Eine Analyse der verschiedenen Wirklichkeitsebenen in Arthur Schnitzlers Traumnovelle

„Das Leben ein Traum – Der Traum ein Leben“


Epreuve d'examen, 2012

80 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Schnitzler und Freud: Doppel- oder doch Einzelgänger?
2.1 Die Beziehung Schnitzler – Freud
2.2 Analysen zur menschlichen Psyche
2.2.1 Freuds Psychoanalyse
2.2.2 Schnitzlers Einwände
2.3 Traumdeutung
2.3.1 Traumdeutung nach Freud
2.3.2 Schnitzler und der Traum
2.4 Zwischenfazit: Schnitzler & Freud

3. Wirklichkeitsebenen in Arthur Schnitzlers Traumnovelle
3.1 Das Leben ein Traum
3.2 Der Traum ein Leben
3.3 Das Dazwischen
3.4 Zwischenfazit

4. Der Traum als Medium der Erkenntnis? – Funktionen des Spiels mit Wirklichkeit in Schnitzlers Traumnovelle
4.1 Hervorbringen unbewusster Wahrheiten
4.1.1 Unterdrückte Wünsche und deren Erfüllung
4.1.2 Rache
4.1.3 Trieb – und Begierdenaufdeckung
4.1.4 Der Traum als Ausrede
4.2 Bewusstmachung der Wirklichkeit
4.2.1 Spiegelung der Charaktere der Protagonisten
4.2.2 Vervollständigung der Realität
4.3 Kompensation des Alltags und Abtun der gesellschaftlichen Zwänge
4.4 Kreation alternativer Lebensentwürfe
4.5 Verarbeitung und Bewältigung

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Paracelsus: Es war ein Spiel! Was sollt’ es anders sein?

Was ist nicht Spiel, das wir auf Erden treiben,

Und schien es noch so groß und tief zu sein!

[ ... ] Ein Sinn

Wird nur von dem gefunden, der ihn sucht.

Es fließen ineinander Traum und Wachen,

Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.

(Schnitzler)[1]

Es mag ungewöhnlich sein, diese Arbeit mit einem Zitat aus Schnitzlers Paracelsus zu beginnen und nicht mit einem aus dem hier zu behandelnden Werk, der Traumnovelle. Doch ist es genau dieser Gedanke, den Schnitzler schon 1898 in seinem Paracelsus anklingen ließ, der ihn auch zwei Jahrzehnte später noch literarisch beschäftigte. Keiner vermag, wie hier im Paracelsus, das Übertreten der Grenzen von Wirklichkeit und Traum in der Traumnovelle so gut zu beschreiben wie der Autor selbst. Die dort von ihm beschriebene „Sicherheit“ um „Traum und Wachen“ ist die Problematik, mit der sich die vorliegende Arbeit beschäftigt.

Zu Beginn seines Schreibprozesses 1907 noch Doppelnovelle genannt, veröffentlicht Schnitzler sein vollendetes Werk 1925 kapitelweise in der Zeitschrift Die Dame unter dem Titel Traumnovelle.[2] Die Traumnovelle ist die Erzählung von Fridolin und Albertine, einem Ehepaar, das sich in verschiedene Wirklichkeitsebenen begibt und dadurch den Problemen ihrer Ehe und ihrer selbst auf den Grund geht. In den Abgründen ihrer Seele entdecken sie dabei ungeahnte und unberührte Felder ihrer Triebnatur und Sehnsüchte. In der Zeit des Schreibprozesses setzte sich Schnitzler nicht nur mit seinen eigenen Werken und Ideen auseinander, sondern auch Sigmund Freuds Schriften zur Psychoanalyse und Die Traumdeutung beschäftigten ihn gedanklich, sowie schriftstellerisch. Sigmund Freud und Arthur Schnitzler stehen jeweils für einen neuen Blickwinkel in ihrer Disziplin; der eine prägte die Geschichte der Psychologie, der andere die der Literatur. Ihre Auseinandersetzungen mit der Traumforschung und der Psyche des Menschen sind grundsteinlegend - auch die Traumnovelle hat dort ihren Platz.

Die Traumforschung hat den Traum seit jeher als sinntragend definiert, doch die Einordnung des Traums in die Gebiete des Bewusstseins und des Unbewussten blieben lange unbeschreibbar. Schnitzler befand die Wissenschaft dieser Aufgabe unfähig: „Die Begrenzungen zwischen Bewußtem, Halbbewußtem und Unbewußtem so scharf zu ziehen, als es überhaupt möglich ist, darin wird die Kunst des Dichters vor allem bestehen“[3], so Schnitzler. Die Traumnovelle ist ein Versuch Schnitzlers, eben diese Grenzlinien als Dichter zu erfassen.

Im Folgenden soll ein einleitender Teil die Theorien der Zeitgenossen Freud und Schnitzler zum Bewussten und Unbewussten und des Traums im Besonderen vorstellen. Dieses, als auch eine Verortung der beiden „Doppelgänger“ in ihre Epoche, ist nötig, um die Auffassung des Traums und des Traumbewusstseins in der Traumnovelle nachzuvollziehen. Im Hauptteil der Arbeit soll eine Einordnung der Sinneinheiten der Traumnovelle in die Kategorien Leben, Traum und das Dazwischen vorgenommen werden. Die Wechsel der Wirklichkeitsebenen, welche in der Traumnovelle zu finden sind, bergen eine Mehrdeutigkeit in sich, die es zu entwirren gilt. Herauszufinden, ob aus literaturwissenschaftlicher Perspektive eine Zuordnung von Traum und Wirklichkeit zu bewältigen ist, ist Aufgabe dieser Analyse.

Um Schnitzlers Gründe für die Verwendung dieser Mehrdeutigkeit zu verstehen, soll im letzten Teil der Arbeit die Funktion der Wirklichkeitsebenenwechsel behandelt werden. So soll geklärt werden, mit welchen Mitteln Schnitzler Traum und Wirklichkeit umschreibt und warum er das eine zum „scheinenden Sein“ und das andere zum „seienden Schein“[4] macht. Dass der Traum jedoch für diese Art der den Leser verwirrenden Darstellung das gelungenste Mittel ist, ist schon zu Beginn der Analyse nicht abzustreiten, folgt man Wunberg in seiner Annahme: „Wenn im Traum das Unbewußte – wörtlich und über das Vehikel seiner Deutung und deren Analyse - zur Sprache kommt, also die eigentliche Wirklichkeit, dann ist der Traum mit Recht der bevorzugte Gegenstand der Literatur, der Kunst überhaupt, um gerade sie darzustellen.“[5]

2. Schnitzler und Freud: Doppel- oder doch Einzelgänger?

Um die Ereignisse der Traumnovelle und die darin vorkommenden Wirklichkeitsebenen auch in psychologischer Hinsicht analysieren zu können, muss geklärt werden, vor welchem theoretischen Hintergrund Arthur Schnitzler seine Novelle schrieb. Seine Auffassung zum Unbewussten, der menschlichen Seele und deren Ausdruck im Traum ist Voraussetzung dafür, Thesen über die Bedeutung des Traums in der Traumnovelle aufzustellen. Aufgrund der häufig dargelegten Parallelen bzw. Verwandtschaften im Denken des Dichters Schnitzler und des Wissenschaftlers Freud ist es zunächst erforderlich ihre Beziehung in Umrissen darzustellen – sowohl auf privater als auch auf erkenntnistheoretischer Ebene.

