Was, wenn man es recht bedenkt, sich sozusagen Komik nennt.

Funktionsweisen der Komik in Wilhelm Buschs Knopp-Trilogie


Tesis de Maestría, 2012

99 Páginas, Calificación: 2,7


Extracto


Gliederung:

1. Einleitung

2. Theorien der Komik. Ein historischer Überblick über die Grundlagen einiger Komik-Theorien

3. Die Komik in der Knopp-Trilogie
3.1 Die Bühnenshow
3.2 Der Sprachstil des Erzählers
3.3 Der Blick auf einzelne Szenen: verschiedene Möglichkeiten der Komikentfaltung
3.3.1 Der Umschlag
3.3.2 Normverletzung und Replik
3.3.3 Informationsvorsprünge: Wer weiß mehr?
3.3.4 Schlag auf Schlag: Slapstick-Elemente
3.3.5 Von Künstlichkeit und Einfühlung: verlachen oder mitlachen?
3.3.6 Autonome Wirkung: artistischer Akt

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Tobias Knopp, eine rundliche Gestalt ohne Haare und (zunächst) ohne Frau, blamiert sich auf dem Schützenfest, gerät in peinliche Lagen in freier Natur, wird von fremden Ehefrauen verprügelt, verliert einen alten Bekannten und seinen Wein; heiratet, genießt das Eheleben bis zur ersten Krise, die nicht lange auf sich warten lässt. Es folgen weitere Zwistigkeiten, die Geburt der Tochter, unruhige Nächte, zunächst weil Babys nachts gerne nach ihren Eltern verlangen, später, weil junge Männer nach der Tochter verlangen. Die alltägliche Tragik des Tobias Knopp präsentiert Wilhelm Busch im Gewand des Komischen. „Was [jedoch] für wen unter welchen Bedingungen komisch ist, kann von einer Texttheorie nicht prognostiziert werden“[1], argumentiert Schmidt und spricht damit das Problem an, dass das Empfinden von Komik stets an gesellschaftliche, moralische, persönliche Einstellungen des Betrachters gebunden ist. Während die persönliche Einstellung des Betrachters als Variable anzusehen ist, die die Wirkungsweise zu verändern vermag, sind Themenwahl und Darstellungsweise feststehende Faktoren, die das Werk konstituieren.

Elementar für die Komik in der Knopp-Trilogie ist die Gleichzeitigkeit von Sehen und Erzählen. So attestiert auch Novotny Buschs Bildergeschichten eine „völlige[…] Gleichwertigkeit und vollendete[…] Einheit im Zusammenwirken der beiden Ausdrucksweisen Dichtung und Zeichnung.“[2] Daher wird in der vorliegenden Arbeit insbesondere das Zusammenwirken von Text und Bild herangezogen und deren Anteil an der Entstehung der Komik analysiert.

Zunächst werden in Kapitel 2. „Theorien der Komik: ein historischer Überblick über die Grundlagen einiger Komik-Theorien“ Funktionsweisen der Komik vorgestellt, die oftmals die ästhetische Perspektive der Komik zum Inhalt haben, teilweise aber auch die psychologische Wirkung des komischen Aufbaus behandeln.

Begonnen wird mit der ältesten der hier vorgestellten Theorien: Thomas Hobbes Abhandlung „Vom Menschen“ aus dem Jahre 1658. Hobbes hebt die Faktoren Überheblichkeit, Plötzlichkeit und Distanz hervor.

Kant geht auf das körperliche Wohlbefinden aufgrund des Lachens ein und betont die Verbindung zum Spiel. Komik baut demnach Erwartungen im Rezipienten auf, die dann „in nichts aufgelöst“ werden. Der begreifende Verstand erkennt die Widersinnigkeit als ein Spiel und kann daher Heiterkeit zulassen.

Jean Paul sieht Komik in der Relation von Wissen und Nicht-Wissen zwischen Figur und Wahrnehmenden. Die komische Figur weiß irgendetwas nicht, was dem Empfänger der Komik bekannt ist. Dieses Wissen bürdet der Betrachter der komischen Figur auf. Da dieses aufgebürdete Wissen nicht mit den Handlungen der komischen Figur korreliert, stellt sich die Handlung für den Betrachtenden als widersinnig dar, und er lacht über die Dummheit des Unwissenden.

Ähnlich wie nach ihm Schopenhauer betrachtet Solger im Komischen die Inkongruenz zwischen einer abstrakten Idee und deren angeschaute Auflösung in der Wirklichkeit. Die Disharmonie zwischen Angeschautem und Abstrakten bringt die Komik hervor.

Ebenso geht Vischer von der Inkongruenz zwischen Idee und Wirklichkeit aus. Vischer behauptet, dass etwas Erhabenes durch das Komische zu Fall gebracht wird. Das Erhabene erweist sich durch das Komische als unvollkommen. Jemand wandelt erhaben durch die Welt, etwas Zufälliges bringt ihn zu Fall. Daraufhin führt der Betrachter eine Neubewertung durch, die ihm zeigt, dass das Erhabene nur scheinbar erhaben war.

Kuno Fischer arbeitet ebenfalls mit den Begrifflichkeiten Erhabenheit und Komik, doch fokussiert er das gefühlte Größenverhältnis zwischen Werk und Rezipient. Während das Erhabene groß erscheint und in der Folge der Rezipient klein, verhält sich diese Relation beim Komischen genau umkehrt. Der Betrachter einer komischen Situation fühlt sich dem Komischen gegenüber überlegen und empfindet Freude aus diesem Überlegenheitsgefühl heraus.

Bergson hingegen geht von einer fehlenden Lebendigkeit im Komischen aus. Jeder Automatismus, jede mechanische Bewegung innerhalb einer Situation, die eigentlich lebendige Flexibilität erfordert hätte, gebiert Komik.

Nicht das Erhabene, sondern das überraschend Große bildet das Gegenteil des Komischen. So behauptet es Lipps und begründet es mit dem Erwartungsaufbau des Betrachters, der für das vermeintlich Große viel Aufmerksamkeit bereitstellt, die sich beim Erblicken des Kleinen als überflüssig herausstellt. Diese zu große Aufmerksamkeit wird abgelacht.

