Hausgeldansprüche in der Insolvenz des Wohnungseigentümers


Bachelorarbeit, 2012

70 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Kapitel A - Einleitung

Kapitel B - Rechtslage vor der WEG-Novelle
I. Begriffsklärung Hausgeld
II. Durchsetzung außerhalb des Insolvenzverfahrens
1. Eintragung einer Zwangssicherungshypothek
2. Zwangsversteigerung
III. Insolvenzeröffnung
1. Einstellung nach § 30d ZVG
2. System der Forderungsqualifizierung
a. Insolvenzforderungen § 38 InsO
b. Absonderungsrecht
c. Masseverbindlichkeiten § 53 InsO

Kapitel C - Rechtslage nach der WEG-Novelle
I. Gesetzliche Neureglung des WEG und ZVG
II. Inhalt des Vorrechts nach § 10 I Nr. 2 ZVG
III. Zwangsversteigerung aus Rangklasse
1. Anmeldung
2. Betreiben
3. Mindestgrenze
4. Nachweis
IV. Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren

Kapitel D - Entscheidung des BGH vom 21.07.2011 - IX ZR 120/
I. Gegenstand der Entscheidung
II. Absonderungsrecht im Insolvenzverfahren § 49 InsO
1. Systematik des § 49 InsO – Recht auf Befriedigung
2. Hausgeldansprüche als dingliches Recht
III. Durchsetzung des Anspruchs
1. Zahlungsklage
2. Klage auf Duldung der Zwangsversteigerung
3. Anforderungen an Prozessgericht
4. Beschlagnahme mit Insolvenzeröffnung
IV. Abgrenzung Insolvenzforderung von Masseverbindlichkeit
1. Fälligkeitstheorie
2. Aufteilungstheorie
3. Abrechnungsspitze
4. Sonderumlage zur Deckung eines Wohngeldausfalls
V. Haftung des Insolvenzverwalters
1. Bei bestehender Zwangsverwaltung
2. Bei Freigabe des Sondereigentums aus der Insolvenzmasse
VI. Vollstreckungsverbot nach § 90 InsO
1. oktroyierte Masseverbindlichkeiten
2. nicht oktroyierte Masseverbindlichkeiten
VII. Masseunzulänglichkeit in Abgrenzung zur Massearmut
VIII. Vollstreckungsverbot nach §
IX. Recht auf abgesonderte Befriedigung trotz § 208 InsO
1. Ausschluss sonstigen Rechtserwerbs
2. Kritik an der Begründung nach § 91 InsO
3. Lösungsmöglichkeit nach Derleder

Kapitel E - Fazit

Kapitel F - Ausblick
I. Vormerkung beim Grundstückserwerb
II. Verhältnis zwischen Hausgeldern und Eigentumsvormerkung – Welches Recht geht dem anderem im Range vor?
III. Verhältnis Eigentumsvormerkung und Hausgelder bei einer werdenden Gemeinschaft
1. keine separaten Grundbücher
2. Anlegung von separaten Grundbüchern
IV. Belehrungspflicht des Notars

Literaturverzeichnis

Rechtsprechungsübersicht

Verzeichnis der Schaubilder.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kapitel A - Einleitung

Diese Arbeit befasst sich mit der Beitreibung von rückständigen Hausgeldern.

Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Vorrechte der Wohnungseigentümergemeinschaft – im Folgenden Gemeinschaft genannt – im Zwangsversteigerungs- und Insolvenzrecht gelegt. Besondere Berücksichtigung findet hierbei die in der Literatur stark kritisierte Entscheidung des BGH.[1]

Der Hauptteil soll kurz die Situation vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26.03.2007[2] darstellen, um sodann, das für die Beitreibung von Hausgeldern durch die WEG-Novelle geschaffene Vorrecht im Zwangsversteigerungsrecht zu erläutern. Hieraus ergibt sich die vom BGH zu klärende Fragestellung, inwiefern die Gemeinschaft im Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht nach § 49 InsO i. V. m. § 10 I Nr. 2 ZVG hat.

Die sich aus der Entscheidung für die Praxis ergebenen Auswirkungen, werden anhand des nachstehenden Sachverhalts im Ausblick in Kapitel F näher erläutert.