2.1 Die Beziehung Schnitzler – Freud

In der Literatur finden sich über die Beziehung der Zeitgenossen Sigmund Freud und Arthur Schnitzler verschiedenste Meinungen. Eine geistige Verwandtschaft des Schriftstellers sowie Arztes Arthur Schnitzler und des Arztes sowie Wissenschaftlers Sigmund Freud ist nicht von der Hand zu weisen. Vielmehr wird ihnen aber nicht nur aufgrund ihrer thematischen, sondern auch aufgrund ihrer zeitlichen und örtlichen, ja kulturellen Nähe oft eine engere Beziehung unterstellt. In ihren Tagebüchern und anderen hinterlassenen Dokumenten finden sich eine Reihe von Indizien, die zumindest eine gedankliche Beschäftigung miteinander belegen: So notiert Schnitzler am 27. Juni 1920 in seinem Tagebuch:

Träumte diese Nacht: Wartezimmer, aber irgendwie Theatersaal (privat) bei Freud, ich als Patient, eine Art Diener [...] ich frage mich, wie ich zu ihm reden und meine Seelenleiden (welche?) schildern soll, ohne in Thränen auszubrechen...[6]

Äußerungen wie diese liegt eine tiefere gedankliche Auseinandersetzung zugrunde und bildet die Voraussetzung für die spätere Identifikation.

Obwohl Freud und Schnitzler sich gedanklich miteinander beschäftigten, kam es doch lange nicht zu einem persönlichen Austausch zwischen den beiden Wienern. Erst zu seinem 60. Geburtstag, am 15. Mai 1922, erhält Schnitzler den berühmten Brief von Freud, in dem er die frühere Kontaktscheu anspricht und mit seiner „Doppelgängerscheu“ rechtfertigt. Dies erläutert Freud wie folgt:

Ihr Ergriffensein von den Wahrheiten des Unbewußten, von der Triebnatur des Menschen, Ihre Zersetzung der kulturell-konventionellen Sicherheiten, das Haften Ihrer Gedanken an der Polarität von Lieben und Sterben, das alles berührte mich mit einer unheimlichen Vertrautheit.[7]

Freud erkennt also die Parallelen in ihrem Denken über das Unbewusste und äußert seine Wertschätzung, ja sogar Gerührtheit.

Die Verwandtschaft Freud und Schnitzlers auf theoretischer Ebene wird in der Literaturwissenschaft auf verschiedene Weisen beurteilt.[8]

Einige sehen in Schnitzlers Werken eine deutliche Orientierung an Freuds Erkenntnissen und haben ihm somit eine Anwendung der Freud’schen Psychoanalyse unterstellt. Eine Orientierung Freuds an Schnitzlers Werken wird hierbei jedoch ausgeschlossen. Behariell behauptet beispielsweise, dass Freuds Eigenständigkeit mit Sicherheit gegeben ist, da seine Theorien auf der Weiterentwicklung seiner psychoanalytischen Untersuchungen basieren. Von einer Vorwegnahme Schnitzlers könne allerdings nicht die Rede sein, so „kommt Schnitzlers Unabhängigkeit von Freud nur in spärlichen und nicht unvoreingenommenen Zeugnissen zum Ausdruck.“[9] Trotzdem befindet Behariell es für „fraglich, ob Schnitzler Freuds hauptsächliche Entdeckungen ü b e r n a h m oder ob er in ihnen nur eine prinzipielle – ermutigende - Bestätigung seiner eigenen Erkenntnisse fand.“[10]

Aus diesem Grund untersuchte Behariell die Werke Schnitzlers, die schon vor Freuds Traumdeutung (1900) und Über Psychoanalyse (1910) veröffentlicht wurden. Dabei fällt ihm auf, dass schon vor 1894 in allen Werken die Erkenntnisse behandelt werden, die später auf das Studium Freud’scher Werke zurückgeführt werden.[11] Diese Untersuchung ist ein Beispiel für die ebenso in der Literatur vertretene (gegenteilige) Einschätzung der Beziehung Freud – Schnitzler, und zwar dahingehend, dass Schnitzler Freud in einigen Ansichten voraus ging und von ihm losgelöst eigene, wenn auch ähnliche Erkenntnisse entwickelte. Diesen Umschwung in der Bewertung der Beziehung zugunsten Schnitzlers konnte nicht jeder nachvollziehen. Weinzierl beschuldigt Behariell beispielsweise, Schnitzler „im nachhinein die Siegespalme im Wettlauf um die Erforschung des Unbewußten“[12] überreicht zu haben.

Des Weiteren gibt es Meinungen, die weder dem einen noch dem anderen allein die Entdeckungen auf dem Bereich der Traumdeutung und der Psychoanalyse zuschreiben wollen. So sieht Perlmann die „Möglichkeit einer gleichzeitigen und unabhängigen Entdeckung psychologischer Phänomene“[13], ohne dass sich Freud und Schnitzler gegenseitig wesentlich beeinflussten. Farese erläutert, dass „über eine Abhängigkeit Schnitzlers von Freud zu spekulieren hieße, das Wesen ihrer Beziehung zu verfälschen.“[14] Außerdem müsse man ja betonen, dass beide zwar dieselbe Ausbildung genossen, Schnitzler sich aber für den Weg des Künstlers entschied, während Freud, der Kunst und Literatur nicht abgeneigt war, sich weiterhin der Wissenschaft verschrieb, so Perlmann.[15]

Angenommen, eine unabhängige Erkundung der jeweiligen Gebieten fand statt, so stellt Keller doch richtig fest: „So verschieden der Dichter und der Wissenschaftler auch ausgerüstet sein mögen bei ihrer Expedition in die Tiefe, das Material, das sie zutage fördern, ist verblüffend identisch.“[16] Zuletzt ist die These, dass Schnitzler und Freud einander aus ihren Werken kannten, sich würdigten und kritisch betrachteten, am häufigsten anzutreffen.[17] Während Schnitzler des Öfteren kritische Kommentare zu Freuds Vorlesungen verfasste, kritisierte Freud den Schriftsteller nur selten öffentlich. Seine Kritik richtete sich dann gegen die „‚prophetischen Träume’, die Schnitzler in einer Novelle thematisierte“[18] und betraf mehr seine wissenschaftliche Auffassung als seine schriftstellerischen Fähigkeiten.

