Pfadfinderarbeit als eine Form gemeindepädagogischer Jungenarbeit


Mémoire (de fin d'études), 2010

114 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung - Problembegegnung

2. „Gekreuzigte Söhne“ in der „heiligen Mutter Kirche“? - Zur aktuellen Notwendigkeit einer jungenorientierten Gemeindepädagogik aus wissenschaftlicher und alltags- praktischer Perspektive
2.1 Theoretisch-wissenschaftliche Fokussierung von „Gemeinde- pädagogik“
2.1.1 Die begrifflichen Ursprünge und die damit verbundenen Erwartungen
2.1.2 Die lebensweltorientierte „Kommunikation des Evangeliums“ als Wesen und Anspruch von Gemeindepädagogik
2.1.3 Zur Bedeutung der gemeindepädagogischen Berufsrolle
2.2 Kirchengemeinden im kritischen Blickfeld einer jungenorientierten Bedingungsanalyse
2.2.1 Analyse der gegenwärtigen geschlechtsspezifischen Verteilung der haupt- und ehrenamtlichen kirchlichen Mitarbeiterschaft
2.2.2 Analyse der in der gemeindepädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vorhandenen Arbeitsfelder und der primär eingesetzten didaktisch-methodischen Mittel
2.2.3 „Männer in Bewegung“ - auch in der Kirche? Eine exkursive kirchensoziologische Betrachtung
2.3 Zur aktuellen Notwendigkeit einer verstärkten Wahrnehmung von Jungen im gemeindepädagogischen Denken und Agieren

3. „Look at the boys“ - Männliche Kinder und Jugendliche im Fokus pädagogischer Forschung
3.1 Jungenpädagogik als eine Dimension geschlechtergerechter Pädagogik und Bildungspolitik
3.1.1 Versuch einer jungenpädagogischen Begriffsdefinition sowie Darstellung der bisherigen historischen Forschungsentwicklung
3.1.2 Anspruch und Ziel einer geschlechtergerechten Jungenpädagogik im Horizont einer gender-theoretischen Kritik
3.2 Biologische, psychologische und soziologische Erkenntnisse der Jungenforschung als Grundlage einer jungenorientierten Pädagogik
3.2.1 Evolutionstheoretische und neurobiologische Grundlagen des geschlechtstypischen Verhaltens von Jungen
3.2.1.1 Zur Bedeutung der biologisch veranlagten parentalen Investition
3.2.1.2 Aggression als eine Form männlicher Externalisierung
3.2.1.3 Zur Bedeutung hormonbiologischer Einflüsse
3.2.1.4 Provokation, Risikobereitschaft und Abendteuerlust als weitere typisch männliche Verhaltensweisen
3.2.1.5 Fazit
3.2.2 Relevante entwicklungspsychologische Aspekte hinsichtlich des Aufbaus einer positiven männlichen Geschlechtsidentität
3.2.2.1 Zur Bedeutung der Bekräftigungstheorie nach Thorndike, Watson und Skinner
3.2.2.2 Zur Bedeutung der sozialen Lerntheorie nach Bandura sowie der Identifikationstheorie nach Kasten
3.2.2.3 Zur Bedeutung der kognitiven Theorie nach Kohlberg und Piaget
3.2.2.4 Zur Bedeutung der entwicklungspsychologischen Theorie nach Erikson
3.2.2.5 Fazit
3.2.3 Gegenwärtige männliche Sozialisation als Herausforderung jungen- pädagogischer Identitätsbildungsprozesse
3.2.3.1 Aktuelle sozioökonomische Rahmenbedingungen
3.2.3.2 Der familiäre Kontext
3.2.3.3 Der schulische Kontext
3.2.3.4 Der Freizeitbereich
3.2.3.5 Fazit
3.3 Zusammenschau der aus der pädagogischen Forschung resultierenden Kriterien für eine positive gemeindepädagogische Jungenarbeit

4. „Scouting for boys“ - Zur Bedeutung der (gemeindepädagogischen) Pfadfinderarbeit aus jungenpädagogischer Perspektive
4.1 Kurze begriffsdefinitorische und historische Betrachtung der Pfadfinderarbeit
4.2 Zur ganzheitlichen Persönlichkeitsbildung als pfadfinderischem Erziehungsziel
4.3 Die pfadfinderischen Erziehungsgrundsätze nach Hans Gerr im Horizont einer gemeindepädagogischen Jungenarbeit
4.3.1 Zur Bedeutung des erfahrungs- und erlebnisorientierten Lernens
4.3.2 Zur Bedeutung des Gemeinschaftsprinzips
4.3.3 Zur Bedeutung der Wert- und Normorientierung
4.4 Das bedürfnisorientierte (jungen-)pädagogische Agieren in den Altersstufen
4.4.1 Die pädagogische Arbeit in der „Wölflingsstufe“
4.4.2 Die pädagogische Arbeit in der „Sipplings- und Knappenstufe“
4.4.3 Die pädagogische Arbeit in der „Akela- und Mitarbeiterstufe“
4.5 Zur jungen- und gemeindepädagogischen Plausibilität pfadfinderischer Arbeit
4.6 Der „Ring Evangelischer Gemeindepfadfinder“ (REGP) als eine Praktizierungsplattform gemeindepädagogischer Pfadfinderarbeit

5. Resümee und gemeindepädagogisch-konzeptioneller Ausblick

6. Anhang
I. Gemeindepädagogenordnung der Ev.-luth. Landeskirche Sachsens
II. Diakoninnen- und Diakonengesetz der Nordelbischen Ev.-luth. Landeskirche
III. Gemeindepädagoginnen- und Gemeindepädagogengesetz der Nordelbischen Ev.-luth. Landeskirche
IV. Umfragebogen zur Datenerhebung in den Ev.-luth. Kirchengemeinden Gettorf und Henstedt-Ulzburg
V. Auswertung der stichprobenartig durchgeführten Umfrage an 33 Jungen in den Ev.-luth. Kirchengemeinden zu Gettorf und Henstedt-Ulzburg
VI. Schema 1 nach Hans Gerr: „Die Persönlichkeitsbildung in der Pfadfinderarbeit“
VII. Schema 2 nach Hans Gerr: „Die fünf Erziehungsgrundsätze der Pfadfinderarbeit“
VIII. Schema 3 nach Hans Gerr: „Die bedürfnisorientierte Arbeit in den Altersstufen“
IX. Pfadfindergesetz und -versprechen in einigen Ausprägungen
X. Satzung des „Ringes Evangelischer Gemeindepfadfinder (REGP)“ Zitaten des Pfadfindergründers, Lord Robert Baden-Powell
XII. Literaturverzeichnis
XIII. Selbständigkeitserklärung

1. Einleitung - Problembegegnung

Längst ist es kein Geheimnis mehr: Ob im praktisch-pädagogischen Alltag, im wissenschaftlichen Diskurs, in den medialen Darstellungen oder der öffentlichen Debatte: Die Äußerungen, welche männliche Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene als „kleine Helden in Not“[1], „Bildungsverlierer“[2], oder sogar als „(…) Überforderte, Vernachlässigte, Dumme, Böse, Kranke, Verhaltensgestörte [sowie dämonenhafte] Täter und [bemitleidens-werte] Opfer“[3] deklarieren, häufen sich seit einigen Jahren. Insbesondere durch die internationalen Schulleistungsstudien (u. a. der PISA-Studie) sind die Diskussionen um die Lage und Situation von Jungen[4] verstärkt in Erscheinung getreten.[5] In verschiedenen sich hier anschließenden Untersuchungen wurde festgestellt, dass Jungen vor allem im Zuge der seit den 1968er-Jahren - unbedingt notwendig gewordenen! - gesellschaftlichen und bildungs-politischen Emanzipation der Frauen förderungstechnisch nahezu „vergessen“ wurden.

Einige der zahlreichen Faktoren, welche den aktuell notwendig gewordenen pädagogischen Nachholbedarf verstärken, seien an dieser Stelle ergänzend, jedoch aufgrund ihrer Viel-seitigkeit nur kurz erwähnt: Sowohl im familiären als auch im soziologischen Rahmen sehen sich Jungen und Männer mit einer Vielzahl an undefinierten Rollenbildern und Geschlechts-stereotypen konfrontiert: „Einerseits wird ihr 'Mackerverhalten' kritisiert, (…) andererseits lösen auch Jungen, sie sich untypisch verhalten oder in Konflikten nicht zur Wehr setzen, oft besondere Besorgnis aus. Männer, die nicht den Erwartungen entsprechen, die an ihre Männlichkeit gestellt werden, gelten als 'Weicheier' - ein abwertender Begriff (…)“[6].

Weiterhin wird mehrfach auf die nicht zu unterschätzende Wirkung der fehlenden positiven männlichen Vorbilder und Bezugspersonen sowohl im familiären, als auch im (elementar-) pädagogischen Bereich hingewiesen.[7]

Im schulischen Bildungsbereich schneiden Jungen darüber hinaus u. a. in vielen Kompetenz-bereichen schlechter ab, bleiben häufiger sitzen, werden öfters reglementiert, als sozial und emotional verhaltensauffällig eingestuft und scheitern allgemein häufiger in der Sekundar-stufe.[8] In diesem Zusammenhang wird mehrfach eine „mangelnde Orientierung der Bildungs-institutionen an den Potentialen und Bedürfnissen [der Jungen erwähnt. Auch] das pädagogische Personal ist sehr oft weiblich, was sich in den institutionellen Normen, Inhalten und Methoden widerspiegelt“.[9]

Diese Beobachtungen gelten jedoch nicht nur im schulpädagogischen Bereich, sondern sind auch vermehrt in der gemeindepädagogischen Arbeit der Kirchengemeinden zu entdecken: Über die Bereiche von Kindergottesdienst und Konfirmandenarbeit hinaus erweckt sich der Eindruck, als ob die Inhalte und Methoden, welche durch die überwiegend ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter innen ausgesucht und didaktisch vorbereitet werden, eher „die Mädchen ansprechen, und dass das Laute und Kraftvolle für die Jungen zu kurz kommt“.[10] [11]

Im Zuge dieser sehr differenziert empfundenen „Krise der Jungen“, die teilweise sogar als „Jungenkatastrophe“ ausgerufen wurde und wird[12], stellt sich vermehrt „die Frage, wie man Bildungs- und Erziehungsprozesse und -umgebungen gestalten muss, damit Jungen ihre Begabungen und Potentiale in größtmöglichem Umfang ausschöpfen und in einen entsprechenden Entwicklungs- und Bildungserfolg ummünzen können“.[13]

Für die gemeindepädagogische Ebene vermute ich seit dem Sommer des Jahres 2007 eine Antwort auf diese Frage gefunden zu haben: Pfadfinderarbeit. Zu diesem Zeitpunkt kam ich während eines zweiwöchigen Pfadfinder-Sommerlagers mit ca. 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des „Ringes Evangelischer Gemeindepfadfinder“ (REGP), einer Vereinigung von ca. 80 Pfadfindergruppen innerhalb der Nordelbisch Evangelisch-lutherischen Landeskirche, auf einer Insel im Jezioro Lubie (ehem. Lübbesee) in der Nähe von Drawsko Pomorski (ehem. Dramburg in Hinterpommern, heute Polen) zum ersten Mal mit dieser Form einer gemeindepädagogischen Arbeit für und mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Berührung.

