Franz Kafka - Die Verwandlung


Dossier / Travail de Séminaire, 1996

26 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Erster Teil: Die Verwandlung

II. Zweiter Teil: Der Vergleich zwischen dem Leben von Kafka und Gregor

III. Schluß

IV. Literaturverzeichnis

Einleitung

"Die Verwandlung" wurde neben "Urteil" und "Heizer" im Jahre 1912/1913 als die dritte größere Erzählung gebildet. Sie entstand zwischen dem 17.11.1912 und dem 6.1.1913.[1] Kafka wollte ursprünglich die oben genannten Geschichten und "Die Verwandlung" unter dem Titel "Söhne" vereinigen. Später wollte er "Das Urteil", Die Verwandlung" und "In der Strafkolonie" unter dem Namen "Strafen" zusammenfassen, was jedoch aus verlegerischen Gründen nicht verwirklicht werden konnte. Da "Die Verwandlung" einige Themen von "Söhne" und "Strafen" beinhaltet, wird es als Mittelpunkt von beiden Büchern gesehen.[2] Die Erzählung ist zum erstenmal im Jahre 1915 in einer Monatsschrift "Die weißen Blätter" (Hrsg. von Rene Schickele) erschienen.[3]

Der Dichter korrespondiert mit Felice Bauer, seiner Verlobten, vom Anfang bis zum Ende der Niederschrift der Geschichte und teilt es ihr in allen Abschnitten mit. Mit dem Brief, der am 17.11.1912 geschrieben wurde, fängt er an, Felice über die Erzählung zu berichten:

" Ich werde Dir übrigens heute wohl noch schreiben, wenn ich auch noch heute viel herumlaufen muß und eine kleine Geschichte niederschreiben werde, die mir in dem Jammer im Bett eingefallen ist und mich innerlichst bedrängt."[4]

Obwohl er das Niederschreiben dieser kleinen Geschichte "höchstens mit einer Unterbrechung in zweimal 10 Stunden"[5] geschätzt hat, wurde sie bei ihm " in der Stille zu einer größern Geschichte".[6] Das Schreiben dauerte in der Nacht vom 6. bis zum 7. Dezember 1912. Am selben Tag schreibt er seiner Verlobten: "Liebste, also höre, meine kleine Geschichte ist beendet, nur macht mich der heutige Schluß gar nicht froh, er hätte schon besser sein dürfen, das ist kein Zweifel."[7]

In "Die Verwandlung", der längsten Erzählung[8] Kafkas, ist die Hauptfigur ein Handlungsreisender namens Gregor Samsa, der seinen fünfjährigen Arbeitsrhythmus[9] unterbricht, indem er später als gewohnt aufwacht[10] und sich in ein "Ungeziefer" verwandelt sieht.

Der Autor verwendet fast in jeder seiner Geschichten als Hauptthema[11] eine Tierfigur. Diese Tiere identifizieren sich mit dem Thema der vom Autor geschriebenen Geschichte. Diese Figuren tauchen in seiner Kindheit und Jugendzeit auf, so daß er in späteren Jahren diese in seiner Geschichten als Ausdruck seiner Identifikation[12] wiedergibt. Seine Briefe und Tagebücher zeigen, daß die Tiere die Körpergefühle[13] widerspiegeln.

Kafka schreibt in einem Brief an Milena: "Mein Körper fürchtet sich und kriecht langsam auf die Wand hinauf."[14] Der Dichter setzt dieses Tierbild nicht "spontan" oder "zufällig" in seine Geschichten ein, sondern im Gegenteil "überlegt" und sehr "bewußt".[15]

Sein Vater Hermann Kafka bezeichnete seinen Freund, den Schauspieler Löwy, obwohl er ihn niemals gesehen hat, als ein "Ungeziefer"[16] und führte das Sprichwort an: "Wer sich mit Hunden ins Bett liegt, steht mit Wanzen auf."[17] Kafka bleibt unter dem Einfluß dieses Vergleichs und identifiziert sich mit diesem Ausdruck, indem er Gregor diese Rolle als "Ungeziefer" spielen läßt.[18]

