bspw. bereits aus Zeiten der Ständegesellschaften kannte, verstärkten sich durch die Wohlstandsunterschiede zwischen Bourgeoisie und Proletariat und boten enormes Konfliktpotenzial. Im Laufe der Industrialisierung und weiteren Modernisierung schlossen sich Arbeiter in Interessenvertretungen zusammen und verliehen so ihren Anliegen mehr Einfluss. Als Folge dieser Entwicklung und um soziale Unruhen zu vermeiden, dehnte der Staat seine Leistungen aus, schuf neue Sozialleistungen oder erweiterte bereits vorhandene (vgl. Benz 2008: 33ff.). Als Beispiel hierfür ist u. a. die Einführung von Sozialversicherungen durch Bismarck in Deutschland gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu nennen. Auf diese Weise sollten die Interessen der verschiedenen Klassen gleichgestellt, materiellen Missverhältnissen entgegen gewirkt und sozialer Frieden hergestellt werden.

„Neben der Ermöglichung individueller Freiheit und der Gewährleistung von Sicherheit wurde die soziale Gerechtigkeit ein leitendes Ziel des Staates, welche die formale Gleichheit der Staatsbürger ergänzen sollte. Zur Aufgabe des Wohlfahrtsstaates gehörte es daher, mittels einer umverteilenden Steuerpolitik und mittels Transferleistungen eine gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen anzustreben“ (Benz 2008: 36).

2.2 Steuerungsinstrumente des Staates

Unter Steuerungsinstrumenten staatlicher bzw. politischer Akteure versteht man Instrumente und Methoden, um bspw. gesellschaftliche oder auch wirtschaftliche[5] steuerungsbedürftige Objekte zu lenken oder aber ganz allgemein formuliert: die Möglichkeit bzw. den Versuch, „(…) in Politikfeldern die gesellschaftliche Entwicklung gemäß konkretisierter Zielvorgaben zu beeinflussen“ (Lauth/Thiery 2009: 275). Orientiert man sich an Braun/Giraud, so hat der Staat die Möglichkeit der direkten sowie der indirekten Steuerung, wobei unter Erstere eine „Regulative Politik“ fällt und unter Letztere „Finanzierungen“, „Strukturierung; prozedurale Steuerung“ und „Überzeugung“ (Braun/Giraud 2003: 150).

Betreibt ein Staat regulative Politik, so sollen hiermit Handlungen auf sozialer und/oder individueller Ebene gesteuert werden. Vom Staat verabschiedete verbindliche Erlasse jeder Form, seien es Gesetze, Anordnungen o. Ä., sind von sämtlichen Akteuren der betroffenen Gesellschaft zu befolgen. Andernfalls werden Zuwiderhandlungen mit Sanktionen geahndet.

Im Zuge einer Politik der indirekten Steuerung kann der Staat auf mehrere verschiedene Varianten zurückgreifen, die von Informations- und Überzeugungsarbeit über in Aussicht und/oder zur Verfügung Stellung finanzieller Mittel sowie die Einführung, Abschaffung oder Anpassung von Steuern bis hin zur Schaffung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen reichen. Informations- und Überzeugungsarbeit seitens des Staates bzw. der Politik zielt darauf ab, gesellschaftliche (hier auch wirtschaftliche) Akteure ohne Zuhilfenahme von Zwang (wie bei der regulativen Politik) in ihren Denk- und Handlungsweisen sowie den daraus resultierenden Entscheidungen zu beeinflussen. Gleiches kann unter Verwendung finanzieller Mittel erreicht werden. Die Erhebung, Erhöhung, Abschaffung oder Senkung gewisser Steuern, wie bspw. von Verbrauchersteuern auf spezielle Güter, kann auf betroffene Akteure lenkend wirken (im Falle von Verbrauchersteuern die Konsumenten). Auf diese Weise kann der Staat sogar in gewissem Maße Einfluss auf den Markt nehmen. Eine andere Form der Steuerung finanzieller Natur stellen Subventionen dar, die entweder beim Eintreten einer gewissen Handlungsweise gewährt (z. B. wird die Installation von Solarzellen bzw. der daraus gewonnene Strom staatlich subventioniert) oder generell für bspw. bestimmte Bevölkerungsgruppen oder Wirtschaftszweige zur Verfügung gestellt werden (wie Agrarsubventionen für die Landwirtschaft u. a.).[6] Unter Anwendung dieses Steuerungsinstruments ist es sogar möglich ganze bspw. dem Bund (z. B. in der Bundesrepublik Deutschland) untergeordnete Körperschaften dahin gehend zu lenken, dass bestimmte an finanzielle Mittel gebundene Voraussetzungen erfüllt werden, deren Verwirklichung zum Erhalt eben dieser Mittel führt.