Als Ausgangspunkt soll folgende Fallsituation dienen:

Ein Bauträger hat bereits einen Großteil der Wohneinheiten veräußert und für die Erwerber wurden zur Sicherung des Eigentumsübergangs im jeweiligen Wohnungsgrundbuch Eigentumsvormerkungen eingetragen. Nunmehr wird über das Vermögen des Bauträgers das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Verfasserin wird bei der Betrachtung des Sachverhalts nicht näher auf das Rechtssubjekt „werdende Gemeinschaft“ eingehen.[3] Vielmehr soll hieran verdeutlicht werden, was mit den Eigentumsvormerkungen bei bereits vor Insolvenzeröffnung fällig gewordenen rückständigen Hausgeldern geschieht. Können rückständige Hausgelder aus der Rangklasse 2 gegen den teilenden Eigentümer beigetrieben werden? Erlischt die Vormerkung im Zwangsversteigerungsverfahren, wenn die Gemeinschaft aus den Hausgeldern betreibt oder einem bereits laufenden Verfahren beitritt?

Gerichtet ist diese Arbeit an Insolvenzverwalter,[4] Notare, Gemeinschaften und deren Verwaltungen. Davon ausgehend, dass diese bereits über ausreichend Grundkenntnisse im Insolvenz-, Wohnungseigentums- und Zwangsversteigerungsrecht verfügen, werde ich auf die Grundlagen der einzelnen Rechtsgebiete nicht näher eingehen.

Kapitel B - Rechtslage vor der WEG-Novelle

Um die Notwendigkeit des Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze besser nachvollziehen zu können, soll in diesem Kapitel zunächst die Situation vor dem 01.07.2007, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens,[5] dargestellt werden.

I. Begriffsklärung Hausgeld

Als „Hausgeld“ (mitunter auch missverständlich als „Wohngeld“)[6] wird der Beitrag des einzelnen Wohnungseigentümers zu den Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie den Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, § 16 II WEG, bezeichnet.

Das Hausgeld umfasst neben den laufenden Beiträgen zu den Kosten auch die Abrechnungsspitze, die Rückstellungsbeiträge für die Instandhaltung gemäß § 21 V Nr. 4 WEG sowie die Sonderumlage. Diese kann erforderlich sein, wenn die Vorauszahlungen nicht ausreichen, um die tatsächlich anfallenden Kosten zu decken. Die Abrechnungsspitze und die Sonderumlage werden in Kapitel D IV begutachtet.

Zu entrichten ist der Beitrag entweder durch Vorschüsse auf die zu erwartenden Unkosten oder durch Zahlung des sich aus der Abrechnung ergebenen Betrages sowie durch Beiträge für künftige Aufwendungen (Instandhaltungsrücklage).

Wann diese fällig werden, kann sich aus dem Teilungsplan oder einer Vereinbarung nach § 10 II 2 WEG ergeben. Soweit sich dort Fälligkeitsbestimmungen nicht finden, können die Wohnungseigentümer nach § 21 VII, § 28 V WEG die Fälligkeit der Vorschusszahlungen im Beschluss über den Wirtschaftsplan und die Fälligkeit der übrigen Hausgeldansprüche im Jahresabrechnungsbeschluss oder in einem Beschluss über eine Sonderumlage bestimmen.[7]

Ist die Fälligkeit weder ausdrücklich noch konkludent geregelt, werden die Hausgelder gemäß § 28 II WEG auf den jederzeit möglichen Abruf des Verwalters hin fällig.[8]

Gläubigerin ist die Gemeinschaft.[9]

Sollte ein Wohnungseigentümer seiner Verpflichtung zur Zahlung der Hausgelder nicht nachkommen, müssen diese zunächst anteilig von den anderen Miteigentümern mitgetragen werden.[10] Es droht ein Wertverlust, da die Erhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums sowie die Begleichung der anfallenden Kosten der Gemeinschaft somit auf Dauer nicht mehr gewährleistet werden kann, wodurch eine Weiterveräußerung erheblich erschwert wird.

II. Durchsetzung außerhalb des Insolvenzverfahrens

Vor Inkrafttreten der WEG-Novelle war die Gemeinschaft gezwungen, Hausgeldrückstände des säumigen Wohnungseigentümers – im Folgenden Schuldner genannt - titulieren zu lassen, damit die Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung gegen diesen beigetrieben werden konnte.