Eine intakte Vater - Sohn und Schwester - Bruder Beziehung gibt es in der Familie Samsa nicht, sondern Gregor wird als "Ernährer seiner Familie"[19] betrachtet. Daher wird er als "Opfer der Familie"[20] angesehen und als "Ungeziefer" in eine ekelhafte Gestalt[21] verwandelt. Diese Handlung stellt das Paria - Dasein[22] und die Sklaverei[23] in der Familie dar. Er wird von anderen Menschen "zur Seite geschoben" und "niedergeschlagen".[24] In der Geschichte zeigen sich Parallelen im Leben der Hauptfigur Gregor und dem Autor Kafka auf. In der Zeit als Kafka "Die Verwandlung" schreibt, lebt er ebenfalls mit seiner Familie zusammen. Die Verhältnisse dazu seiner Familie waren begrenzt. Er mußte zum Familienunterhalt verdienen. Da auch Kafka in den Augen seines Vaters ein Nichts war, spiegelt sich seine innere Welt in der Geschichte wider.

Der Grund für das Schreiben Kafkas besteht darin, daß er sich vom Einfluß seines Vaters befreien und so seine Freiheit gewinnen möchte.[25] Auch die Verwandlung zum "Ungeziefer" bedeutet für Gregor ein Ausweg aus seiner Familie und seiner Arbeit.[26]

Im ersten Teil der Erzählung wird von Gregors Verwandlung und dementsprechend von seiner Art der Fortbewegung, Eßgewohnheiten und seiner Empfindlichkeit gegenüber Nässe berichtet.[27] Im zweiten Teil erfolgt die Rückverwandlung von Herrn Samsa, ein alter und schwacher Mann, der seine Kraft wiedererlangt und zu arbeiten beginnt.[28] Im letzten Teil der Geschichte wird berichtet, wie Grete, seine Schwester, sich zunächst liebevoll um ihren Bruder kümmert, später jedoch wird sie mächtig und duldet nicht mehr, daß Gregor mit im Haus wohnt.[29]

In der vorliegenden Arbeit habe ich versucht, im ersten Teil allgemein "Die Verwandlung", im zweiten Teil die Familienverhältnisse und die Arbeit Kafkas darzustellen, das von ihm mit dem Leben von Gregor in der Geschichte in Verbindung gesetzt wird. Und am Ende meiner Arbeit habe ich die Bedeutung von Literatur, Musik und vor allem des Schreibens für Kafka untersucht.

I. Erster Teil: Die Verwandlung

"Die Verwandlung" ist, wie der Titel bereits ankündigt, die Geschichte eines Mannes, der in ein Tier verwandelt wird. Gregor Samsa ist die Hauptfigur der Erzählung, er ist ein erfolgreicher Geschäftsmann und hat seit fünf Jahren, seit dem Bankrott seines Vaters, "die Rolle des Ernährers"[30] seiner Familie übernommen. Er arbeitet vor der Verwandlung als Handlungsreisender in einem Geschäftsbetrieb, "um die Schuld der Eltern abzuzahlen".[31] Er muß alle Probleme, die in diesem "anstrengenden Beruf"[32] vorkommen, ertragen:

"Tag aus, Tag ein auf der Reise. Die geschäftlichen Aufregungen sind viel größer, als im eigentlichen Geschäft zu Hause, und außerdem ist mir noch diese Plage des Reisens auferlegt, die Sorgen um die Zugangsschlüsse, das unregelmäßige, schlechte Essen, ein immer wechselnder, nie andauernder, nie herzlich werdender menschlicher Verkehr. Der Teufel soll das alles holen!"[33]

Trotz aller unangenehmen Situationen z.B quälende Reise, die Berufsunlust, ungebildeter Chef, duldet er alles nur "aus Rücksicht auf seine Familie".[34] Er isoliert sich deshalb von der Außenwelt: "Er war introvertiert und kontaktarm; ängstlich und autoritätsgläubig, dabei aber von einer verdrängten, niedergehaltenen Aggresivität den Vorgesetzten gegenüber. Er neidete anderen Berufskollegen ihre vermeintliche oder wirkliche Besserstellung und kultivierte ihnen gegenüber offenbar die Ressentimens des Zukurzgekommen."[35]

