Regenerative Energien: Analyse von Betriebskonzepten für Power-to-Gas-Anlagen


Thèse de Master, 2012

191 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Erklärung

Kurzfassung

Abstract

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Status quo der deutschen Energieversorgung
1.2 Prognosen der Entwicklung des Elektrizitätssektors
1.3 Ziele und Aufbau der Arbeit

2 Grundlagen von Power-to-Gas und des Energiehandels
2.1 Power-to-Gas
2.1.1 Wasserstoff und Elektrolyse
2.1.2 Methanisierung und Erdgas
2.1.3 Möglichkeiten von Power-to-Gas
2.2 Energiehandel
2.2.1 Grundlagen des Energiehandels
2.2.2 Bilanzkreissystematik
2.2.3 Regelenergie
2.2.4 Energiemeteorologische Prognosequalitäten
2.2.5 Perspektiven

3 Betriebskonzepte für Power-to-Gas-Anlagen im Rahmen des Energiehandels
3.1 Einführung
3.2 Mögliche Betriebskonzepte
3.3 Exemplarische Auswertung unter besonderer Berücksichtigung eines energiehandelsoptimierten Betriebes
3.3.1 Auswertung der vorliegenden Ist-Daten
3.3.2 Simulation von Day-Ahead Werten
3.4 Fazit der Untersuchung

4 Zusammenfassung und Ausblick
4.1 Abschlussbetrachtung
4.2 Ausblick auf eine mögliche Entwicklung des Power-to-Gas-Marktes
4.3 Potentielle Effekte und perspektivischer Ausblick

Literaturverzeichnis.

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Gleichungsverzeichnis

Formelverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erklärung

Ich versichere wahrheitsgemäß, dass ich die vorliegende Arbeit bis auf die offizielle Betreuung durch das Institut ohne fremde Hilfe selbst angefertigt habe. Die benutzte Literatur und sonstige Quellen sind vollständig angegeben.

Kurzfassung

Einleitend wird der Status quo der deutschen Energieversorgung sowie die unterschiedlichen Energieszenarien und der daraus resultierenden Energiespeicherbedarf dargestellt. Nach einer kurzen Einführung in die Energiespeicher wird eine Fokussierung auf die Power-to-Gas-Technologie vorgenommen. Nach weiteren Erläuterungen der technischen Grundlagen von Elektrolyseuren und Wasserstoff, Methanisierungsmöglichkeiten und Erdgas werden Grundlagen des Energiehandels, der Bilanzkreissystematik, Ausgleichs- und Regelenergie sowie von energiemeteorologischen Prognosen dargestellt

Vor dem Hintergrund des Energiespeicherbedarfs wird untersucht, mit welchen Power-to-Gas-Betriebskonzepten die Speicher-Nachfrage gedeckt werden kann. Den potentiellen Betreibern von Power-to-Gas-Anlagen bieten sich unterschiedliche Strategien und Optionen an, die Anlage unter Einsatz der Möglichkeiten des Energiehandels zu betreiben. Die unterschiedlichen Betriebskonzepte werden dargestellt und bewertet. Insgesamt sind sieben Betriebskonzepte untersucht worden: über die mögliche Implementierung von Förderinstrumenten, der Maximierung der Gasproduktion, die Behebung von Netzengpässen bis hin zu einem Einsatz im Regelenergiemarkt. Ferner ist ein neues Betriebskonzept im Ausgleichsenergiemarkt skizziert und zwei Modelle in direkter Kombination mit erneuerbaren Energien zur Nutzung von Windenergiespitzen sowie eines Windenergiebandes dargestellt worden. Ein konkretes Fallbeispiel mit einem 38 MW Windpark in Kombination mit einer Power-to-Gas-Anlage wird im Hinblick auf den Energiehandel weitergehend untersucht. Die Kernaussagen lauten, dass das Strombezugskonzept und die Systemdienstleistungen die Wirtschaftlichkeit bestimmen, die Entwicklung der Qualität von energiemeteorologischen Prognosen signifikanten Einfluss auf das zu wählende oder zu verändernde Betriebskonzept haben sowie dass eine Power-to-Gas-Anlage für ein Windpark-Portfolio im unteren bis mittleren dreistelligen MW Bereich eine sinnvolle Ergänzung darstellen kann

Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst sowie mögliche Folgen und Entwicklungen aus verschiedenen Perspektiven aufgezeigt. In Abhängigkeit von den zu setzenden rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann ein dynamischer Markt entstehen, letztendlich um die anfangs aufgezeigten Energieszenarien Realität werden zu lassen und den Energiespeicherbedarf zu befriedigen

Abstract

Analysis of Operational Concepts for Power-to-Gas-Units in an Energy Supply System with a Large Share of Renewables

At the beginning, the current status of the German energy supply system is delineated including the demand for energy storage deriving from it. After a brief introduction to energy storage systems, the discussion focuses on the power-to-gas technology. In addi-tion, the technical concepts of electrolysers and hydrogen are explained. Furthermore different options of methanation, natural gas, the principles of the energy trade, of the classification of balancing groups, of balancing energy and operating reserves as well as meteorological energy forecasts are outlined.

Against the backdrop of the demand for energy storage, the thesis examines which opera-tional power-to-gas concepts may be suited to meet storage requirements. Potential operators of power-to-gas-units may choose between different strategies and options for operating their units while benefitting from opportunities offered by the energy trade. Various operational concepts are presented and assessed. In total, seven operational con-cepts have been examined ranging from the potential implementation of subsidy measures to the maximisation of gas production, the alleviation of grid bottlenecks and the em-ployment in the operating reserve market. Furthermore, an outline has been drafted for a new operational concept with provisions for the balancing energy market. And two mod-els in direct combination with renewable energy have been delineated for the utilisation of wind energy peaks and of a range of wind energy feeding profiles. The concrete case of a 38 MW wind farm in combination with a power-to-gas-unit is examined in more detail with regard to the energy trade. The core findings are that the electricity covering concept and system services determine the profitability, that improvements in the quality of mete-orological energy forecasts have a significant influence on the choice and adjustment of the operational concept, and that a power-to-gas-unit may constitute a useful complement for a wind farm in the low to medium three-digit MW range.

In conclusion, the findings are summarised and possible consequences and developments highlighted from different angles. As a function of the legal and economic environment, a dynamic market may evolve, eventually bringing about the energy scenarios described in this thesis and satisfying the demand for energy storage.

1 Einleitung

1.1 Status quo der deutschen Energieversorgung

Jede Volkswirtschaft benötigt jeden Tag verschiedenste Formen der essentiellen Ressource Energie für die drei Sektoren Elektrizität, Wärme und Mobilität. Um diesen Energiebedarf zu decken und für den Endverbrauch nutzbar zu machen, werden hauptsächlich fossile Primärenergieträger in Sekundärenergieträgern umgewandelt. In den Jahren 2010 und 2011 stellte sich der Energieverbrauch der Bundesrepublik Deutschland (BRD) wie folgt dar (vgl. Tabelle 1):

Tabelle 1: Energieverbrauch BRD 2010 und 2011

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (2011), S. 5

Die Energiebilanz zeigt sehr deutlich den hohen Anteil fossiler Energieträger. Dieser ist in der Vergangenheit jedoch insbesondere im Elektrizitätssektor aufgrund der Nutzung erneuerbarer Energien gesunken. Treiber dieser Entwicklung sind der Klimawandel, die Endlichkeit und die hohe Abhängigkeit von fossilen Energieträgern sowie die daraus entstandenen und politisch gewollten Instrumente zur Förderung erneuerbarer Energien. Der Anteil erneuerbarer Energien im Bereich der Stromerzeugung hatte 2011 mit 122 Mrd. kWh einen Anteil von 20,0 % am gesamten Stromverbrauch.[1] Im ersten Halbjahr 2012 lieferten die erneuerbaren Energien zum ersten Mal über ein Viertel des Stroms.[2] Es kann davon ausgegangen werden, dass aufgrund der positiven Halbjahreszahlen und der Neuinstallationen erneuerbarer Energien im GW-Maßstab im Vergleich zu 2011 der Anteil im Jahr 2012 – dem UN-Jahr für „Nachhaltige Energie für alle“ – weiter steigen wird.