Mit der vorliegenden Arbeit möchte ich diese von mir aufgestellte thesenhafte Betrachtung, Pfadfinderarbeit als eine geeignete Form gemeindepädagogischer Jungenarbeit anzusehen, verifizieren.

Hierzu erscheint es mir zum einen notwendig, zuerst eine gemeindepädagogische Fokussierung zu unternehmen. In dieser werden neben der Gemeindepädagogik als solcher die Rolle des/der Gemeindepädagogen/-in, einige kirchensoziologische Fakten sowie die Ergebnisse einer stichprobenartigen Erhebung, welche ich an 33 männlichen Kindern und Jugendlichen aus den Ev.-luth. Kirchengemeinden Gettorf und Henstedt-Ulzburg mittels einer Umfrage durchgeführt habe, betrachtet. So kann dargelegt werden, warum heutzutage in der kirchgemeindlichen Pädagogik eine verstärkte Jungenförderung notwendig ist.

Darauf aufbauend ist zum anderen ist ein vertiefter interdisziplinärer wissenschaftlicher Zugang unverzichtbar, um in einer Zusammenschau aus biologischen, psychologischen, soziologischen und pädagogischen Erkenntnissen ein „vertieftes Verständnis für die [spezifischen] Eigenarten, Bedürfnisse und Interessen von Jungen“ zu erhalten[14].

Eine Zusammenfassung der wissenschaftlichen Forderungen aus der jungenpädagogischen Forschung lässt einen eindringlicheren Blick auf die nun seit über einhundert Jahren existierende Pfadfinderarbeit mit ihren Erziehungszielen und pädagogischen Grundsätzen als einer geeigneten Form der gemeindepädagogischen Jungenarbeit zu.[15] In diesen Zusammen-hang fällt eine kurze Betrachtung des „Ringes Evangelischer Gemeindepfadfinder“, welcher mittlerweile ein Hauptstandbein der kirchgemeindlichen Kinder- und Jugendarbeit innerhalb der Nordelbisch Evangelisch-lutherischen Kirche darstellt.

Ein abschließender konzeptioneller Ausblick soll schließlich dazu ermutigen, auch in den Kirchengemeinden eine jungenorientierte gemeindepädagogische Arbeit anzubieten, in denen aufgrund unterschiedlichster Situationen oder Strukturen Pfadfinderarbeit nicht möglich oder gewollt ist, bzw. das jungenpädagogische Angebotsspektrum anderweitig ergänzt werden soll.

Vielleicht gelingt es dadurch in Gegenwart und Zukunft auch innerhalb des gemeinde-pädagogischen Agierens zu einer Sichtweise beizutragen, „in der Jungen bewusst als Jungen wahrgenommen werden“.[16] Genauso, wie die Hamburger Theologen und Religions-pädagogen Bräsen, Knauth, Langbein und Schröder versuchen, Jungen von heute zu sehen: „[M]it ihren Stärken, Sehnsüchten und Träumen, ihrer Leidenschaft, Lautstärke und Kraft, ihrer Coolness und Schüchternheit, ihrer Findigkeit und ihrer Verlegenheit; dort, wo sie 'auf die Kacke hauen' oder 'auf die Schnauze fliegen'; gegeneinander kämpfen oder miteinander zärtlich sind; wo sie nach Ansprechpartnern suchen und Begleitung brauchen; wo sie um Worte ringen, nach Aufmerksamkeit heischen oder nach Vorbildern verlangen - wo sie ihre Männlichkeit erproben oder überhaupt erst entdecken wollen.“[17]

2. „Gekreuzigte Söhne“ in der „heiligen Mutter Kirche“? - Zur aktuellen Notwendigkeit einer jungenorientierten Gemeindepädagogik aus wissenschaftlicher und alltags-praktischer Perspektive

Wie sich aus der sicherlich etwas provokativ formulierten Fragehaltung in der obigen Kapitelüberschrift erkennen lässt, geht es im nachfolgenden Abschnitt um die Untersuchung der aktuellen Notwendigkeit eines jungenorientierten pädagogischen Agierens innerhalb des kirchgemeindlichen Lebens: Ist es wirklich so, dass Jungen innerhalb einer scheinbar eher nach weiblichen Interessen und Bedürfnissen ausgerichteten Gemeindepädagogik zur Zeit auch in kirchlichen Räumen ein „schwereres Holz auf der Schulter“ tragen?

Um dieses zu durchdenken erscheint es meines Erachtens plausibel, eine kritische Gegenüberstellung von gemeindepädagogischer Theorie einerseits, sowie einiger kirchen-soziologischer und alltagspraktischer Daten aus dem kirchgemeindlichen Leben anderseits zu vollziehen, um so zu untersuchen, wie diese beiden Seiten miteinander korrelieren.

In diesem Zusammenhang sollen einige ausgewählte Ergebnisse der bereits eingangs erwähnten stichprobenartigen Befragung, welche ich an 33 männlichen Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 10 und 21 Jahren in zwei nordelbischen Kirchengemeinden durchgeführt habe, punktuell und in Auswahl mit in die Untersuchung integriert werden.[18] Obwohl die Umfrage von mir ohne den Anspruch auf Vollständigkeit sowie eines empirischen Charakters ausgewertet wurde, offenbart sie doch an bestimmten Stellen aus der Perspektive der befragten Jungen tendenzielle Einblicke in die unterschiedlichen gemeinde-pädagogischen Bereiche. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass 17 Kinder und Jugendliche - und damit etwas mehr als die Hälfte der Umfrage-teilnehmer - Pfadfinder aus dem Pfarrbezirk Henstedt der Kirchengemeinde in Henstedt-Ulzburg sind. Im Pfarrbezirk Ulzburg der gleichen Kirchengemeinde und in der Kirchengemeinde Gettorf wird diese gemeinpädagogische Arbeitsform mit ihren besonderen Strukturen und Eigenschaften bisher nicht angeboten. Die sich somit an gewissen Stellen ergebende Möglichkeit eines Vergleiches zwischen den Aussagen von Jungen, die in die kirchliche Pfadfinderarbeit integriert sind und denen, welche eher in den „klassischen“ Arbeitsfeldern wie z. B. der Konfirmandenarbeit zu finden sind, lässt eine interessante Erweiterung des Betrachtungsradius zu.

Zuallererst soll jedoch die Gemeindepädagogik in ihrer theoretisch-wissenschaftlichen Dimension selbst in den Blick genommen werden, um somit einen notwendigen Rahmen für die Untersuchung der von mir aufgestellten These zu erhalten.

2.1 Theoretisch-wissenschaftliche Fokussierung von „Gemeindepädagogik“

2.1.1 Die begrifflichen Ursprünge und die damit verbundenen Erwartungen

Karl Foitzik folgend ist mit dem Begriff „Gemeindepädagogik“ eine Schwierigkeit verbunden, da er eine große definitorische Offenheit impliziert.[19] Ähnlich sehen es Gottfried Adam und Rainer Lachmann: Sie bezeichnen den Begriff als „schillernd“, da er - mit den Worten von Matthias Spenn - sowohl „als Sammelbegriff für kirchlich-gemeindliche Handlungsfelder mit pädagogischem Ansatz; für einen kirchlichen Beruf; als Dimension jedweder kirchlicher Praxis [sowie als] praxisleitende Theorie“ zu verstehen ist.[20]

In die evangelische Religionspädagogik wurde der Begriff „vor gut 25 Jahren in West- und Ostdeutschland gleichzeitig in die (…) Diskussion eingeführt und überraschend schnell rezipiert. Das katholische Äquivalent war 'Gemeindekatechese'.“[21]

Aufgrund der allgemein gesellschaftlichen und kulturellen Umbrüche in Westdeutschland in Folge der 1968er-Reformen, in der u. a. auch ein „Bildungsnotstand“ ausgerufen wurde, waren Staat und Kirche aufgerufen, notwendige Veränderungen einzuleiten. In vielen Gemeinden wurde der „Ruf nach theologisch und pädagogisch qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern laut“.[22] Im Zuge dessen - sowie auch der staatlichen Bildungsreformen - gründeten die Kirchen eigene Fachhochschulen mit dem Ziel, gemeindepädagogische Fachkräfte auszubilden und somit eine „Mitverantwortung [im] tertiären Bildungsbereich zu übernehmen“.[23] Auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurde, neben den bereits existierenden Ausbildungsstätten wie z. B. den Diakonenhäusern in Moritzburg, Rothenburg und Züssow, „1979 in Potsdam eine gemeindepädagogische Ausbildungsstätte gegründet, an der frei von hochschulrechtlichen Vorgaben gemeinde-pädagogische Grundsätze (…) umgesetzt werden konnten.“[24]

Als wichtigste Erwartung an die Gemeindepädagogik als neuer „kirchlicher Handlungs-dimension“[25] wurde vor allem eine „nötige Offenheit für neue (…) Entwicklungen, Strukturen und Sachbereiche“[26] genannt. Hierzu war stets die „didaktische Frage nach dem Ziel allen kirchlichen Handelns“ nötig, um mittels eines fachspezifischen Blickes konzeptionelles Arbeiten anzumahnen, Evaluationen zu ermöglichen und „damit einen unverzichtbaren Beitrag zur Veränderung und Erneuerung von Gemeinde“ zu leisten.[27]

An dieser elementar reformatorischen Säule („Ecclesia semper reformandum est.“) der Gemeindepädagogik lässt sich zum einen die Legitimation von kirchlichen Veränderungen - wie z. B. einer neuen geschlechterbewussten pädagogischen Betrachtungs- und Arbeitsweise - als auch das Wesen der Gemeindepädagogik selbst erkennen.