Durch die Titulierung erlangte die Gemeinschaft die Möglichkeit, die Einzelzwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners zu betreiben, welche jedoch regelmäßig fruchtlos verlief, so dass lediglich als Vermögensgegenstand das Wohneigentum des Schuldners verlieb.[11]

1. Eintragung einer Zwangssicherungshypothek

Um das Sondereigentum zur Haftungsmasse für die rückständigen Hausgelder zu machen, wurde - unter den Voraussetzungen der §§ 866 ff. ZPO - eine Zwangssicherungshypothek in das Wohnungsgrundbuch des Schuldners eingetragen. Die Verlautbarung im Grundbuch führte dann zur dinglichen Haftung des belasteten Wohnungseigentums neben der auch weiterhin fortbestehenden persönlichen Zahlungspflicht des Schuldners[12] sowie zur Rangsicherung an dem Wohnungseigentum.[13]

2. Zwangsversteigerung

Aus der Zwangssicherungshypothek konnte (und kann auch nach derzeit geltendem Recht) nunmehr die Zwangsversteigerung und auch die Zwangsverwaltung beim zuständigen Amtsgericht als Vollstreckungsgericht am Belegenheitsort des Grundstücks eingeleitet werden, § 866 I ZPO, § 1 ZVG.

Zur Durchsetzung des rangbesseren dinglichen Anspruchs auf Zahlung des Hypothekenbetrages aus dem Grundstück, das heißt für eine Zwangsversteigerung mit dem Rang der Sicherungshypothek gemäß § 867 III ZPO, ist der vollstreckbare Titel, auf dem die Eintragung vermerkt ist, ausreichend.[14] Ein dinglicher Titel nach §§ 794 I Nr. 5, 800 ZPO ist für die Einleitung der Zwangsversteigerung nicht erforderlich. Die Eintragung des Vermerks auf dem Titel ist demnach (für das Zwangsversteigerungsverfahren)[15] gleichgestellt mit einem titulierten Duldungsanspruch.

Um die Pfändung oder die Anordnung der Zwangsverwaltung zu erreichen, benötigt der Inhaber einer Zwangssicherungshypothek allerdings einen dinglichen Titel.[16]

Trotz dieser formellen Bevorzugung bzw. Gleichstellung mit anderen dinglichen Gläubigern scheitert die erfolgreiche Durchsetzung für die Gemeinschaft überwiegend daran, dass die Zwangssicherungshypothek erst zeitlich nach den Grundpfandrechten im Grundbuch eingetragen wird und diesen somit rangmäßig nachgeht.[17]

Aufgrund der geringen Erlöse im Zwangsversteigerungsverfahren und den regelmäßig der Zwangssicherungshypothek vorgehenden Rechten war im Falle der Erlösverteilung regelmäßig keine Ausschüttung für die Gemeinschaft zu erwarten.[18] Es drohte ein vollumfänglicher Ausfall.

III. Insolvenzeröffnung

Wird über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, erfolgt keine Unterbrechung des bereits angeordneten Zwangsversteigerungsverfahrens. Will der Insolvenzverwalter die Verwertung verhindern, kann er dies in erster Linie nur, wenn er die rückständigen Hausgelder aus der Masse zahlt[19] oder einen Antrag auf Einstellung der Zwangsversteigerung für die Dauer des Insolvenzverfahrens nach § 30d ZVG stellt.[20]

1. Einstellung nach § 30d ZVG

Nach § 30d I ZVG ist auf Antrag des Insolvenzverwalters die Zwangsversteigerung einstweilen einzustellen, wenn der Berichtstermin nach § 29 I Nr. 1 InsO noch bevorsteht, beziehungsweise das Grundstück für die Fortführung des Unternehmens oder für die Vorbereitung der Veräußerung eines Betriebes oder einer anderen Gesamtheit an Gegenständen benötigt wird. Eine einstweilige Einstellung kommt auch in Betracht, wenn die Durchführung eines vorgelegten Insolvenzplanes gefährdet oder in sonstiger Weise die angemessene Verwertung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert würde.

Stehen dem Antrag keine besonderen Gläubigerinteressen entgegen, was z. B. der Fall wäre, wenn dem Gläubiger eine weitere Hinauszögerung der Versteigerung wirtschaftlich nicht zugemutet werden kann,[21] so ist die Einstellung mit der Auflage anzuordnen, dass dem betreibenden Gläubiger für die Zeit nach dem Berichtstermin nach § 29 I Nr. 1 InsO laufend die geschuldeten Zinsen binnen 2 Wochen nach Eintritt der Fälligkeit aus der Insolvenzmasse zu zahlen sind, § 30e I ZVG. Durch die Zinszahlung soll vermieden werden, dass dem Gläubiger mit Einstellung des Verfahrens ein wirtschaftlicher Nachteil entsteht.

