Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Sch ä del-Hirn-Trauma
2.1 Allgemeine Symptome und Klassifikation
2.2 Ursachen
2.3 Inzidenz- und Pr ä valenzraten
2.4 Besonderheiten bei Kindern
2.5 Multiprofessionalit ä t als Grundvoraussetzung
3. Die Wahl der Schule
4. Die Rolle des Sonderp ä dagogen bei der Schulwahl
5. Schulische Eingliederungsphase
5.1 Besonderheiten des Lernens nach SHT
5.2 Gr ü nde f ü r die FS-KME
5.3Schulische Rehabilitation
5.3.1Chancen in der Komplexit ä t der Situation
5.3.2 Chancen durch die Lerntheoretische Didaktik
5.3.3 Exkurs F ö rderplan
5.3.4 Neue Lebenslage als Chance?
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„ Egal wie ein Kind beschaffen ist, es hat das Recht, alles Wichtige ü ber diese Welt zu erfahren, weil es in dieser Welt lebt “ (Feuser, 1995, S. 220). Besonders Kinder und Jugendliche sind junge Erwachsene, die sich in der Entwicklung be- finden und die Welt, in der sie leben noch erfahren müssen. Das Erleiden eines Schädel-Hirn-Traumas (SHT) bedeutet dabei, dass wesentliche Entwicklungsab- schnitte, auf denen nachfolgende erst aufbauen, noch nicht vollzogen wurden (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, 2007, S. 9). Das Ziel der Re- habilitation dieser Kinder und Jugendlichen ist das Wiedererlangen des Maxi- mums an Mobilität und Selbstständigkeit im Alltag und die Teilhabe und Le- bensqualität in Familie, Schule und sozialem Umfeld (vgl. ebd. S. 17). Hinsich- tlich Rehabilitation und deren Ziele treten in dieser Hausarbeit die medizinische Problematik und die medizinischen Aspekte der Rehabilitation in den Hinter- grund und die pädagogische Förderung in der Schule rückt in den Vordergrund.
„ Nur jahrelang pers ö nliche und berufliche Bem ü hungen der Umwelt lindern die von der Umwelt gesetzten Sch ä den “ (Baumgart, 1984, S. 10) Wie diese persönli- chen und beruflichen Bemühungen aussehen, wird in dieser Hausarbeit themati- siert und diskutiert. Im Fokus steht hierbei die Diskussion, welche Prinzipien die Organisation der Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit SHT haben muss, um diesen SuS die besten Chancen zu ermöglichen. Hierbei stehen die Rolle der Lehrkraft und das Initiieren von Lehr-Lernprozeesen im Fokus. Schule hat dabei die Aufgabe persönlichkeitswirkend auf das Kind, sei es behindert oder nicht, einzuwirken. Zudem müssen neben der Vermittlung von Sachverhalten die Fertigkeiten im Denken geschult, das Wertbewusstsein geschärft, die Arbeitshal- tungen, das Sozialverhalten und das Selbstkonzept gefördert werden (vgl. Senc- kel, 2006, S. 74). Zusätzlich zum Schwerpunkt der schulischen Rehabilitation und deren Perspektive, werden folgende allgemeine medizinische Aspekte wie Ursachen, Symptome und Folgen von SHT behandelt. Des Weiteren wird ein Be- trachtungsschwerpunkt auf das Feld der Multiprofessionalität gelegt und deren Bedeutung herausgearbeitet. Ein Fazit und ein Ausblick schließen das Thema ab. Ergänzt wird der theoretische Input durch Gesprächsauszüge aus einer Exkursion ins Neurologische Rehabilitationszentrum Bremen Friedehorst vom 18. Januar 2012.
Die Hausarbeit erhebt bei der Thematisierung dieses komplexen Gegenstandes nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr werden einzelne Aspekte aufgegriffen und allgemeingültig behandelt, diskutiert und reflektiert.
2. Schädel-Hirn-Trauma
Im Folgenden wird das SHT unter verschiedenen Aspekten wie allgemeine Symptome, Inzidenz- und Prävalenzraten oder auch Ursachen näher betrachtet.
2.1 Allgemeine Symptome und Klassifikation
In der ICD-10 werden Hirnverletzungen unter der Einteilungskategorie „F07 Per- sönlichkeits- und Verhaltensstörungen aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns“ zusammengefasst (ICD 10, S. 88ff.). Schä- del-Hirn-Verletzungen können sowohl körperliche als auch kognitive und psy- chische Störungen hervorrufen (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitati- on, 2007, S. 12). Die akute Phase ist meist von einer kürzer oder länger anhalten- den Bewusstlosigkeit mit nachfolgender Bewusstseinstrübung begleitet (vgl. ebd.). Dauer und Ausmaß der Bewusstseinsstörung werden heute als Maßstab für die Beurteilung des Schweregrades von SHT (leicht / mittel / schwer) herangezo- gen (vgl. ebd.). Die Klassifikation von SHT erfolgt heute durch Einsatz der 1974 von TEASDALE und JENNETT eingeführten Glasgow Coma Scale (vgl. ebd. S. 13). Symptome von SHT sind von Grad, Lokalisation und Ausmaß der Schädi- gung sowie anderen individuellen Faktoren abhängig. Im Folgenden sollen diese allgemeingültig vorgestellt werden. Grund hierfür ist, dass es kein statisches oder einheitliches neuropsychologisches Störungsbild nach Hirnverletzungen geben kann (vgl. Ebert, 2008, S. 122).