Am wichtigsten zu bemerken ist also, dass trotz der Überschneidungen in Begabung und Interesse letztlich vor allem ein Unterschied in der Herangehensweise auszumachen ist.[19] Eine „Doppelgängerscheu“ und das somit distanzierte Verhalten könnte durch die verschiedene, unvereinbare Methode notwendig geworden sein.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Freud und Schnitzler das Prädikat „Doppelgänger“ aufzuerlegen, im Hinblick auf ihre unterschiedliche Sichtweise und Methode gewagt zu sein scheint. Die Wechselwirkung in ihrem Denken zu leugnen, ist aufgrund ihrer gemeinsamen Interessenlage und der Überschneidungen der behandelten Themen ebenso wenig möglich.

Im Folgenden soll erarbeitet werden, inwiefern die jeweiligen literaturwissenschaftlichen Positionen zutreffen bzw. nachzuvollziehen sind. Freuds Studien werden vorausgesetzt, um eine Übereinstimmung in Schnitzlers Werken bzw. eine Gegenpositionierung seinerseits in seinen Stellungnahmen auszumachen. Da für diese Arbeit die Traumarbeit insbesondere bedeutsam ist, werden die Kapitel Psychoanalyse und Traumdeutung getrennt voneinander behandelt.[20]

2.2 Analysen zur menschlichen Psyche

Um eine Analyse der Traumnovelle vorzunehmen, die sich den verschiedenen Wirklichkeitsebenen widmet, bedarf es einer Darstellung der Auffassung von „Wirklichkeit“ zu Schnitzlers Zeit. Dies umfasst auch die Beschreibung des Unbewussten und des Bewussten. Glaubt man Pongs, so kann „die Literaturgeschichte dieses Zeitraums gar nicht mehr ohne gründliche Kenntnis der [Psychoanalyse, C.B.] getrieben werden“.[21] Im Wien des Fin de siècle entstand mit der Psychoanalyse eine Wissenschaft, die sich mit der Spiegelung der Außenwelt in den Empfindungen des Subjekts beschäftigte.[22] Schnitzler beschrieb seine Epoche wie folgt:

Charakteristisch für unsere Epoche ist die Tendenz, auch die wenigen Grenzen, die wir mit Sicherheit (so weit es eben in Menschendingen Sicherheit gibt) ziehen konnten, zu verwischen.[23]

Erneut wird – wie schon im Paracelsus – diese anhanden gekommene Sicherheit angesprochen. Schnitzlers Zeit war geprägt von einem Durcheinander, einer Mehrdeutigkeit und der Suche nach neuen Ausdrucksformen, auch in der Literatur. Das „Ineinandergreifen verschiedener Ebenen“[24] wurde als neues Stilmittel eingesetzt. Insofern gehört Schnitzler zu den Wegbereitern des Surrealismus, der in den wirren Auflösungstendenzen eines Nachkriegseuropas zu einer wichtigen literarischen Strömung wird. Aufgrund der Unsicherheit auf der Oberfläche (des Bewussten) stürzen sich die Surrealisten in die unbekannten Tiefen des Unbewussten. In den Trümmern der Seele hoffen sie, die Ursprünge ihrer Existenz wiederzufinden.[25] Schnitzler selbst wird in der Literatur bis auf wenige Ausnahmen nicht als Surrealist bezeichnet.[26] Trotzdem klingen Stilmittel und Programm der Surrealisten in der Traumnovelle an: Es geht ihnen Surrealisten um „das Erleben von Poesie, um den inbrünstig gemeinschaftlichen Willen, jeden Augenblick des Lebens seinem glühenden Höhepunkt zuzuführen bis zu jenem Zustand der Gnade, wo Traum und Wirklichkeit nicht mehr unterscheidbar sind.“[27] In dieser Beschreibung findet sich auch der Dichter Schnitzler wieder.

Ob Schnitzler nun zu den Surrealisten gezählt wird oder nicht, seine Werke zeichnen einen Grundzug dieser Epoche; denn letztendlich verfolgt auch er das Ziel, die Erlebnissphären des Traums und der Wirklichkeit zu vereinen „in einer absoluten Realität: Surrealität“.[28]

Auch der „Revolte“[29], wie Keller es nennt, die Entdeckung des Unbewussten, schließt sich Schnitzler als einer der Ersten an. Die Revolte bestand darin, die Grenzen des eigenen Bewusstseins sprengen zu wollen, denn man ahnte, dass unter der Bewusstseinsgrenze den Geist Erhellendes schlummerte. Magris nennt die Wissenschaft der Psychoanalyse einen „Mittler der Wahrheit“[30]. Somit erweitert sie die Kenntnis und Erschließung der Dichtung, die im Zeichen der „Unwirklichkeit“ steht.[31] Seit den 1890ern hilft die Psychoanalyse also Literatur zu verstehen; sie dient als Lektüreschlüssel, um die - laut Schnitzler - „trügerischen Wörter“[32] zur Wahrheit zurückzuführen. Pongs beschreibt die gemeinsame Aufgabe der Psychoanalyse und der Literaturwissenschaft darin, die „zerstörenden Tendenzen“ der Gegenwart „produktiv zu überwinden.“[33]

Freud und Schnitzler verband außer der gegenseitigen öffentlichen Auseinandersetzung mit ihren Werken eben auch diese Absicht. Im Folgenden soll ein knapper Einblick in die Psychoanalyse Freuds gegeben werden, die dann tiefgründiger durch die Abgrenzung Schnitzlers dargestellt werden soll.