2.1.2 Die lebensweltorientierte „Kommunikation des Evangeliums“ als Wesen und Anspruch von Gemeindepädagogik

Da Gemeindepädagogik sich, wie bereits an oberer Stelle erwähnt, als eine „kirchliche Handlungsdimension“ beschreiben lässt, ist es naheliegend, dass es sich bei der kirchgemeindlichen Religionspädagogik nicht um ein Phänomen oder Konstrukt handeln kann, welches nur aus eigennützlichen Gründen existiert: Gemeindepädagogik bezieht sich auf „etwas“; sie soll handeln und dadurch in Bewegung sein. Das sich somit konstituierende Zentrum jeglichen gemeindepädagogischen Handelns sind die Gemeindeglieder, welche Karl Foitzik als „Subjekte der Gemeindepraxis“[28] beschreibt. Daraus folgend leitet sich ein „emanzipatorisches Kriterium ab, dem gemeindepädagogische Lernprozesse grundsätzlich verpflichtet sind“.[29]

Aus diesem Grunde haben die jeweils individuellen Lebenswelten der Gemeindeglieder einen zentralen gemeindepädagogischen Stellenwert und bringen gleichsam auch einen Perspektiv-wechsel in der kirchgemeindlichen Handlungsweise mit sich: Es „wird nicht zuerst danach gefragt, was Kirche und Gemeinde brauchen, sondern nach den vielfältigen Faktoren, die das Alltagsleben der Menschen bestimmen und gefährden und nach der Art und Weise, wie Menschen ihre Situation subjektiv interpretieren. Es wird zu erkunden versucht, welche Einsichten, Erfahrungen und Haltungen die Menschen leiten. Zusammen mit ihnen wird gefragt, was es bedeuten könnte, wenn zentrale Aspekte ihres Lebens in einem offenen Kommunikationsprozess aus der Perspektive des Evangeliums betrachtet werden“.[30]

Die verschiedenen Lebenswelten, z. B. von männlichen Kindern und Jugendlichen, bilden somit den Ausgangspunkt als auch das Ziel einer nach Ernst Lange formulierten gemeindepädagogischen „Kommunikation des Evangeliums“[31]. Der hierbei verwendete Terminus „Evangelium“ will aus bildungstheoretischer Betrachtung deutlich machen, dass bei sämtlichen gemeindepädagogischen Kommunikationsprozessen, die sich in der Lebenswelt der Beteiligten „abspielen“, niemals die religiöse Dimension ausgeblendet werden kann. Religion kann - in welcher Art und Ausprägung auch immer - als ein anthropologischer Faktor, also als eine dem Menschen typische Eigenschaft bezeichnet werden und ist deswegen aus sämtlichen identitäts- und sinnstiftenden Bildungsprozessen nicht wegzudenken.

Für eine religions- und gemeindepädagogische Arbeit mit Jungen bedeutet dies, auch darüber nachzudenken, „wie Jungen Zugänge zu Religion und Spiritualität finden können, an welchen Schlüsselthemen ihrer Entwicklung oder Alltagserfahrung für sie existentielle Erfahrungen aufbrechen; wo Grenzen zu akzeptieren sind, wo Widerstände abgebaut werden können, wie [sie] mit anderen Jungen neue, ungewohnte Erfahrungen machen können, wie Geschichten, Gestalten, besondere Räume, Zeiten und Stimmungen sie betreffen und herausfordern können“.[32] Sollte dieses gelingen, wäre meiner Meinung nach der von Friedrich Schweitzer betonten „Notwendigkeit einer Begleitung und Unterstützung von Prozessen der Identitäts-bildung und Sinnfindung“ als „religionspädagogischer Grundaufgabe“[33] Raum gegeben.

Das Zusammenspiel dieser lebensweltlicher Ausrichtung und einer gegenseitigen Kommunikation auf Augenhöhe macht ferner deutlich, dass „die Konzentration auf die individuelle Lebenswelt [nicht ausblendet], dass der Glaube eine soziale Stütze braucht und die einzelnen Subjekte auf Gemeinschaft angewiesen sind.“[34] Es geht gemeindepädagogisch also darum, Gemeinde und Kirche selbst als befreiende, identitätsstiftende und auch beheimatende Lebensräume für alle Gemeindeglieder zu gestalten.

Die kommunikative Verknüpfung der Botschaft des Evangeliums mit der jeweiligen Lebensgeschichte bzw. -welt des/der Einzelnen, also der „Zusammenhang von Glauben, Leben und Lernen“[35] zu einer individuellen Identitätsstiftung, ist folglich aus theoretisch-wissenschaftlicher Perspektive das innere Wesen und gleichzeitig der Anspruch, an dem gemeindepädagogisches Handeln sich messen lassen will. Ob und inwieweit dieses innerhalb der Kirchengemeinde in Bezug auf die unterschiedlichen Lebenswelten von männlichen Kindern und Jugendlichen aufgegriffen wird, z. B. durch Jungen ansprechende „Angebote“ und Settings, gilt es im späteren Verlauf genauer zu betrachten.

Da für den positiven Vollzug dieses Verknüpfungsprozesses auch professionell ausgebildete Pädagogen notwendig sind, soll im Folgenden die gemeindepädagogische Berufsrolle betrachtet werden. Diese hat - nicht nur im Sinne eines Gesprächsgegenübers - eine zentrale Bedeutung für die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsene innerhalb der gemeinde-pädagogischen Kommunikation.

2.1.3 Zur Bedeutung der gemeindepädagogischen Berufsrolle

Eine einheitliche Antwort auf die Frage, was zum konkreten pädagogischen Aufgabenbereich, und damit zur berufsrollenspezifischen Bedeutung eines/-r Gemeindepädagogen/-in, bzw. eines/-r Diakons/-in in den unterschiedlichen Landeskirchen gehört, lässt sich nicht in kurzer Form darlegen. Denn selbst die kirchenrechtlichen Grundlagen klaffen an dieser Stelle sehr weit auseinander.[36]

In Nordelbien wird z. B. rein rechtlich zwischen zwei pädagogischen Berufsgruppen differenziert: Während sich eine Diakonin / ein Diakon nach § 1 (1) des Diakoninnen- und Diakonengesetzes der Nordelbischen Ev.-luth. Landeskirche primär „um Menschen und Menschgruppen in sozialer, leiblicher und seelischer Not“ kümmert und „nach den Ursachen [fragt] und hilft, diese und deren Auswirkungen zu beseitigen“, also eher einen sozial-pädagogischen Wesensgehalt hat, liegt nach § 1 (1) des Gemeindepädagoginnen- und Gemeindepädagogengesetzes die Hauptaufgabe eines/r gemeindepädagogisch hauptamtlich Tätigen u. a. in der sog. „unterweisenden“ Funktionen. Somit kann es in der nördlichsten evangelischen Landeskirche quasi ein pädagogisches Entgegenkommen auf die Jungen von zwei Seiten her geben: Zum einen nähern sich die diakonalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den „kleinen Helden in Not“ eher von der sozialpädagogischen sowie seelsorgerlichen Seite, zum anderen agieren die gemeindepädagogisch Tätigen eher vom religionspädagogischen Flügel her.[37]

In § 2 und § 3 der Gemeindepädagogenordnung der Ev.-luth. Landeskirche Sachsens ist der Aufgaben- und Gestaltungsbereich der Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen dagegen differenzierter und im Vergleich zu Nordelbien weitaus stärker religionspädagogisch beschrieben. Darüber hinaus bestehen festere rechtliche Konturen.

Was allen kirchenrechtlichen Grundlagen zum gemeindepädagogischen Dienst jedoch gemein ist, ist die ständige lebensweltorientierte Fokussierung der individuellen Gemeindeglieder, welche sich auch aus dem unter Punkt 2.1.2 theoretisch aufgeführten gemeindepädagogischen Wesen und Auftrag ableiten lässt.

Auf Basis des integrierenden Kommunikationsbegriffs lässt sich meiner Meinung nach die Rolle von haupt- und ehrenamtlichen gemeindepädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht ausschließlich als Moderator- und Begleiterfunktion von Lehr-, Lern- und Erfahrungsprozessen definieren. Denn gerade angesichts einer lebensweltorientierten Kommunikation des Evangeliums wird deutlich, dass sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als stets kommunizierende Individuen ebenso mit ihrer individuellen Biographie, Glaubens- und Lebenswelt als volle Gesprächs- und Handlungsteilnehmer in die Communio integriert sind.[38] Da sie in diesem Zusammenhang immer als voll wahrgenommene Persönlichkeiten auftreten und darüber hinaus eine nicht zu unterschätzende pädagogische Vorbildfunktion haben, ist bei allen gemeindepädagogisch Tätigen eine aufmerksame Selbst-beobachtung sowie Erfahrungs- und Rollenreflexion notwendig. Dieses gilt für die Arbeit mit Jungen in besonderer Weise hinsichtlich der Geschlechterrolle: Hier müssen „Leiter- und Männerrolle in ein reziprokes Verhältnis [gebracht werden. Denn] Jungen verlangen danach, dass der Leiter sich als Mann zeigt, und dies setzt voraus, dass er sich bereits vorher damit auseinander gesetzt hat (…).“[39]

Wenn Gemeindepädagogik neben der religiösen Bildung den im gleichen Zusammenhang stattfindenden Identitätsfindungsprozess fördern will, gehört es meines Erachtens nach mit zur gemeindepädagogischen Berufsprofessionalisierung, die eigene Rolle auch hinsichtlich des individuellen Geschlechterverständnisses und des persönlichen Geschlechterbildes zu reflektieren. Warum dieses insbesondere für die pädagogische Arbeit mit Jungen relevant ist, sei an späterer Stelle ergänzend und vertiefend dargestellt.