Der Anteil der erneuerbaren Energien im Jahre 2020 soll nach dem Willen der derzeitigen Bundesregierung auf 35 % und bis 2050 auf 80 % steigen.[3]

1.2 Prognosen der Entwicklung des Elektrizitätssektors

Ausgehend vom heutigen Stand der Energieversorgung werden von verschiedensten Akteuren der Energiebranche Zukunftsszenarien mit unterschiedlichen Parametern, Annahmen und Zeithorizonten veröffentlicht. Einen Überblick zeigt folgende Übersicht aus der Studiensynopse Energieprognosen des BDEW (vgl. Abbildung 1):

Abbildung 1: Übersicht Energieszenarien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: BDEW (2010), S. 17

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass diese Grafik von Energieszenarien die Richtung sehr deutlich zeigt. Letztendlich werden in den Studien je nach gewählten Rahmenbedingungen die Energiekennzahlen und Potentialabschätzungen zusammengefasst, die eine mögliche Zukunft beschreiben, wie langfristig ein hoher Anteil erneuerbarer Energien bzw. eine regenerative Vollversorgung aussehen könnte. Die grafische Übersicht wurde noch vor dem beschlossenen Atomenergieausstieg nach der japanischen Nuklearkatastrophe in Fukushima erstellt. Unter zusätzlicher Berücksichtigung des Fakts, dass das Wachstum der erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten unterschätzt wurde,[4] ist mit einem schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien zu rechnen. Die Annahmen für das Energiekonzept der Bundesregierung für 2020 und folgende Jahre werden bereits heute von den Planungen der Bundesländer weit übertroffen.[5] Nicht nur in Deutschland sondern weltweit hat die „Dritte Industrielle Revolution“ längst begonnen.[6]

Beim weiteren Ausbau erneuerbarer Energien spielen insbesondere die fluktuierenden erneuerbaren Energien wie Solar und Wind eine signifikante Rolle. In den Zeiten mit viel Sonneneinstrahlung und starken Winden kommt es und kann es auch zukünftig trotz Netzausbau und Demand-Side-Management in Deutschland zu Strom-Überschüssen geben, der für die Zeiten, in denen diese Energieträger nicht zur Verfügung stehen, eingespeichert werden können. Die notwendigen Energiespeicher werden mehr oder weniger intensiv in den Studien analysiert oder in gesonderten Veröffentlichungen bewertet.

Keine Energieversorgung kommt ohne Speicher aus, bisher waren diese jedoch fast ausschließlich vor der Umwandlung in Strom zu finden, z.B. in Form von Kohlehalden, Kohlekeller, Öltanks, Gasspeicher, etc. Wenn Elektrizität aus erneuerbaren Energien perspektivisch zur Primärenergie wird, muss der Strom – auf welche Art und Weise auch immer – zukünftig eingespeichert werden.

In der Studiensynopse Energieprognose des BDEW wird in den untersuchten Szenarien die Bruttostromerzeugung aus Stromspeichern mit einer Bandbreite von 3-55 TWh angegeben.[7] Die Deutsche Bank sieht in ihrer Studie „Moderne Stromspeicher – unverzichtbare Bausteine der Energiewende“ spätestens 2040 eine regelmäßige Speicherung von 40 TWh.[8] Die Fragen nach dem wie viel erneuerbare Energien welcher Technologie und die „Frage „wie viel Speicher erfordert eine erneuerbare Energieversorgung?“ … führen zu einer großen Bandbreite von Ergebnissen, die von einer Vielzahl von Einflussgrößen abhängen.[9]

Sowohl in den Energieszenarien als auch in den Studien zum Speicherbedarf wird die grundsätzliche Bedeutung der Energiespeicherung immer wieder hervorgehoben. Die Bereitstellung großer Speicherkapazitäten wird als „eine der erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung eines stabilen Netzbetriebs“ gefordert.[10]