Die Kosten des Einstellungsverfahrens trägt in jedem Fall die Insolvenzmasse. Dies gilt sowohl wenn das Verfahren einstweilen eingestellt wird,[22] als auch bei Abweisung des Antrags.

Der Verwalter begründet durch einen Einstellungsantrag nach § 30d ZVG eine unmittelbare vertragliche Verpflichtung zu Lasten der Masse - vgl. im Übrigen auch den Wortlaut des § 30e I ZVG, wonach die laufend geschuldeten Zinsen „aus der Insolvenzmasse“ zu zahlen sind - dies ist sicherlich einer der Gründe, weshalb von diesem Einstellungsrecht in der Praxis eher selten Gebrauch gemacht wird.[23]

2. System der Forderungsqualifizierung

Die insolvenzrechtlichen Folgen für die Beitragsforderungen der Gemeinschaft sind nur zu verstehen, wenn man sich das System der Forderungsqualifizierung in der Insolvenz vor Augen hält.[24] Man unterscheidet die Insolvenzforderung und die Masseverbindlichkeit. Diese sollen anhand nachstehender Abbildung verdeutlicht und im Folgenden näher erläutert werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

a. Insolvenzforderungen § 38 InsO

Bei Hausgeldansprüchen, welche bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig und rückständig sind, handelt es sich um Insolvenzforderungen nach § 38 InsO.[25] Hierbei ist es auch unerheblich, wenn die Jahresabrechnung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschlossen wird. Dieser Beschluss hat hinsichtlich der Rückstände aus dem Wirtschaftsplan regelmäßig nur eine bestätigende und nicht eine rechtsbegründende Wirkung.[26]

Anderer Auffassung ist hier Mayer[27] - „durch den Wirtschaftsplan wird die Vorschusspflicht und somit die Forderung bereits begründet. Der Wortlaut des § 38 InsO stellt auf die Begründung der Forderung ab. Auf die Fälligkeit kommt es nicht an. Somit wären sämtliche Raten des vor Insolvenzeröffnung beschlossenen Wirtschaftsplans Insolvenzforderungen und keine Masseverbindlichkeiten, vielmehr wäre eine Abzinsung nach § 41 InsO erforderlich.“

Maßgeblich ist nach h. M. bei den Beiträgen der Wohnungseigentümer grundsätzlich der Beschluss, dieser soll der Grund für die Entstehung der Verbindlichkeit und damit gemäß § 38 InsO maßgeblich für die Qualifizierung der Forderung sein. Somit ist generell die Fälligkeit ausschlaggebend, auch wenn dies § 38 InsO widerspricht, der nicht auf die Fälligkeit abstellt. Letztlich führt es aber zumindest zu sachgerechteren Ergebnissen.[28]

Auf die unterschiedlichen Ansichten zur Fälligkeit- und Aufteilungstheorie, insbesondere in Bezug auf die Abrechnungsspitze und die Sonderumlage zur Ausfalldeckung, wird eingehend in Kapitel D IV eingegangen.

Insolvenzgläubiger unterliegen dem Vollstreckungsverbot des § 89 InsO. Unter Vollstreckungsmaßnahmen werden sämtliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfasst, die auch in § 88 InsO aufgeführt sind, mithin sowohl die zivilprozessualen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen als auch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach den öffentlich-rechtlichen Verwaltungsvollstreckungsgesetzen.[29] Nicht nur der Beginn von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung sind nach § 89 I InsO untersagt, sondern auch die Fortsetzung einer bereits beantragten oder schon begonnenen Vollstreckung.[30] Hat die Vollstreckung bereits zu einer dinglichen Sicherung des Gläubigers geführt, greift mit Ausnahme der §§ 321, 322 InsO das Vollstreckungsverbot nicht mehr, da bereits ein insolvenzfestes Absonderungsrecht entstanden ist, was nur noch bei Anwendbarkeit der Rückschlagsperre nach § 88 InsO oder der Insolvenzanfechtung §§ 129 ff. InsO beseitigt werden kann.[31]

b. Absonderungsrecht

Die Gemeinschaft könnte demnach, sofern sie wirksam im Wege der Zwangsvollstreckung vor Insolvenzeröffnung eine Zwangssicherungshypothek in das Wohnungsgrundbuch des Schuldners hat eintragen lassen, ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Grundstück erlangen. Wirksam sind Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, welche nicht in den Zeitraum der Rückschlagsperre des § 88 InsO fallen. Die Frist beträgt im Regelinsolvenzverfahren 1 Monat und in Verbraucherinsolvenzverfahren i. V. m. § 312 I 3 InsO 3 Monate vor Insolvenzantragstellung.[32]