2.2 Kirchengemeinden im kritischen Blickfeld einer jungenorientierten Bedingungs-analyse

Nach Gottfried Adam und Rainer Lachmann gehört eine „gründliche Bedingungsanalyse“ zu den elementaren Aufgaben jeglicher gemeindepädagogischer Arbeit und Didaktik: „Mit ihr muss das jeweilige gemeindepädagogische Handlungsfeld in seinen je spezifischen Voraus-setzungen, situativen Umständen und konkreten Vorbedingungen als (…) Bedingungsfeld in den Blick genommen und analysiert werden“.[40]

Dieses gilt dementsprechend für die Planung und Etablierung jungenpädagogischer Arbeits-formen innerhalb einer Kirchengemeinde. Allerdings ist an dieser Stelle eine wie von Adam und Lachmann geforderte „gründliche“ Analyse allein schon aus dem Grunde nicht machbar, da wir es an dieser Stelle nicht mit einer spezifischen Kirchengemeinde, sondern eher mit einer kirchensoziologischen, also horizontal weiter gestreuten Betrachtung zu tun haben.

Dennoch soll im weiteren Verlauf der Versuch unternommen werden, „Kirchengemeinden“ am Beispiel der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitersituation sowie der spezifisch gemeindepädagogisch eingesetzten methodischen Mittel zu untersuchen, um so zumindest eine tendenzielle Analyse des kirchgemeindlichen Lebens für die Bedeutung der Arbeit mit männlichen Kindern und Jugendlichen zu erhalten.[41] Diese kann anschließend und zusammen mit den bereits oben aufgeführten gemeindepädagogischen Theorieerkenntnissen eine jungen-pädagogische Notwendigkeit innerhalb des gemeinde-pädagogischen Handelns aufzeigen.

2.2.1 Analyse der gegenwärtigen geschlechtsspezifischen Verteilung der haupt- und ehrenamtlichen kirchlichen Mitarbeiterschaft

Tendenziell ist gegenwärtig zu beobachten, dass sowohl in der haupt- als auch in der ehrenamtlichen Mitarbeiterschaft überwiegend und zunehmend Frauen beschäftigt sind. Dieses ist meines Erachtens zweiseitig zu „bewerten“: Zum einen ist es nicht nur aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit unmöglich von der Hand zu weisen, dass es - ermöglicht durch die gesellschaftlichen Umbrüche der 1968er-Jahre - in den vergangenen Jahrzehnten einen enormen Nachholbedarf an der Stellenbesetzung mit weiblichen Fachkräften in sämtlichen Bereichen gab. Auch in den kirchlichen Arbeitsfeldern erhielten Frauen als Pastorinnen, Diakoninnen, Gemeindepädagoginnen, Kirchenmusikerinnen und Verwaltungskräfte Einzug in das ehemals sehr patriarchalisch geprägte kirchliche Leben und bereicherten dieses auf vielfältige Weise.

Mittlerweile stellen Frauen insbesondere in den (evangelischen) religions- und gemeindepädagogischen Arbeitsfeldern sowohl in den Ausbildungs- und Studiengängen als folglich auch in den hauptamtlichen Stellenbesetzungen den prozentual größeren Anteil dar.[42]

Im Bereich der ehrenamtlichen kirchlichen Arbeit lässt sich ein ähnlicher Trend ablesen: So sind einer Recherche von Susanne Breit-Keßler und Martin Vorländer zufolge „nach wie vor zwei von drei kirchlichen Ehrenamtlichen weiblich“.[43] In der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) lasse sich der Anteil sogar auf 70,1 % beziffern.[44] „Darin unterscheidet sich der kirchliche Bereich vom Rest der Republik (hier sind immer noch mit 39 % etwas mehr Männer als Frauen mit 37 % freiwillig engagiert). Wenn sich Männer in Kirche einsetzen, dann suchen sie sich weiterhin die öffentlichkeitswirksamen, auf Leitung ausgerichteten Felder (Kirchenvorstand, Lektoren, Prädikanten, Instrumentalgruppen) aus. (…) Frauen sind [dagegen] mit einem über 80-prozentigen Anteil [vor allem] in der Kinder-gottesdienst-, Senioren- sowie in der Mutter-Kinder-Arbeit zu finden“.[45] Genaue Zahlen zur männlichen (ehrenamtlichen) Mitarbeiterschaft in den einzelnen gemeindepädagogischen Feldern sind schwer zu beziffern. Erhard Reschke-Rank erwähnt lediglich, dass es z. B. in der Ev.-luth. Landeskirche Bayerns „in 73 % aller Mitarbeitendenkreise keine erwachsenen Männer [gibt], in 23 Prozent sind es ein bis zwei männliche Mitarbeiter. (…) [Ebenso sind nur] 13 Prozent der erwachsenen Mitarbeiter im Rheinland Männer. (…) In der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, in der ca. 6.000 Ehrenamtliche im Kindergottesdienst mitarbeiten, stellen die erwachsenen Männer einen Anteil von fünf Prozent, die männlichen Jugendlichen sechs Prozent“[46] dar.

An dieser Stelle ergibt sich allerdings ein Gedankengang, welcher natürlich den gesellschaftlich und pädagogisch notwendig gewordenen Einzug von Frauen in den unterschiedlichsten Bereichen befürwortet, jedoch den momentanen hohen Frauen-Anteil aus jungenpädagogischer Sicht hinterfragt: „Wie geht es Kindern, wenn sie so überwiegend von Frauen erzogen werden? Fehlt ihnen etwas? Kommen bestimmte Seiten nicht zum Klingen? Werden manche Bedürfnisse nicht erfüllt, andere zu sehr? [Und] wie erleben Jungen sich dabei?“[47] Eine leichte Tendenz lässt sich diesbezüglich aus der von mir durchgeführten Umfrage erkennen: Dort äußerten sich 20 - und damit knapp zwei Drittel - der 33 befragten Jungen positiv zu der These „Ich wünsche mir mehr männliche Mitarbeiter in der Kirchengemeinde“, in dem sie für die Optionen „stimmt“ bzw. „stimmt teilweise“ votierten.[48] Ein in diesem Zusammenhang stehender Grund könnte sein, dass Jungen sich von männlichen Mitarbeitern mehr Gehör für ihre Belange erhoffen.[49]

Aufgrund der von Breit-Keßler und Reschke-Rank genannten Mitarbeiterzahlen und der in der Umfrage auch von den Jungen wahrgenommenen Unterpräsenz von männlichen Mitarbeitern, lässt sich meines Erachtens eine unausgewogenen Geschlechterbalance in der kirchgemeindlichen Mitarbeiterschaft im Allgemeinen nicht von der Hand weisen. Welch eine bedeutende Rolle jedoch gerade männliche Pädagogen vor allem für männliche Kinder und Jugendliche hinsichtlich einer orientierungs- und identitätsstiftenden Bezugsperson haben, wird an späterer Stelle ersichtlich.

2.2.2 Analyse der in der gemeindepädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vorhandenen Arbeitsfelder und der primär eingesetzten didaktisch-methodischen Mittel

Von der - gerade für Jungen unausgeglichenen - gemeindepädagogischen Mitarbeitersituation, also einer Überzahl an weiblichen Fachkräften und in der Umkehrung einer Unterzahl an männlichen Mitarbeitern, fällt der Fokus der jungenspezifischen gemeindepädagogischen Analyse auch auf die Handlungsfelder und den in diesem Zusammenhang angewandten Arbeitsmethoden: In der Auswertung meiner Umfrage stellte ich z. B. fest, dass immerhin 15 der von mir befragten Jungen (und damit 45 % der Gesamtteilnehmer) äußerten, „es könne ruhig ein paar Angebote mehr geben“, die sie speziell als Jungen ansprechen würden. Einer der Befragten war der Meinung, die gemeindepädagogischen Angebote seien vor allem auf die Bedürfnisse der Mädchen zugeschnitten.[50] Ein weiterer Jugendlicher erwähnte darüber hinaus, dass die „Angebote (…) nicht sonderlich gut auf die verschiedenen Typen der Jugendlichen zugeschnitten [sind]“.[51] In dieser zwar sehr weit gefassten Aussage lässt sich meiner Meinung nach zum einen das Fehlen von speziell jungentypischen Angeboten auch außerhalb der klassischen Handlungsfelder wie Konfirmandenarbeit und Jugendkreisen erkennen. Zum anderen werden jedoch auch die seitens der Jugendlichen untereinander wahrgenommenen Unterschiede angesprochen.[52]

In der kirchgemeindlichen Arbeit macht sich diese - auch unter den Jungen existierende Heterogentität - u. a. hinsichtlich der von den Jugendlichen besuchten Schulformen bemerkbar: Von den Umfrageteilnehmern aus dem Konfirmandenunterricht besuchen beispielsweise lediglich drei und damit nur 9 % der von mir in den Kirchengemeinden angetroffenen Jungen eine Hauptschule, während im Vergleich dazu der Anteil der Realschüler und Gymnasiasten zusammengefasst bei 85 % liegt.[53] Im Hinblick auf die oftmals sehr kognitiv geprägten Arbeitsformen und Methoden impliziert dieses sicherlich insbesondere für die Jungen (und Mädchen) eine Herausforderung, die den Hauptschulbereich der Sekundarstufe I besuchen: Sie scheinen besonders benachteiligt und / oder abgeschreckt zu sein und sind deswegen wohl auch seltener in kirchlichen Räumen anzutreffen.

