Identifikation und Förderung Hochbegabter – Überflüssig, da elitär und unsozial?


Examensarbeit, 2011

33 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsabgrenzung
2.1 Einleitung
2.2 Intelligenz und Begabung
2.3 Hochbegabung

3 Modelle der Hochbegabung
3.1 Einleitung
3.2 Drei Ring Modell
3.3 Triadisches Interdependenz Modell
3.4 Münchner Hochbegabten Modell

4 Identifikation von besonderen Begabungen
4.1 Einleitung
4.2 Bedeutung und Notwendigkeit der Identifikation Hochbegabter
4.3 Identifikationsverfahren
4.3.1 Einleitung
4.3.2 Subjektive Identifikationsverfahren
4.3.3 Objektive Identifikationsverfahren

5 Förderung von besondern Begabungen
5.1 Einleitung
5.2 Bedeutung und Notwendigkeit der Förderung Hochbegabter
5.3 Fördermaßnahmen
5.3.1 Einleitung
5.3.2 Akzeleration
5.3.3 Enrichment

6 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.“

(Konrad Adenauer)

„Es gibt nichts ungerechteres als die gleiche Behandlung von Ungleichen““

(Paul F. Brandwein, amerk. Psychologe)

Diese beiden Zitate weisen auf zwei zusammenhängende Thematiken hin, welche in den letzten Jahren immer wieder im Fokus schulpolitischer Diskussionen stand, die Heterogenität und die Individualität.

So ist in diesem Zusammenhang die im neuen Schulgesetz NRW[1] festgeschriebene individuelle Förderung anzuführen. Aber auch die steigende Heterogenität in den Schulen und der Umgang mit dieser stehen vermehrt im öffentlichen Fokus. So wird mittlerweile in der heutigen Lehrerausbildung ein Schwerpunkt auf differenziertes unterrichten gelegt, da in den Klassen höchst unterschiedliche Schülerinnen und Schüler anzutreffen sind.

Die vorliegende Arbeit möchte sich mit einer dieser unterschiedlichen Schülergruppen auseinandersetzen, die Gruppe der Hochbegabten. Im Mittelpunkt sollen dabei die Diagnose– und Förderungsmöglichkeiten Hochbegabter Schülerinnen und Schüler stehen. Insbesondere sollen die Fragen gestellt werden, warum in diesem Bereich überhaupt eine Identifikation bzw. Förderung Hochbegabter nötig ist und wie diese aussehen können?

Zu Beginn der Arbeit soll jedoch zunächst darauf eingegangen werden, was unter Hochbegabung zu verstehen ist. Hierzu erfolgt in einem ersten Schritt eine Abgrenzung von dem Begriff der Intelligenz. Im Folgenden soll auf verschiedene Hochbegabungsmodelle eingegangen werden um anschließend die Diagnose- und Förderungsmöglichkeiten Hochbegabter zu klären.

Ein Fazit der dargestellten Kapitel bildet den Abschluss dieser Arbeit.

2 Begriffsabgrenzung

2.1 Einleitung

Beginnt man sich mit dem Thema Hochbegabung zu beschäftigen, kann man schnell feststellen, dass es eine Vielzahl von Definitionen gibt. Dies ist jedoch nicht verwunderlich, wenn man den Kontext der jeweiligen Verwendung betrachtet. Mal sind es Pädagogen, die den Begriff verwenden, mal sind es Psychologen, mal Wissenschaftler.[2] Heinbokel kommt sogar zu dem Ergebnis, dass es keine Definition von Hochbegabung gibt, die alle möglichen Aspekte von Begabung umfasst und gleichzeitig von allen Wissenschaftlern anerkannt ist.[3] Es ist daher zunächst sinnvoll auf den Begriff der Intelligenz einzugehen, um sich anschließend über die Begrifflichkeit Begabung der Hochbegabung zu nähern.