Eine direkte Verwendung von Elektrizität ist ökonomisch sinnvoller, da mit jeder Energiespeicherung auch Umwandlungsverluste verbunden sind und daher nach Möglichkeit vermieden werden sollte. Wenn der Netzausbau nicht dem aktuellem Erzeugungsportfolio oder der Laststruktur entspricht und das Lastverschiebepotential ausgeschöpft ist, ist es mit Akzeptanz geringer Verluste volkswirtschaftlich, ökologisch und ökonomisch sinnvoller, die Energie zu speichern und bei Bedarf wieder zu nutzen. Unter Einsatz intelligenter Energiespeicher können auch Regelenergie oder Systemdienstleistungen[11] zur Stabilisierung der Stromnetze bereitgestellt werden. Möglich ist – wieder in Abhängigkeit von der Speicherart – auch eine teilbranchenübergreifende Optimierung des Energiesystems, so dass die Speicherung von Elektrizität auch im Wärme- oder Mobilitätssektor genutzt werden kann.

Grundsätzlich können Energiespeicher nach ihrer Energieform klassifiziert werden. Neben thermischen (z.B. Wärmespeicher) und mechanischen (z.B. Pumpspeicherkraftwerke (PSW), Compressed Air Energy Storage (CAES, Druckluftspeicherkraftwerk)) kann auch zwischen elektrischen (z.B. Kondensatoren) und chemischen Energiespeichern (z.B. Wasserstoff (H2), synthetisches Methan, Batterien) unterschieden werden. Weitere Klassifikationen können z.B. nach der Dauer der Speicherung (z.B. Tagesspeicher, saisonale Speicher), der Lokalität (z.B. stationär, mobil), der Speicherkapazität oder der Endladungszeit erfolgen. Mit Ausnahme der thermischen Speicher zeigt Abbildung 2 die übersichtliche Darstellung der Speicherkapazitäten und Reichweiten der unterschiedlichen Technologien.

Abbildung 2: Speicherkapazitäten und Reichweiten von Energiespeichern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Sterner, Michael et al. (2011), S. 51

Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf der langfristig orientierten chemischen Power-to-Gas[12] Speicherung, der Technologie mit der größten Speicherkapazität und der längsten Entladungszeit (siehe Abbildung 2).

1.3 Ziele und Aufbau der Arbeit

Das Ziel der vorliegenden Masterarbeit ist es, Betriebskonzepte für Power-to-Gas-Anlagen – die Technologie zur Umwandlung von Elektrizität mittels Elektrolyse in Wasserstoff und ggfs. in einem weiteren Schritt in Methan – zu untersuchen. Ausgehend von einer Momentaufnahme der deutschen Energieversorgung wird die zukünftige Energieversorgung mit Hilfe der verschiedenen Energieszenarien dargestellt. Nach einer kurzen Darstellung des Speicherbedarfs der Energieszenarien und von Speichertechnologien wird anschließend eine Fokussierung auf die Power-to-Gas-Technologie und den Energiehandel vorgenommen. Das theoretische Fundament (Kapitel 2) umfasst daher die technischen Grundlagen von Power-to-Gas, Elektrolyseuren und Methanisierungsmöglichkeiten, den Gasen Wasserstoff und Methan und wird abgeschlossen mit den Möglichkeiten dieser Technologie. Für die Untersuchung von Betriebskonzepten für Power-to-Gas-Anlagen sind grundlegende Kenntnisse des Energiehandels, der Bilanzkreissystematik, des Ausgleichs- sowie des Regelenergiemarktes und energiemeteorologischen Prognosequalitäten von essentieller Bedeutung und werden daher ebenfalls dargestellt. Im Kapitel 3 werden die unterschiedlichen Betriebskonzepte für Power-to-Gas-Anlagen dargestellt und Auswertungen anhand eines 38 MW Windparks in Kombination mit einer Power-to-Gas-Anlage vorgenommen. Im Abschlussteil werden die vorhergehende Untersuchung zusammengefasst und Vergleiche gezogen, eine mögliche Entwicklung des Power-to-Gas-Marktes aufgezeigt und durch einen Ausblick abgerundet.