Summa summarum ergibt sich für mich an dieser Stelle ein Befund, der nicht nur besagt, dass insbesondere Jungen mit den in der jeweiligen Kirchengemeinde vorhandenen Angeboten nicht vollständig zufrieden sind, sondern auch, dass es männliche Kinder und Jugendliche aus „bildungsferneren Lebenswelten“ schwerer haben, innerhalb einer Kirchengemeinde Fuß zu fassen und sich zu entfalten.[54] Das von Foitzik erwähnte emanzipatorische Kriterium und die aufgrund der verschiedenen lebensweltlichen Hintergründe basierende Kommunikations-möglichkeit als Anspruch der Gemeindepädagogik findet also keinen Anklang.

Dieses könnte, wie bereits kurz angeklungen, u. a. an den jeweils gehandhabten Methoden liegen, die für einen Teil der Jungen nicht unbedingt ansprechend erscheinen. Am Beispiel des Kindergottesdienstes - einer Handlungsform, die sowohl in den evangelischen Landes-kirchen auf west- und ostdeutschem Gebiet weit verbreitet ist - zeigt sich, dass sich auch in der Methodenwahl eine Neigung zu ungunsten der Jungen herauszukristallisieren scheint.

Mit einer von Jochem Westhof durchgeführten Untersuchung lohnt sich ein Blick in den „Plan für den Kindergottesdienst“ des „Gesamtverbandes für Kindergottesdienst in der EKD e.V.“ zum Thema Ostern aus dem Jahre 2006. Dieser wurde von Westhof vor allem auf das Vorhandensein von Aktivitäten, die speziell Jungen anzusprechen scheinen (z. B. kraftvolles Spielen, laute und rhythmische Lieder, spannende Aktionen, etc.) hin untersucht.[55] Eine in Verbform aufgelistete Auswahl einiger der für den österlichen Kindergottesdienst vorgeschlagenen Aktivitäten offeriert Folgendes: „singen … mit Klatschen, Tanz, Bewegung gestalten (z. B. EG [Evangelisches Gesangbuch, d. Verf.] 100), einen Psalm beten, Fußspuren ausschneiden [und] hinlegen, Kerze anzünden, Jesuswort wiederholen, Fußspuren umdrehen und neu legen, Lied singen, überlegen und aufschreiben, zeigen und vorlesen, Papierfisch ausschneiden“ usw.[56] Ähnliche Methoden schlagen Westhof zufolge die Zeitschriften „Der Kindergottesdienst“ und die „Evangelische Kinderkirche“ zum gleichen Thema vor.

Aufgrund dieser Eindrücke fast Westhof zusammen: „In ihrer großen Mehrheit sind diese Aktivitäten solche, die eher die Ruhigen, die in sich gekehrten Kinder und die Mädchen ansprechen. Laute, rhythmusbetonte, kraftvolle Angebote gibt es nicht. Gebastelt wird mit Papier und Schere, nicht mir Säge und Hammer. Das Material stammt aus dem Bastelladen, nicht aus dem Baumarkt. Für die, die es gerne kraftvoll haben, die stampfen und trommeln, gibt es kleine Kränze zu flechten. Die, die mit dem Fahrrad angetobt kommen und sich dabei wie Michael Schumacher fühlen, können einen Papierfisch ausschneiden.“[57]

Ähnliche Beobachtungen lassen sich im Feld der Konfirmandenarbeit machen. In einem Gespräch, welches ich im Februar 2010 mit dem Hamburger Pastor und Jungenpädagogen Detlev Gause führte, erwähnte dieser z. B. das im Jahr 2002 unter seiner Mitarbeit entstandene Buch „KU - weil ich ein Jungen bin“[58] mit den darin erwähnten Konzeptions-ansätzen und Modellen einen notwendig gewordenen Schritt, um Jungen - gerade in der Umbruchphase der Adoleszenz - spezielle Zugänge zu Religion und Spiritualität zu eröffnen und sie somit ihren Interessen entsprechend begleiten zu können. Viele der bis dato erschienen Methoden-vorschläge für die Konfirmandenarbeit erschienen ihm und seinen Autorenkollegen nicht ausreichend auf die Bedürfnisse von Jungen durchdacht.

An dieser Stelle und auch auf der Folie meiner Untersuchung kommt heraus, dass viele der in den unterschiedlichen gemeindepädagogischen Prozessen angewandten Methoden oft nicht jungengerecht gestaltet sind. Dieses bedeutet gleichzeitig aber nicht, dass die bisher gehandhabten Methoden generell abzuwerten sind: Didaktische Arbeitsmethoden, die einen eher ästhetischen und konzentrierenden Schwerpunkt haben, haben auch für Jungen als ein gewisser „Ruhepol“ in einer immer hektischer empfundenen Zeit durchaus ihren Wert und Sinn. Vor allem eine Durchführung dieser Methoden insbesondere mit männlichen Mitarbeitern hat für einige Jungen sicherlich eine besondere Bedeutung.[59]

Diese Tatsache täuscht jedoch nicht über die u. a. von Westhof festgestellten Bemerkungen von haupt- und ehrenamtlichen kirchlichen Mitarbeiter innen hinsichtlich des häufigen Fehlens bzw. des als „fehlerhaft“ deklarierten Verhaltens von männlichen Kindern und Jugendlichen innerhalb der unterschiedlichen gemeindepädagogischen Handlungsfelder hinweg.[60] Ich denke, dass sowohl diese Beobachtungen, als auch die tendenziell in meiner Umfrage wahrgenommene Unzufriedenheit einiger Jungen (neben den an späterer Stelle erläuterten biologischen und psychologischen Gründen) vor allem ihre Ursache in den typischen gemeindepädagogischen Methoden und Arbeitsformen haben: Sie sprechen nicht die „Sprache“ der Jungen und sie somit auch nicht an.[61] Demzufolge kann eine noch so gut gemeinte lebenswelt- und bedürfnisorientierte Kommunikation des Evangeliums für eine Vielzahl von Jungen unter den bestehenden kirchgemeindlichen Bedingungen nur erschwert stattfinden. Somit gilt es aus gemeindepädagogischer Sicht nach Arbeitsformen und Methoden zu fragen, die Jungen sowohl interessieren als auch fördern. Dieses setzt, Schweitzer folgend, allerdings voraus, dass eine Kirchengemeinde sich auf eine subjekt-orientierte Arbeit einlässt und sämtliche Gemeindeglieder und -gruppierungen - in diesem Falle „die“ Jungen - mit ihren Interessen und lebensweltlichen Gegebenheiten anerkennt.[62]

2.2.3 „Männer in Bewegung“ - auch in der Kirche? Eine exkursive kirchensoziologische Betrachtung

Bevor ich die theoretische Betrachtung der Gemeindepädagogik den an oberer Stelle durchgeführten Kurz-Analysen der kirchgemeindlichen Felder gegenüberstelle, möchte ich einen kirchensoziologischen Einschub aus der im vergangenen Jahr erschienenen Studie „Männer in Bewegung“ vornehmen. Diese nimmt zwar, wie es schon der Titel erkennen lässt, speziell erwachsene Männer und damit weniger die im Zentrum dieser Arbeit stehenden männlichen Kinder und Jugendlichen in den Blick, kann aber dennoch sehr interessante Aspekte u. a. hinsichtlich des Verhältnisses von Männern und Kirche liefern.

Diese Studie ist nach der bereits im Jahre 1998 ebenfalls unter der Schirmherrschaft der „Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland“ sowie der „Gemeinschaft der Katholischen Männer Deutschlands“ herausgegebenen Studie „Männer im Aufbruch“ die zweite wissenschaftliche Erhebung des Autorenteams von Paul Zulehner und Rainer Volz zu dieser Thematik.[63] Es scheint sich nach diesem „Aufbruch“ also nicht nur in der Männer-forschung, sondern auch bei den Probanden, den Männern selbst, etwas getan zu haben. Doch gilt dieses auch für das erwähnte Verhältnis von Männern und Kirche? Interessanter Weise lässt sich dieser Studie zufolge im Vergleich zu 1998 u. a. eine wachsende Kirchen-orientierung bei Männern feststellen: Trotz eines allgemeinen festzustellenden Rückganges hinsichtlich der Kirchenzugehörigkeit gaben 29 % - und damit fast doppelt so viele Männer wie 1998 (16 %) - an, sich der Kirche verbunden zu fühlen.[64] Ähnliches ist hinsichtlich des Gefühles, in der Kirche eine Heimat zu haben, festzustellen: „Bei den Männern hat es sich von 11 % auf 20 % nahezu verdoppelt“.[65]

Allerdings äußerten auch einige der Befragten, „dass die Kirche den Männern nicht gerecht werde! Es folgt die Aussage, dass die Kirche eigentlich unnötig sei“.[66] Auf welchen genauen Faktoren diese Unzufriedenheit beruht, wird nicht deutlich. Vielleicht hat dieses seine Gründe in der Unübersichtlichkeit bzw. neuen Ausgestaltung der Männerrolle? Im Vergleich zur Studie „Männer im Aufbruch“ von 1998, ist in der im vergangenen Jahr erschienenen Untersuchung „Männer in Bewegung“ „der Anteil jener, die sich von den Kirchen einen Beitrag zur Neugestaltung der Männerrolle erwarten [sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen, gestiegen]. Bei den Männern stieg dieser Anteil von 12 % (1998) auf 31 % (2008), also um beachtliche 19 Prozentpunkte (!), bei den Frauen von 17 % auf 22 % (…).“[67]

Detlev Gause sieht in diesen Ergebnissen schon auf Basis der Studie von 1998 eine institutionelle Folge für die Kirche, da sie - wenn sie „nicht nur für ein traditionelles Milieu einladend und offen sein [und sich ernsthaft mit dem Thema Geschlechtergerechtigkeit auseinandersetzen will] - „ein kirchliches Meinungsklima [schaffen muss], das ohne Vorbe-halte auch für unkonventionelle Lebensformen [und Geschlechterbilder] Raum bietet.“[68]

Es bleibt also festzustellen, dass trotz einer verstärkt erkennbaren Verbundenheit von erwachsenen Männern zur Kirche, also ihrer „Bewegung“ auf diese zu, sich auch bei diesen ein paralleler Befund zu der von mir durchgeführten Umfrage an Jungen im Kindes- und Jugendalter ergibt: Während letztgenannte zum Teil die in ihrer Gemeinde befindlichen „Angebote“ angesichts ihrer mangelnde Ausrichtung auf ihre jungenspezifischen Interessen bemängelten, ist ebenso seitens einiger erwachsener Männer eine gewisse Unzufriedenheit u. a. in der Hinsicht wahrnehmbar, dass „die“ Kirche ihnen als Männer nicht gerecht werde. Es reicht also nicht aus, wenn sich nur „die“ Männer selbst auf die Kirche zu bewegen; auch die Kirche muss in entgegengesetzter Richtung notwendige Schritte unternehmen.

