Das Problem der Kontinuität der alten Eliten im Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik 1918/19


Dossier / Travail, 2012

16 Pages, Note: 2.0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Mehrheitssozialdemokraten unter Friedrich Ebert und ihr Verhältnis zum Staatsumsturz

3. Der Ebert-Groener-Pakt - Das wilhelminische Heer wird Partner der Republikaner

4. Die Stagnation des Systemwechsels - Der Beamtenapparat

5. Zusammenfassung

6. Quellenverzeichnis

7. Lektüreverzeichnis

1. Einleitung

„Wir durchleben schicksalsschwere Stunden. So sehr wir auch bemüht sind, dabei Optimismus zu bewahren, so muß man doch sagen: Herrliche Zeiten sind es nicht, denen wir entgegengeführt worden sind.“[1] Friedrich Ebert, 1918

Das 20. Jahrhundert war - aus deutscher Sicht - geprägt von mehreren tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Einschnitten. Der Untergang der Monarchie unter Wilhelm II. mit Ende des ersten Weltkrieges und der Übergang zu einer parlamentarischen Republik, gefolgt von der Aushöhlung der Weimarer Verfassung und der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten, schließlich das Ende des „Dritten Reiches“ und die Teilung Deutschlands durch zwei sich gegenseitig bekämpfende Interessengemeinschaften mit demokratischer beziehungsweise sozialistischer Weltanschauung und letztendlich die Vereinigung der beiden Teilstaaten zur Bundesrepublik Deutschland: All diese politischen Transformationen fanden innerhalb nur eines einzigen Jahrhunderts statt. Dieser Sachverhalt lässt nicht nur erahnen, dass die Entwicklung einer deutschen Identität durch die vielen und einschneidenden Zäsuren immer wieder Rückschläge erlitten haben muss. Es ist auch davon auszugehen, dass bei all diesen Systemwechseln gerade in den politischen und gesellschaftlichen Institutionen Ideologien des vorangegangenen Regimes mehr oder weniger absichtlich in das Neue übernommen wurden und somit möglicherweise zum Versagen dessen beigetragen haben können.

Diese Seminararbeit wird sich in ihrem weiteren Verlauf mit dem Übergang von der wilhelminischen Monarchie zur Weimarer Republik befassen, wobei der Schwerpunkt auf die Problematik der Kontinuitäten in Heer und Bürokratie gelegt wird. Hierbei werden vor allem Friedrich Ebert und die Mehrheitssozialdemokraten und deren Intentionen für ihr Handeln im Mittelpunkt stehen.

2. Die Mehrheitssozialdemokraten unter Friedrich Ebert und ihr Verhältnis zum Staatsumsturz

Für Friedrich Ebert, den am 9. November 1918 durch Prinz Max von Baden verfassungswidrig ernannten Reichskanzler des deutschen Reiches, war die Monarchie ein stabilisierender Faktor, von dem er bis zuletzt glaubte, ihn mit Reformen erhalten zu können. Mit den sogenannten „Oktoberreformen“ 1918 versuchten die der Regierung unter Max von Baden beigetretenen Sozialdemokraten die, angesichts der sich anbahnenden Kriegsniederlage Deutschlands, angespannte innenpolitische Situation zu stabilisieren. Die Regierung wurde von nun an unter die Kontrolle eines Parlamentes gestellt, welches auch Mitspracherecht bei Kriegserklärungen und Friedensschluss hatte. Desweiteren schaffte man endgültig das preußische Dreiklassenwahlrecht ab.[2]