Im Kontext indirekter Steuerung können von staatlicher/politischer Seite aber auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen verändert werden. Unter Zuhilfenahme dieses Elements der indirekten Steuerung „(…) wird versucht, auf das Verhalten in Form von institutionellen Möglichkeiten, Teilhabe- und Eigentumsrechten oder Verhaltensvorschriften einzuwirken“ (Braun/Giraud 2003: 155).

Theodore Lowi hingegen teilt die Policy-Arenen in vier verschiedene statt der gerade beschrieben zwei Bereiche auf. Diese sind: „Distributive Politik“, „Redistributive Politik“, „Regulative Politik“ und „Systemerhaltende Politik“ (zitiert nach Schultze 2009/2010). Die „Distributive Politik“ als Form von Steuerung beinhaltet die Verteilung öffentlicher Güter, Dienstleistungen und Finanzmittel, wohingegen die „Redistributive Politik“ die Umverteilung solcher Leistungen meint. Bei letzterer Form der Steuerung muss abgewägt werden, welchen Aufwand und welchen Ertrag die Umverteilung mit sich bringt (Bsp. einer Umverteilung sind Leistungen wie Transferleistungen, die u. a. durch vom Staat eingeforderte Steuereinnahmen in Form finanzieller Unterstützung an Teile der Gesellschaft fließen, die aufgrund gegebener Anlässe auf Unterstützung „angefordert“ sind). Bei der „Regulativen Politik“ handelt es sich – wie schon bei Braun/Giraud – um das Steuerungsinstrument von Geboten und Verboten, worunter bspw. Gesetze fallen, deren Einhaltung geboten ist und deren Missachtung sanktioniert wird. Mit dieser Form der Steuerung kann der Staat Vorgaben in Bereichen schaffen, die er zu lenken sucht. Die letzte Policy-Arena nach Lowi, die sog. „Systemerhaltende Politik“, dient der „(…) generelle[n] Gestaltung des politischen und sozialen Lebens in einer Gesellschaft (…)“ in Form „(…) neue[r] politische[r] Fragen und Reformen“ (Braun/Giraud 2003).

Prinzipiell betrachtet und wie in diesem Abschnitt ersichtlich wurde, unterscheiden sich die von Braun/Giraud und Lowi definierten Steuerungsinstrumente allenfalls minimal voneinander.

[...]


[1] Herrschaft ist nach Max Weber definiert durch: „(…) die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden; (…)“ (Weber 1976: 28). Hierbei muss zwischen den verschiedenen ebenfalls von Max Weber geprägten Idealtypen von Herrschaft (traditional, charismatisch, rational) unterschieden werden.

[2] Macht nach Max Weber: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstand durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber 1976: 28).

[3] Natürlich spielte bspw. auch die von Martin Luther angestoßene Reformation eine wichtige Rolle, da sie die Gefüge der traditionalen und von einem Gott gewollten Herrschaft aufweichte und somit das gesamte Verständnis von Herrschaft und der Legitimation dieser zu verändern begann.

[4] Eine Nation „(…) bezeichnet eine Gemeinschaft von Menschen, die sich aus ethnischen/sprachlichen/kulturellen und/oder polit. Gründen zusammengehörig und von anderen unterschieden fühlen“ (Riescher 2010: 636f.).