2.3 Zur aktuellen Notwendigkeit einer verstärkten Wahrnehmung von Jungen im gemeindepädagogischen Denken und Agieren

Nachdem unter Punkt 2.1 dargelegten theoretisch-wissenschaftlichen Einblick, als auch der unter Abschnitt 2.2 durchgeführten Kurzanalyse und kirchensoziologischen Erwägung, lässt sich im Vergleich dieser beiden Hauptfaktoren eine gegensätzliche Polarität erkennen: Die gemeindepädagogische Theorie einerseits und ihre praktische Umsetzung anderseits scheinen aus jungenperspektivischer Sicht auseinanderzuklappen. Die im wissenschaftlich-theoretischen Fundament der Gemeindepädagogik manifestierten Grundsätze hinsichtlich der lebensweltlichen Subjektorientierung, des emanzipatorischen Kriteriums in den sich daraus ableitenden Lernprozessen, der die verschiedenen Gemeindeglieder integrierenden „Kommunikation des Evangeliums“ und der somit ermöglichten Identitätsbildung, scheinen mit Blick auf die männlichen Kinder und Jugendliche in einigen Bereichen des gemeinde-pädagogischen „Alltagsgeschäftes“ nicht oder nur unzureichend zum Tragen zu kommen.

Vor allem die oftmals eher allein auf die Bedürfnisse der Mädchen ausgerichteten und so von „den“ Jungen als einengend erfahrenen Methoden innerhalb der „klassischen“ Arbeitsformen, als auch die mangelnde Präsenz von männlichen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern im Sinne einer Bezugsperson im Sozial-, Lebens- und Lernraum der Kirchengemeinde, scheinen hier besonders ausschlaggebend zu sein.

Es erscheint somit plausibel, auch im Sinne des gemeindepädagogischen Denkens und Handelns die gegenwärtigen Situationen und Lebenswelten von männlichen Kindern und Jugendlichen genauer zu erforschen und nach Arbeitsformen, -methoden und Settings zu suchen, die eine die Jungen ansprechende und ihren Neigungen entsprechende Gemeinde und Kirche im Sinne einer identitätsstiftenden Beheimatung ermöglicht. Vielleicht gelingt es somit, evtl. getrennte Blickrichtungen zwischen den sich manchmal wie „gekreuzigt“ fühlenden „Söhnen“ und der oft als einseitig weiblich empfundenen „Mutter Kirche“ wieder zusammenzuführen und so das in der Kapitelüberschrift gewählte Wortspiel - frei nach Joh. 19, 26f - zu relativieren: „Mutter, siehe, das ist dein Sohn. - Sohn, siehe, das ist deine Mutter.“

3. „Look at the boys“ - Männliche Kinder und Jugendliche im Fokus pädagogischer Forschung

Schon der Gründer der Pfadfinderbewegung, Lord Baden-Powell, hielt - als Pendant zur lebensweltlichen Orientierung der Gemeindepädagogik - einen „look at the boy“ („Blick auf den Jungen“) für grundsätzlich, um eine pädagogische Persönlichkeitsförderung erzielen zu können. Um auch heutige Jungen nicht nur auf ein in letzter Zeit verstärkt wahrgenommenes „Jungenproblem“[69] zu deklarieren, sondern sie im Sinne einer subjektorientierten Identitäts-bildung auch gemeindepädagogisch fördern zu können, ist ein interdisziplinärer Blick in die jungenpädagogische Forschung unentbehrlich.

3.1 Jungenpädagogik als eine Dimension geschlechtergerechter Pädagogik

3.1.1 Versuch einer jungenpädagogischen Begriffsdefinition sowie Darstellung der bisherigen historischen Forschungsentwicklung

Michael Matzer und Wolfgang Tischner weisen darauf hin, dass „man derzeit [noch von keiner] ausgearbeiteten, anerkannten oder gar etablierten Pädagogik der Jungen (…) sprechen kann.“[70] Sie beziehen sich hinsichtlich eines Definitionsversuches zitierend auf den Tübinger Jungenforscher und -pädagogen Reinhard Winter, „der den Begriff 'Jungenpädagogik' als Oberbegriff für 'jegliche geschlechtsbezogene pädagogische Arbeit mit Jungen' verwendet“.[71]

Daher fassen sie diesen Terminus nicht nur auf der Objekt-, sondern auch auf der Theorieebene als „ein Programm mit dem Ziel, die geschlechtsspezifischen pädagogischen Bedürfnisse von Jungen im Vergleich zu Mädchen zunehmend deutlich herauszuarbeiten und eine entsprechende Pädagogik und Didaktik des männlichen Geschlechts zu entwickeln“, zusammen.[72] Unter dem Begriff „Jungenpädagogik“ existiert demzufolge sowohl eine praktische Seite, die der Jungenarbeit, als auch eine theoretische, die der Jungenforschung.

Diese noch sehr weit gefasste Definition verwundert angesichts einer geschichtlichen Betrachtung der jungenpädagogischen Forschung nicht: Die eigentlichen Wurzeln der Jungenpädagogik haben meines Erachtens ihren Ursprung - ähnlich wie die der Gemeinde-pädagogik - in den gesellschaftlichen Umbrüchen der sogenannten 1968er-Jahre. Im Zuge dessen etablierte sich in den darauffolgenden 30 Jahren in West-Deutschland eine ausgeprägte Gleichstellungsdebatte in Forschung, Politik, Medien und Pädagogik, die sich vor allem der Mädchen- und Frauenförderung verschrieb.

Dieser unbedingt notwendig gewordene Perspektivwechsel zur Emanzipation des weiblichen Geschlechts, scheint jedoch - vor allem durch den Feminismus der 1980er-Jahre - Jungen eher verstärkt konfrontativ in den Blick genommen zu haben: „Mädchen und Frauen wurden zum 'Opfergeschlecht', Jungen und Männer zum 'Tätergeschlecht'. Auf diesen Theorien aufbauend entstand eine ebenso stereotype geschlechterspezifische Jugendarbeit - Mädchen fördern und stärken, Jungen sanktionieren und umerziehen.“[73] Seitdem nahmen „die Institutionen Kindergarten, Schule und Jugendhilfe sowie die Bildungs-, Kinder- und Jugendpolitik (…) auf die speziellen Dispositionen, Verhaltensweisen, Entwicklungsaufgaben, Bedürfnisse, Fähigkeiten und Interessen von Jungen zu wenig oder gar keine Rücksicht“.[74] In diesem Zusammenhang sprechen Matzner und Tischner sogar von einer „institutionellen Diskrimi-nierung mancher Jungen und junger Männer“, die bis heute überwiegend anhalte.[75]

Der Hamburger Jungenforscher Detlev Gause erläuterte mir während unseres Gesprächs, dass der Feminismus bald an seine Grenzen kam: Denn der Versuch, eine wahre Geschlechtergerechtigkeit zu erzeugen, könne nur gelingen, wenn beide Geschlechter in den Fokus genommen werden.[76]

Dieses war allerdings auch nicht in der primär im schulischen Bereich einsetzenden Koedukationsdebatte der Fall. Hier wurde zwar versucht, die nicht präsente Chancen-gleichheit und Gleichberechtigung der Geschlechter „herzustellen“. Dennoch wurden die Unterrichtsstrukturen zunächst auf die Anliegen der Mädchen abgestimmt, um die signifikant höhere Aufmerksamkeit und Rückmeldung von Jungen im Unterricht zu relativieren. Erst in der jüngeren, sog. reflexiven Koedukationsforschung wurden auch Jungen mit ihren Bedürfnissen in den Blick genommen.[77]

Mit den ausgehenden 1980er- und 1990er-Jahren stellten jedoch - so Gause während unserer Konversation - Pädagogen und Forscher fest, dass „mit den Jungen irgendetwas nicht stimme“. Zu der Zeit waren es vor allem Dieter Schnack und Rainer Neutzling, die mit ihrem Werk „Kleine Helden in Not“[78] neue und vor allem positive Konzeptionen in der Erziehung von Jungen einforderten und somit einen wesentlichen Anstoß in die Richtung einer eigen-ständigen Jungenpädagogik unternahmen.

Ebenfalls zu Beginn der 1990er-Jahre setzten Lothar Böhnisch und Rainer Winter mit einer „kritischen Jungen- und Männerforschung“ an.[79] In diesem Zusammenhang verbanden sie angesichts bereits wahrgenommener Identitätsprobleme von Jungen „psychoanalytische mit gesellschaftstheoretischen Analysen und [suchten] nach einem Konzept einer neuen Männlichkeit, das es Jungen und Männern erlaubt, eine befriedigende und nicht-sexistische Identität auszubilden.“[80] Diese Forschungsrichtung impliziert laut Schultheis und Fuhr allerdings auch Grenzen: Trotz des positiven Konzeptansatzes, nämlich der Überwindung eines abwertenden Weiblichkeits- und Frauenbildes, welches bei einer Vielzahl von Jungen und Männern be- oder unbewusst vertretenen ist und bei diesen auch eine Unterdrückung persönlicher „weiblicher Anteile“ oder Gefühle impliziert, werden typische „den Jungen und Männern zugeschriebene Eigenschaften [z. B. männliche Externalisierungs-formen] einseitig negativ bewertet“.[81] Dass diese jedoch gerade für die Herausbildung einer männlichen Identität nicht zu unterschätzen sind, soll sich an späterer Stelle zeigen.