2.2.1 Freuds Psychoanalyse

Auch wenn sich bereits viele vor ihm mit dem Unbewussten befasst hatten, war Freud es, der das wissenschaftliche Menschenbild zu Beginn des 20. Jahrhunderts neu prägte. Schon in den 1890ern arbeitete er mit Josef Breuer an der Darstellung der menschlichen Psyche. In Die Traumdeutung (1900) veröffentlichte Freud als erster eine Definition vom Unbewussten, wobei er zwei Bereiche unterschied:

Das Unbewusste ist der größere Kreis, der den kleineren des Bewußten in sich einschließt; alles Bewußte hat eine unbewußte Vorstufe, während das Unbewußte auf dieser Stufen stehen bleiben und doch den vollen Wert einer psychischen Leistung beanspruchen kann.[34]

Die „unbewusste Vorstufe“, von der Freud spricht, nennt er das „Vorbewusste“. Hier verlaufen die Gedankengänge nur zeitweise unter der Oberfläche des Bewusstseins. Das wirklich Unbewusste definiert er als bewusstseinsunfähig, d.h. es kann durch eigene Willensanstrengung nie an die Oberfläche treten. Das Vorbewusste dagegen ist jederzeit abrufbar und kann bewusstseinsfähig gemacht werden. Grundlegend für die Psychoanalyse ist ebenso Freuds Unterteilung in primäres und sekundäres Denken, in welchen sich die Stufen des Bewusstseins wiederfinden. Das primäre Denken findet im Unbewussten statt. Eine Auslebung der Triebe und folglich eine Wunscherfüllung vollzieht sich dort. Das sekundäre Denken bildet den Bereich des Vorbewussten, denn es hemmt die Trieberfüllung (den Primärvorgang) und drängt das Es zurück. Die Funktion des Vorbewussten ist nicht zu unterschätzen: Erst durch die Reaktion des Vorbewussten auf das Unbewusste (und dessen Zensur) wird das Unbewusste sichtbar.[35] Somit war Freud der erste, der die Psyche auf ihren verschiedenen Ebenen betrachtete, diese in einem Ordnungssystem verband und die für uns heute noch gängige Terminologie festlegte.[36] Seine Werke Über Psychoanalyse (1910) und Vorlesungen zur Psychoanalyse (1916) werden noch heute rezensiert und bilden den Grundstein für eine Auseinandersetzung über den Aufbau der menschlichen Psyche.[37]

Der Zugang zum Unbewussten kann laut Freud durch den Traum gelingen, denn er ist der Königsweg zum Unbewussten.[38] Mithilfe der sekundären Bearbeitung im Vorbewusstem werden dessen Inhalte sichtbar und gelangen schließlich, nachdem sich der Träumer an das Geträumte erinnert, an die Bewusstseinsoberfläche.[39] Wie die Darstellung an der Bewusstseinsoberfläche aussieht, zeigt Schnitzlers Traumnovelle beispielhaft.

2.2.2 Schnitzlers Einwände

Schnitzler las Freuds Darstellungen zur Psychoanalyse mit besonderer Genauigkeit.[40]

In seinen Aphorismen und Betrachtungen nahm er schließlich zu Freuds Darstellungen auch öffentlich Stellung. Zunächst hatte Schnitzler die Psychoanalytiker dafür gelobt, sich überhaupt in die Tiefen der Seele hinunterzulassen, doch hielten sie sich seiner Meinung nach zu lange dort auf und wühlten dort „unablässiger [...] als nötig und als nützlich war“[41]. Seine Kritik galt allerdings nicht nur der Penetranz ihrer Methode. Wie bezüglich der Traumdeutung monierte er auch an der Psychoanalyse ihren überhöhten Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Schnitzler selbst bezeichnete seine eigenen Aussagen eher als individuell.[42] In einem Brief an Reik wird deutlich, dass die Psychoanalyse seiner Meinung nach vorschnelle Schlüsse zieht, wenn sie sich bei ihren Forschungen immer gleich ins „Schattenreich“ bewegt, obwohl die Schwelle zum Unbewussten nicht so nah liege, wie diese behaupten.[43] Dies führt er in seiner Veröffentlichung Über Psychoanalyse aus:

Durch die Umkehrung, die Verschiebung und die Sublimierung weitet sie [die Psychoanalyse, C.B.] die Deutungsgrenzen so sehr gegen das Willkürliche zu, daß jede Kontrolle unmöglich und jede Erklärung genau so gestattet sein kann wie ihr Gegenteil. Auch daß die Psychoanalyse so früh ins Unbewußte ausbiegt, ist ein Eingeständnis ihrer Schwäche. Sie fühlt, dass das Bewußte sie stören, ja manchmal sogar widerlegen könnte.[44]

Die behauptete Willkürlichkeit und Allgemeingültigkeit von Freuds Psychoanalyse begründet Schnitzler mit einer Angst vor dem Scheitern an dem „Chaos und der Mannigfaltigkeit der Wirklichkeit“[45], so Worbs. Man mag vermuten, dass Schnitzler als Schriftsteller sich der Erfüllung dieser Aufgabe eher verpflichtet fühlte, als dass er sie einem Wissenschaftler zumutete. Dieser Vorteil liegt in der Freiheit der Dichtung, die eine „ästhetische Konstruktion“[46] erlaubt, während die Wissenschaft Hypothesen festhalten muss, die getestet und als falsch oder richtig erachtet werden müssen.[47]

Arthur Schnitzlers Abgrenzung zum Entwurf Freuds im Bereich der Psychoanalyse besteht vor allem in der Konstruktion des Unbewussten. Er ging nicht nur passiv gegen Freud vor, sondern präsentierte aktiv einen Gegenentwurf zu Freuds Theorie. Als wesentlichste Erkenntnis der Psychoanalyse befand Schnitzler die Entdeckung eines „flukturierende[n] Zwischenland[es] zwischen Bewußtem und Unbewußtem“[48]. Danach gibt es Elemente in unserer Seele, die weder der einen noch der anderen Sphäre zuzuordnen sind, denn sie bestehen aus „flottierenden Elementen [...], die sich niemals um ein Zentrum zu gruppieren, also auch keine Einheit zu bilden imstande sind“[49]. Dieses Zwischenland, welches Freud als Vorbewusstes bezeichnet, nennt Schnitzler das „Halbbewusstsein“ oder „Mittelbewusstsein“. Damit ist ein Bereich ausgemacht, der den vorschnellen „Abstieg“ der Psychoanalytiker ins Unterbewusste verhindern soll, gleichzeitig aber nicht so unmittelbar zugänglich ist wie das Bewusstsein:

Das Mittelbewußtsein wird überhaupt im Ganzen zu wenig beachtet./ Es ist das ungeheuerste Gebiet des Seelen- und Geisteslebens; von da aus steigen die Elemente ununterbrochen in Bewußte auf oder sinken in Unbewußte hinab./ Das Mittelbewußtsein steht ununterbrochen zur Verfügung. Auf seine Fülle, seine Reaktionsfähigkeit kommt es vor allem an [...].[50]