2 Grundlagen von Power-to-Gas und des Energiehandels

2.1 Power-to-Gas

Im Diskurs über Energiespeicher zwischen Forschung, Wirtschaft und Politik wird das auf die Firma SolarFuel GmbH, das ZSW und das Fraunhofer IWES zurückgehende Power-to-Gas-Konzept seit 2009 immer intensiver diskutiert. Aus elektrischer Energie und Wasser wird Wasserstoff hergestellt, der in einem zweiten Schritt unter Einsatz von Kohlendioxid methanisiert werden kann. Das Endprodukt ist synthetisches Methan, welches chemisch mit dem fossilen Erdgas nahezu identisch ist und damit als gleichwertiges Substitut eingesetzt werden kann. Reiner Wasserstoff kann bis zu 5 % Volumen-Prozentsatz gemäß aktuellen Regelwerken und Normen (z.B. DVGW G 260, DIN 51624, ECE R110) der Erdgasinfrastruktur beigemischt werden, perspektivisch auch 10 bis 15 Vol.-Prozent.[13] Bei einem Erdgasverbrauch in Deutschland von 81,3 Mrd. m³ und dem aktuellen Regelwerk könnten bei gleichmäßiger Verteilung der Erdgasinfrastruktur 4,3 Mrd. m³ Wasserstoff beigemischt werden.

Die Prozesskette des Power-to-Gas Konzeptes stellt sich wie folgt dar (Abbildung 3):

Abbildung 3: Prozessdarstellung des Power-to-Gas Konzeptes

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: vgl. Sterner, Michael (2009), S. 110

Wenn mit Strom aus erneuerbaren Energien Wasserstoff bzw. synthetisches Methan hergestellt wird, kann die gesamte Erdgasinfrastruktur (Erdgasnetz, Erdgasspeicher, etc.) als Energiespeicher genutzt werden. Das synthetisch hergestellte Gas kann zusammen mit dem fossilen Erdgas in Blockheizkraftwerken (BHKW) und Gaskraftwerken zur Stromerzeugung, für die Wärmebereitstellung oder für Erdgasmobilität verwendet werden. Damit können das Strom- und Gasnetz bidirektional gekoppelt werden. Die bestehende Richtung der Wertschöpfung, die Umwandlung von Erdgas in Strom, wird umgekehrt.

Die Nutzung der Erdgasinfrastruktur für Wasserstoff ist nicht neu. Das sog. Stadtgas, welches durch Kohlevergasung hergestellt wurde, hatte einen ca. 50 %-Wasserstoff-Anteil und wurde in Deutschland in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch Erdgas ersetzt. Die Stadtwerke München und die Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH haben bereits 1994 eine Untersuchung zum Wasserstoffeinsatz aus erneuerbare Energien im Münchner Gasnetz durchgeführt.[14] Die Studie zeigt auf u.a. auf, dass „ohne jegliche Komplikation … 5 % Wasserstoff“ sich beimischen lassen und sogar „ein Zumischungsgrad von 60 % … für Gase der ersten Gasfamilie noch zulässig und somit ebenfalls innerhalb bestehender Regelwerke möglich“ ist.[15] In jüngster Zeit ist die Diskussion um die Nutzung der Erdgasinfrastruktur mit der Injektion von Wasserstoff und synthetischem Methan aus erneuerbaren Energien aufgrund des stark gestiegenen Anteils an Wind- und Solarstrom wieder mit konkreten Projekten angestoßen worden.[16]

2.1.1 Wasserstoff und Elektrolyse

Das Universum besteht zu 70 % aus Wasserstoff, dieser ist das einzige Element, das keiner anderen Gruppe im Periodensystem angehört.[17] Wasserstoff kommt auf der Erde in reiner Form nur in unbedeutenden Mengen vor, primär in gebundener Form als Wasser. Ferner ist es Bestandteil in Kohlenwasserstoffen (Erdöl, Erdgas) und in organischen Verbindungen der belebten Natur.[18] Beim Vergleich der Energiedichten von Wasserstoff und Methan zeigt sich, dass eine Volumeneinheit Methan ca. dreimal so viel Energie enthält wie eine Volumeneinheit Wasserstoff. Auf die Masse bezogen verhält es sich umgekehrt, pro Gewichtseinheit hat Wasserstoff etwa 2,5 mal so viel Energie wie Methan.