Mit zu großer Aufmerksamkeit beziehungsweise mit Aufwandsersparnissen führt Sigmund Freud die Argumentation in dieser Richtung fort. Der Betrachtende kann bei Nichtübereinstimmung von betrachtetem Aufwand und dem Aufwand, den er für die betrachtete Situation gebraucht hätte, die Differenz ablachen.

Von Normverletzung und Replik geht Jünger aus. Jemand provoziert, indem er sich regelwidrig verhält. Wichtig ist hierbei, dass der Provokateur der Unterlegene ist, sodass das Wagnis des Regelbruchs bereits Widerspruch im Rezipienten auslöst beziehungsweise das Wagnis des Regelbruchs lächerlich erscheint. Auf die Normverletzung wird nun mit einer angemessenen Replik geantwortet, sodass die Norm als wieder hergestellt gilt.

Plessner, der eine Unstimmigkeit zwischen vorgestellter Norm und Angeschautem apostrophiert, lenkt den Blick noch einmal weg von Sinneseindrücken hin zu den Auffassungen des Rezipienten. Die Normverletzung muss moralischen, ethischen, sozialen oder sonstigen Auffassungen des Rezipienten widersprechen. Dadurch bezieht Plessner die Leistung des Verstandes mit ein. Außerdem betont Plessner – wie Kant – das Spielerische, den Unernst der Komik. Denn Komik muss gefahrlos sein, garantiert durch Unernst und Abstand.

Iser geht von kippenden Positionen innerhalb der Komik aus, wobei eine wankende Position einen Dominoeffekt auslöst und alle anderen Positionen mit zum Kippen bringt. Diese Instabilität bringt auch die Position des Betrachters zu Fall. Um sich aus dieser instabilen Struktur zu befreien, ordnet der Betrachter die komische Situation als unernst ein und lacht.

Stierle geht von einer Subjekt-Objekt-Vertauschung und von Fremdbestimmung bezüglich des komischen Subjekts aus. Einem Subjekt wird entgegen seiner Handlungsintention die Kontrolle entzogen, sodass er fremdbestimmt wird. Das Umschlagen der Figur von einem Subjekt zu einem Quasi-Objekt bewirkt im Betrachter einen Umschlag des Aufmerksamkeitsfeldes zu einem neuen Aufmerksamkeitsfeld, das sich gegensinnig zum bisherigen Aufmerksamkeitsfeld verhält. Diese Paradoxie bildet eine unlösbare Aufgabe, die abgelacht wird. Bedingungen des Komischen sind Plötzlichkeit des Umschwunges, Folgenlosigkeit und Distanz.

Das Kapitel 3. „Die Komik in der Knopp-Trilogie“ teilt sich auf in die Kapitel 3.1 „Die Bühnenshow“, Kapitel 3.2 „Der Sprachstil des Erzählers“ und Kapitel 3.3 „Der Blick auf einzelne Szenen: verschiedene Möglichkeiten der Komikentfaltung“.

In dem Kapitel 3.1 „Die Bühnenshow“ wird das Zusammenwirken von Text und Bild als das elementare Merkmal in Buschs Werk untersucht. Sowohl die Bilder als auch der Text erzeugen die Atmosphäre einer Theateraufführung. Mit welchen Mitteln diese Nähe zur Bühne geschaffen wird und was diese Art der Präsentation bewirkt, ist Untersuchungsgegenstand dieses Kapitels.

Eine herausragende Rolle kommt dem Text-Erzähler zu. Die Auswirkungen seines Sprachstils werden im Kapitel 3.2 „Der Sprachstil des Erzählers“ erläutert.

Die im zweiten Kapitel herausgearbeiteten verschiedenen Möglichkeiten der Komikentfaltung werden im Kapitel 3.3 „Der Blick auf einzelne Szenen: verschiedene Möglichkeiten der Komikentfaltung“ zur Anwendung gebracht, indem unterschiedliche Funktionsweisen der Komik an beispielhaften Szenen herangezogen werden. Geschaut wird, durch welche Art von Text- und Bildaufbau die jeweiligen komischen Mittel zum Einsatz kommen. Die verschiedenen Komikarten werden in den jeweiligen Überschriften benannt.

So beinhaltet „der Umschlag“ stets etwas Überraschendes, dem der Text mit dem Einsatz erzähltheoretischer direkter Mittel Rechnung trägt, oder aber die Überraschung generiert sich in Zusammenarbeit mit dem Bild. Geschaut wird, wie ein Umschlag vorbereitet wird und was er auslöst.

Inwiefern eine „Normverletzung“ ebenfalls einen Umschlag beinhalten kann und welche Bedingungen an die „Replik“ geknüpft sein müssen, damit Komik entsteht, wird in dem nächsten Kapitel untersucht.

Wie Bild und Text miteinander beziehungsweise gegeneinander arbeiten, ist für die Komik aufgrund von Informationsvorsprüngen von elementarer Bedeutung. Anhand diverser Beispiele wird die Bedeutung des Bildes herausgearbeitet.

Das Mittel des „Slapsticks“ gehört dem Medium des Theaters und des Films an – beides Medien, denen das Transitorische innewohnt. Wie Busch es schafft, dieses Mittel auf Zeichnung und Text zu übertragen, wird in Kapitel 3.3.4 untersucht.

Ob Komik zum Verlachen oder zum Mitlachen animiert, hängt neben der Themenwahl von der Zusammenarbeit der erzähltechnischen und darstellenden Mittel ab. Zwei beispielhafte Szenen machen die Wirkungsweise disharmonischer Zusammenarbeit deutlich.

Als „artistischer Akt“ wird Komik bezeichnet, die sich aufgrund ihrer Darstellungsweise auszeichnet.

Die Unterschiede der historischen Lösungsansätze und die Aufteilung der Szenen der Knopp-Trilogie in verschiedene Komik-Kategorien machen deutlich, dass Komik sich nicht auf einen Hauptnenner reduzieren lässt. Die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten erlauben jedoch eine Kooperation von Bild und Text, die zu einem Spiel aus Harmonie und Disharmonie wird, dem sowohl die Erzähler[3] und die Figuren als auch der Leser / Betrachter angehören. Wie sich dieses Spiel aus Bild und Text gestaltet, wird im Anschluss an den historischen Überblick analysiert.