Des Weiteren erläutert Schnitzler, dass zumeist ins Mittelbewusste verdrängt wird und nicht ins Unbewusste. Ein kleiner Impuls kann schon Ausschlag dafür geben, dass etwas Verdrängtes wieder an die Oberfläche gelangt. „Wäre das nicht der Fall“, so Schnitzler, „so gäbe es weder ein Denken noch eine seelische Entwicklung.“[51] Gerade diese flukturierenden Elemente aber machen uns als Persönlichkeit und Individuen aus. Die Triebe siedelt Schnitzler somit im Mittelbewusstsein an. Während sie bei Freud als sich im Unbewussten befindlich unantastbar sind, schweben sie bei Schnitzler knapp unter der Bewusstseinsgrenze: Sie sind dort mit gesellschaftlicher Kritik zu konfrontieren und machen somit eine Auseinandersetzung mit ihnen möglich.[52] Gerade diese dämmernden Elemente, die die Grade der Bewusstheit verfeinern, machen Schnitzlers Gegenkonzept aus. Unsere Triebe, Träume, Wünsche, die im Unterbewusstsein lagern, können durch Introspektion im Bewusstsein erfasst werden.[53] Die Deutungsarbeit, für die Freud die psychoanalytische Methode anbietet, wird bei Schnitzler vereinfacht. Schnitzler spricht den Menschen eine gewisse Scheu zu, in die emotionalen Tiefen einzutauchen. Wie oben erwähnt, obliegt aber die Gestaltung der Seele einem jeden Individuum selbst. Jeder kann also selbst seine Bewusstseinsgrenzen verschieben, um in sein Inneres Einsicht zu erhalten.[54]

Die Literatur spielt nun für den Entschlüsselungsprozess, um den unbewussten Regungen näher zu kommen, eine bedeutende Rolle. Es sei an Schnitzlers oft zitierte Passage aus Aphorismen und Betrachtungen erinnert: „Die Begrenzungen zwischen Bewußtem, Halbbewußtem und Unbewußtem so scharf zu ziehen, als es überhaupt möglich ist, darin wird die Kunst des Dichters vor allem bestehen.“[55]

Diese Aufgabe der „Grenzenziehung“ beschäftigt Schnitzler ganz besonders in der Traumnovelle. Er versucht, die verschiedenen Bewusstseinssphären in ihrer Manifestation im wirklichen Leben darzustellen, wobei es nicht immer gelingt (oder gelingen soll), die Übergänge nach Freud’scher Manier fein gezeichnet deutlich zu machen. Schnitzlers Werke können und sollen daher nicht ausschließlich und vorrangig nach den Freud’schen Maßstäben der Psychoanalyse entschlüsselt werden. Trotzdem geben die Grundsätze der Psychoanalyse die beherrschende Sicht auf das Werk an. Es handelt sich um eine sehr feinfühlige, präzise Sicht, die einen Einblick in die sehr persönlichen und tiefen Schichten seiner Figuren erlaubt. Die „emotionalen Barrieren“ und „schmerzhaften Einsichten [zu] überwinden“[56] – darin besteht die Aufgabe der Protagonisten seiner Werke. Sie werden zu aktiven „Verschiebern“ ihrer Bewusstseinsgrenzen. Somit gelangen sie zu den Einsichten, welche Ängste und Wünsche ihrem Handeln zugrunde liegen und so können sie diese selbst eliminieren, eben indem sie die Bewusstseinsränder verschieben und sich so Zugang zu ihren Ängsten und Wünschen verschaffen. Ein Mittel zur Bewusstmachung dieser Verschiebungen ist der Traum.

2.3 Traumdeutung

Freud veränderte die Sicht auf den Traum grundlegend. Der Traum war plötzlich Sinnbild für die Wahrheit unseres Inneren und nicht mehr mystische Botschaft aus dem Jenseits, von den Toten oder den Gottheiten. Schnitzler bezeichnete den Traum als einziges Medium, welches „sowohl Glücks- als auch Unglücksgefühle quasi chemisch rein darzustellen“[57] vermochte. Diese Eigenschaft macht den Traum so interessant, sowohl für den Wissenschaftler als auch für den Dichter.

2.3.1 Traumdeutung nach Freud

Das wohl bekannteste Werk Freuds ist Die Traumdeutung. Sie wurde 1899 fertig gestellt, auf Wunsch von Freud vom Drucker aber auf 1900 vordatiert. Die Traumdeutung war das Ergebnis akribischer Selbstaufzeichnung. Die Frage nach dem Wesen, Sinn und Inhalt der Träume glaubte er mit wissenschaftlicher Methode beantworten zu können.[58]

Freuds Modell der Traumdeutung enthält die These, dass der Traum jenseits des Bewusstseins entsteht (jedoch nicht nur im Unbewussten). Verschiedene Erinnerungen, Tagesreste und Erfahrungen unseres Lebens gelangen von der bewussten Erlebensebene ins Unbewusste. Dort werden sie zu Traumgedanken verarbeitet, wobei verborgene Wünsche, die im Bewusstsein gehemmt werden, zum Zuge kommen. Die Traumgedanken steigen dann ins Vorbewusste auf, wo sie als fertiger Traum produziert werden. Die Erinnerung an den Traum findet später im Bewusstsein statt. Auf diese Weise ermöglicht der Traum eine Verbindung von Bewusstsein zum Unbewussten.[59] So stellt Freud fest, „daß im Trauminhalt ein Material auftritt, welches man dann im Wachen nicht als zu seinem Wissen und Erleben gehörig anerkennt.“[60] Die Triebkraft des Traums ist dabei immer der Wunsch; „seine Unkenntlichkeit als Wunsch und seine vielen Sonderbarkeiten und Absurditäten rühren von dem Einfluß der psychischen Zensur her“[61].

Für die Deutung des Traums ist laut Freud besonders die Traumsymbolik hilfreich. Freud zählt 257 Traumsymbole, die mithilfe der Traumdeutung dechiffriert werden können und somit etwas über den wahren Gehalt des Traums aussagen. Die Symbole stehen auffällig oft für Teile des menschlichen Körpers, insbesondere Genitalien, aber auch für Familienmitglieder, Geburt und Tod, sowie jegliche sexuelle Akte.[62]

Die Traumsymbolik ist aber nur ein Mittel zur Entschlüsselung des Trauminhalts. Mittels Verdichtung, Verschiebung, Umkehrung, Rücksicht auf Darstellbarkeit und der Traumsymbolik kann dem latenten Traumgedanken näher gerückt werden.[63] Diese Traumarbeit beginnt im Unbewussten und findet im Vorbewussten ihren Abschluss.[64]

Nicht zuletzt ist auch die Reaktion des Träumers auf seinen eigenen Traum wichtiger Bestandteil der Traumarbeit. Nur der Träumende selbst hält den Schlüssel zur Dechiffrierung seines Traumes in Händen. Freies Assoziieren hilft „die Traumsprache in die Sprache des Wachlebens“[65] rückübersetzen. Dass heißt aber nicht, dass eine Wunscherfüllung stattgefunden haben muss, wenn der Träumer sich an den Traum erinnert. Der Zensur kann aber auf den Grund gegangen werden, wenn der Träumer freiwillig und losgelöst assoziiert.

