Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung:
2 Kontext der Entstehung des „Verbrechers aus verlorener Ehre“:
2.1 Die Beweggründe Schillers
2.2 Real-historischer Bezug:
2.3 Gattung:
3 Psychologisierung Christian Wolfs
3.1 Der Stellenwert der Gesellschaft für den Werdegang Christian Wolfs
3.2 Ist Christian Wolf schuldig?
4 Fazit
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung:
Die 1786 im zweiten Heft der Thalia zuerst anonym erschienene Novelle mit dem Titel „Verbrecher aus Infamie. Eine wahre Geschichte“ eröffnet in Deutschland die „Tradition der Kriminalgeschichte“.[1] Der heutige Titel „ Verbrecher aus verlorener Ehre“ stammt aus dem Jahre 1792 und erschien erstmals in dieser Ausführung in Schillers Sammlung „Kleinere prosaische Schriften“.
In dieser Hausarbeit behandle ich die Novelle „Verbrecher aus verlorener Ehre“ von Friedrich Schiller, dabei wird es in erster Linie darum gehen, die Intention des Autors zu behandeln. Ich konzentriere mich dabei auf den literarhistorischen Zusammenhang, versuche letztlich den Stellenwert der Novelle in der Literatur und dessen Gattungsrelevanz zu verdeutlichen, ebenfalls werde ich vereinzelt auf die für die Bearbeitung meiner Fragestellung relevanten biographischen Aspekte Schillers eingehen. Letztlich werde ich der Frage der Schuld des Protagonisten Christian Wolf nachgehen und in diesem Zusammenhang sowohl die Problematik des Ehrverlusts und des scheiternden Integrationsversuches als auch den Stellenwert und das Mitwirken der Gesellschaft für Christian Wolfs Schicksal analysieren. Außer Acht lasse ich jedoch eine detaillierte Nacherzählung des Inhalts, da jene in solchem Maße für die Bearbeitung meiner Fragestellung nicht von Bedeutung ist.
2 Kontext der Entstehung des „Verbrechers aus verlorener Ehre“:
2.1 Die Beweggründe Schillers
Der Verbrecher aus verlorener Ehre von Friedrich Schiller entsteht gegen Ende des 18. Jahrhunderts und „behandelt erneut einen „Räuber“-Stoff, diesmal jedoch in Form einer Novelle, in einer von ihm bekanntlich nicht sehr geschätzten Prosagattung“.[2] Vier Jahre nach der Uraufführung des Theaterstücks „Die Räuber“ beschäftigt sich Friedrich Schiller in „Verbrecher aus verlorener Ehre“ nochmals mit der Psychologie des Verbrechens und des Verbrechers. Nicht aber der Protagonist, Christian Wolf, steht für ihn im Vordergrund, wegen seiner spannenden Begebenheit, sondern vielmehr geht es Schiller um die Bearbeitung und das aufmerksam machen auf „die psychologischen und soziologischen Probleme, die mit seinem Dasein verknüpft sind“[3] . „Um Sensation ist es Schiller jedoch nicht zu tun.“[4] Ebenfalls die theoretische Vorrede gibt darüber Aufschluss. „Schiller hat offensichtlich das Bedürfnis seine Kriminalgeschichte als Beitrag zur Seelenkunde und zur moralischen Bildung zu rechtfertigen.“[5] Die ersten Zeilen seiner Vorrede proklamieren genau diese Auffassung und unterstreichen zudem Schillers aufklärerisches Gedankengut, eine für die Zeit des Umbruchs viel diskutierte Thematik, die einen besonderen Fokus einnahm und nicht vergessen werden darf. „In der ganzen Geschichte des Menschen ist kein Kapitel unterrichtender für Herz und Geist als die Annalen seiner Verirrungen.“[6] Hier werden die Grundgedanken der Kant‘schen Denkweise deutlich, welcher einen nicht unwesentlichen Einfluss auf Schiller hatte. „Die Schriften Kants haben Schiller in dieser Zeit intensiv beeinflusst und ihn für sein späteres Schaffen nachhaltig geprägt.“[7] Das Herz steht in diesem Kontext für die Emotionen, die Novelle soll zur Rührung der Gemüter beitragen und der Geist steht als Synonym für den Verstand, und trägt den Appel der moralischen Läuterung in sich. Es geht Schiller somit in seiner Novelle um das Mitreißen, die Rührung, aber es entstehen ebenfalls Leerstellen, an denen er den Leser auffordert kritisch zu urteilen, um jene zu füllen. Jedoch betont Schiller die „republikanische Freiheit des lesenden Publikums“, selbst zu Gericht zu sitzen.
„Es kann nicht nur darum gehen den Leser zu rühren, sondern ihn durch möglichst objektive Wiedergabe der Fakten im Sinne einer Beweisaufnahme in die Lage zu versetzen ein distanziertes Urteil zu sprechen“.[8]
2.2 Real-historischer Bezug:
Nicht weniger wissenswert ist der realhistorische Bezug der Novelle zu dem historischen Kriminalfall des Friedrich Schwan, aus dem württembergischen Dorfe Ebersbach, der tatsächlich 1760 wegen schwerer Raubdelikte hingerichtet wurde.[9] Schiller war, durch den Vater des Jakob Friedrich von Abel, der Lehrer an der militärisch organisierten Carlsschule in Stuttgart war, die Geschichte vermutlich zugetragen worden. Jener „war Amtsmann und für Festnahme und Verhör des sogenannten Sonnenwirts verantwortlich. Der Einfluss von Abels moral- philosophischen Auffassungen auf Schiller steht indes außer Zweifel.“[10]
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[1] Freund, Winfried: Die deutsche Kriminalnovelle von Schiller bis Hauptmann. Einzelanalysen unter sozialgeschichtlichen und didaktischen Aspekten. Paderborn 1975, S. 12.
[2] Jacobson, Roswitha: Entscheidung zur Sittlichkeit, F. Schiller: Der Verbrecher aus verlorener Ehre, in: Freund, Winfried (Hrsg.): Deutsche Novellen - Von der Klassik bis zur Gegenwart, Stuttgart 1998, S. 15.
[3] Von Wiese, Benno: Die deutsche Novelle, von Goethe bis Kafka - Interpretation I, Düsseldorf 1964, S. 33.
[4] Ebd.
[5] Ebd.
[6] Schiller, Friedrich: Der Verbrecher aus verlorener Ehre, Ditzingen 1999, S. 5.
[7] Ehlert, Klaus: Friedrich Schiller, in: Lutz, Bernhard (Hrsg.): Metzler Autoren Lexikon, deutschsprachige Dichter und Schriftsteller vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart Weimar 1997, S. 714.
[8] Freund, Winfried: Die deutsche Kriminalnovelle von Schiller bis Hauptmann. Einzelanalysen unter sozialgeschichtlichen und didaktischen Aspekten. Paderborn 1975, S. 13.
[9] Von Wiese, Benno: Die deutsche Novelle, von Goethe bis Kafka - Interpretation I, Düsseldorf 1964, S. 33.
[10] Jacobson, Roswitha: Entscheidung zur Sittlichkeit, F. Schiller: Der Verbrecher aus verlorener Ehre, in: Freund, Winfried (Hrsg.): Deutsche Novellen - Von der Klassik bis zur Gegenwart, Stuttgart 1998, S. 17.