2. Theorien der Komik: Ein historischer Überblick über die Grundlagen einiger Komik-Theorien

Komik besteht aus Gegensätzen. Komik schafft Distanz. Komik reißt mit. – Komik scheint ein schwer zu fassendes Gebilde zu sein, das zu unterschiedlichen, teilweise sich widersprechenden Schlussfolgerungen führt.

In diesem Kapitel werden in einem historischen Abriss diverse Theorien vorgestellt und diskutiert, um sie in der nachfolgenden Analyse der Knopp-Trilogie anzuwenden.

Anhand der geschichtlichen Entwicklungslinie der Komiktheorien werden Bedingungen und Wirkmechanismen herausgearbeitet. Dabei ist eine Entwicklung festzustellen von anfänglichen Festlegungen einzelner Voraussetzungen und Bedingungen sowie ästhetischen Abgrenzungen hin zur Beschreibung komplexer, prozessualer Mechanismen, die den Vorgang des Geschehensablaufes nachvollziehen.

War Komik zunächst stets gattungspoetischen Zuordnungen unterlegen, gelingt es Thomas Hobbes im Jahre 1658 Lachen als das Ergebnis einer Werk-Rezipienten-Relation darzustellen. In seiner Ausarbeitung über das Lachen innerhalb seiner Schrift „Vom Menschen“ konstatiert er, dass Lachen aus einem Gefühl der eigenen Überlegenheit entspringt, einer Überlegenheit gegenüber der Handlung desjenigen, der einen Fehler gemacht hat. Damit ein Gefühl der Überlegenheit entstehen kann, bedarf es der Distanz zwischen Registrierendem und Verursacher, da bei großer Nähe der Parteien Mitleid zum falsch Handelnden entsteht. Der Lachende muss eine Fremdheit zu dem Dargestellten empfinden.

Als weiteres Element zur Entstehung des Lachens bezeichnet Hobbes die „Plötzlichkeit“, die als einmaliges Ereignis auftreten muss,[4] sodass hier eher von einem unerwarteten Ereignis, von Überraschung gesprochen werden muss als von dem zeitlichen Element der Plötzlichkeit, das eine Wiederholung nicht ausschließt.

Festzuhalten bleibt, dass die Bedingungen für Komik nach Hobbes lauten: Distanz zwischen der Darstellung des Komischen und dem Komik Wahrnehmenden, weiterhin Überraschung als ein Faktor, den das Werk aussendet und der innerhalb des Empfängers wirkt. Die Darstellung muss durch die Art und Weise seiner Präsentation sowohl distanzieren als auch überraschen.

Das Überlegenheitsgefühl hingegen ist eine Emotion des Menschen, die als das Resultat der komischen Wirkung ausgelöst und mit dem Lachen zum Ausdruck gebracht wird. Das Lachen ist der Ausdruck, die Überlegenheit ist das entstandene Gefühl und die Distanz und die Überraschung sind die Bedingungen, die das Werk erfüllen muss.

Kant erklärt die Funktionsweisen der Komik in der „Kritik der Urteilskraft“ von 1790 mit Erwartungen, die im Rezipienten geweckt und dann nicht erfüllt werden. Die Phase der Erwartung führe zu einer Anspannung, die durch Nicht-Erfüllung eine plötzliche Abspannung erfahre und sich im Lachen äußere. Kant stellt erstmals den körperlichen Affekt des Lachens in den Vordergrund. Die Vorstellungswelt, die gedanklichen Ideen dienen als Auslöser für die körperliche An- und Abspannung.[5] Das eigentliche Vergnügen am Lachen liegt in der Bewegung des Körpers, in seiner gesundheitsfördernden Wirkung begründet[6] und nicht, wie Hobbes hervorhebt, in einem Überlegenheitsgefühl. Außerdem betont Kant das Spielerische der Komik, das „Spiel mit ästhetischen Ideen“[7].

Wenn eine Situation Komik entwerfen soll, so muss ihr nach Kant etwas „Widersinniges“[8] anhaften. Dies geschieht dadurch, dass beim Empfänger durch eine wahrgenommene Situation eine Erwartungshaltung aufgebaut wird, die dann in nichts aufgelöst wird. Die Ursache dafür, dass dieses Widersinnige zum Lachen verleitet, liegt im Spielcharakter des Vorgestellten begründet. Denn verstandesmäßig objektiv betrachtet ist der Widersinn nicht erfreulich. Die Bewegung des Körpers ist schließlich das, was Vergnügen bereitet.[9]

Die Konstellation Werk / Rezipient setzt sich bei Kant folgendermaßen zusammen: Das Werk bereitet einen Widersinn vor, indem es den Rezipienten zu Erwartungen verleitet, die es dann nicht erfüllt, die enttäuscht werden. Der Mensch erkennt den Widersinn und ordnet ihn als Spiel ein. Dieses Erkennen und Einordnen als Spiel erlaubt es, die vorher bestandene körperliche Erwartungsanspannung, die durch das Zeigen des Widersinns in sich zerfallen ist, im Lachen körperlich zu verarbeiten.

Die Komponenten ‚Aufbau von Erwartungen’ und ‚Zerfall in nichts durch Widersinn’ als auch der Spielcharakter sind als wichtige Merkmale der Kantschen Theorie festzuhalten. Sie beschreiben sowohl, wie das Werk beschaffen sein muss, als auch, was sie auf Rezipientenseite bewirken.

Jean Paul spricht in seiner „Vorschule der Ästhetik“ von 1804 von einer „unendlichen Ungereimtheit“[10]. Diese Ungereimtheit entstehe durch die ungleiche Verteilung von Wissen. In seinem fingierten Beispiel aus Cervantes „Don Quichote“ unterscheidet sich das Wissen des Lesers über die Tiefe eines Abgrundes, über dem Sancho sich befindet, von Sanchos Wissen. Während Sancho sich über einem tiefen Abgrund wähnt, weiß der Leser, dass Sancho nur ein paar Zentimeter über dem Boden baumelt. Dieses Wissen bürdet der Leser Sancho auf, sodass dessen Verhalten und das aufgebürdete Wissen die „unendliche Ungereimtheit“ bilden.