Somit ist man der Entschlüsselung des Traums einen Schritt näher gekommen: Der manifeste Inhalt wurde teils aus Tagesresten (Vorbewusstes) bestimmt, teils aus dem Unbewussten mithilfe der Traumsymbolik dechiffriert und durch eine mögliche Zensur berücksichtigt.

Freuds Art, den Traum zu desillusionieren und zu deuten, war bahnbrechend und ermöglichte eine wissenschaftliche Betrachtung. Die Traumentstehung in jedem Einzelnen zu suchen und ihr eine Bedeutung zuzusprechen, ist Freuds eigentliches Verdienst. Im Zusammenhang mit der Psychoanalyse wurde vom Traum fortan als von der „Rede des Unbewussten“[66] gesprochen. Dass dies auch für die Literatur Konsequenzen haben musste, ist offensichtlich. Alt formuliert diesen Umbruch in dieser Literatur dichterisch: „[F]ortan haust nicht nur die Sprache im Traum, sondern ebenso der Traum in der Sprache.“[67]

2.3.2 Schnitzler und der Traum

Worbs sieht Schnitzlers Träume in seinen Werken „im Sinne der Psychoanalyse ‚korrekt’ gebildet, wenn sie auch im ästhetischen Niveau inkommensurable Größen darstellen.“[68] Doch Schnitzler gelang es, diese „inkommensurablen Größen“ als den „Traum in der Sprache“ in der Literatur beschreibbar zu machen. Noch bevor er damit jedoch anfing, beschäftigte er sich - wie Freud - mit seinen eigenen Träumen.

Die ersten Aufzeichnungen seines Traumtagebuches stammen aus dem Jahr 1875. Seinen Höhepunkt erreichen seine Aufzeichnungen im Jahr 1922, in dem er 71 Träume aufzeichnete. Insgesamt sind in seinem Nachlass über 400 Traumaufzeichnungen zu finden.[69] Die „Reaktion seines Unbewussten“[70] verwendet Schnitzler, um Inspiration für seine Werke zu erhalten. So fallen in die Zeit der höchsten Traumaufzeichungsfrequenz unter anderem die Produktion von Fräulein Else und der Traumnovelle.

Während Worbs und Urban behaupten, Schnitzler bediene sich bei der Analyse seiner Träume der Freud’schen Methode – so sieht Worbs eine Analyse der Tagesreste, welche im Freud’schen Sinne im Traum weitergeführt werden[71] -, beobachtet Perlmann, dass in Schnitzlers Deutung wichtige Elemente Freud’scher Traumdeutung fehlen. So stimmt sie der Tagesreste-These zwar zu, bemerkt aber das Fehlen der „Offenlegung des unbewussten Wunsches, der im Traum befriedigt wird, der Hinweis auf Traumgesetze wie Verdichtung, Verschiebung und Darstellung durch Symbole, vor allem aber der Rückbezug auf Infantile Wurzeln“[72]. Behariell setzt dieser These Schnitzlers Drama Schleier der Beatrice (1899), in dem das Motiv der Wunscherfüllung als Traumfunktion explizit angesprochen wird, entgegen: „Doch träume sind Begierden ohne Mut, / Sind freche Wünsche, die das Licht des Tags /Zurückjagt in die Winkel unserer Seele, / Daraus sie erst bei Nacht zu kriechen wagen.“[73] Auch wenn die Wunscherfüllungstheorie Freuds von vielen Seiten kritisiert wurde, Schnitzler akzeptierte sie.

Auch Schrimpf stellt Unterschiede in der Traumdeutung fest:

Die surrealistischen Zeichen der nächtlichen Abenteuer und die Bilder des Traums sind bei Schnitzler nicht nur kompensatorische individualpsychologische Reaktionen, sondern Erscheinungsformen eigengesetzlicher und objektiver Wirklichkeitsbereiche, in denen Welt als gegebene dem Menschen begegnet.[74]

Obwohl Schnitzler seine Träume hin und wieder auch in Freud’scher Manier interpretiert, werden diese Entwürfe wieder verworfen und eigene Wege konzipiert.[75] Doch wie sind diese eigenen Wege zu bewerten? Hat Schnitzler wichtige Elemente der Traumdeutung Freuds vorweggenommen?

Behariell nennt zum Beispiel Schnitzlers Skizze Frühlingsnacht im Seziersaal, die bereits 1880 - 20 Jahre vor der Traumdeutung Freuds - geschrieben wurde, um zu behaupten: „Er hat Freuds wertvollste Entdeckung vorweggenommen.“[76] Bereits bevor sich Freud in irgendeiner Weise zur Traumdeutung äußerte, stellte Schnitzler in dieser Erzählung fest, dass Träume überhaupt „eine rational erkennbare Bedeutung haben!“[77] Schnitzler gehe es vielmehr um diese rationale Erkenntnis, als den Traum im Detail deuten zu wollen.[78]

[...]


[1] Schnitzler, Arthur: Paracelsus. In: Ders. Die Dramatischen Werke. Erster Band. Gesammelte Werke. Frankfurt am Main: Fischer 1962, S. 465-498. Hier S. 498.

[2] Vgl. Farese, Giuseppe: Arthur Schnitzler. Ein Leben in Wien 1862-1931. München:

Beck 1999, S. 212. Im Folgenden zitiert als: Farese 1999, S. x.

[3] Schnitzler, Arthur: Aphorismen und Betrachtungen, hg. Von Robert O. Weiss. Frankfurt am Main: Fischer 1976, S. 455. Im Folgenden zitiert als: Aphorismen und Betrachtungen, S. x.

[4] Beide Formulierungen nach: Scholz, Gerda: Bewusstsein und Wirklichkeit. Zur spätzeitlichen Figur im Werk Arthur Schnitzlers. Inaugural-Dissertation zu Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg. Freiburg: o.V. 1970, S. 58. Im Folgenden zitiert als: Scholz 1970, S. x.

[5] Wunberg, Gotthart: Fin de siècle in Wien. Zum bewußtseinsgeschichtlichen Horizont von Schnitzlers Zeitgenossenschaft. In: Arthur Schnitzler, hg. von Heinz Ludwig Arnold. München: Text und Kritik 1998 (= Text und Kritik 138/139), S. 123-136. Hier S. 124. Im Folgenden zitiert als: Wunberg 1998, S. x.

[6] Schnitzler, Arthur: Tagebuch. 1920-1922. Unter Mitwirkung von Peter Michael Braunwarth. u.a., hg. von der Kommission für literarische Gebrauchsformen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Obmann: Werner Welzig. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1993, S. 66. Im Folgenden zitiert als: Tagebuch 1920-1922, S. x.