2.2 Intelligenz und Begabung

Intelligenz ist das verbreiteteste Kriterium für Hochbegabung. Es findet sich in aktuellen deutschen Theorien, teils als ausschließliches Kriterium (etwa in der Marburger Hochbegabtenstudie), teils als besonders wichtiges in eine Reihe anderer (etwa in der Münchener Hochbegabtenstudie).[4]

Doch was ist Intelligenz? Intelligenz ist ein Merkmal, das eine Disposition umschreibt, nämlich das Potential zu kognitiver Leistung, sprich die intellektuelle Kompetenz. In der Psychologie finden sich auch die Definitionen die davon ausgehen, dass Intelligenz das ist, was Intelligenztests messen. Er ist daher hilfreich, Beispiele der eingesetzten Testverfahren zu sichten, um so das Konstrukt der Intelligenz besser verstehen zu können. In unterschiedlichen Testverfahren wird Intelligenz in unterschiedlichen Teilkomponenten gemessen, beispielsweise Wortverständnis, Wortflüssigkeit, arithmetisches Rechnen, räumliches Vorstellungsvermögen u. v. m.. Die so erfasste Intelligenz muss sich jedoch nicht zwangläufig in Leistung niederschlagen, sie ist vielmehr als Potential zu verstehen. Somit kann die Identifikation von Personen, die das Merkmal der Intelligenz in außerordentlicher Form aufweisen nicht einfach anhand des gezeigten Leistungsverhaltens geschehen. Ferner kann die Wahl des Intelligenzkriteriums zur Folge haben, dass man sich auf die kognitive Hochbegabung beschränkt, und damit alle anderen Hochbegabungen ausschließt.[5] Bevor ich hierauf jedoch genauer eingehen werde, möchte ich zunächst den Begriff der Begabung klären.

Der Begriff Begabung wird in der Psychologie außerhalb der so genannten Begabungsforschung kaum mehr verwendet, da mit ihm oft Annahmen über angeborene Merkmale oder Verhaltenstendenzen verknüpft werden. Daher spricht man in der modernen Psychologie heute ehr von Fähigkeiten, die als Disposition erworben oder genetisch bedingt seinen können.[6] Im weitern Verlauf wird der Begriff der Begabung daher im Sinne von Fähigkeiten verstanden.

Begabung wird oft synonym oder sinnverwandt mit Intelligenz verwendet. Jedoch ist eine Abgrenzung vorteilhaft, da die Facetten der Begabung zahlreich sind und über das alleinige Kriterium Intelligenz hinausgehen. Dem derzeitigen Forschungsstand entsprechend lassen sich fünf (relativ voneinander unabhängige) Begabungsbereiche (Fähigkeitsbereiche) unterscheiden[7]:

- Intellektuelle Begabung (Intelligenz)
- Soziale Begabung (interperonale Kompetenz=
- Musische Begabung (Musikalität)
- Bildnerisch – darstellende Begabung
- Psychomotorische – praktische Begabung.

Es gibt eine Reihe solcher Auflistungen, die sich ähnlich oder aber auch spezieller darstellen. Kreativität als eigener Begabungsbereich bleibt dabei heute i. d. R. ausgenommen, da kreative Leistungen bzw. Produkte, die als Ausdruck von Kreativität gewertet werden, in allen genannten Bereichen vorfindbar sind.[8]

Intelligenz wird in dem Zusammenhang mit den dargestellten Begabungsbereiche, mit der Intellektuellen Begabung gleichgesetzt und als Denk- oder Problemlösefähigkeit, deren spezifische Intelligenzfaktoren wie verbale und mathematische Intelligenz, räumlich-abstraktes Vorstellungsvermögen usw. am bekanntesten sind, verstanden.

Anderes als bei Intelligenz stellen sich bei den anderen Konstrukten verschiedene Probleme, da diese beispielsweise mit viel weniger Forschungsaufwand bedacht wurden. So gibt es sowohl hinsichtlich der Indikatoren, mit dem man die verschiedenen Konstrukte zu fassen suchen könnte, als auch hinsichtlich ihrer Messung noch viele ungelöste Probleme. Beispielsweise werden von der renommierten Palucca-Schule für Bühnentanz in Dresden in der Aufnahmeprüfung reiche Bewegungsphantasie und Freunde am Tanzen, überdurchschnittliche Beweglichkeit, sportliche Körper, Musikalität und gute schulische Leistungen geprüft. Doch sind dies die Indikatoren für tänzerische Begabung? Wie genau misst man diese?[9] Bereits dieses eine Beispiel verdeutlicht das Problem der Objektivierbarkeit von Kriterien. Empirische Untersuchungen fehlen in diesem Bereich fast völlig.