Komik entfaltet sich somit durch einen Wissensvorsprung des Lesers. Der Leser projektiert seine Einsichten auf die in ihrer Situation handelnde Figur. Dadurch lassen sich Handlung und aufgebürdetes Wissen nicht in Einklang bringen. Es entsteht der Widerspruch, durch den Komik nach Jean Paul definiert wird. Dass eine komische Situation nicht aus sich selbst heraus komisch ist, sondern des Zusammenspiels mit dem Wahrnehmenden, mit dessen Wissen bedarf, macht Jean Paul deutlich, indem er festhält, dass „das Komische […] nie im Objekte wohnt, sondern im Subjekte“[11].

Jean Paul spricht eine Komiksituation an, die Gültigkeit hat, solange der Rezipient bezüglich der betrachteten Situation über mehr Wissen verfügt als die Komik auslösende Figur. Herrscht jedoch innerhalb eines fiktionalen Beitrages interne Fokalisierung,[12] so weiß der Leser nicht mehr als die Figur. Dennoch kann es zu komischen Situationen kommen, indem die Figur zum Beispiel unbeabsichtigt in eine Pfütze tritt, die dann vielleicht noch in surrealer Weise so tief ist, dass die Fiegur beinahe darin versinkt. In diesem Fall wäre der Leser oder Betrachter der Situation ebenso überrascht wie der „Held“ der Geschichte. Obwohl ihm kein Wissensvorsprung gegeben ist, kann er dennoch über die widersinnige Situation belustigt sein. Jean Pauls Ansatz lässt sich für die Art der Komik verwenden, die auf einen Wissensvorsprung des Rezipienten baut.

Karl Wilhelm Ferdinand Solger hat in seinen Vorlesungen über Ästhetik Komik über die Positionen Idee und mannigfaltige Wirklichkeit erklärt.

In seinen 1819 gehaltenen und 1829 publizierten Vorlesungen führt er aus, dass innerhalb der Komik die angestrebte Verwirklichung einer Idee ihre Vernichtung erfahre, da sie dadurch, dass sie konkretisiert wird, sich in vielfältige Wirklichkeit auflöst. Solger bringt als Beispiel die Komödie „Der zerbrochene Krug“ von Kleist. Die Idee der Gerechtigkeit wird hier in Form von menschlichen Handlungen aufgelöst. Die so der Wirklichkeit zugeführte Idee scheitert an den menschlichen Schwächen.[13]

Doch gerade diese Zerstückelung der Ideen in der menschlichen Wirklichkeit lässt die Idee vertraut erscheinen, sie erheitert den Komik Konsumierenden. Somit dient die Idee der Erholung des Menschen.[14]

Ähnlich wie Solger geht Schopenhauer von einem gedachten Begriff und einem realen Gegenstand aus. Während Solger jedoch die Idee in der Wirklichkeit aufgelöst, sie durch die menschlichen Schwächen zu Fall gebracht sieht, erklärt Schopenhauer die Komik aus der Zusammenfügung von Angeschautem und abstraktem Begriff. Das unter den abstrakten Begriff eingeordnete Angeschaute füllt jenen nicht passend aus, und die Subsumtion wird als komisch empfunden.

Als ein Beispiel benennt Schopenhauer ein auf der Bühne äpfelndes Pferd als den angeschauten, konkreten Gegenstand und den Begriff des „Improvisierens“ als den abstrakten Begriff.[15] Indem der Schauspieler und Reiter des Pferdes dem Tier vorhält, dass es ihnen nicht erlaubt sei, zu improvisieren, subsumiert er die Tätigkeit des Pferdes unter den Begriff „Improvisieren“. Das Äpfeln des Pferdes ist zwar eine außerhalb des Drehbuchs stehende Aktion (und somit improvisiert), bezeichnet jedoch keinen bewusst geplanten Beitrag zur Drehbuchanreicherung und lässt sich somit wiederum nicht unter den Begriff einordnen. Daher führt die Subsumtion zu einer Inkongruenz, die als komisch empfunden wird.

Schopenhauer begründet das Lachen, die Freude, die diese Inkongruenz auslöst, damit, dass das Angeschaute sich nicht unter den gedachten Begriff einordnen lässt. Das Angeschaute triumphiert über das Gedachte. Das Angeschaute mit seiner ursprünglichen und unmittelbaren Erkenntnisgewinnung siegt über das mit Anstrengung verbundene Denken. Die Erkenntnis, dass das Unmittelbare als Sieger hervorgeht, erfreut.[16]

Zwar siegt das Angeschaute, das Ursprüngliche über den abstrakten Begriff, über das Gedachte, doch ist das Erkennen des Siegers (des Angeschauten) eine geistige Leistung. Das Denken, das Verstehen der Inkongruenz ist Voraussetzung für den „Sieg“ des Unmittelbaren. Wer den Zusammenhang zwischen Improvisieren und äpfelndem Pferd nicht herzustellen vermag, wird auch die Komik nicht bemerken. Demzufolge steht das Denken trotz des Sieges des Unmittelbaren an erster Stelle.

Vischer geht in seiner Habilitationsschrift „Über das Erhabene und das Komische“ von 1837 von einem Zusammenwirken von Idee und sinnlicher Erscheinung, von Erhabenem und Komischem aus. Vischer behauptet, – wie vor ihm Solger - dass das Komische dadurch ausgelöst wird, dass der Idee die mannigfaltige Wirklichkeit aufgebürdet wird. Das Erhabene wird aufgelöst beziehungsweise anschaulich gemacht durch sinnliche Einzelheiten und wird daraufhin als nur scheinbar unendlich und vollkommen enttarnt.[17] Im Kontrast zu Solger, der die Verwirklichung der Idee durch die menschliche Wirklichkeit als nicht realisierbar ansieht, enttarnt Vischer das Erhabene selbst als unvollkommen.