Im Jahr 2006 wurden in Deutschland ca. 22 Mrd. m3 Wasserstoff verbraucht.[19] Wasserstoff kann vielfältig verwendet werden. In der chemischen Industrie findet es Verwendung bei der Herstellung von Ammoniak, Chlorwasserstoff und weiteren Verbindungen, in der Nahrungsmittelindustrie bei der Fetthärtung, bei der Gewinnung bestimmter Metalle als Reduktionsmittel und perspektivisch verstärkt als Treibstoff und Energieträger.[20]

Der Energieträger Wasserstoff hat verschiedene, wesentliche Vorteile. Die Umwandlung von Strom in Wasserstoff kann technisch relativ einfach umgesetzt werden, dezentral oder zentral und in sehr unterschiedlichen Leistungsklassen. Wasserstoff kann (partiell) in der vorhandenen Erdgas-Infrastruktur genutzt werden und darüber hinaus auch multifunktional im Mobilitäts-, Wärmesektor oder wieder im Elektrizitätssektor eingesetzt werden.

Grundsätzlich bestehen verschiedene Möglichkeiten, Wasserstoff herzustellen:[21]

1) Steam Reforming: Herstellung von Wasserstoff aus Kohlenwasserstoffen, hauptsächlich aus Methan.
2) „Wassergas“: Reaktion von Koks und Wasserdampf zu einer Mischung aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff.
3) Eisen und Wasserdampf: Reaktion von Eisen mit Wasserdampf unter Bildung von Wasserstoff.
4) „Cracken“: Bei der Raffination von Erdöl kann Wasserstoff als Nebenprodukt auftreten.
5) Elektrolyse einer Natrium-Chlorid-Lösung: Bei der Herstellung von Natriumhydroxid entstehen Wasserstoff und Chlor als Nebenprodukte.
6) Wasserelektrolyse: Hier kommen die Proton Exchange Membrane (PEM), die alkalische und die Wasserdampf-Elektrolyse in Betracht.

Für den Einsatzzweck der Speicherung von erneuerbaren Energien ist primär die Option 6) Wasserelektrolyse von Bedeutung. Da es noch keine kommerziellen Anlagen für die Wasserdampf- bzw. Hochtemperatur-Elektrolyse gibt,[22] soll der Fokus im Folgenden auf der aktuell für die erneuerbaren Energien relevanten alkalischen und der PEM-Elektrolyse liegen sowie der primären Verwendung des Wasserstoffs bzw. des synthetischen Methans in der Energiewirtschaft.

Die Funktionsweise der bisher am häufigsten eingesetzten alkalischen Elektrolyse zeigt Abbildung 4:

Abbildung 4: Schema eines alkalischen Elektrolyseurs

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: vgl. Stolten, Detlef (2010), S. 245

Bei der alkalischen Elektrolyse wird Wasser in die Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff im Verhältnis 2:1 aufgespalten (Gleichung 1):