Motorische Funktionsminderungen sind meist nur nach schweren SHT zu erken- nen. Weitere Folgen können Ataxien, Störungen des Gleichgewichtes mit Gang- unsicherheit und Störungen der Zielbewegungen sein. Dadurch können alltägli- che Aufgaben wie Essen, Trinken, Anziehen, Schreiben u.ä. beeinträchtigt sein. Auch Schluck- und Sprechstörungen bis hin zur Sprechunfähigkeit können die Folge eines SHT sein. Ebenso sind kognitive Störungen, die oft mit Verhaltens- veränderungen verbunden sind mögliche Folgen. (vgl. Bundesarbeitsgemein- schaft für Rehabilitation, 2007, S. 14f.) Auch in der ICD-10 werden verschiedene mögliche Symptome genannt. Dabei handelt es sich um Symptome, wie Kopf- schmerzen, Schwindel, Erschöpftheit, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, verminderte Belastungsfähigkeit oder auch Depressivität, Angst und ein vermindertes Selbstwertgefühl (vgl. ICD-10, S. 90).
2.2 Ursachen
Tabelle 1 zeigt Ursachen von Hirnfunktionsstörungen und Hirnschädigungen.
Tabelle 1: Darstellung von Ursachen von Hirnfunktionsstörung und Hirnschädi- gung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Hennig 2011/2012 in Anlehnung an Holtmann & Petermann, 2000)
Im Kern der Arbeit stehen die Formen der erworbenen Hirnschädigungen. Diese sind in der oben dargestellten Tabelle abgebildet. Eine ähnliche Auflistung ist bei Gérard, Lipinski und Decker (1996) zu finden. Ergänzend werden an dieser Stelle die Gehirnerschütterung, oftmals als leichtes SHT und die Gehirnquetschung als schweres SHT angeführt (vgl. Gérard u.a., 1996, S. 27).
2.3 Inzidenz- und Prävalenzraten
„ Sch ä delhirntraumen sind eine der h ä ufigsten Todesursachen im Kindes- und Jugendalter und zugleich der h ä ufigste Grund f ü r k ö rperliche Beeintr ä chtigun- gen in dieser Altersgruppe “ (Wietholt, 2008, S. 117). Ca. 71.000 Kinder und Ju- gendliche bis zum 15. Lebensjahr erleiden pro Jahr ein SHT und erweitern gleichzeitig die Gesamtzahl der Betroffenen um diese Größe (vgl. ebd.). Bereits die Neuerkrankungen zeigen, dass es sich hierbei nicht um eine Minderheit han- delt. Die Gruppe mit erworbener Hirnschädigung stellt seit 1987 die stärkste Be- hinderungsgruppe im Vergleich zu Menschen mit geistiger und psychischer Be- hinderung dar (vgl. Wietholt, 2008, S. S. 19). Die prozentuale Einteilung stellt sich wie folgt dar: SHT 1.Grades = 80%; SHT 2.Grades = 10%; SHT 3. Grades = 10% (vgl. ebd. S. 118). Die Geschlechterverteilung bei Kindern unter 16 Jahren mit SHT zeigt, dass 60-80% männlich sind und 40-20% weiblich (vgl. Adelson 1998; Murgio 1999 zit. nach Goebel, 2007, S. 197). Insgesamt nimmt die Häu- figkeit der Neuerkrankungen im Alter ab (vgl. ebd.). Geschätzt wird eine Inzi- denz für Schädelhirntrauma von 125.000 (vgl. Stolz, 2009, S. 22).
2.4 Besonderheiten bei Kindern
„ Ein verbreiteter Irrtum ist, Kinder k ö nnten L ä sionen aufgrund der au ß erordent- lich hohen Plastizit ä t des Gehirns leichter kompensieren als Erwachsene (Ken- nard-Prinzip) “ (Goebl, 2007, S. 203). Eine erworbene Hirnschädigung in Folge eines Unfalls ist ein plötzliches Ereignis, welches unvorbereitet in die Lebenssi- tuation hineingreift. Für Kinder besteht dabei die größte Gefahr darin, dass durch die Verletzung des reifenden Gehirns das Ausbleiben von Entwicklungen in einer sensitiven Phase die Folge ist (vgl. Goebl, 2007, S. 202). Dabei handelt es sich um Zeitfenster, die für die Ausbildung einer Funktion zur Verfügung stehen (vgl. ebd.). Besonders gravierend sind Verletzungen dann, wenn die verpasste sensiti- ve Phase eine Schlüsselrolle für die Entwicklung weiterer Funktionen spielt (vgl. ebd.) Die Ausformung von Funktionen kann aufgrund dessen dauerhaft geschä- digt werden (vgl. ebd. S. 203).
Aufgrund der Bedrohung des bestehenden Entwicklungszustandes ist bei Kindern besonders darauf zu achten, die Entwicklungsdynamik wiederherzustellen, zu erhalten und weiterhin zu beobachten (vgl. Wietholt, 2008, S. 119). Kritisch ist, dass Kinder nach einem Unfall mit Hirnschädigung von den Bezugspersonen und auch innerhalb der Schule zu sehr behütet werden (vgl. ebd.). Diese Behütung kann bei später auftretenden Lernstörungen und sozialen Schwierigkeiten aufgrund von Frustrationserlebnissen zu Unmut aller Beteiligten führen (vgl. ebd.). Besonders wichtig ist bei Kindern die regelmäßige Kontrolle sowie die multiprofessionelle Begleitung der weiteren Entwicklung.
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