Die Gläubiger, denen ein Recht auf Befriedigung aus Gegenständen zusteht, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen, sind nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, § 49 InsO.

Ebenfalls bestünde ein Absonderungsrecht, sofern die Gemeinschaft außerhalb der Rückschlagsperre die Beschlagnahme im Wege der Zwangsversteigerung und/oder -verwaltung aus der persönlichen Forderung erlangt hat. Nach § 80 II 2 InsO bleiben die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme unberührt. Die Gemeinschaft wäre sodann Absonderungsberechtigte aus der Rangklasse 5 des § 10 I ZVG, weil sie in diesem Fall noch rechtzeitig ein Recht auf Befriedigung aus der Immobilie erworben hätten.

Im Wege der Zwangsvollstreckung kann nunmehr abgesonderte Befriedigung auf Grundlage des Zahlungstitels, auf welchem die Eintragung der Zwangssicherungshypothek gemäß § 867 III ZPO vermerkt ist, verlangt werden. Nach Insolvenzeröffnung ist der Titel auf den Insolvenzverwalter nach § 727 ZPO umzuschreiben, allerdings beschränkt auf die Pflicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum.[33]

Wie bereits in Kapitel B II 2 angesprochen, scheitert die erfolgreiche Durchsetzung für die Gemeinschaft aber auch hier überwiegend daran, dass die Zwangssicherungshypothek häufig letztrangig hinter den Finanzierungsgrundpfandrechten im Grundbuch eingetragen und angesichts der Höhe der vorgehenden Grundpfandrechte mit einer Befriedigung der Gemeinschaft nicht zu rechnen ist.[34]

c. Masseverbindlichkeiten § 53 InsO

Den Gegenbegriff zu den Insolvenzforderungen bilden die sogenannten Masseverbindlichkeiten. Sie untergliedern sich ihrerseits in Verfahrenskosten nach § 54 InsO und sonstige Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO.[35]

Hausgeldvorschüsse, die nach Insolvenzeröffnung fällig werden, gelten als Masseverbindlichkeiten, da sie durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet werden, § 55 I Nr. 1 2. Alternative InsO.[36] Sie sind vorab aus der Insolvenzmasse zu befriedigen.[37]

Kapitel C - Rechtslage nach der WEG-Novelle

I. Gesetzliche Neureglung des WEG und ZVG

Mit dem Inkrafttreten der WEG-Novelle zum 01.07.2007 wurde die Beschlusskompetenz in Bezug auf Betriebs- und Verwaltungskosten, Kosten baulicher Maßnahmen, Modernisierungsmaßnahmen, Zahlungsmodalitäten sowie der Aufhebung einer Veräußerungsbeschränkung erweitert. Ebenfalls wurde die Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft in § 10 VI WEG normiert. Darüber hinaus erfolgte die Zuordnung eines Rechtsstreits zum Katalog des § 43 WEG bezüglich der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der Zivilprozessgerichte, unter Beachtung der Sonderregelungen in §§ 44 bis 50 WEG nach den Vorschriften der ZPO.[38]

Diese genannten Änderungen sollen jedoch nicht Gegenstand dieser Untersuchungen sein.