[7] Freud, Sigmund: Briefe an Arthur Schnitzler, hg. und kommentiert von Heinrich Schnitzler. In: Neue Rundschau 66 (1955), H.1, S. 95-106. Hier S. 97. Im Folgenden zitiert als: Briefe an Arthur Schnitzler, S. x.

[8] Zu den verschiedenen Darstellungen ihrer Beziehungen vgl. Perlmann, Michaela: Der Traum in der literarischen Moderne. Untersuchungen zum Werk Arthur Schnitzlers. München: Fink 1987 (= Münchner germanistische Beiträge 37), S. 16f. Im Folgenden zitiert als: Perlmann 1987b, S. x.

[9] Vgl. Behariell, Frederick J.: Schnitzler: Freuds Doppelgänger. In: Literatur und Kritik 2 (1967), S. 546-555. Hier S. 546. Zitat: ebd. Im Folgenden zitiert als: Behariell 1967, S. x.

[10] Vgl. Behariell 1967, S. 547.

[11] Vgl.ebd., S. 548. Vgl. auch Kapitel 2.3.2 .

[12] Weinzierl, Ulrich: Arthur Schnitzler. Lieben. Sterben. Träumen. Frankfurt am Main: Fischer 1994. Hier S. 80. Im Folgenden zitiert als: Weinzierl 1994, S. x.

[13] Perlmann 1987b, S. 17.

[14] Farese 1999, S. 265.

[15] Vgl. Perlmann 1987b, S. 20f. Auch diese These legt einen Unterschied in der Methode zugrunde.

[16] Keller, Ursula: Böser Dinge hübsche Formel. Das Wien Arthur Schnitzlers. Frankfurt a.M.: Fischer 2000. Hier S. 146. Im Folgenden zitiert als: Keller 2000, S. x.

[17] Beispielhafter Vertreter dieser Meinung ist Peter-André Alt. Vgl. Alt, Peter-André: Der Schlaf der Vernunft. Literatur und Traum in der Kulturgeschichte der Neuzeit. München: Beck 2002. Hier S. 345f. Im Folgenden zitiert als: Alt 2002, S. x.

[18] Weinzierl 1994, S. 81.

[19] Freud spricht von der „Differenz der Begabung“ (Briefe an Arthur Schnitzler, S. 97), die ja eine unterschiedliche Methode jeweils in der Medizin und der Literatur nötig macht. Vgl. auch Kapitel 2.3.2 zur Unterschiedlichkeit der Methode in der Traumdeutung.

[20] Einer chronologischen Widersprüchlichkeit bin ich mir dabei bewusst. Auch wenn Die Traumdeutung (1900) vor der Psychoanalyse (1910 und 1916/17) veröffentlicht wurde, so ist der Inhalt der Traumdeutung doch viel spezieller und themengebundener, das Werk der Psychoanalyse umfasst eine allgemeinere Darstellung des Seelenlebens und ist weitreichender als die Traumdeutung. Da das Spezielle (Traum) im Rahmen dieser Arbeit wichtiger ist als das Allgemeine (Psychoanalyse), findet die folgende Reihenfolge ihre Rechtfertigung.

[21] Pongs, Hermann: Psychoanalyse und Dichtung. In: Literatur und Psychoanalyse. Ansätze zu einer psychoanalytischen Textinterpretation. Dreizehn Aufsätze, hg. von Wolfgang Beutin. München: Nymphenburger 1972 (= Nymphenburger Texte zur Wissenschaft 7), S. 100-136. Hier S. 131. Ergänzung von der Autorin. Im Folgenden zitiert als: Pongs 1972, S.x.

[22] Vgl. Perlmann, Michaela: Arthur Schnitzler. Stuttgart: Metzler 1987 (= Realien zur Literatur 239), S. 136. Im Folgenden zitiert als: Perlmann 1987a, S. x.

[23] Schnitzler: Über Psychoanalyse, S. 280.

[24] Imboden, Michael: Die surreale Komponente im erzählenden Werk Arthur Schnitzlers. Bern u.a.: Lang 1971, S. 12. Im Folgenden zitiert als: Imboden 1971, S. x.

[25] Keller 2000, S. 122.

[26] Einer, der Schnitzler zu den Surrealisten zählt, ist Imboden (vgl. Imboden 1971, S. 10).

[27] Waldberg, Patrick: Der Surrealismus 1922-1942. Einleitung zum Ausstellungskatalog. München: Haus der Kunst 1972, S. 13f. Im folgenden zitiert als: Waldberg 1972, S. x.

[28] Schulz 1981, S. 10. Hier angelehnt an Breton.

[29] Keller 2000, S. 150.

[30] Magris, Claudio: Arthur Schnitzler und das Karussell der Triebe. In: Arthur Schnitzler in neuer Sicht, hg. von Hartmut Scheible. München: Fink 1981, S. 71-75. Hier S. 72. Im Folgenden zitiert als: Magris 1981, S. x.

[31] Vgl. ebd.

[32] Ebd., S. 73.

[33] Beides Pongs 1972, S. 132.

[34] Freud, Sigmund: Die Traumdeutung. o.O. : Fischer 1961, S. 417. Im Folgenden zitiert als: Traumdeutung, S. x.

[35] Vgl. Alt 2002, S. 319.

[36] Vgl. Perlmann 1987b, S. 37.

[37] Die von Freud vorgenommene Einteilung der Psyche in Ich, Über-Ich und Es soll hier ausgespart werden, da sie für die Beschreibung der Triebwelt zwar bedeutend sind, den Umfang dieser Arbeit aber übersteigen würden. Schnitzler bemerkte zu dieser Einteilung Freuds 1924: „Die Trennung in Ich, Überich und Es ist geistreich, aber künstlich.“ (Schnitzler, Arthur: Über Psychoanalyse. In: Protokolle, hg. von Urbach, Reinhard. Wiener Halbjahresschrift für Literatur, bildenden Kunst und Musik. H.2: 1976. München: Jugend und Volk 1976, S. 277-284. Hier S. 283. Im Folgenden zitiert als: Schnitzler: Über Psychoanalyse, S. x).

[38] Vgl. Traumdeutung, S. 415.

[39] Vgl. Alt 2002, S. 319.