Gleichung 1: Aufspaltung Wasser

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hierfür sind die drei grundlegenden Komponenten Kathode, Diaphragma und Anode notwendig. Der Stromkreislauf (Gleichspannung) wird durch den Elektrolyten (hier: Kalilauge (alternativ auch Salz oder Säure) geschlossen. Die sich im Wasser befindlichen Ionen übernehmen den Ladungstransport. Die Elektroden müssen mit einem Katalysator versehen sein, der die Reaktion einleitet. An der positiven Elektrode (Anode) bildet sich gasförmiger Sauerstoff und an der negativen Elektrode (Kathode) gasförmiger Wasserstoff. Aus Wirkungsgrad- und Sicherheitsgründen dürfen sich die Gase nicht wieder vermischen.[23] Um dies zu vermeiden bzw. zu vermindern werden die beiden Zellhälften durch eine dünne Wand, das Diaphragma getrennt. Die Gasabscheider trennen den Wasserstoff und den Sauerstoff von der Flüssigkeit, der wässrigen 20-40%igen Kalkiumhydroxid-Lauge (KOH-Lauge). Die aktuell erreichbaren Wirkungsgrade liegen etwa bei 70-80 %.[24]

Die Betriebstemperatur von alkalischen Elektrolyseuren liegt in der Regel bei 50-80 °C bei einer Stromdichte von 200-400 mA/cm².[25] Mit einer elektrischen Leistungsaufnahme von 5 kW bis zu 3,4 MW können 1-760 Nm³ Wasserstoff pro Stunde generiert werden.[26]

Die meisten Hersteller der aktuell verfügbaren alkalischen Elektrolyseure geben Teillastbereiche von 20-40 % an.[27] Die Dynamik mit schnellen Temperaturveränderungen und das Abschalten reduzieren die Lebensdauer und den Wirkungsgrad.

Alkalische Elektrolyseure werden als drucklose Elektrolyseure und Druckelektrolyseure angeboten. Druckelektrolyseure arbeiten mit einem definierten Druck.

Als Alternative zu den alkalischen Elektrolyseuren kann auch die vergleichsweise junge Technologie der PEM-Elektrolyseure (PEM, engl. Proton exchange membrane; Protonenaustauschmembran) in Kombination mit erneuerbaren Energien eingesetzt werden. Der allgemeine Aufbau einer PEM-Elektrolysezelle ist in der folgenden Abbildung 5 dargestellt:

Abbildung 5: Schematische Abbildung einer PEM-Elektrolysezelle

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: vgl. Fraunhofer ISE/FCBAT (2011), S. 13

Die Zelle besteht aus einer Anode mit einer Iridiumlegierung zur Sauerstoffproduktion und einer Kathode mit Platinbeschichtung zur Wasserstoffproduktion, die durch eine saure Protonaustauschmembran getrennt sind. Dieser Festkörperelektrolyt besteht aus Nafion, einer Modifizierung von Teflon und hat die Eigenschaft, für Protonen permeabel zu sein, nicht aber für Anionen oder Elektronen. In der Regel wird die Elektrode direkt auf die Membran aufgebracht. Auf der Membran befinden sich beidseitig poröse Stromableiter, die den Stromfluss zu den direkt aufgebrachten Elektroden ermöglichen und für die Produktgase und das Wasser durchlässig sind. Die beiden Halbzellen sind durch die bipolaren[28] Platten eingerahmt und mit einem sog. Flowfield ausgestattet. Das Flowfield gewährleistet den Transport von flüssigem Wasser zur Zelle und das Entweichen der Produktgase.[29]

Bisher sind PEM-Elektrolyseure vor allem in Nischenanwendungen (z.B. Militär und Raumfahrt) und im kleinen Leistungsbereich bis max. ca. 150 kW pro Modul bei einer Produktion von 0,06-30 Nm³ eingesetzt. Der spezifische Energieverbrauch für Systeme unter 1 Nm³ liegt i. d. R. zwischen 6 und 8 kWh/Nm³, für größere Systeme kann er auch darunter liegen. Zu den wesentlichen Vorteilen der PEM-Elektrolyseure gehört der größere Teillastbereich von 0 % bis 100 % und die Akzeptanz von kurzzeitigen Überlasten bei einer energiewirtschaftlich tolerierbaren Gasreinheit.[30] PEM-Elektrolyseure erreichen schnell die Betriebstemperatur von 20-100 Grad und erzielen Wirkungsgrade auf Zellebene von bis zu 90 %.[31] Die im Vergleich zum alkalischen Elektrolyseur geringeren Lebensdauern und die hohen Materialkosten u.a. durch den Einsatz von Platin sprechen gegen die PEM-Elektrolyseure.