Einen entscheidenden Akzent in der jungenpädagogischen Forschung sowie in der Geschlechterdebatte setzte die erste internationale Schulleistungsuntersuchung, die PISA-Studie, bei ihrer Veröffentlichung im Jahre 2001: Hierbei geriet neben den schulischen Leistungsdefiziten von Jungen auch deren typisches Verhalten in den Fokus. Dieses ziehe viel Aufmerksamkeit auf sich und führe zu Disziplinierungen im Unterricht.[82] Es wurde ebenso festgestellt, dass „die Dominanz von Jungen im Unterricht, ihre Neigung zu Konkurrenz- und Wettkampfverhalten, Quatschmachen oder Raufen (…) dabei in der Regel [einseitig] negativ bewertet [werden].“[83]

In der staatlichen Geschlechterpolitik versuchte man nahezu zeitgleich mittels des neu geschaffenen Ansatzes des Gender-Mainstreaming der Benachteiligung beider Geschlechter einen Gegenakzent zu setzen.[84] Dieses sei allerdings, so Bruno Köhler, aus jungen-pädagogischer Sicht bis dato noch nicht gelungen. Er spricht ausgehend vom gender-theoretischen Anspruch, in allen Bereichen auch jungen- und männerspezifische Belange gleichwertig mit zu integrieren, sogar von einem Scheitern.[85]

Nicht nur angesichts des schwach ausdifferenzierten jungenpädagogischen Begriffs und der langjährigen Versäumnisse einer jungenorientierten pädagogischen Fokussierung, sondern auch aufgrund der bisherigen mageren Ergebnisse steht es außer Frage, dass auch in den kommenden Jahren ein weiterer jungenpädagogischer Forschungsbedarf besteht.[86] In diesem Horizont stellt sich auch die notwendige Frage nach dem Anspruch und Ziel, das von der jungenpädagogischen Forschung in diesem Zusammenhang verfolgt wird.

3.1.2 Anspruch und Ziel einer geschlechtergerechten Jungenpädagogik im Horizont einer gender-theoretischen Kritik

Laut § 9 Abs. 3 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) gilt es, „die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen zu fördern“[87]. Dieser Paragraph bildet eines der wichtigsten rechtlichen Fundamente geschlechterorientierter Pädagogik. Hier wird auf die Bedeutung der individuellen Lebenslagen von Jungen und Mädchen, die ebenso der Ausgangspunkt sämtlicher gemeindepädagogischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist, hingewiesen. Richtungsweisend ist dabei die Gleichberechtigung von Jungen und Mädchen.

Diesem hat sich auch das bereits erwähnte Konzept des Gender-Mainstreaming verschrieben. Es wurde als anzuwendende Strategie ausgerufen, um die vom Bundeskabinett am 23. Juni 1999 eingeführte „Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip der Bundesregierung“ zu fördern.[88] Allerdings wurde sehr schnell deutlich, dass die Strategie des Gender-Mainstreaming - vor allem im Bildungsbereich - keine sichtbare Verbesserung der Lage von Jungen lieferte.[89] Wolfgang Tischner bezeichnet Gender-Mainstreaming sogar als „einen neuen Namen für eine einseitige Frauenförderung“.[90]

Ferner kritisiert dieser ein nicht unwesentliches terminologisches Detail: „Die angel-sächsische Aufteilung des Geschlechts in 'sex' für das biologische und 'gender' für das soziale Geschlecht findet in der deutschen Sprache keine Entsprechung.“[91] Hieraus hat sich in der dominierenden Gendertheorie eine teilweise folgenschwere Annahme abgeleitet: „Das Geschlecht als biologische Tatsache ('sex') [wurde] durch einen simplen Trick aus dem Verkehr gezogen: Es wurde ausgetauscht durch das 'soziale Geschlecht' ('gender'), welches ausschließlich erlernt sei, während das biologische Geschlecht fortan nicht mehr auftauchte.“[92] Da dass menschliche Geschlecht diesbezüglich durch ein soziokulturelles Umfeld quasi „konstruiert“ sei, könne man es auch beliebig transformieren bzw. „dekonstruieren“. Weiter wird angenommen, „dass der Mensch sein Geschlecht durch seine Kleidung, seine äußere Erscheinung, sein Auftreten fortlaufend selbst herstelle, es 'inszeniert' ('doing gender'). Letztlich sei nicht nur das soziale, sondern auch das biologische Geschlecht sozial konstruiert (…), was auf die Leugnung des biologischen Ursprungs des Unterschieds zwischen Mann und Frau und der Einebnung dieses Unterschieds hinausläuft.“[93]

[...]


[1] So der Titel des Werkes von Schnack und Neutzling. - Vgl. Literaturverzeichnis im Anhang unter Punkt XII.

[2] Boldt, in: Matzner; Tischner, 2008, 136; sowie Kosog, 2007, 26.

[3] Sturzenhecker, in: Matzner; Tischner, 2008, 183.

[4] An dieser Stelle sei gleich zu Beginn vermerkt, dass sich eine eindeutige Definition von „Jungen“ nicht pauschalisieren und aus individueller Differenziertheit sowie subjektiver Wertigkeit pädagogisch auch nicht rechtfertigen lässt. Dennoch möchte ich diesen Begriff, Michael Matzner und Wolfgang Tischner folgend, fortführend verwenden, da er „unter Abstraktion vom Einzellfall, im Sinne einer generellen, statistisch erfass-baren Tendenz“ zu verstehen ist. - Matzner; Tischner, 2008, 9.

[5] Vgl. Schultheis, in: Matzner; Tischner, 2008, 366.

[6] Rohrmann, in: Neider, 2007, 11 f.

[7] Vgl. Matzner, in: Matzner; Tischner, 2008, 316.

[8] Vgl. Preuss-Lausitz, ebd., 123 ff.

[9] Matzner; Tischner, ebd. , 381.

[10] Westhof, in: Reschke-Rank, 2008, 10.

[11] Ein Zeichen dafür, dass Jungen nun auch gemeindepädagogisch verstärkt wahrgenommen werden, ist u. a. die zum Entstehungszeitpunkt dieser Arbeit unter dem Hauptthema „Jungen“ erschienene Ausgabe der Fach-zeitschrift „Praxis Gemeindepädagogik“. - Vgl. Literaturverzeichnis im Anhang.

[12] Vgl. Matzner; Tischner, in: Matzner; Tischner, 2008, 9.

[13] Ebd., 395.

[14] Matzner; Tischner, in: Matzner; Tischner, 2008, 12.

[15] Die Tatsache, dass Mädchen in dieser Arbeit nicht mit in den Fokus genommen werden, ist mehrgründig anzusehen: Denn zum einen ist, wie bereits kurz erwähnt, aktuell in Wissenschaft und Praxis der besondere pädagogische Bedarf einer jungenorientierten Arbeit erkannt worden. Zum anderen würde eine - durchaus interessante und lohnenswerte - Untersuchung der Bedeutung einer gemeindepädagogischen Pfadfinderarbeit für weibliche Kinder und Jugendliche den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Eine solche Erforschung wäre in diesem Sinne eine eigene Überlegung wert.

[16] Knauth; Bräsen; Langbein; Schroeder, in: Knauth; Bräsen; Langbein; Schroeder, 2002, 7.

[17] Ebd.

[18] Der Fragebogen, welcher an die Jungen in den Kirchengemeinden Gettorf und Henstedt-Ulzburg ausgehändigt wurde, findet sich im Anhang unter Punkt IV.

[19] Foitzik, in: Bitter; Englert; Miller; Nipkow, 2006, 323.

[20] Spenn, zit. n. Adam; Lachmann, in: Adam; Lachmann, 2008, 15.

[21] Foitzik, in: Bitter; Englert; Miller; Nipkow, 2006, 323.

[22] Ebd., 324.

[23] Ebd.

[24] Ebd.

[25] Ebd., 325.

[26] Adam; Lachmann, in: Adam; Lachmann, 2008, 19.

[27] Foitzi k, in: Bitter; Englert; Miller; Nipkow, 2006, 325.

[28] Ebd.

[29] Ebd.

[30] Ebd., 326.

[31] Ebd., 325.

[32] Knauth; Bräsen; Langbein; Schroeder, in: Knauth; Bräsen; Langbein; Schroeder, 2002, 9.

[33] Schweitzer verweist diesbezüglich auf die seitens des Psychologen Erikson insbesondere für die adoleszente Entwicklungsphase festgestellte Bedeutung von „Religion als einer allgemeinen Dimension der Identitäts-bildung“. Dabei haben vor allem die Sinnfindungsprozesse eine große Bedeutung, da es gerade im Jugendalter um die wichtige Erfahrung sinnvollen Lebens und sinnvoller Lebensperspektiven gehe. (Zur näheren Betrachtung des entwicklungspsychologischen Modells nach Erikson siehe Punkt 3.2.2.4.). - Vgl. Schweitzer, 2006, 70 ff.

[34] Foitzi k, in: Bitter; Englert; Miller; Nipkow, 2006, 327.

[35] Vgl. Adam; Lachmann, in: Adam; Lachmann, 2008, 25.

[36] Vgl. z. B. die „Gemeindepädagogenordnung der Ev.-luth. Landeskirche Sachsens“ (unter Anlage I. mit dem „Diakoninnen- und Diakonengesetz“ bzw. dem „Gemeindepädagoginnen- und Gemeindepädagogengesetz der Nordelbischen Ev.-luth. Landeskirche“ (unter Anlage II. und III.).

[37] Aus eigener Erfahrung und Beobachtung möchte ich erwähnen, dass diese Einteilungen sich überwiegend in der Praxis überschneiden. So sind mittlerweile z. B. auch mehrere religionspädagogisch ausgebildete Diakoninnen und Diakone in Nordelbien tätig. Ebenso nehmen viele Gemeindepädagoginnen und Gemeinde-pädagogen seelsorgerliche Aufgaben in verschiedensten Bereichen wahr.

[38] Dieses ist ebenfalls durch die von Paul Watzlawik aufgestellten Grundsätze menschlicher Kommunikation begründet: 1.) Jede Person kommuniziert ohne Unterbrechung. 2.) Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt. 3.) Jede Person bringt ihre eigenen Interessen und Sichtweisen in die Kommunikation mit ein. - Vgl. Adam; Lachmann, in: Adam; Lachmann, 2008, 28.