Vielmehr ist für die Beitreibung der rückständigen Hausgelder das für die Gemeinschaft innerhalb des Zwangsversteigerungsgesetzes geschaffene Vorrecht von großer Bedeutung. Dies konnte vom Gesetzgeber umgesetzt werden, da sich der bisher in der Rangklasse 2 des § 10 I Nr. 2 ZVG geregelte „Litlohn“ (Gehälter der Bediensteten bei landwirtschaftlich genutzten Grundstücken) als nicht mehr zeitgemäß erwiesen hat, gleichzeitig aber ein praktisches Bedürfnis danach bestand, die Hausgeldansprüche gegen säumige Miteigentümer besser zu schützen.[39]

In der Gesetzesbegründung heißt es: „Durch die Schaffung des Vorrangs für Hausgeldansprüche werden nach Auffassung des Gesetzgebers die nachfolgenden dinglich berechtigten Gläubiger der Rangklasse 4 nicht unangemessen benachteiligt. Denn der vorgesehene Vorrang begrenzt die berücksichtigungsfähigen Ansprüche (...). Damit wird für die nachfolgenden Realkreditgläubiger der finanzielle Umfang der aufgrund von § 10 I Nr. 2 ZVG vorausgehenden Rechte kalkulierbar. Die Einräumung des Vorrechts in der Zwangsversteigerung auch gegenüber dinglichen Rechten, die bei dem Inkrafttreten des Gesetzes bereits bestehen, greift zwar in die Rechtsposition der Berechtigten solcher Rechte ein. Wegen der besonderen Notwendigkeit einer Bevorrechtigung von Wohngeldansprüchen und des Umstands, dass die bevorrechtigten Beträge im Wesentlichen auch dem einzelnen Wohnungseigentum als Belastungsgegenstand zugute kommen, und weil das Vorrecht ohnehin nur für Hausgeld aus einem eng begrenzten Zeitraum zur Verfügung steht, ist dieser Eingriff aber auch im Hinblick auf Artikel 14 I 1 GG gerechtfertigt. Ansonsten würde die Regelung für eine sehr große Zahl von Wohnanlagen auf Dauer unanwendbar.“[40]

Anwendung findet § 10 I Nr. 2 ZVG auch auf das Teileigentum, das Wohnungserbbaurecht sowie das Teilerbbaurecht, vgl. § 1 VI, 30 III 2 WEG.

II. Inhalt des Vorrechts nach § 10 I Nr. 2 ZVG

Das Vorrecht umfasst die laufenden und rückständigen Beträge auf Zahlung der Beiträge zu den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums, die nach §§ 16 II, 28 II, V WEG geschuldet werden, einschließlich der Vorschüsse und Rückstellungen, § 21 V Nr. 4 WEG sowie der Rückgriffansprüche einzelner Wohnungseigentümer aus dem Jahr der Beschlagnahme und den letzten zwei Jahren. Es ist begrenzt auf Beträge in Höhe von nicht mehr als 5 vom Hundert des nach § 74a V ZVG festgesetzten Wertes, § 10 I Nr. 2 ZVG.

Kontrovers beurteilt wird, ob für die Bestimmung der unter § 10 I Nr. 2 S. 2 ZVG fallenden Rückstände darauf abzustellen ist, ob sie in dem dort genannten Zeitraum fällig geworden sind, oder darauf, ob sie sich auf den dort genannten Zeitraum beziehen.[41]

Nach dem Wortlaut des § 13 I ZVG sind die laufenden Beträge wiederkehrender Leistungen: der letzte vor der Beschlagnahme fällig gewordene Betrag sowie die später fällig werdenden Beträge bis längstens einen Tag vor Zuschlagserteilung. Fraglich ist demnach, wie es sich mit den Ansprüchen verhält, die zwar innerhalb des maßgeblichen Zeitraums aufgrund eines entsprechenden Beschlusses begründet worden sind, sich aber auf einen davor liegenden Zeitraum beziehen.

Nach dem Willen des Gesetzgebers, sollen diese nicht den Vorrang der Rangklasse 2 genießen.[42] Erfolgt etwa die Beschlagnahme im Jahr 2010, so sind fällige Beitragsforderungen der Jahre 2010, 2009 und 2008 bevorrechtigt. Haben die Wohnungseigentümer im Jahre 2008 die Jahresabrechnung 2007 beschlossen, so erhält eine Nachforderung in Höhe der Abrechnungsspitze nicht den Vorrang, obgleich sie durch Beschluss innerhalb des maßgeblichen Zeitraums begründet wurde.[43]

In der Literatur werden auch andere Ansichten vertreten:

