Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Kapitel I: Begriffsklärungen
I. 1: Das Konzept der Sozialisation in der Soziologie
I. 2: Fremd- und Selbstsozialisation in der Sozialpädagogik
I. 3: Mediale Selbstsozialisation
Kapitel II: Mediale Selbstsozialisation
II. 1: Entstehungsgeschichte der Theorie
II. 2: Betroffene Instanzen im Prozess der Sozialisation
II. 2. 1: Sozialisanden
II. 2. 2: Sozialisatoren
II. 3: Perspektiven der Theorie
Kapitel III: Kritik
Resümee
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
Die vorliegende Arbeit soll der Frage nachgehen, inwieweit sich das soziologische Konzept der Sozialisation in der Sozialpädagogik als tragfähig erweisen kann. Schon die Begründer der Soziologie befassten sich mit der gesellschaftlichen Integration von Individuen - dem Prozess der Sozialisation. Und auch, wenn sich die beiden Wissenschaften der Soziologie und der Sozialpädagogik sehr nahe stehen, so gilt es doch zu untersuchen, ob dieses von den Soziologievätern begründete Konzept problemlos in der Sozialpädagogik seine Anwendung finden kann.
Hierzu werden zunächst die Sozialisationsbegriffe der soziologischen wie sozialpädagogischen Disziplin näher erläutert (Kapitel I).
Im weiteren Verlauf soll dann der Fokus auf die mediale Selbstsozialisation gelegt werden (Kapitel II), wobei speziell zu dieser Theorie auf die Entstehungsgeschichte eingegangen werden soll (II. 1), bevor die betroffenen Instanzen im Prozess der Sozialisation im Einzelnen untersucht werden(II. 2). Um das Kapitel zu schließen soll dann kurz die weitere Zukunftsperspektive kurz dargestellt werden(II. 3).
Bevor die eingangs im Titel erwähnte Frage zu beantworten versucht werden soll, gilt es noch, die Theorie der medialen Selbstsozialisation zu hinterfragen und dabei auf bestehende Kritikpunkte einzugehen(Kapitel III).
Ein darauffolgendes Resümee soll dann mit der Beantwortung der Forschungsfrage die Arbeit thematisch abschließen.
Kapitel I: Begriffsklärungen
I.1: Das Konzept der Sozialisation in der Soziologie
Das Konzept der Sozialisation findet seinen Ursprung bereits in den Kinderschuhen der Soziologie, genauer bei Emile Durkheim. Dieser verstand unter dem Prozess der Sozialisation alle „Einwirkungen der Erwachsenengeneration auf diejenigen, die noch nicht reif sind für das Leben in der Gesellschaft.“[1] Es gilt in der Sozialisation also, das Individuum in die Gesellschaft zu integrieren, und zwar mit Hilfe der Gesellschaft selbst. Die zu sozialisierenden Individuen werden hierbei als Sozialisanden bezeichnet, die integrierenden Gesellschaftsmitglieder als Sozialisatoren. Erstere nehmen also eine passive Rolle ein, zweitere eine aktive. Zur Integration der Sozialisanden gehören vor allem die Übernahme gesellschaftlicher Werte, Normen, sowie Handlungsmuster[2] - Diese Internalisierung muss soweit stattfinden, bis diese gesellschaftlichen Institutionen als die eigenen angesehen werden. Danach kann auch der Sozialisand zum Sozialisator werden.
Diese Perspektive Durkheims ist, geschuldet ihrer frühen Entstehung und ohne die Möglichkeit sich auf bereits Erforschtes zu berufen sehr einfach gestaltet. Die Sozialisation endet nicht mit der gesellschaftlichen Integration, und der zum Sozialisator gewordene Sozialisand hat seine Rolle nicht eins-zu-eins getauscht. Vielmehr ist das Individuum ständig beides. Da es allerdings den Rahmen sprengen würde, auf jeden Soziologen, der sich zum Sozialisationsprozess geäußert hat einzugehen, soll hier lediglich noch auf das eher sozialanthropologische als soziologische Theoriegebilde Dieter Claessens eingegangen werden, um einen Eindruck der Komplexitätszunahme des Sozialisationsprozesses im Laufe der Zeit und des weiteren Forschens auf diesem Themengebiet zu erhalten.
