Die Gefährdung der Stabilität des internationalen Systems durch gescheiterte Staaten am Beispiel Afghanistan


Hausarbeit, 2011

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Theoretische Grundlage: Neorealismus nach Waltz

Gescheiterte Staaten

Failed States im internationalen System

Afghanistan
Interventionsgründe
Interpretation

Afghanistan
Interventionsgründe
Interpretation

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Auf Grund der Geschehnisse der letzten 30 Jahre in Afghanistan und der aktuellen Dauerpräsenz des Landes in den Medien stellte sich mir die Frage, warum es bei einer über Dekaden annähernd gleichen Situation in Afghanistan zu grundsätzlich unterschiedlichen Reaktionen auf dieses Land gekommen ist. Afghanistan taumelte in diesen 30 Jahren zwischen dem Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Welt und dem absoluten Desinteresse aller relevanten Staaten. Der sich nun langsam ankündigende Abzug der seit 2001 stationierten Interventionstruppen aus Afghanistan und das Entlassen des Landes in die Selbstständigkeit könnte bei einer ausreichenden Stabilität der afghanischen Regierung wieder in eine Phase des internationalen Desinteresses führen. Diese Arbeit ist keine „aufklärende“ über vermeintliche oder tatsächliche „wahre“ Grunde der verschiedenen Interventionen auf internationaler Seite in diesem Land, sondern sucht eine Antwort auf die vermehrte Intervention von Industriestaaten in schwachen oder gescheiterten Staaten und das teilweise oder vollständige Unterlassen einer Intervention in andere gescheiterte Staaten oder den selben Staat zu einer anderen Zeit und unter anderen aber ähnlichen Bedingungen.

Ich werde als erstes die relevanten theoretischen Grundlagen und Definitionen nahe bringen, als zweites die Intervention in einem gescheiterten Staat auf ihre Ursache hin analysieren und abschließend werde ich einen Versuch unternehmen, die Interventionen in den theoretischen Kontext zu setzen.

Theoretische Grundlage: Neorealismus nach Waltz

Die neorealistische Theorie der internationalen Beziehungen, begründet von Kenneth Waltz 1979 in seinem Buch „Theory of the International Politics“, geht von einer absoluten Dominanz der Sicherheitsinteressen der Staaten in den internationalen Beziehungen aus. Des Weiteren gibt es über den Staaten keine weitere regulative Instanz, es herrscht Anarchie. Das Agieren der Staaten ist von einem starken Selbsterhaltungstrieb geprägt.

Da alle Staaten gemäß dieses Selbsterhaltungstriebs handeln, sind die Staaten in ständiger Furcht vor Übergriffen durch ihre Nachbarn.

Im Gegensatz zum Realismus nach beispielsweise Morgenthau[1], lehnt Waltz die anthropologische Erklärung dieses Zustandes ab.[2] Viel mehr erkennt er als Problem des Systems das System an und für sich an.[3] Das System der internationalen Beziehungen zwingt die Staaten zu einem auf Sicherheit und Macht fokussierten Handeln, da sonst das Überleben des Staates nicht gewährleistet ist. In diesem System verhalten sich alle Staaten, egal ob sie demokratisch oder anderweitig geführt werden, in bestimmten Situationen grundlegend ähnlich: Sie suchen Sicherheit. Waltz Betrachtung gilt demnach nicht nur dem Verhalten der Akteure in dem System der internationalen Beziehungen, sondern auch der Frage, in wieweit die Strukturen dieses herrschaftsfreien Systems für das Verhalten der Akteure verantwortlich sind.[4]

Waltz beschreibt das internationale System als ein System geprägt von Anarchie. Stabilität und damit einhergehende ist Sicherheit in diesem System nur dann möglich, wenn ein Machtgleichgewicht herrscht. Waltz zählt drei mögliche Systeme der Machtverteilung auf. Ein unipolares System mit einem besonders mächtigen Staat, ein bipolares System mit zwei besonders mächtigen Staaten die ähnlich mächtig sind, sowie ein unipolares System mit mehreren mächtigen Staaten. In Waltzs‘ Theorie ist das stabilste System ein bipolares, also eines unter Anwesenheit von 2 sehr starken aber gleich starken Staaten oder Bündnissen. Er führt als Beispiel den kalten Krieg auf und nennt zusätzlich die Existenz nuklearer Waffen und die Zweitschlagsfähigkeit der UDSSR und der USA als stabilisierenden Faktor.[5] In solch einem System der potenziellen gegenseitigen Vernichtung bietet ein aggressives Vorgehen eines Staates keinerlei Vorteile für Staaten, da selbst die aggressivste Form des Vorgehens, die totale nukleare Vernichtung des Feinds, in einem nuklearen Gegenschlag enden würde.