Trotz des Vorantreibens dieser demokratischen Reformen war die Gruppe derer, die die Beibehaltung der Monarchie befürworteten groß - und Ebert gehörte ebenso dazu. Letzterer verfolgte zunächst das Ziel einer „Monarchie mit sozialem Einschlag unter parlamentarischem System“[3], allerdings mit der Maßgabe, dass Wilhelm II. nicht weiter Kaiser sein sollte. Man erhoffte sich, mit dem Erhalt einer eher repräsentativen Monarchie in der schwierigen Übergangsphase die mit Ende des Krieges einsetzte, im Innern für Ruhe und Ordnung sorgen zu können. Damit wollte man nicht nur die Entstehung einer monarchischen Opposition verhindern. Vielmehr bereiteten die Massendemonstrationen, die sich, ausgehend von den Kieler Matrosenaufständen Ende Oktober 1918, in den darauffolgenden Tagen wie ein Flächenbrand über alle größeren Städte Deutschlands ausbreiteten und mehr und mehr die Dimension eines Volksaufstandes annahmen, große Sorge. Was die Aufständischen einte war eine extreme Kriegsmüdigkeit durch die Entbehrungen der aufreibenden Kriegsjahre. Das Überraschende an diesen Übergriffen war, dass die revoltierenden Arbeiter und Soldaten auf keinen Widerstand stießen, nicht einmal aus dem sonst so kaiserloyalen Bürgertum. Quer durch alle Gesellschaftsschichten wuchs der Wunsch nach der Abdankung des Kaisers und der Abschaffung des alten Systems.[4] Diese Entwicklung ließ bei Ebert und seinen Anhängern bald die Einsicht wachsen, dass ein weiteres Festhalten an der Monarchie nicht möglich ist, ohne es sich dabei mit der eigenen Basis zu verscherzen. In diesen Tagen galt die Furcht Eberts und der Sozialdemokraten nicht nur einem drohenden Stimmenverlust in der Bevölkerung bei Beibehaltung des eingeschlagenen Weges, sondern auch die Angst vor einer sich anbahnenden Revolution nach russischem Vorbild trieb sie in ihrem weiteren Handeln. Ihre Angst vor einem unkontrollierten Ausufern der Massenbewegungen, inneren Unruhen und blutigen Aufständen und die Weigerung von der Zentrumspartei und der Fortschrittlichen Volkspartei, sich den sozialdemokratischen Forderungen anzuschließen, ließ sie letztendlich endgültig einlenken.[5] Auf Drängen einer sozialdemokratischen Delegation mit Ebert und Scheidemann an ihrer Spitze trat Prinz Max von Baden als Reichskanzler zurück und machte überraschend Ebert zu seinem Nachfolger. Dieser Schritt von Badens kann als kleine Revolution gesehen werden, schließlich handelte er gesetzes- und verfassungswidrig und übergab damit dem Kopf der Mehrheitssozialdemokraten das Zepter der Macht.[6]

Für Ebert und seine Anhänger, die sich schon mit der Einberufung des Kabinetts unter Prinz Max von Baden machtpolitisch am Ziel ihrer Träume glaubten, war diese Entwicklung eine völlig unerwartete.[7] Doch die Entscheidung, mit Ebert einen erklärten Gegner der „großen“ Revolution als Reichskanzler zu ernennen, sollte sich bald als Glücksfall für die alten Eliten im Reich entpuppen.

3. Der Ebert-Groener-Pakt - Das wilhelminische Heer wird Partner der Republikaner

Schon eine der ersten Amtshandlungen Friedrich Eberts nach seiner Ernennung zum Reichskanzler sollte zum Wegweiser der mehrheitssozialdemokratischen Innenpolitik werden. Ebert sah sich mit schwerwiegenden Problemen konfrontiert, die einer schnellen Lösung bedurften. Zum einen war er getrieben von der Angst vor inneren Unruhen im Volk, geschürt durch die radikale Linke die er wie kaum etwas anderes fürchtete. Die Ruhe im Inneren betrachtete er als unbedingt notwendigen Faktor für die schnelle Einberufung einer verfassungsgebenden Nationalversammlung.[8] Zudem wurde die Regierung mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandes vor riesige logistische Aufgaben gestellt: Das deutsche Heer musste innerhalb kürzester Zeit demobilisiert und hinter den Rhein rückgeführt, sowie Kriegsgeräte an die Siegermächte abgetreten werden; Die Kriegsindustrie musste auf Friedensindustrie umgestellt und die Volksernährung gesichert werden.[9] In Angesicht dieses status quo kam Friedrich Ebert ein Anruf des Hauptquartiermeisters der Obersten Heeresleitung (OHL), Wilhelm Groener, am Abend des 10.11.1918 äußerst gelegen. Dieser bot ihm ohne Umschweife die Loyalität des Heeres an unter der Bedingung, dass die Ordnung in der Kommandostruktur des Heeres beibehalten werde und sich die Regierung verpflichte den Bolschewismus zu bekämpfen.[10] Für Ebert gab es nach diesem Angebot nicht viel zu überlegen. Die Loyalität des Heeres würde zur inneren Ruhe und Ordnung beitragen, gerade auch, weil so die Rückführung der Frontsoldaten gesichert und somit die Gefahr vor der Kriegsgefangenschaft vieler Soldaten abgewendet werden würde. Und den Wunsch den Bolschewismus zu bekämpfen, teilte Ebert mit Groener ohnehin.[11]