Dieser beschreibt drei Phasen, innerhalb derer der Prozess der Sozialisation vonstattengeht. Als erstes steht dort die Phase der Soziabilisierung. Dabei im Fokus steht vor Allem die Entwicklung einer eigenen Identität des Individuums. Hierzu werden allgemeine Kategorien eines Weltverständnisses, eine emotionale Fundierung, sowie ein sozialer Optimismus geschaffen, wodurch neben der Identitätsbildung auch eine soziale Fixierung stattfindet.[3] In einer zweiten Phase findet eine Enkulturation statt. Hier findet sich eine direkte Überschneidung mit Durkheims erstem Ansatz: die Internalisierung kulturspezifischer Normen, Werte und Handlungsmuster. Weiterhin werden, so Claessens, notwendige Fähigkeiten zur Beherrschung dieser kulturellen Praktiken übernommen.[4]
Die dritte und letzte Phase dreht sich um die sekundäre soziale Fixierung. Hier gilt es direkt auf den lebenslangen Prozess hinzuweisen, der durch jede Integration eines Individuums in ein neues soziales System initiiert wird - also eine unmittelbare Differenz zur Theorie Durkheims. Des Weiteren beschreibt Claessens in dieser Phase eine Übernahme bestimmter sozialer Rollen und weist auf eine aktivere Rolle des vormals passiven Sozialisanden hin. Zuletzt werden Initiationsrituale als Symbolik für den Beginn, bzw. das Ende von Sozialisationsphasen angemerkt.[5]
I.2:Fremd- und Selbstsozialisation in der Sozialpädagogik
Auch in der Sozialpädagogik fand die Sozialisationstheorie ihren Einzug. Jedoch findet sich hier viel stärker als in anderen Disziplinen, welche sich mit dem Sozialisationsprozess beschäftigen, eine Differenzierung zwischen Fremd- und Selbstsozialisation. Zwar findet man mit Niklas Luhmann einen Soziologen, der sich ebenfalls mit der Thematik der Selbstsozialisation befasst hat[6], jedoch fußt dieses Konzept auf den theoretischen Überlegungen des Erziehungswissenschaftlers Jürgen Zinnecker. Diese lassen sich in vier Standpunkten prägnant zusammenfassen[7]:
Erstens, so Zinnecker, gewinnt die Selbstsozialisation immer mehr an Bedeutung, während die von Fremdsozialisation kontinuierlich sinkt. Während früher die Sozialisation nur durch bewusstes und gezieltes pädagogisches Handeln stattfand[8], so wird der pädagogische Wille heute mehr und mehr ausgeklammert und die Sozialisation findet immer mehr im außerpädagogischen Raum statt, wodurch es zu einer Entpädagogisierung der Sozialforschung kommt.
Zweitens sind Fremd- und Selbstsozialisation zwar zwei entgegengesetzte Pole, dennoch sind sie mittelbar miteinander verbunden. Ändert sich eine Seite, so hat dies auch Konsequenzen für die andere.
Drittens sieht Zinnecker bspw. ein Kind nicht mehr als Teil des Systems Schule, sondern als ein eigenes personales System.[9] Durch diesen Paradigmenwechsel ist es Zinnecker jetzt aber möglich zu behaupten, dass jede Sozialisation Selbstsozialisation sei.
Viertens stellt Zinnecker eine Bedeutungszunahme der Beeinflussung durch peers verglichen mit dem Einfluss der Familie im Prozess der Sozialisation heraus. Er spricht hierbei von einer gruppenbezogenen Selbstsozialisation, welche gegenseitig innerhalb der peer-group, also gänzlich ohne den Einfluss älterer Generationen stattfindet.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in der Fremdsozialisation Lernen durch Modelle, Instruktionen, Belehrungen und soziale Bestätigung erfolgt, wohingegen es bei der Selbstsozialisation durch eine selbstständige Konfrontation mit der Umwelt, durch eigenes Handeln, Einsicht und eine eigenverantwortliche Integration stattfindet.
[...]
[1] Vgl. Durkheim 1973, S. 50
[2] Vgl. Scherr/Peuckert 2002, S. 321
[3] Vgl. Claessens 1962, S. 58f
[4] Vgl. Claessens 1962, S. 60
[5] Vgl. Claessens 1962, S. 60f
[6] Vgl. Krause 2005, S. 226
[7] Vgl Zinnecker 2001, S. 17ff
[8] Vgl. mit der in Kapitel I. 1 genannten Theorie Durkheims
[9] Zinnecker formuliert hier seine These mit einer ähnlichen Diktion wie Luhmann, übernimmt aber nicht eins zu-eins dessen Systembegriffe. Dennoch ist diese Assimilation der Begrifflichkeiten beabsichtigt, da er an Luhmanns Verständnis von Selbstsozialisation anknüpft.