[40] Vgl. Schnitzlers Tagebucheinträge vom 14.11.1913 und dem 9.1.1914 (Schnitzler, Arthur: Tagebuch. 1913-1916. Unter Mitwirkung von Peter Michael Braunwarth. u.a., hg. von der Kommission für literarische Gebrauchsformen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Obmann: Werner Welzig. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1983. Hier S. 74f. und S. 90f. Im Folgenden zitiert als: Tagebuch 1913-1916, S. x.) Auch in späteren Jahren diskutierte er noch angeregt über dieses Thema: Bemerkung aus Tagebuch: 28.4.1916: „über Wachträume- Psychoanalytik- Freud, Irrtümer der Richtung“ (S. 282). Zwischen 1904 und 1925 schrieb Schnitzler an einer Notizensammlung unter dem Titel Über Psychoanalyse. Schnitzler rezipierte Freuds Werke immer in ihrer aktuellen Fassung und ihm entging keine Neuveröffentlichung (vgl. Alt 2002, S. 345).

[41] Schnitzler: Über Psychoanalyse, S. 281. Vgl. daraus Kapitel „Psychologische Literatur“.

[42] Vgl. Lantin, Rudolf: Traum und Wirklichkeit in der Prosadichtung Arthur Schnitzlers. Inauguraldissertation. Köln: o.V. 1958, S. 13. Im Folgenden zitiert als: Lantin 1958, S. x.

[43] Vgl. Schnitzler, Arthur: Briefe 1913- 1916, hg. von Peter Michael Braunwarth u.a. Frankfurt am Main: Fischer 1984, S. 35f. Im Folgenden zitiert als: Briefe 1913-1931, S. x.

[44] Schnitzler: Über Psychoanalyse, S. 277f.

[45] Worbs, Michael: Nervenkunst. Literatur und Psychoanalyse im Wien der Jahrhundertwende. Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt 1983, S. 253. Im Folgenden zitiert als: Worbs 1983, S. x.

[46] Keller 2000, S. 154.

[47] Vgl. ebd.

[48] Aphorismen und Betrachtungen, S. 454f.

[49] Ebd., S. 453.

[50] Schnitzler: Über Psychoanalyse, S. 283.

Thomé sieht darin eine Übernahme der Freud’schen Denkweise und keinen Neuentwurf. Denn auch Freud hat die Seele in oben und unten eingeteilt, die Seele als Behälter mit bewegenden Elementen betrachtet (vgl. Thomé, Horst: Die Beobachtbarkeit des Psychischen bei Arthur Schnitzler und Sigmund Freud. In: Arthur Schnitzler im zwanzigsten Jahrhundert, hg. von Konstanze Fliedl. Wien: Picus 2003, S. 51-66. Hier S. 60 Im Folgenden zitiert als: Thomé 2003, S. x.) Was Schnitzler aber gegenüber Freud betont, ist die Individualität dieser Konstruktion.

[51] Schnitzler: Über Psychoanalyse, S. 284.

[52] Vgl. Perlmann 1987a, S. 185.

[53] Vgl. Thomé 2003, S. 60f.

[54] Vgl. Schnitzler: Über Psychoanalyse, S. 284.

[55] Aphorismen und Betrachtungen, S. 455.

[56] Thomé 2003, S. 62.

[57] Schnitzler, Arthur. Tagebuch. 1909-1912. Unter Mitwirkung von Peter Michael Braunwarth. u.a., hg. von der Kommission für literarische Gebrauchsformen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Obmann: Werner Welzig. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1981, S. 234 (23.4.1911). Im Folgenden zitiert als: Tagebuch 1909-1912, S. x.

[58] Vgl. Perlmann 1987b, S. 48.

[59] Vgl. Alt 2002, S. 320f.

[60] Traumdeutung, S. 7.

[61] Ebd., S. 364.

[62] Vgl. Perlmann 1987b, S. 58f.

[63] Vgl. Traumdeutung, S. 364.

[64] Vgl. Alt 2002, S. 317.

[65] Battegay, Raymond: Die Traumdeutung nach Sigmund Freud. In: Traum und Träumen. Traumanalysen in Wissenschaft, Religion und Kunst, hg. von Therese Wagner-Simon und Gaetano Benedetti. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1984, S. 194-207. Hier S. 198. Im Folgenden zitiert als: Battegay 1984, S. x.

[66] Alt 2002, S. 330.

[67] Ebd. Diese Erkenntnis blieb Freud, so Alt, allerdings versagt, da er nur ein „konventionelles Dichtungsverständnis besaß“ (Alt 2002, S. 324).

[68] Worbs 1983, S. 257.

[69] Vgl. ebd., S. 210f.

[70] Perlmann 1987b, S. 25.

[71] Vgl. Worbs 1983, S. 219f.

[72] Perlmann 1987b, S. 29.

[73] Schnitzler, Arthur. Der Schleier der Beatrice. (1899) In: Ders.: Arthur Schnitzler. Gesammelte Werke: Die Dramatischen Werke. Bd. 1. Frankfurt am Main: Fischer 1962, S. 553-680. Hier S. 576. Vgl. auch Behariell 1967, S. 211.

[74] Schrimpf, Hans Joachim: Arthur Schnitzlers ‚Traumnovelle’. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 82 (1963), H.1, S. 180-192. Hier S. 188. Im Folgenden zitiert als: Schrimpf 1963, S. x.

[75] Vgl. Perlmann 1987b, S. 30.

[76] Behariell 1967, S. 549.

[77] Ebd.

[78] Vgl. ebd. Vgl. auch: Behariell, Frederick: Schnitzlers Anticipation of Freud’s Dream Theory. In: Monatshefte für Deutschunterricht. Jg. 45. 1953. S.81 ff.

Weitere Merkmale, die zum Vergleich herangezogen wurden, sind: Die „verborgenen Tiefen der Persönlichkeit, die verschiedenen Ebenen des Bewußtseins, die Herrschaft des Unbewußten über das Bewußte, Zweifel an der Willensfreiheit, das Wissen um die Bedeutung der Träume, der ungeheure Einfluß von Kindheitserlebnissen auf die Entwicklung und die psychologische Bedeutung sexueller Eindrücke.“ (Behariell 1967, S. 548)

Fin de l'extrait de 80 pages

Résumé des informations

Titre
Eine Analyse der verschiedenen Wirklichkeitsebenen in Arthur Schnitzlers Traumnovelle
Sous-titre
„Das Leben ein Traum – Der Traum ein Leben“
Université
RWTH Aachen University
Note
1,7
Auteur
Année
2012
Pages
80
N° de catalogue
V204978
ISBN (ebook)
9783656316213
Taille d'un fichier
962 KB
Langue
allemand
Mots clés
Schnitzler, Traumnovelle, Wirklichkeit, Freud, Wirklichkeitsebenen, Psychoanalyse, Traumforschung, fin de siecle, Dazwischen
Citation du texte
Jana Brueske (Auteur), 2012, Eine Analyse der verschiedenen Wirklichkeitsebenen in Arthur Schnitzlers Traumnovelle , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204978

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