Sein ununterbrochener Arbeitsrhythmus[36], er war in den fünf Jahren kein einziges Mal krank, wird, als er eines Tages später aufwacht als sonst, gestört[37] ( er fuhr jeden Morgen um fünf Uhr mit dem Zug zur Arbeit ) als der Held in ein "ungeheures Ungeziefer"[38] verwandelt wird. Gregor wollte seinen Arbeitsrhythmus nicht mehr beibehalten, wußte jedoch nicht wie er sich gegenüber seinem Vater oder gegenüber seinem Chef weigern sollte zu arbeiten ( "kleinste Versäumnisse"[39] wurden entweder mit Kündigung oder Minderung des Arbeitslohnes bestraft ). Aber mit der Verwandlung Gregors in ein Insekt löst sich dieses Problem von selbst, ohne daß er selbst etwas unternehmen muß. Weil er verwandelt wurde, muß er nicht mehr arbeiten, was ihm nicht gefällt, auch das Problem löst sich von selbst, ohne einen Einfluß zu haben. Somit trifft ihn keine Schuld.[40]

Deleuze / Guattari sind der Ansicht, daß die Verwandlung einen Ausdruck für Abhilfe und einen Fluchtweg für Gregor darstellt.[41] Er flieht vor der Verantwortung seiner Familie gegenüber, weil sie finanziell von ihm abhängig sind, er kann diese Last nicht weiter ertragen. Auf der anderen Seite flieht der Held vor der Bürokratie und besonders vor der Arbeit.[42]

In der Erzählung wird die Problematik des Alltags geschildert.[43] Der Grund warum diese Geschichte geschrieben worden ist, liegt nach Meuer darin, daß Kafka die Gesellschaftswerte kritisierte.[44] Nach der Verwandlung Gregors in einen Käfer, wird er von der Gesellschaft im Stich gelassen: "- sie alle erschienen untermischt mit Fremden oder schon Vergessenen, aber statt ihm und seiner Familie zu helfen, waren sie sämtlich unzugänglich, und er war froh, wenn sie verschwanden."[45] Somit wollte Kafka "die Unmenschlichkeit, Anonymität, die Entfremdung und deformierende Wirkung des kapitalistischen Gesellschaftssystems"[46] zeigen.

"Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt."[47]

Die Erzählung besteht aus drei Teilen, wobei der erste Satz des ersten Teils mit diesem Satz beginnt, in dem Gregor eine Veränderung wahrnimmt und diesen Zustand aus dem schlechten Traum ableitet, den er gesehen hat: "Was ist mit mir geschehen? ... Es war kein Traum."[48]

Das Zimmer, wo er sich als Käfer befindet, ist für ihn im verwandelten Zustand ziemlich klein, aber er stellt fest, daß es sein eigenes Zimmer ist. Es besitzt drei Türen. Jede dieser Türen öffnet sich zu einem der Familienmitglieder von Gregor, so daß jeder dieser einzelnen Türen ein Kommunikationsorgan symbolisiert. Die Tür nach rechts führt zu seiner Schwester, die linke zu seinem Vater, und die Tür am Kopfende führt zu seiner Mutter. Das Zimmer von Gregor liegt in der Mitte. Dies zeigt, daß er sich im "Mittelpunkt der Familie"[49] befindet, daß die Familie finanziell von ihm abhängig ist. Aber auf der anderen Seite sind die Türen fast immer zugeschlossen und jedes einzelne Familienmitglied besitzt ein eigenes Zimmer. Die Tatsache, daß die Türen fast immer zugeschlossen und jedes der Familienmitglieder ein separates Zimmer besitzt, deutet darauf hin, daß untereinander Schranken vorhanden sind.[50]

Auch wenn der Körper von Gregor in ein Tier verwandelt worden ist, ( panzerartiger, harter Rücken, bogenförmiger Bauch, dünne Beine )[51], und seine Schnelligkeit, sein Geschick in der Beweglichkeit, und das Auswählen von Mahlzeiten noch so einem Tier ähneln, ist seine Seele und sein Bewußtsein noch menschlich. Obwohl seine Stimme der eines Tieres ähnelt, versteht

er, was gesprochen wird und trifft seine Entscheidungen selbst. "Er ist in ein Tier verwandelt, dennoch bleibt er Gregor Samsa."[52]

[...]