Die Annahme, dass die verschiedenen Fähigkeitsbereiche relativ unabhängig von einander sind, bedeutet, dass ein Mensch in einem oder keinem Bereich, in mehreren oder sogar in allen Bereichen äußerst begabt sein kann und dies bei gleichzeitig über- unter oder durchschnittlicher Ausprägung der jeweils anderen Begabungsbereiche. Erfahrungsgemäß lässt sich jedoch eine sehr hohe Leistungsausprägung nur in einem, in einigen Fällen eventuell in zwei Bereichen beobachten, da außer der Disposition noch Erfahrungen, intensives Üben oder systematisches Training für die Umsetzung der Fähigkeiten in Leistung erforderlich sind.[10] Hohe Intelligenz scheint also eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Vorbedingung der Hochbegabung zu sein.[11]

Zusammenfassend ist festzustellen, Begabung ist mehrdimensional, sie erstreckt sich nicht nur auf die intellektuelle Begabung, sondern umfasst auch andere Bereiche, wie künstlerische und soziale Begabungen. Doch wann liegt nun eine besondere bzw. eine Hochbegabung vor? Dieser Frage soll im nächsten Abschnitt nachgegangen werden, da wie beschrieben es zu einfach wäre Intelligenz mit Hochbegabung gleichzusetzen.

2.3 Hochbegabung

Die Zahl der Definitionen des Begriffes Hochbegabung ist groß. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Bestandteile und verschiedener Charakteristika sowie durch das Schwergewicht, dass auf den Anteil Intelligenz gelegt wird. So resultierte aus der anfänglichen Koppelung zwischen wissenschaftlicher Forschungstätigkeit und der Verwendung von Intelligenztests zunächst eine eindimensionale Definition von Hochbegabung, die bis heute in bestimmten Kontexten Verwendung findet: Als hochbegabt gelten demnach Personen mit einem IQ > 130.[12]

Von dieser psychometrischen und auf das rein intellektuelle Potential bezogenen Definition sind solche Begriffsbestimmungen zu unterscheiden, welche die Verbindung einer besonderen Leistungsfähigkeit mit anderen Variablen wie Motivation oder auch Kreativität in den Mittelpunkt stellen. Lucito unterscheidet beispielsweise sechs verschiedene Definitionsklassen, die allein schon deshalb dargestellt werden müssen, da in dieser Klassifikation die meisten gängigen Definitionen enthalten sind:[13]

1. IQ Definitionen: Als hochbegabt gilt, wer in einem Intelligenztest einen bestimmten Wert, in der Regel 130 und mehr, erreicht.
2. Prozentsatzdefinitionen: Hier wird ein bestimmter Prozentsatz als hochbegabt bezeichnet wie beispielsweise die obersten zwei Prozent in einem Intelligenztest oder die zehn Prozent Jahrgangsbesten nach ihrem Abschneiden in einer Prüfung usw. Häufig wird dabei Begabung mit Leistung gleich gesetzt. Da Leistung sehr unterschiedlich definiert wird, kann es zu Überschneidungen mit anderen Definitionsklassen kommen, vor allem mit den Definitionen über den Intelligenztest.
3. Ex-post-facto-Definitionen: Allein auf Grundlage herausragender Leistungen, die zu einer Berühmtheit geführt haben, wird nachträglich festgestellt, dass eine Hochbegabung vorliegt bzw. vorlag.
4. Kreativdefinitionen: Die Definition über einen Intelligenzkennwert wird abgelehnt und die Kreativität an dessen Stelle gesetzt. Jemand verfügt demnach über die Fähigkeit, etwas Neues, Originelles zu schaffen, um als hochbegabt gelten zu können.
5. Soziale Definitionen: Hochbegabt ist, wessen Handlungen wertvoll sind. Hier spielt die gesellschaftliche Nachfrage nach der Art herausragenden Leistungen eine Rolle.
6. Lucitos eigene Definition: Hochbegabt sind bei dieser Definition jene Schüler, deren potentielle intellektuelle Fähigkeiten sowohl im produktiven als auch im kritisch bewertenden Denken ein derartig hohes Niveau haben, dass begründet zu vermuten ist, dass sie diejenigen sind, die in der Zukunft Probleme lösen, Innovationen einführen und die Kultur kritisch bewerten, wenn sie adäquate Bedingungen der Erziehung erhalten.