Vischer betont die Vernetzung von Idee und Erscheinung. Es reiche nicht aus, sie nebeneinander zu stellen. Eine Person, die an einem Tag weise zu handeln trachtet und sich am nächsten Tag töricht zeigt, erregt lediglich Unverständnis, entwickelt jedoch keine Komik. Nur wenn die Person sich zunächst als weise zeigt, in diese dargestellte Weisheit sich dann jedoch etwas Törichtes untermischt, sodass der Zuschauer zu einer Neubewertung der Situation kommt, nur dann entsteht Komik.[18] Komik konstituiert sich in dem Moment, in dem eine Bagatelle, ein Zufälliges unerwartet und plötzlich eintritt und das mit Kraftaufwand erzeugte Erhabene zu Fall bringt.[19]

Im Moment des Eintretens des Unerwarteten beginnt die Neubewertung. Der Rezipient sieht die vermeintlich weise Handlung des Protagonisten nun in einem neuen Licht, stellt Rückbezüge her und enttarnt das Gesehene als unvollkommen, das heißt, der Rezipient erkennt, dass das Erhabene von Anfang an nicht vollkommen war.[20] Erst durch den gedanklichen Rückbezug und die daraus folgende Enttarnung beziehungsweise der vergebliche Versuch, die beiden gesehenen Ungereimtheiten in Einklang zu bringen (zum Beispiel ein erhabener Gang und ein Stolpern), erst diese Neubewertung der Situation bringt Komik hervor.

Vischer begründet das hierdurch ausgelöste Lachen ähnlich wie Kant mit einer körperlichen An- und Abspannung, belässt es jedoch nicht bei einer rein körperlichen Erklärung, sondern arbeitet ebenso die geistige An- und Abspannung heraus, das geistige Staunen über die Erhabenheit, die sich plötzlich als falsch erweist und in lustvolles Lachen umgewandelt wird.[21]

Komik in Vischers ästhetischem Sinne wird nicht dadurch erreicht, dass sittliche Fehler und unmoralisches Handeln bemerkt und ausgelacht werden, sondern an der Freude daran, dass der Verstand eine Zweckwidrigkeit, eine Unsinnigkeit bemerkt. Daher steht die auf Schadenfreude deutende Überlegenheitstheorie von Hobbes außerhalb von Vischers Ästhetikmodell. Für Vischer ist Komik immer gepaart mit dem Erhabenen und stets gutmütig und mitfühlend. Der Rezipient soll im Dargestellten ein Bewusstsein für die Unvollkommenheit erlangen, auch der eigenen.[22]

Vischers Leistung innerhalb des Theoriengerüsts der Komik beruht vor allem im Erkennen eines Rückbezugs und einer Neubewertung durch den Rezipienten. Diese Neubewertung betont die geistige Leistung und zieht die Freude am Erfolg daran nach sich. Mit dem Erkennen eines Widersinns setzt eine Neubewertung des bereits Gesehenen oder Gelesenen ein. Somit erweitert Vischer das statische Gegensatzmodell von nicht zusammenpassenden Elementen um das prozessuale Aufeinanderfolgen von Wirkung und Neubewertung mit Erkenntnisgewinn.

Während Vischer das Komische im Erhabenen sieht, das Erhabene als Grundlage dient, dem durch das Eintreten eines fehlerhaften Moments die Fähigkeit zur Vollkommenheit entzogen wird, ist für Kuno Fischer die Komik eine „umgekehrte Erhabenheit“[23], ein Gegenpol zur Erhabenheit. Dieser Gegenpol konstituiert sich aus der Position des Betrachters zum Dargestellten. Während sich der Rezipient beim Betrachten eines erhabenen Kunstwerks im Verhältnis zu diesem als unendlich klein, aber auch selbstvergessen und vom Druck der eigenen Begierden befreit empfindet,[24] besetzt das Komische die gegenüberliegende Position. Sobald der Rezipient das Komische wahrnimmt, fühlt er sich dem komischen Objekt gegenüber groß und erhaben: er sieht herab und genießt seine Überlegenheit. Er ist befreit von äußeren, weltlichen Bedrängnissen. Laut Fischer befreit das Komische vom Druck der Außenwelt, von den Erwartungen, die an das eigene Ich herangetragen werden, indem der Rezipient sich im Moment der Betrachtung über diesen Anforderungen stehend sieht. Dies führt zu einer heiteren, unbeschwerten Stimmung auf Seiten des Rezipienten.[25]

Das Größenverhältnis zwischen Werk und Rezipient ist für Fischer ausschlaggebend für Komik und Erhabenheit. Das sich aus diesem Größenverhältnis heraus ergebende Gefühl von Über- oder Unterlegenheit und die empfundenen Befreiung von einer Bürde, vom Druck der Welt führt zur heiteren Stimmung.[26]

Vischer spricht von der Freude über die eigene Verstandesleistung, die die Widersinnigkeit erkenne, Fischer hingegen - wie auch Hobbes – führt die Erheiterung auf das eigene Überlegenheitsgefühl gegenüber dem komischen Objekt zurück.

Für beide Erklärungen zur Freude gilt: Komik löst im Rezipienten ein Gefühl des Selbstbewusstseins aus – er wird sich seiner gedanklichen Leistung bewusst (Vischer) oder seiner Überlegenheit gegenüber dem Komischen (Fischer, Hobbes). Der Bezugsrahmen liegt bei Vischer innerhalb der betrachtenden Person. Sie lacht über das Erkennen eines Moments und der daraus folgenden rückbezüglichen Korrektur ihres eigenen vorherigen Begreifens. Fischer sieht den Bezugsrahmen innerhalb der empfundenen Größe von Werk zu Rezipient.

Als Bedingung für das Auslösen einer heiteren Stimmung führt Fischer, wie andere vor ihm, die Plötzlichkeit des Umschwunges, der Erleuchtung an.[27] Die Erleuchtung werde durch ein Urteil ausgelöst, das aufgrund zweier entgegengesetzter gedanklicher Vorstellungen gefällt wird.[28] Mit diesem ‚Fällen eines Urteils’ ist auch bei Fischer die gedankliche Leistung angesprochen, die für die Erheiterung nötig ist. Dennoch fokussiert Fischer für seine Erklärungen der Freude nicht die Leistungskraft des Verstandes, sondern den empfundenen Kontrast der Größe zwischen Objekt und Rezipient.