[5] Die Sphäre der Ökonomie soll hier absichtlich als (quasi) losgelöst von (anderen) gesellschaftlichen Sphären sowie Belangen behandelt werden, da sich gerade auch in der jüngeren Vergangenheit des 21. Jahrhunderts abermals die Frage aufdrängt, ob und inwieweit wenn überhaupt sich die Ökonomie an den Interessen gesamter Gesellschaften oder heutzutage: der Weltgesellschaft orientiert. In Marktwirtschaften soll, sofern es nach der Wirtschaft und dem Finanzmarkt geht, ein Staat möglichst wenige Eingriffe auf den Markt im Allgemeinen und Abläufe darauf nehmen. Nach der Vorstellung vom homo oeconomicus sollte sich der Markt rational, selbst- und leistungsgerecht regulieren. Genau aber durch diese Einstellung wurde es in der nun seit 2008 andauernden Weltwirtschaftskrise notwendig, dass Staaten helfend in die Wirtschaft eingreifen und Unternehmen wie Finanzdienstleister finanziell vor dem Kollaps retten sollen. Ja sogar ganze Staaten müssen bzw. sollen von anderen Staaten monetär unterstützt werden, da es nicht absehbar wäre, was passieren würde, sollte z. B. ein Staat der Europäischen Union zahlungsunfähig werden. Einmal unabhängig betrachtet von der Intensität und der Sinnhaftigkeit des aktuellen Handelns bspw. der Bundesregierung in dieser Causa möchte man sich den Worst Case auch überhaupt nicht vorstellen. Wie aber der ehemalige Bundesfinanzminister in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung nun eben folgerichtig feststellt, ist: „Regierungen tun nicht mehr, was sie im Interesse ihrer Bürger für richtig und nötig halten, sondern was Finanzmärkte und Ratingagenturen ihnen diktieren. Politik hat nicht mehr mit der Frage zu tun, wie wir leben wollen, sondern mit der Frage, wie wir zu leben haben“ und „Alle Gewalt soll von den Regierten ausgehen. Sie sollen ihre Macht delegieren in freien Wahlen. Wo die entscheidende Gewalt von den Finanzmärkten ausgeht, kann es zwar freie Wahlen geben, aber sie werden zur Farce. Und Demokratie wird zum Formelkram“ (Eppler 2011).

[6] Dem Subventionsbericht des Bundes wurden im Jahre 2009 – bedingt auch durch die Weltwirtschafts- bzw. Finanzkrise und damit einhergehend der zeitlich begrenzten Einführung einer Abwrackprämie für alte Kraftfahrzeuge – fast 30 Mrd. Euro in Form von Subventionen oder Steuervergünstigungen vom Bund gewährt. Für 2010 sind nach Ablauf der Frist für die Abwrackprämie zwar wieder geringere Summen zu erwarten, dennoch werden schätzungs- und geplanterweise gute 24 Mrd. Euro erreicht (vgl. Öchsner 2010).

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Staat und Steuerung – Eine Kombination der Vergangenheit?
Untertitel
Inwieweit bzw. in welchen Sphären verlieren Staaten an Macht und Einflussmöglichkeiten? Was sind moderne staatliche Steuerungselemente?
Hochschule
Universität Augsburg  (Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät)
Veranstaltung
Jungtäubl ITM 3: Politische und gesellschaftliche Konfliktfelder. Politische Steuerung und gesellschaftliche Problemlagen im Wandel
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
26
Katalognummer
V202603
ISBN (eBook)
9783656286226
ISBN (Buch)
9783656287681
Dateigröße
559 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Staat, Nationalstaat, Steuerung, Instrumente, Steuerungsinstrumente, Interventionsstaat, Minimalstaat, Kooperationsstaat, Government, Governance, Gouvernementalität
Arbeit zitieren
Marc Jungtäubl (Autor:in), 2011, Staat und Steuerung – Eine Kombination der Vergangenheit?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202603

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