Unter anderem wird dies begründet mit Bezugnahme auf die Rangklasse 3, wonach es dort nur auf den Zeitpunkt der Rückständigkeit, nicht aber auf den Bezugszeitraum der Last ankommt.[44] Nach § 10 III 2 ZVG genügt für die Vollstreckung ein Titel, aus dem (...) der Bezugszeitraum des Anspruchs (...) zu erkennen ist. Nach Ansicht von Kümmel[45] „handelt es sich hierbei lediglich um eine Verfahrensvorschrift, die nicht die materiellen Grenzen der Bevorrechtigung regelt. Auch ist der verwendete Begriff Bezugszeitraum nicht eindeutig zu verstehen – es sind auch Sonderumlagen denkbar, denen kein Bezugszeitraum zugrunde liegt.“

Würde man der Ansicht Kümmels folgen, so hätte die Gemeinschaft nach Alff[46] die „Möglichkeit die zeitliche Einschränkung für die bevorrechtigte Geltendmachung gemeinschaftlicher Ansprüche durch Wiederholung und Neubegründung des alten Saldos in einer späteren Jahresabrechnung zu umgehen.“ Dem hält Schneider[47] entgegen, dass „etwaige Manipulationen durch Wiederholung bzw. Neugründung des früheren Saldos in einer späteren Jahresabrechnung durch die Rechtsprechung des BGH zur Novation von Abrechnungsrückständen[48] die Grundlage entzogen sein dürfte.“

[...]


[1] BGH, Urteil vom 21.07.2011 – IX ZR 120/10, Rn 11 = NJW 2011, 3098 = NZI 2011, 731 (m. Anm.

Drasdo, S. 736 ff.) = ZfIR 2011, 825 (m. Anm. Derleder, S. 830 ff.).

[2] Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26.03.2007 BGBl I S. 370 (Nr. 11) zuletzt geändert durch Artikel 4 Gesetz vom 13.04.2007 BGBl. I S. 509; Geltung ab 01.07.2007, abweichend siehe Artikel 4.

[3] Dazu vgl. grundlegend BGH, Beschluss vom 05.06.2008 - V ZB 85/07 = BGH 177, 53 = ZWE 2008, 378.

[4] Sowie den in Verbraucherinsolvenzverfahren zuständigen Treuhändern.

[5] Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26.03.2007 BGBl I S. 370 (Nr. 11) zuletzt geändert durch Artikel 4 G. vom 13.04.2007 BGBl. I S. 509; Geltung ab 01.07.2007, abweichend siehe Artikel 4.

[6] Im Folgenden bezeichnet als Hausgeld bzw. Hausgeldanspruch.

[7] BGH, Urteil vom 21.07.2011 – IX ZR 120/10, Rn 11 = NJW 2011, 3098 = NZI 2011, 731 (m. Anm. Drasdo, S. 736 ff.) = ZfIR 2011, 825 (m. Anm. Derleder, S. 830 ff.).

[8] BGH, Beschluss vom 02.10.2003 – V ZB 34/03, S. 16 = BGHZ 156, 279, 280 = NJW 2003, 3550.

[9] BGH, Beschluss vom 02.06.2005 – V ZB 32/05 = BGHZ 163, 154 = NJW 2005, 2061; Pick in Bärmann/Pick, § 16 Rn 27; Wenzel, ZWE 2006, 462.

[10] Hintzen/Alff, ZInsO 2008, 480.

[11] Hintzen/Alff, ZInsO 2008, 480.

[12] Schneider, ZMR 2009, 165.

[13] Hintzen/Alff, ZInsO 2008, 480.

[14] Musielak-ZPO/ Becker, § 867 Rn 11.

[15] Vgl. BGH, Beschluss vom 05.06.2008 - V ZB 85/07 = BGH 177, 53 = ZWE 2008, 378.

[16] BGH, Urteil vom 13.03.2008 – IX ZR 119/06 = NJW 2008, 1599 (m. Anm. Zimmer, S. 1600 ff.).

[17] Hintzen/Alff, ZInsO 2008, 480.

[18] Hintzen/Alff, ZInsO 2008, 480.

[19] Hintzen/Alff, ZInsO 2008, 480 [485]; Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, Anlage IV, Rn 43.

[20] PKInsO-HWF/ Ringstmeier/Boddenberg, § 50 Rn 11.

[21] Stöber, ZVG, § 30d Rn 3.

[22] LG Mühlhausen, Beschluss vom 22.10.2001 – 2 T 127/01 = Rpfleger 2002, 275; Hock/Klein/Hilbert/Deimann, Rn 194.

[23] Hintzen/Alff, ZInsO 2008, 480 [485].

[24] Lüke, ZWE 2010, 62 [63].