Bergsons Komikmodell orientiert sich an der Lebendigkeit des Menschlichen. Wird diese Lebendigkeit durchbrochen von etwas Mechanischem, von einem Automatismus, so bedingt dies Komik.[29] Dieses Mechanische kann zum Beispiel der Stolpernde sein, dessen Automatismus ihn dazu gebracht hat, seine Schrittfolge beizubehalten, anstelle flexibel und lebendig durch eine Änderung seiner Bewegung dem Hindernis auszuweichen.[30] Doch gibt Bergson noch weitere Bedingungen für die Darstellung des Komischen an. In seinem Essay „Das Lachen“ von 1900 hält Bergson zugleich das Menschliche an der Komik als auch das Gefühllose der Komik fest. „Menschlich“ ist die Komik in dem Sinne, als dass stets eine Assoziation zum Menschen hin vorhanden sein muss, sonst kann keine Komik entstehen. Ein Hut könne zwar komisch aussehen, doch rühre diese Komik daher, dass ein Mensch diesen so geformt habe. Ein Tier wirke komisch, weil der betrachtende Mensch ihm menschliche Züge aufdrücke. ‚Menschlich“ bedeutet für Bergson nicht ein emphatisches Identifizieren mit dem komischen Objekt oder ein gefühlvolles Verständnis für diesen. Komik ist in dem Sinne menschlich, als dass es zum Tätigkeits- und Denkbereich des Menschen gehört.[31]

Im Gegensatz zum Menschlichsein hebt Bergson das Gefühllose des Komischen hervor. Als Beweis führt er an, dass in der Komödie keine individualisierten Charaktere, sondern Typen vorkommen. Diese Typen werden nicht von ihrer einmaligen Seelenlage her nachempfunden, – das wäre in der Tragödie der Fall – sondern durch sie werden allgemeine Handlungen nachvollzogen, die der Dichter vorher durch Beobachtung festgehalten hat, und die er nun in der Komödie exemplifiziert.[32] Diese Darstellung von allgemeinen Typen, deren Inneres nicht ausgebreitet, sondern deren äußere Handlung beobachtet wird, hat Auswirkungen auf die Betrachtungsweise des Rezipienten: nicht Empathie- und Identifikationsvermögen werden angeregt, sondern der distanzierende Blick, der die Grundlage für die geforderte Gefühllosigkeit bildet, fängt das Geschehen ein.[33]

Eine weitere Bedingung für Komik ist die Unfreiwilligkeit eines Wechsels. Bergson argumentiert mit dem auf der Straße stolpernden Menschen, den die Leute auslachen, und der keinen Grund zum Lachen gegeben hätte, wenn er sich plötzlich willentlich hingesetzt hätte.[34] Die Komik wird dabei begründet durch eine „ mechanisch wirkende Steifheit in einem Augenblick, da man von einem Menschen wache Beweglichkeit und lebendige Anpassungsfähigkeit erwartet“[35]. Der Mensch, der nicht in der Lage ist, sich einer Situation treffend und schnell anzupassen, sendet Komik aus und erntet dafür ein Lachen. Das Lachen agiert als Strafe für die Unzulänglichkeit des Menschen.[36]

Die „Stolpersteine“, die eine komische Situation auslösen, können entweder zufällig passieren oder aber absichtsvoll, wenn jemand planvoll einem anderen Steine in den Weg legt. Stets sind sie jedoch von außen animiert.

Wenn die Fehlleistung im eigenen Selbst begründet liegt und keines äußeren Hindernisses bedarf, wenn die Gedankengänge sich nicht der aktuellen Situation anpassen, so bezeichnet Bergson dies als innere Komik. Bergson bringt hierfür das Beispiel des „Zerstreuten“[37].

Ein Übergang von innerer Komik zu äußerer soll kurz an Cervantes „Don Quijote“ dargelegt werden. Im ersten Teil des „Don Quijote“ kommt hauptsächlich die innere Komik zum Tragen, indem die Hauptperson aktuelle Situationen in der eigenen Gedankenwelt umformt und so in der momentanen Gegebenheit etwas anderes erkennt als ihre Mitmenschen. Don Quijotes innere Welt lebt noch in den von ihm gelesenen Büchern, ist nicht fähig, die aktuellen Situationen richtig zu deuten. So kommt es, dass er gegen Windmühlen kämpft oder eine Barbierschüssel für einen Ritterhelm hält.

Im Laufe der Reise kommt jedoch immer häufiger die äußere Komik zum Tragen, jeweils dann, wenn die Leute die Komik seiner Gedanken-Situations-Beziehung erfassen und, um sich weiterhin zu amüsieren, Don Quijote „Steine“ in den Weg legen, indem sie ihn zum Beispiel auf eine fingierte Flugreise auf einem Holzpferd an einen angeblich anderen Ort schicken.

Eine weitere Bedingung bei Bergson ist das Unbewusste des Komischen. Das bedeutet, dass der Figur nicht bewusst sein darf, dass sie Komik aussendet. Sobald eine Person Komik in ihrem eigenen Handeln erkenne, sei sie bestrebt, ihr Verhalten zu ändern, oder zumindest versuche sie, das Komische zu verdecken.[38]

Mit dieser Behauptung unterstützt Bergson indirekt den Makel des Mangels, der Unterlegenheit, der der Komik anhaftet, und das sich daraus ergebende Überlegenheitsgefühl des Rezipienten. Der Komik Ausstrahlende sieht sich mit der Entdeckung seiner Komik in einem negativen Gefälle zu dem Betrachtenden stehend und versucht daher dies durch Vertuschung zu verdecken.

Um Komik kenntlich zu machen, müsse Komik das Gewohnte durchbrechen. Bergson verdeutlicht dies an dem Thema „Kleidung“. So werde Kleidung erst zu dem Zeitpunkt als komisch empfunden, wenn sie aus der Mode gekommen sei. Diese aus der Mode gekommene Kleidung enthält eine Unvereinbarkeit zu den Auffassungen des Betrachters bezüglich Kleidung.[39] Der jeweilige Kontext, in diesem Falle die aktuelle Mode, steuert das Urteil des Betrachtenden. Bei Wahrnehmung einer Neuerung, eines Bruchs mit dem gewohnten Hintergrund, kommt es zu einer Empfindung des Komischen. Der Wirkungskreis von Werk und Rezipient wird hiermit erweitert durch den kontextuellen (den sozialen, historischen, moralischen, religiösen usw.) Hintergrund des Rezipienten. Dies ist ein Erklärungsansatz für die historische Wandelbarkeit des Empfindens von Komik.