[1] Scholz; Ingeborg: Franz Kafka. “Das Urteil”, “Die Verwandlung”, “Ein Hungerkünstler”, “Vor dem Gesetz”, “Eine kaiserliche Botschaft”, “Ein Bericht für Akademie”, “In der Strafkolonie”. -3., überarb. Aufl. Beyer: 1991 S. 33

[2] Ulf; Abraham: Franz Kafka. Die Verwandlung - Grundlagen und Gedanken zum Verständnis- 1. Aufl. Frankfurt/ Main, Diesterweg: 1993. S. 60

[3] Scholz; S. 34

[4] Briefe an Felice und andere Korrespondenz aus der Verlobungszeit. Hg. Erich Heller und Jürgen Born. Frankfurt/ Main, Fischer: 1976. S. 102. (abgekürzt BF )

[5] ebd. S. 125

[6] ebd. S. 116

[7] ebd. S. 163

[8] Weber Albrecht: Interpretationen zu Franz Kafka. Das Urteil, Die Verwandlung, Ein Landarzt, Kleine Prosastücke / von Albrecht Weber, Carsten Schlingmann, Gert Kleinschmidt. -6. Aufl. Münschen: Oldenbourg 1987. S.82

[9] Ulf: S. 34 f.

[10] Meuer; Reinhard: Franz Kafka, Erzählungen: Interpretationen. -1. Aufl. Münschen: Oldenbourg 1984. S. 47

[11] Deleuze, Gilles; Guattari, Felix: Kafka, Für eine kleine Literatur. Frankfurt/ Main: Suhrkamp Verlag 1976. S. 49

[12] Meuer; S. 46

Fingerhut, Karl- Heinz: Die Funktion der Tierfiguren im Werke Franz Kafkas. Bonn: 1969. S. 43

[13] Fingerhut; S. 43

[14] Brief an Milena: Hg. Jürgen Born und Michael Müller. Erw. und neu geordn. Frankfurt/ Main: Fischer 1983.

S. 239

[15] Fingerhut; S. 53

[16] Brief an den Vater. Hg./ Michael Müller, Reclam, Stuttgart 1995. S. 15

[17] ebd.

[18] Fingerhut; S. 212 f.

[19] Meuer; S. 49

[20] Fingerhut; S. 168

[21] Kafka, Franz: Sämtliche Erzählungen. Hg. Paul Raabe. Frankfurt/ Main: Fischer Taschenbuch 1970. S. 85

[22] Fingerhut; S. 112

Politzer, Heinz; Franz Kafka, Der Künstler. Frankfurt/ Main: Fischer 1965. S. 127 f.

[23] Politzer; S. 106

[24] Fingerhut; S. 214

[25] Fingerhut; S. 110

Briefe 1902- 1924, Hg. Max Brod. Copyrigt 1958 by Schocken Books, New York. Frankfurt/ Main:

Fischer. S. 337

[26] Deleuze/ Guattari; S. 49 f.

[27] Ulf; S. 36

[28] ebd. S. 38 f.

[29] ebd. S. 39 f.

[30] Meuer; S. 49

[31] Kafka, Franz: Sämtliche Erzählungen. S. 57

[32] ebd. S. 56

[33] ebd. S. 56 f.

[34] Scholz; S. 39

[35] Ulf; S. 30

[36] ebd. S. 35

[37] ebd. S. 34 f.

[38] Kafka, Franz: Sämtliche Erzählungen. S. 56

[39] ebd. S. 61

[40] Sokel, Walter: Tragik und Ironie. Frankfurt/ Main: 1976. S. 90 f.

[41] Deleuze/Guattari; S. 49

[42] ebd. S. 22

[43] Scholz; S. 40

[44] Meuer; S. 50

[45] Kafka, Franz: Sämtliche Erzählungen. S. 87

[46] Meuer; S. 50

[47] Kafka, Franz: Sämtliche Erzählungen. S. 56

[48] ebd.

[49] Binder, Hartmut: Kafka in neuer Sicht. Mimik, Gestik und Personengefüge als Darstellungsformen d. Autobiograph. Stuttgart: Metzler 1976. S. 149

[50] Meuer; S. 53

[51] Kafka, Franz: Sämtliche Erzählungen. S. 56

[52] Scholz; S. 41

Fin de l'extrait de 26 pages

Résumé des informations

Titre
Franz Kafka - Die Verwandlung
Université
Ruhr-University of Bochum  (Fachbereich Germanistik)
Cours
Hauptseminar Franz Kafkas Erzählungen
Auteur
Année
1996
Pages
26
N° de catalogue
V2039
ISBN (ebook)
9783638112536
Taille d'un fichier
505 KB
Langue
allemand
Mots clés
Franz, Kafka, Verwandlung, Hauptseminar, Franz, Kafkas, Erzählungen
Citation du texte
Süreyya Ilkilic (Auteur), 1996, Franz Kafka - Die Verwandlung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2039

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