Generell sind für die Bewertung von Elektrolyseuren gerade in Verbindung mit erneuerbare Energien folgende Kriterien relevant:[32]

Teillastverhalten (Minimum, Maximum)

Dynamik (Geschwindigkeit der Leistungsaufnahme, Off-Betrieb)

[...]


[1] BMU (2012), Erneuerbare Energien 2011, S. 3.

[2] BDEW (2012), Pressemeldung vom 26.07.2012.

[3] Vgl. BMWi/BMU (2010), S. 5.

[4] Vgl. Agentur für Erneuerbare Energien (2009), S. 13.

[5] Vgl. Mihm, Andreas (2012), S. 9.

[6] Vgl. Rifkin, Jeremy (2011), S. 49.

[7] Vgl. BDEW (2010), S. 29.

[8] Vgl. DB Research (2012), S. 1.

[9] Popp, Matthias (2010), S. 130.

[10] VDE ETG (2009), S. 8.

[11] Zu den Systemdienstleistungen gehören u. a. Frequenzhaltung, Spannungshaltung, Versorgungswiederaufbau, Betriebsführung sowie Engpassmanagement.

[12] Weitere in der Literatur verwendete Bezeichnungen sind Erneuerbare Energien Gas, Erneuerbare Energien Methan, Solargas, Windgas und als Mischform EE-Hythane. Als englische Abkürzung wird auch häufig SNG, d.h. synthetic natural gas verwendet.

[13] Vgl. DVGW (2012), S. 17.

[14] Vgl. Zittel, Werner (1994), S. 69 f.

[15] Vgl. Zittel, Werner (1994), S. 70.

[16] Vgl. z.B. DVGW (2012), S. 6 f.

[17] Brown, Theodore L. / LeMay, H. Eugene / Bursten, Bruce E. (2007), S. 1087.

[18] Mortimer, Charles E./Müller, Ulrich (2007), S. 388.

[19] Vgl. Cerbe, Günter (2008), S. 33.

[20] Vgl. Mortimer, Charles E. / Müller, Ulrich (2010), S. 392.

[21] Vgl. Mortimer, Charles E. / Müller, Ulrich (2010), S. 388 f.

[22] Vgl. Fraunhofer ISE/FCBAT (2011), S. 16.

[23] Vgl. Stolten, Detlef (2010), S. 245.

[24] Vgl. Geitmann, Sven (2004), S. 64.

[25] Vgl. Fraunhofer ISE/FCBAT (2011), S. 10.

[26] Vgl. Fraunhofer ISE/FCBAT (2011), S. 10.

[27] Vgl. Fraunhofer ISE/FCBAT (2011), S. 12.

[28] In Reihe geschaltet.

[29] Vgl. Fraunhofer ISE/FCBAT (2011), S. 13.

[30] Vgl. Fraunhofer ISE/FCBAT (2011), S. 13 ff.

[31] Vgl. Stolten, Detlef (2010), S. 273 ff.

[32] Vgl. Fraunhofer ISE/FCBAT (2011), S. 9.

Fin de l'extrait de 191 pages

Résumé des informations

Titre
Regenerative Energien: Analyse von Betriebskonzepten für Power-to-Gas-Anlagen
Université
RWTH Aachen University  (IAEW)
Note
1,7
Auteur
Année
2012
Pages
191
N° de catalogue
V204459
ISBN (ebook)
9783656307495
ISBN (Livre)
9783656311683
Taille d'un fichier
7945 KB
Langue
allemand
Annotations
Mots clés
analyse, betriebskonzepten, power-to-gas-anlagen, energieversorgung, solar;, wind;, bio;, erneuerbare energien;, wasserstoff;, methan;, elektrolyse;, speicher
Citation du texte
Henning Prigge (Auteur), 2012, Regenerative Energien: Analyse von Betriebskonzepten für Power-to-Gas-Anlagen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204459

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