Für die Darstellung von Komik eignen sich nach Bergson Körper besonders gut, da sie vom eigentlich anvisierten, vom Seelischen, ablenken. Stattdessen wird die Unförmigkeit eines Leibes präsentiert. Wenn der Körper unförmig und plump ist und daher mechanisch die Lebendigkeit der Seele überdeckt, versucht „ die Form […] über den Inhalt [zu] triumphieren[40]. Die Form drängt sich in den Vordergrund und überdeckt die Seele.

Die menschliche Komik verkörpert eine Abweichung vom Vollkommenen. Als Antwort und auch Verurteilung dieser Unvollkommenheit erntet derjenige, der Komik ausstrahlt, ein Lachen.[41] Denn das Lachen möchte das Mechanische, das Starre korrigieren.[42]

Insgesamt lässt sich zu Bergson festhalten, dass er Komik als eine Störung des Menschlichen, des Lebendigen ansieht. Im Gegensatz zu ihm vorausgehenden Theoretikern manifestiert er Komik nicht durch kunstästhetische Zuweisungen. Komik liegt im Menschlichen. Der Komik Ausstrahlende macht dies unfreiwillig und ist sich der eigenen Komik nicht bewusst. Der Empfänger der Komik dagegen hat gefühllos distanziert zu sein, und das Wahrnehmen von Komik ist an den Kontext des Empfängers gebunden.

Der Zweck des Lachens liegt jedoch in der Verurteilung der Komik, denn Komik zeigt die Unvollkommenheit des Menschen, seine unvollkommene Form oder aber seinen Mechanismus, seinen Automatismus in Zeiten, in denen Lebendigkeit und Flexibilität erforderlich wären. Das Lachen ist ein gesellschaftliches Strafen.[43]

Theodor Lipps führt im siebten Kapitel seiner „Grundlegung der Ästhetik“ von 1903 über die Komik aus, dass sie weder dem Erhabenen noch dem Tragischen als Gegenpol diene, sondern dass das überraschend Große ihr Gegenteil bilde.[44] Das Komische sei das überraschend Kleine, das sich an die Stelle des Großen platziere. Das Kleine versucht groß zu scheinen, wird aber plötzlich enttarnt und steht nun innerhalb dieser ihm einberaumten großen Erwartungshaltung als Kleinigkeit da.

Lipps fokussiert - wie auch Kant - die Erwartungshaltung des Rezipienten. Das Werk sendet ein Signal aus, sodass der Leser bereit ist, diesem etwas Zukünftiges zuzuschreiben. Lipps bringt das Beispiel vom „kreißende[n] Berg“[45], der den Rezipienten dazu veranlasst, seine Vorstellung auf etwas Riesiges zu lenken. Der Rezipient stellt daraufhin eine Forderung beziehungsweise hat eine Erwartungshaltung an das Werk: die Einlösung von etwas Großem. Anstelle dieses Großen wird nun die Kleinigkeit präsentiert, sodass die plötzlich als zu groß erkannte Aufmerksamkeit der Kleinigkeit zugute kommt. In der Folge wird es „leicht, spielend erfasst und geistig bewältigt“[46].

Sigmund Freud argumentiert in seiner Abhandlung „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ von 1905 mit einer Aufwandsersparnis des Rezipienten als Ursache für das Lachen. Bei der Betrachtung eines Komischen, zum Beispiel einer übertriebenen Bewegung, komme es zum Erfassen dieser unzweckmäßigen und übertriebenen Bewegung durch einen Vergleich von Sehen und Imaginieren.[47] Der Betrachter sieht den Bewegungsablauf einer Person und stellt sich gleichzeitig den Aufwand vor, den er selbst für diese Bewegungseinheit gebraucht hätte. Wenn das Gesehene nach Rezipientenmeinung mit zu viel Aufwand verbunden war, so wird der psychische Aufwand, der nötig wäre, um dieser Übertreibung mit Verständnis zu begegnen, gehemmt, und der dadurch ersparte Aufwand löst sich in Lachen auf.[48]

Wenn es, wie Freud behauptet, zu einem gleichzeitigen „Hineinversetzen“[49] in die Handlungsweise der gesehenen Person und dem Aufbau eigener Vorstellungsinhalte kommt, ist festzuhalten, dass bei ihm die Bedingung „große Distanz“ nicht zum Tragen kommt, die Theoretiker wie Hobbes, Fischer, Bergson als eine wesentliche Bedingung ansehen.

Als nächstes führt Freud das Beispiel einer komischen geistigen Minderleistung an. Bei dieser komme es – umgekehrt zur Bewegungsübertreibung – zu einer geistigen Untertreibung, das heißt, der Lachende hätte für diese Aufgabe eine höhere geistige Leistung eingesetzt. „Im ersteren Falle lache ich, weil er es sich zu schwer, im letzteren, weil er es sich zu leicht gemacht hat“[50]. Wichtig für die komische Wirkung ist die Differenz zwischen gesehenem Aufwand und eigenem vorgestellten Aufwand, dabei bleibt es für die komische Wirkung gleichgültig, ob die Vorstellung vom Aufwand des Rezipienten zu dem vom Betrachteten ausgeführten Aufwand als zu groß oder zu klein empfunden wird. Wichtig ist, dass eine Differenz vorhanden ist.

Freud unterscheidet Situationskomik von der gerade erörterten Komik. Anstelle eines Vergleichs des Gesehenen mit dem eigenen Vorstellungsinhalt bezüglich der Situation findet ein Vergleich statt zwischen beabsichtigter Handlungsweise einer Person und deren Abweichung aufgrund der Einflüsse von außen. Die Differenz dieser Besetzungsaufwände generiert das lustbringende Moment. In dieser Situation differieren nicht der imaginierte Vorstellungsinhalt und der gesehene. Der Rezipient hätte vielmehr in einer solchen Situation gleich gehandelt wie die betrachtete Person.

