Szene 1 im Lehrerzimmer: Zwei Kolleginnen beraten sich darüber, wie sie die kommende Weihnachtszeit in ihrer 3. Klasse gestalten können. Der Besuch des Weihnachtsmärchens wird befürwortet und auch Wichtelgeschenke im Wert von fünf Euro sollen unter den Kindern ausgetauscht werden.
Lehrerin A gibt zu bedenken, dass die Gesamtkosten von 15 Euro je Schüler nicht von allen getragen werden können. Sie erinnert daran, dass zwei Schülerinnen in Familien leben, die Hartz IV beziehen. Lehrerin B antwortet: „Aber es muss gehen! Wir haben so viel Schönes vor, da können wir nicht immer Rücksicht nehmen! Zur Not müssen eben die Ämter einspringen!“
Szene 2 im Klassenraum: Lehrerin B erinnert einige Schüler daran, dass das Geld für das Weihnachtsmärchen noch bezahlt werden muss. Explizit erinnert sie die beiden Schülerinnen an den ausstehenden Betrag und fragt, warum sie noch nicht bezahlt haben. Sie antworten mit einem Achselzucken. Lehrerin B halblaut zu Lehrerin A: „Habe ich mir doch gleich gedacht, dass das wieder nicht klappt!“
Diese zwei kurzen Szenen zeigen, was Kinder aus armen Familien in Schulen erleben können: Überforderung durch Situationen, die sie selbst nicht beeinflussen können, direkte und indirekte Erinnerungen an ihre von Armut geprägt Lebenssituation, Bloßstellung und eine mangelnde Bereitstellung von Hilfen – dies alles trägt dazu bei, dass diese Kinder ihre Lebensumstände nicht einmal mental verlassen können. Sie werden durch die Armut doppelt benachteiligt: durch die Armut ihrer Familie und durch ein Schulsystem, das nicht adäquat auf ihre Bedingungen eingeht.
Ein gerechtes Schulsystem, das die Benachteiligung der Schüler durch Armut erkennt und auszugleichen versucht, muss deshalb andere Wege beschreiten. Wie diese Wege aussehen können, soll die folgende Arbeit zeigen. Zuvor muss das Thema „Armut“ in gesellschaftlicher und individueller Hinsicht analysiert werden, um die richtigen Maßnahmen ableiten zu können.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Kinderarmut als gesellschaftliches Problem
- Folgen von Kinderarmut
- Das deutsche Schulsystem und die soziale Ungleichheit
- Schule und primäre Herkunftseffekte
- Schule und sekundäre Herkunftseffekte
- Konsequenzen für die Schul- und Unterrichtsentwicklung
- Konsequenzen für die pädagogische Entwicklung von Schule
- Konsequenzen für die Organisation von Schule und Bildungsangeboten
- Konsequenzen für die Arbeit und die Ausbildung der Lehrer
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Folgen von Kinderarmut auf das deutsche Schulsystem und erörtert, welche Maßnahmen notwendig sind, um diese Benachteiligung zu überwinden. Dabei werden sowohl die gesellschaftlichen Ursachen und Auswirkungen von Kinderarmut betrachtet als auch die Rolle des Schulsystems bei der Reproduktion sozialer Ungleichheit.
- Kinderarmut als gesellschaftliches Problem und ihre Auswirkungen auf die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen
- Die Rolle des deutschen Schulsystems bei der Reproduktion von sozialer Ungleichheit durch primäre und sekundäre Herkunftseffekte
- Die Bedeutung der „Pädagogik der Vielfalt“ und der „egalitären Differenz“ für ein gerechtes Schulsystem
- Konsequenzen für die Organisation und Gestaltung von Schule und Unterricht, um Kinderarmut zu bekämpfen
- Die Bedeutung einer fundierten Lehrerbildung und einer respektvollen Haltung gegenüber benachteiligten Schülern
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die alltäglichen Erfahrungen von Kindern aus armen Familien in der Schule, die durch Überforderung und Diskriminierung geprägt sind. Das zweite Kapitel analysiert Kinderarmut als gesellschaftliches Problem, das tiefgreifende Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hat. Das dritte Kapitel zeigt die Folgen von Kinderarmut im materiellen, kulturellen und sozialen Bereich auf. Das vierte Kapitel untersucht die Rolle des deutschen Schulsystems bei der Reproduktion sozialer Ungleichheit, indem es die primären und sekundären Herkunftseffekte analysiert, die sich durch die frühen Selektionsmechanismen und die schichtspezifische Einschätzung des Leistungspotentials durch Eltern und Lehrer verstärken. Das fünfte Kapitel erörtert verschiedene Konsequenzen für die Schul- und Unterrichtsentwicklung, um den Folgen von Kinderarmut entgegenzuwirken.
Schlüsselwörter
Kinderarmut, soziale Ungleichheit, Schulsystem, Bildung, Herkunftseffekte, Pädagogik der Vielfalt, egalitäre Differenz, Inklusion, Ganztagsschule, Lehrerbildung, Kompetenzarmut, Bildungsarmut, Resilienzförderung.
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2011, Armut als Heterogenitätsdimension. Zur doppelten Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204987