[39] Knauth; Bräsen; Langbein; Schroeder, in: Knauth; Bräsen; Langbein; Schroeder, 2002, 10.

[40] Adam; Lachmann, in: Adam; Lachmann, 2008, 135.

[41] Im Vorfeld möchte ich betonen, dass ich in der aktuellen gemeindepädagogischen Fachliteratur kaum hinreichende empirische Informationen über die jungenspezifische Situation erhalten konnte. Dieses ist sicherlich damit zu begründen, dass in der Gemeindepädagogik ein besonderes jungenpädagogisches Denken noch im Anfangsstadium steckt.

[42] Beispielsweise wurden an der Fachhochschule für Religionspädagogik und Gemeindediakonie am Ev.-luth. Diakonenhaus Moritzburg e. V. im Wintersemester 2006 / 2007 sechzehn Frauen und „nur“ vier Männer immatrikuliert. Die Quote der weiblichen Studierenden lag damit anteilig bei 80 % und war dem entsprechend vier Mal so hoch, wie die der männlichen Studierenden.

[43] Vgl. Breit-Keßler; Vorländer, in: Adam; Lachmann, 2008, 121.

[44] Ebd.

[45] Ebd., 122.

[46] Reschke-Rank, in: Reschke-Rank, 2008, 15 f.

[47] Ebd., 7.

[48] Siehe Auswertung der Frage 13.) unter Punkt V.

[49] An dieser Stelle lässt sich hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Mitarbeitersituation aus meiner Umfrage allerdings kein treffender Rückschluss erhalten, was deren nicht-empirischen Charakter u. a. aufgrund der geringen Teilnehmerzahl unterstreicht. Das Ergebnis ist an dieser Stelle leicht ambivalent: So stimmten zwar 15 der Befragten und damit knapp die Hälfte der Jungen der These zu, dass Mädchen mit ihren Interessen eher von der Mitarbeiterschaft gehört werden. Dennoch gaben 22 und damit exakt zwei Drittel der Befragten an, dass sie die kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeit mit ihren Fragen und Problemen aufsuchen können. - Diese Ergebnisse lassen sich ebenfalls in der Auswertung der Frage 13.) unter Punkt V. einsehen.

[50] Vgl. hierzu wieder die Umfrageauswertung unter Punkt V.: Wie sich hier ebenfalls unter Frage 10.) erkennen lässt, ist der Anteil der Pfadfinder-Jungen in diesem Punkt auffallend gering. Parallel dazu sind - interessanter Weise - 11 der 17 Jungen, die sich positiv zu den eingesetzten Arbeitsmethoden äußerten, Pfadfinder.

[51] Vgl. ebd. die Auswertung der Frage 12.) im Anhang unter Punkt V.

[52] Differenzen lassen sich also nicht nur hinsichtlich der biologischen Geschlechtergruppen, sondern auch innerhalb dieser feststellen. - Vgl. Knauth; Schroeder, in: Knauth; Bräsen; Langbein; Schroeder, 2002, 14.

[53] Vgl. die Auswertung der Frage 5.) ebenso im Anhang unter Punkt V.

[54] Dieses gilt im gleichen Zusammenhang natürlich auch für viele der Mädchen, die eine Hauptschule besuchen. Ebenso lässt sich angesichts der kirchgemeindlichen „Angebotspalette“ nicht ausschließen, dass es viele weibliche Kinder und Jugendliche gibt, die einen Veränderungsbedarf befürworten würden. Dieses gilt es aber separat zu untersuchen.

[55] Vgl. Westhof, in: Reschke-Rank, 2008, 11 ff.

[56] Vgl. ebd.

[57] Ebd., 13.

[58] Vgl. Literaturverzeichnis im Anhang unter Punkt XII.

[59] Der Hannoveraner Religionspädagoge Christoph Grothe betont in diesem Zusammenhang die auch unter Punkt 2.2.1 erwähnte Bedeutung einer Vorbildfunktion der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: „Die Anleitung mit seiner / ihrer Person und Persönlichkeit ist die erste und beste Methode.“ - Grothe, 2010, 19.

[60] Vgl. Westhof, in: Reschke-Rank, 2008, 13.

[61] Auch wenn die Shell-Jugendstudie von 2006 hinsichtlich der Einstellung Jugendlicher zur Kirche keine geschlechtsspezifische Differenzierung vornahm, so gibt doch die aus dieser Studie entnommene Feststellung zu denken übrig, wonach 65 % der Befragten im Alter von 12 bis 25 Jahren angaben, dass „die Kirche (…) keine Antworten auf die Fragen [hat], die [sie] wirklich bewegen.“ - Shell Deutschland Holding, 2006, 216 f.

[62] Vgl. Schweitzer, 2006, u. a. 246.

[63] Im Falle der im Jahr 2009 erschienenen Studie „Männer in Bewegung“ war auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend als Herausgeber beteiligt. Dieses kann man in der Hinsicht bewerten, dass auch in der geschlechterpolitischen Betrachtung Männer und Jungen wieder verstärkt betrachtet werden.

[64] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.); Volz; Zulehner, 2009, 237.

[65] Ebd., 241.

[66] Ebd., 245.

[67] Ebd., 307.

[68] Dieses müsse laut Gause allerdings nicht zu einem „unmöglichen Spagat führen“: Kirche könne dann als ein Lebensraum erfahrbar werden, „der 'ermöglicht'“, indem z. B. parallel zum traditionellen Ehe- und Familien-verständnis „auch solchen Frauen und Männern eine gleichwertige Achtung entgegengebracht [wird], die ein anderes Lebensmodell für sich gefunden haben. Das betrifft [z. B.] nicht nur lesbische und schwule Partnerschaften, sondern auch andere neue Formen des Zusammenlebens, wenn sie denn von Liebe zueinander und gegenseitiger Verantwortung füreinander und gegebenenfalls für Dritte (Kinder, alte Menschen, Pflegschaften usw.) gekennzeichnet sind.“ - Gause, 2010, 12 f.

[69] Voigt-Kehlenbeck, in: Pech, 2009, 227.

[70] Matzner; Tischner, in: Matzner; Tischner, 2008, 11.

[71] Winter zit. n. Matzner; Tischner, ebd.

[72] Ebd.

[73] Köhler, in: Matzner; Tischner, 2008, 332.

[74] Matzner; Tischner, in: Matzner; Tischner, 2008, 381.

[75] Ebd.

[76] Klaudia Schultheis und Thomas Fuhr bekräftigen diesen Gedanken: „Es [stellt] sich die Frage, ob es unter feministischen Erkenntnissinteressen überhaupt möglich ist, realistische und differenzierte Männer- und Jugendbilder zu bilden. Die feministische Forschung analysierte patriarchalische und sexistische Strukturen. Sie forschte nach Benachteiligungen zwischen den Geschlechtern, nach Geschlechterhierarchien und Herrschafts-strukturen. Dabei neigte sie dazu, duale Kategorien auszubilden. (…) Es fiel der feministischen Forschung schwer, positive Aussagen zu Männern zu machen und herauszuarbeiten. Auch neigte sie dazu, Differenzen zwischen Männern zu negieren.“ - Schultheis; Fuhr, in: Schultheis; Strobel-Eisele; Fuhr, 2006, 25 f.

[77] Vgl. ebd.

[78] Siehe Literaturverzeichnis im Anhang unter Punkt XII.

[79] Vgl. Schultheis; Fuhr, in: Schultheis; Strobel-Eisele; Fuhr, 2006, 26.

[80] Ebd. 26 f.

[81] Vgl., ebd., 29 f.

[82] Vgl. Schultheis, in: Matzner; Tischner, 2008, 366.

[83] Ebd.

[84] Vgl. Köhler, in: Matzner; Tischner, 2008, 333.

[85] Vgl. ebd., 335.

[86] Vgl. Schultheis, in: Matzner; Tischner, 2008, 374 ff.

[87] Schultheis; Fuhr, in: Schultheis; Strobel-Eisele; Fuhr, 2006, 31.

[88] Vgl. Tischner, in: Matzner; Tischner, 2008, 350.

[89] So startete z. B. im „Jahr 2001 (…) in Deutschland das größte geschlechterspezifische Jugendförderprojekt aller Zeiten - der bundesweite Zukunftstag, eben eine solche Maßnahme zur Erweiterung des Berufswahl-spektrums auf geschlechtsuntypische Berufsbereiche, wie es das Forum Bildung empfahl. Jungen wurden allerdings von Beginn an gezielt und bewusst ausgegrenzt. Begründet wurde und wird diese Ausgrenzung von Jungen mit einem Fachkräftemangel und dem Wunsch, Mädchen 'ungestört' technische Berufsfelder zeigen zu können. Hier sind wieder die alten Stereotype der 1980er-Jahre. Mädchen gelten als Benachteiligte (Opfer) allein durch die Anwesenheit der Jungen (Täter).“ - Köhler, in: Matzner; Tischner, 2008, 334.

[90] Tischner, in: Matzner; Tischner, 2008, 355.

[91] Ebd., 353.

[92] Matzner; Tischner, in: Matzner; Tischner, 2008, 12.

[93] Vgl. Tischner, in: Matzner; Tischner, 2008, 356.

Fin de l'extrait de 114 pages

Résumé des informations

Titre
Pfadfinderarbeit als eine Form gemeindepädagogischer Jungenarbeit
Université
University of Religions Education Moritzburg
Cours
Ev. Religionspädagogik und Gemeindediakonie
Note
1,3
Auteur
Année
2010
Pages
114
N° de catalogue
V204379
ISBN (ebook)
9783656318019
ISBN (Livre)
9783656318934
Taille d'un fichier
32188 KB
Langue
allemand
Mots clés
Jungenarbeit, Jungenpädagogik, Pfadfinderarbeit, Religionspädagogik, Gemeindepädagogik, Pfadfinderpädagogik, Kirchengemeinde, evangelisch
Citation du texte
Tobias Knöller (Auteur), 2010, Pfadfinderarbeit als eine Form gemeindepädagogischer Jungenarbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204379

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