Freud argumentiert mit der Einfühlung in die Person, die durch äußere Einflüsse bei der Ausführung ihr wichtiger Tätigkeiten gestört wird, wobei die Einflüsse auch gesellschaftliche Normen oder körperliche Funktionen umfassen können. Freud bringt das Beispiel einer Person, für die eine seelische Tätigkeit äußerst wichtig ist, bis sie plötzlich den Drang zu einem Toilettengang verspürt. Der Rezipient beobachtet nun den Abfall des Aufwands für die seelische Tätigkeit und hält die Person für unterlegen, und zwar in Bezug zu ihrer früheren Tätigkeit und ihren Einordnungen von Wichtigkeiten, nicht gegenüber dem Rezipienten selbst, denn – wie bereits festgehalten – dieser hätte in der Situation genauso gehandelt. Voraussetzung für die Freude an der beobachteten Situation ist jedoch, dass der Rezipient trotz Einfühlungsvermögens Abstand behält und nicht selbst betroffen ist.[51]

[...]


[1] Schmidt, Siegfried J.: Komik im Beschreibungsmodell kommunikativer Handlungsspiele. In: Das Komische. Hrsg. von Wolfgang Preisendanz und Rainer Warning. München: Fink 1976., S. 177.

[2] Novotny, Fritz: Wilhelm Busch als Zeichner und Maler. Wien: Schroll & Co. 1949.; S. 28.

[3] Die Aufteilung in Bild- und Texterzähler wird auf Seite 33 erläutert.

[4] Hobbes, Thomas: Vom Menschen. Vom Bürger. Philosophische Bibliothek. Bd. 158. Hrsg. von Günter Gawlick. 2. verb. Aufl. Hamburg: Felix Meiner 1966. (1642, 1658)., S. 33f..

[5] Kant, Immanuel: Kritik der Urteilskraft. Hrsg. von Gerhard Lehmann. Stuttgart: Reclam 1963., S. 276.

[6] Ebd., S. 276, S. 279.

[7] Ebd., S. 275.

[8] Ebd., S. 276.

[9] Ebd., S. 276.

[10] Jean Paul: Vorschule der Ästhetik. Nach d. Ausg. von Norbert Miller hrsg., textkrit. durchges. u. eingel. von Wolfhart Henckmann. Hamburg: Meiner 1990. S. 110.

[11] Ebd., S. 110.

[12] Martinez, Matias; Scheffel, Michael: Einführung in die Erzähltheorie. 6. Auflage. München: C. H. Beck 2005., S. 64.

[13] Solger, Karl Wilhelm Ferdinand: Vorlesungen über Ästhetik. Hrsg. von K. W. L. Heyse. Leipzig: Brockhaus, 1829. In: Texte zur Theorie der Komik. Hrgs. von Helmut Bachmaier. Stuttgart: Reclam 2010. S. 43.

[14] Solger, Karl Wilhelm Ferdinand: Nachgelassene Schriften und Briefwechsel. Hrsg. von L. Tieck und F. v. Raumer. Bd. 2. Leipzig: Brockhaus, 1826. In: Texte zur Theorie der Komik. Hrsg. von Helmut Bachmaier. Stuttgart: Reclam 2010. S. 43.

[15] Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung. Vollständige Ausgabe nach der dritten, verbesserten und beträchtlich vermehrten Auflage von 1859. Köln: Anaconda 2009. S. 543.

[16] Ebd., S. 547.

[17] Vischer, Friedrich Theodor: Über das Erhabene und Komische – und andere Texte zur Ästhetik. Einleitung von Willi Oelmüller. Frankfurt: Suhrkamp 1967. S. 160, S. 165.

[18] Ebd., S. 174 f..

[19] Ebd., S. 162.

[20] Ebd., S. 165, S. 176.

[21] Ebd., S. 207 f..

[22] Ebd., S. 173, S. 206.

[23] Fischer, Kuno: Über den Witz. 2. Auflage. Heidelberg: Winters o. J. S. 78.

[24] Ebd., S. 74.

[25] Ebd., S. 76.

[26] Ebd., S. 87.

[27] Ebd., S. 106.

[28] Ebd., S. 102.

[29] Texte zur Theorie der Komik. Hrsg. von Helmut Bachmaier. Stuttgart: Reclam 2005., S. 78.

[30] Bergson, Henri: Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen. Zürich: Die Arche 1972. S. 15.

[31] Ebd., S. 12.

[32] Ebd., S. 112-114.

[33] Ebd., S. 12.

[34] Ebd., S. 15.

[35] Ebd., S. 16.

[36] Ebd., S. 22.

[37] Ebd., S. 16f..

[38] Ebd., S. 20.

[39] Ebd., S. 33.

[40] Ebd., S. 41.

[41] Ebd., S. 63.

[42] Ebd., S. 89.

[43] Ebd., S. 130.

[44] Lipps, Theodor: Grundlegung der Ästhetik. Der befriedigte und enttäuschte Erwartung. In: Texte zur Theorie der Komik. Hrgs. von Helmut Bachmaier. Stuttgart: Reclam 2010. S. 90.

[45] Ebd., S. 90.

[46] Ebd., S. 91.

[47] Freud, Sigmund. Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten. Der Humor. 2. Auflage. Frankfurt: Fischer 2010. S. 202f.

[48] Ebd., S. 206.

[49] Ebd., S. 206.

[50] Ebd., S. 207.

[51] Ebd., S. 209.

Final del extracto de 99 páginas

Detalles

Título
Was, wenn man es recht bedenkt, sich sozusagen Komik nennt.
Subtítulo
Funktionsweisen der Komik in Wilhelm Buschs Knopp-Trilogie
Universidad
University of Hagen
Calificación
2,7
Autor
Año
2012
Páginas
99
No. de catálogo
V204628
ISBN (Ebook)
9783656317548
ISBN (Libro)
9783656318743
Tamaño de fichero
2983 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Komik, Komiktheorien, Knopp-Trilogie, Erzähltheorie, Verlachen und Mitlachen, Slapstick, Die Pointe - der Umschlag, Informationsvorsprünge
Citar trabajo
Petra Brüning (Autor), 2012, Was, wenn man es recht bedenkt, sich sozusagen Komik nennt., Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204628

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