Deutlich wird, dass die ersten fünf Definitionen, obwohl noch häufig anzutreffen, zum Teil veraltet sind, weil zu eng gefasst, oder dass die zu wenige Handlungsanweisungen für die Diagnostik bieten. Hingegen wird bei der letzte Definition auf den mehrfaktoriellen Aspekt hingewiesen sowie die Rolle der Förderung betont und Begabung nicht mit Leistung gleichgesetzt.[14] Auch Trautmann verweist darauf, dass Hochbegabung sich nicht zwingend in außergewöhnlicher Leistung zeigt, es handelt sich hier vielmehr um ein Fähigkeitspotential, nicht aber um die Leistung selbst.[15] Dieser Aspekt wird bei der noch darzustellenden Begabtenförderung eine wichtige Rolle spielen.

An dieser Stelle könnten noch zahlreiche weitere Definitionen vorgestellt werden, da die Wissenschaft von einer allgemeingültigen Definition weit entfernt ist. Eines hält sich jedoch doch auch noch heute weitgehend flächendeckend in der Wissenschaft, nämlich die zu Beginn dieses Abschnitts dargestellte Definition von Hochbegabung als allgemeine geistige Befähigung im Sinne einer besonders hohen Ausprägung von allgemeiner Intelligenz. Zwar finden auch die vorgestellten anderen Facetten der Hochbegabung zunehmend Beachtung, aber bis heute setzt die Ermittlung von Hochbegabung i. d. R. einen allgemeinen Intelligenztest voraus, bei dem ein IQ von 130 und mehr als allgemeiner Richtwert für Hochbegabung gilt.[16] Heller bringt es in seiner Definition zusammenfassend auf den Punkt, in dem er Hochbegabung als individuelles Fähigkeitspotential für herausragende Leistung definiert.[17] Dieses Verständnis hat sich bewehrt und soll im Folgenden weiter Verwendung finden. Somit soll die intellektuelle Hochbegabung im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Damit sollen andere Begabungsbereiche – etwa im künstlerischen oder musischen Bereich – nicht abgewertet werden. Jedoch bestehen im schulischen Kontext gerade im Bereich der Förderung intellektuell überdurchschnittlich begabter Kinder und Jugendlicher noch Vorbehalte und Nachholbedarf. Dass die intellektuelle Hochbegabung dabei jedoch mehrere Facetten, die über einen den reinen IQ-Wert hinausgehen, in sich birgt, soll der nächste Abschnitt zeigen.

[...]


[1] Gültig seit dem 1. August 2006

[2] Vgl.: Feger/Prado, 1998, S. 29

[3] Vgl.: Heinbokel, 1996, S. 23

[4] Vgl.: Reichle, 2004, S.19

[5] Vgl. Reichle, 2004, S. 20

[6] Vgl.: Stapf, 2008, S. 18

[7] Vgl.: Stapf, 2008, S. 18

[8] Vgl Stapf, 2008, S. 19

[9] Vgl.: Reichle, 2004, S. 21

[10] Vgl.: Stapf, 2008, S. 19 ff.

[11] Vgl.: Feger/Prado, 1998, S. 34

[12] Vgl.: Schick, 2008, S. 8

[13] Vgl.: Feger/Prado, 1998, S. 30 ff.

[14] Vgl.: Feger/Prado, 1998, S. 31

[15] Vgl.: Trautmann, 2005, S. 6

[16] Vgl.: Billhardt, 1996, S. 219

[17] Vgl.: Heller, 2001

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Identifikation und Förderung Hochbegabter – Überflüssig, da elitär und unsozial?
Hochschule
Universität Siegen
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
33
Katalognummer
V204717
ISBN (eBook)
9783656307815
ISBN (Buch)
9783656308263
Dateigröße
585 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hochbegabung, individuelle Förderung
Arbeit zitieren
Tobias Plog (Autor:in), 2011, Identifikation und Förderung Hochbegabter – Überflüssig, da elitär und unsozial?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204717

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