Ein Machtungleichgewicht in einem bi- oder multipolaren System ist insofern anfälliger für Kriege, da Staaten sich durch eine Vielzahl an anderen Staaten potentiell bedroht fühlen. Dies kann zu präventiven Kriegen oder tatsächlichen Angriffskriegen führen.[6]

Die Staaten neigen demnach dazu, auf ein Machtgleichgewicht hinzuarbeiten, da nur dieses Stabilität gewährleistet. „Der Handlungsimperativ der Staaten, der sich aus Waltz‘ Definition der Struktur des internationalen Systems ergibt, lautet daher: Wenn Du überleben willst, so gleiche Machtungleichgewichte aus!“[7]

Waltz nennt zwei grundlegende Möglichkeiten an Macht zu gelangen. Zum einen durch die personelle und materielle Aufrüstung der staatlichen Streitkräfte und zum anderen durch das Formen von Bündnissen und strategischen Koalitionen. Da (Auf-)Rüstung durch den Verbrauch knapper Ressourcen nicht von jedem Staat zur jeder Zeit oder in ausreichendem Maße möglich ist, bietet oft die Bündnisbildung mit andere Staaten die einzige Möglichkeit der Machtfestigung und Erweiterung.[8]

Macht ist in diesem Kontext als Macht gemäß der Definition von Max Weber zu verstehen: „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“[9] Um die eigene Stärke im internationalen Kontext zu bestimmen, ist es für Staaten notwendig, sowohl über die eigene Macht als auch die der konkurrierenden Staaten informiert zu sein.

Macht ist in dieser Theorie das Unterscheidungsmerkmal von Staaten. Durch die kumulierte Menge an Macht werden die Staaten untereinander vergleichbar, so wie Güter untereinander über den Geldwert verglichen werden können.

Wie genau Macht gemessen wird, darauf geht Waltz nicht ein, er hält aber fest, dass die Kumulierung von Macht nicht das bloße Zusammenzählen oder quantitatives Vorhandensein von Waffen und Soldaten ist, sondern sich Macht auch an weiteren Indizes wie sozialen oder ökonomischen Faktoren festmachen und messen lässt.[10]

Gescheiterte Staaten

Gescheiterte Staaten, oder auch „failed states“ sind Staaten, die den Kriterien als Staat nicht mehr genügen. Ich orientiere mich in dieser Arbeit an der Staatsdefinition nach Max Weber:

„Staat ist diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes – dies: das »Gebiet«, gehört zum Merkmal – das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht. Denn das der Gegenwart Spezifische ist, daß man allen anderen Verbänden oder Einzelpersonen das Recht zur physischen Gewaltsamkeit nur soweit zuschreibt, als der Staat sie von ihrer Seite zuläßt: er gilt als alleinige Quelle des »Rechts« auf Gewaltsamkeit.“[11]

Ein gescheiterter Staat kann also in der Minimaldefinition an der Abwesenheit des Monopols auf legitime physische Gewalt fest gemacht werden.

Das jährlich aktualisierte Ranking von „Fund for Peace“ und dem „Foreign Policy“-Magazin nutzt zur Einordnung der Staaten allerdings noch weitere Indikatoren. Die Indikatoren sind in soziale, ökonomische und politische Faktoren aufgeteilt. Beispielsweise nehmen auch die demographische Entwicklung, ungleiche ökonomische Entwicklungen und die Verletzung von Menschenrechten Einfluss auf das Ranking eines Landes.[12] Das Land Afghanistan, auf das ich in dieser Arbeit näher eingehen werde, hält den siebten Platz inne.[13] Damit gehört es zu den 10 „gescheitertsten“ Staaten der Welt. Rainer Tetzlaff nennt zusätzlich drei grundlegende Merkmale von failed states. Zum einen eine Fragmentierung und Personalisierung der Macht, synonym zur oben genannten Minimaldefinition. Zweitens eine parallel zum Zusammenbruch der modernen Institutionen stattfindende Retraditionalisierung und Informalisierung der Herrschaft sowie drittens die Kriminalisierung des Staates und seiner Einnahmen.[14]

[...]


[1] Vgl.: Jacobs, Andreas 2003: R ealismus, in: Schieder, Siegfried / Spindler, Manuela (Hrsg.): Theorien der Internationalen Beziehungen, Opladen: Leske u. Budrich, S. 39ff.

[2] Vgl.: Schörnig, Niklas 2003: Neorealismus, in: Ebd.: S. 61

[3] Vgl.: Auth, Günther (2008): Theorien der internationalen Beziehungen kompakt. München: Oldenbourg.S. 45f.

[4] Vgl.: Schörnig, Niklas 2003 S.74

[5] Vgl.: Ebd. S.76

[6] Vgl.: Ebd.

[7] Ebd.: S. 74

[8] Vgl.: Ebd.: S 65

[9] Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 1. Halbband, Tübingen 1921/1980, S. 28

[10] Vgl.: Schörnig, Niklas 2003 S.72

[11] Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. Besorgt von Johannes Winckelmann. Studienausgabe, Tübingen 1980, S. 822

[12] Vgl.:http://www.foreignpolicy.com/articles/2011/06/17/2011_failed_states_index_interactive_map_and_rankings (Abgerufen am 22.02.2012)

[13] Ebd.

[14] Vgl.: Nohlen, Dieter: Failed states –In: Nohlen, Dieter (2011): Kleines Lexikon der Politik. 5. Überarbeitete Ausgabe, München: C.H. Beck. S. 169-170

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Gefährdung der Stabilität des internationalen Systems durch gescheiterte Staaten am Beispiel Afghanistan
Hochschule
Universität Potsdam
Note
2,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
14
Katalognummer
V204079
ISBN (eBook)
9783656303664
ISBN (Buch)
9783656305538
Dateigröße
632 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gefährdung, stabilität, systems, staaten, beispiel, afghanistan
Arbeit zitieren
Philipp Sternad (Autor:in), 2011, Die Gefährdung der Stabilität des internationalen Systems durch gescheiterte Staaten am Beispiel Afghanistan, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204079

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