Aus Sicht Groeners und von Hindenburgs - Letzterer war zu diesem Zeitpunkt noch Chef der OHL - stellte dieses Angebot einen cleveren Schachzug dar. Beide waren sich einig, dass die Sozialdemokraten in ihrer Rolle der Regierungsführer einen vertretbaren Partner im Kampf gegen die erstarkende Linke darstellen. So schrieb Groener an seine Frau: „Der Feldmarschall und ich […] wollen Ebert, den ich als geraden, ehrlichen und anständigen Charakter persönlich schätze, stützen, solange es irgend geht, damit der Karren nicht noch weiter nach links rutscht“.[12] Ebert galt in den Kreisen der ranghohen Generäle und Offiziere als machtpolitisch am ehesten geeigneter Partner, nicht zuletzt, da er auch von Prinz Max von Baden und selbst von dem Kaiser als beste Lösung für den Reichskanzlerposten gesehen wurde.[13] Desweiteren war es im Sinne Groeners und von Hindenburgs, eine tiefgreifende Heeresreform zu verhindern, um ihre unbestreitbare Machtfülle zu sichern, schließlich wurde ihnen vom Kaiser - wenn auch verfassungswidrig - mit seiner Abdankung die Kommandogewalt über das Heer erteilt.[14]

So kam am 10.11.1918 der sogenannte Ebert-Groener-Pakt zustande, der faktisch die ehemalige Stütze des überholten wilhelminischen Machtapparates in ihrer unveränderten Besetzung zum Partner der neuen demokratischen Regierung des Reiches machte.

[...]


[1] Friedrich Ebert in seiner letzten Rede im alten Reichstag am 22.10.1918, zitiert nach: Ebert, Friedrich: Schriften, Aufzeichnungen, Reden (Bd. 2), Dresden 1926, S. 72.

[2] Vgl. Hunt, Richard N.: Friedrich Ebert und die deutsche Revolution von 1918, in: Kolb, Eberhard (Hrsg.): Vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, Köln 1972, S. 123f.; Niedhart, Gottfried: Deutsche Geschichte 1918-1933. Politik in der Weimarer Republik und der Sieg der Rechten, Stuttgart/Berlin/Köln 1994, S. 28f.

[3] Mühlhausen, Walter: Friedrich Ebert. Sozialdemokrat und Staatsmann, Stuttgart 2008, S. 37.

[4] Vgl. Hunt: Ebert und die deutsche Revolution, in: Kolb (Hrsg.): Von Kaiserreich zu Weimar, 1972, S. 124; Schulze, Hagen: Weimar. Deutschland 1917-1933, Berlin 1982, S. 155f.; Ebd., S. 160.

[5] Vgl. Schulze: Weimar, Berlin 1982, S. 160; Schönhoven, Klaus: Reformismus und Radikalismus. Gespaltene Arbeiterbewegung im Weimarer Sozialstaat, München 1989, S. 53.

[6] Vgl. Schulze: Weimar, Berlin 1982, S. 160.

[7] Vgl. Pohl, Karl Heinrich: Obrigkeitsstaat und Demokratie. Aspekte der „Revolution“ von 1918/19, in: Hettling, Manfred (Hrsg.): Revolution in Deutschland?. 1789-1989, Schrobenhausen 1991, S. 52f.

[8] Vgl. Niedhart: Deutsche Geschichte 1918-1933, 1994, S. 25.

[9] Vgl. Kluge, Ulrich: Die deutsche Revolution 1918/1919. Staat, Politik und Gesellschaft zwischen Weltkrieg und Kapp-Putsch, Frankfurt/Main 1985, S. 69f.; Schulze: Weimar, Berlin 1982, S. 168f.

[10] Vgl. Schulze: Weimar, Berlin 1982, S. 168; Niedhart: Deutsche Geschichte 1918-1933, 1994, S. 26.

[11] Vgl. Schulze: Weimar, Berlin 1982, S. 169; Niedhart: Deutsche Geschichte 1918-1933, 1994, S. 25.

[12] Groener-Geyer, Dorothea: General Groener. Soldat und Staatsmann, Frankfurt 1955, S. 117; Zitiert nach: Schulze: Weimar, Berlin 1982, S. 168.

[13] Vgl. Maser, Werner: Friedrich Ebert der erste deutsche Reichspräsident. Eine politische Biographie, München 1987, S. 197.

[14] Vgl. Böckenförde, Ernst-Wolfgang: Der Zusammenbruch der Monarchie und die Entstehung der Weimarer Republik, in: Bracher, Karl Dietrich/Funke, Manfred/Jacobsen, Hans-Adolf (Hrsg.): Die Weimarer Republik 1918-1933. Politik/Wirtschaft/Gesellschaft (Studien zur Geschichte und Politik, Bd. 251), Bonn 1987, S. 17-43, S.27f.

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Das Problem der Kontinuität der alten Eliten im Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik 1918/19
Université
Dresden Technical University
Note
2.0
Auteur
Année
2012
Pages
16
N° de catalogue
V203611
ISBN (ebook)
9783656299523
ISBN (Livre)
9783656299585
Taille d'un fichier
560 KB
Langue
allemand
Mots clés
Kontinuität, alte Eliten, Weimarer Republik, Revolution, wilhelminische Monarchie, Problem
Citation du texte
Simon Thiele (Auteur), 2012, Das Problem der Kontinuität der alten Eliten im Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik 1918/19, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203611

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