[25] BGH, Beschluss vom 30.11.1995 – V ZB 16/95 = BGHZ 131, 228 = NJW 1996, 725;

BGH, Urteil vom 10.03.1994 – IX ZR 98/93 = NJW 1994, 1866 = ZIP 1994, 720.

[26] BGH, Urteil vom 10.03.1994 – IX ZR 98/93 = NJW 1994, 1866 = ZIP 1994, 720;

OLG Stuttgart, Urteil vom 18.09.2002 – 3 U 89/02 = ZIP 2002, 1955 = ZMR 2003, 57.

[27] Mayer, Hausgeldforderungen beitreiben, S. 56; Mayer, ZfIR 2012, 86 [87 f.].

[28] Lüke, ZWE 2010, 62 [64 f.].

[29] Braun/ Kroth, InsO, § 89 Rn 2.

[30] Uhlenbruck/ Uhlenbruck, InsO, 12. Auflage, § 89 Rn 3.

[31] Uhlenbruck/ Uhlenbruck, InsO, 12. Auflage, § 89 Rn 3.

[32] Maßgebend i. S. d. § 88 InsO ist auch ein zunächst mangelhafter oder beim unzuständigen Gericht gestellter Antrag, sofern er zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt; BayObLG, Beschluss vom 15.06.2000 – 2Z BR 46/00 = NJW-RR 2001, 47 = Rpfleger 2000, 448.

[33] Hintzen/Alff, ZInsO 2008, 480 [484].

[34] Hintzen/Alff, ZInsO 2008, 480 [481].

[35] Lüke, ZWE 2010, 62 [63].

[36] BGH, Beschluss vom 26.09.2002 – V ZB 24/02 = BGHZ 152, 136 = NJW 2002, 3709; OLG Köln, Beschluss vom 15.11. 2007 – 16 Wx 100/07 = NZI 2008, 377 = ZMR 2008, 988; MüKo-InsO/ Hefermehl, § 55 Rn 76; Bärmann/ Becker, WEG, § 16 Rn 170.

[37] BGH, Beschluss vom 15.06.1998 – V ZB 22/88 = BGHZ 108, 44 = NJW 1989, 3018;

BayObLG, Beschluss vom 05.11.1998 – 2Z BR 92/98 = NZM 1999, 74 = NZI 1999, 27;

a. A. wohl Beutler/Vogel, ZMR 2002, 802 [804].

[38] Niedenführ, NJW 2007, 1841 [1843].

[39] Hintzen/Alff, ZInsO 2008, 480 [482].

[40] BT-Drucks 16/887, Seite 43 f.

[41] BGH, Urteil vom 21.07.2011 – IX ZR 120/10, Rn 32 = NJW 2011, 3098 = NZI 2011, 731 (m. Anm. Drasdo, S. 736 ff.) = ZfIR 2011, 825 (m. Anm. Derleder, S. 830 ff.).

[42] BT-Drucks 16/887 S. 45; dem Gesetzgeber folgend: Stöber, ZVG, § 10 Rn. 4.5; Alff, ZWE 2010, 105 [106f]; Bärmann/ Becker, WEG, § 16 Rn 179.

[43] Bärmann/ Becker, WEG, § 16 Rn 179.

[44] So Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, Anlage IV, Rn 8, unter Bezugnahme auf Stöber, ZVG, § 10 Rn 6.17; so auch Schneider, ZWE 2011, 431 [432].

[45] Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, Anlage IV, Rn 9, so auch Bärmann/Seuß/ Bergerhoff, WEG, Rn F 739.

[46] Alff, ZWE 2010, 105 [107].

[47] Schneider, ZWE 2010, 431 [432].

[48] BGH, Beschluss vom 23.09.1999 = BGHZ 142, 209 = NJW 1999, 3713; BGH, Beschluss vom 30.11.1995 – V ZB 16/95 = BGHZ 131, 228, NJW 1996, 725.

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Hausgeldansprüche in der Insolvenz des Wohnungseigentümers
Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
70
Katalognummer
V202614
ISBN (eBook)
9783656297673
ISBN (Buch)
9783656297925
Dateigröße
42583 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hausgeldansprüche, insolvenz, wohnungseigentümers
Arbeit zitieren
Fanny Göricke (Autor:in), 2012, Hausgeldansprüche in der Insolvenz des Wohnungseigentümers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202614

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