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Eine Untersuchung zu den Spracheinstellungen bezüglich der dialektalen Sprachverwendung am Beispiel des sozialen Online-Netzwerks Facebook


Examination Thesis, 2012

98 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

I. Ausgangslage

1. Einleitung

2. Forschungsfrage und Hypothesenbildung

3. Forschungsstand

II. Theoretische Grundlagen

4. Computervermittelte Kommunikation im Internet
4.1. Geschichte, Begriffe, Merkmale
4.2. Differenzierung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit
4.3. Soziale Kommunikation im Internet: Netzwerkplattformen
4.3.1. Facebook - Grundlagen
4.3.2. Kommunikative Praktiken auf Facebook

5. Forschungsfeld Dialekt
5.1. Schwerpunkte in der Entwicklung der Dialektologie
5.2. Dialektverwendung und Dialektbewertung
5.3. Dialekteinteilung

6. Synthese: Dialektologie und computervermittelte Kommunikation

III. Empirische Untersuchung der Einstellungen gegenüber einem dialektalen Sprachgebrauch bei Facebook

7. Methodisches Vorgehen
7.1. Forschungsdesign
7.2. Messinstrument
7.3. Datenkontrolle und Datenprobleme
7.4. Datenauswertung

8. Ergebnisse der empirischen Untersuchung
8.1. Deskriptive Analyse
8.1.1. Verteilung der Teilnehmer
8.1.2. Dialektgewohnheiten der Teilnehmer
8.1.3. Dialektaler Sprachgebrauch bei Facebook
8.1.4. Spracheinstellungen zum dialektalen Sprachgebrauch bei Facebook
8.2. Diskussion der Untersuchungsergebnisse und Hypothesenprüfung
8.2.1. F1: Dialektaler Sprachgebrauch bei Facebook
8.2.2. F2: Gründe und Faktoren für die Dialektverwendung bei Facebook
8.2.3. F3: Bewertung des dialektalen Sprachgebrauchs bei Facebook
8.2.4. F4: Bedeutung der Dialektverwendung bei Facebook für die gesprochene Sprache

IV. Resümee

9. Zusammenfassung

10. Fazit und Ausblick

V. Literaturverzeichnis

VI. Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Gesamtschema des Konzeptes Mündlichkeit und Schriftlichkeit nach Koch/Oesterreicher

Abb. 2: Die Gliederung der deutschen Dialekte nach Wiesinger (aus: Besch 1983, 830)

Abb. 3: Verteilung für die Herkunft nach Bundesländern

Abb. 4: Verteilung für die Herkunft nach Sprachraum

Abb. 5: Häufigkeit der Teilnehmer in Bezug auf die EWZ ihres Herkunftsortes

Abb. 6: Verteilung nach Geburtsjahr

Abb. 7: Verteilung für die Entscheidung nach Dialektsprecher/ Nicht-Dialektsprecher

Abb. 8: Verteilung für die Entscheidung nach der Dialektkompetenz

Abb. 9: Repräsentation der einzelnen Dialekte der Dialektsprecher

Abb. 10: Verteilung der Dialektsprecher nach niederdeutschem Sprachraum

Abb. 11: Verteilung der Dialektsprecher nach mitteldeutschem Sprachraum

Abb. 12: Verteilung der Dialektsprecher nach oberdeutschem Sprachraum

Abb. 13: Mittelwerte für Dialektgebrauch nach Verwendungssituation

Abb. 14: Verteilung für Frage mehr Dialekt/mehr Hochsprache

Abb. 15: Verteilung für Faktor mehr Dialekt/mehr Hochsprache nach niederdeutschem Sprachraum

Abb. 16: Verteilung für Faktor mehr Dialekt/mehr Hochsprache nach mitteldeutschem Sprachraum

Abb. 17: Verteilung für Faktor mehr Dialekt/mehr Hochsprache nach oberdeutschem Sprachraum

Abb. 18: Verteilung für die persönliche Dialektsympathie

Abb. 19: Verteilung für das angenommene Meinungsbild

Abb. 20: Mittelwerte für Gründe des Dialektsprechens

Abb. 21: Verteilung des Dialektgebrauchs bei Facebook

Abb. 22: Verteilung der Häufigkeit des Dialektgebrauchs bei Facebook

Abb. 23: Mittelwerte für die Dialektnutzung nach den kommunikativen Praktiken

Abb. 24: Mittelwerte der Einflussfaktoren auf einen dialektalen Sprachgebrauch bei Facebook

Abb. 25: Verteilung der Antworten für den Einflussfaktor: Kommunikationspartner spricht

meinen Dialekt

Abb. 26: Mittelwerte für Häufigkeit der Dialektverwendung in Abhängigkeit zu verschiedenen Einflussfaktoren

Abb. 27: Verteilung für Häufigkeit einer bewussten Verwendung des Dialektes bei Facebook

Abb. 28: Mittelwerte für die Gründe eines dialektalen Sprachgebrauchs bei Facebook

Abb. 29: Verteilung Wahrnehmung eines dialektalen Sprachgebrauchs bei Facebook

Abb. 30: Verteilung für fehlende Wahrnehmung dialektaler Sprache bei Facebook nach Sprachraum

Abb. 31: Verteilung für fehlende Wahrnehmung dialektaler Sprache bei Facebook nach Entscheidung Dialektsprecher

Abb. 32: Verteilung für die Bewertung eines dialektalen Sprachgebrauchs bei Facebook für alle Dialektnutzer

Abb. 33: Verteilung für die Bewertung eines dialektalen Sprachgebrauchs bei Facebook für seltene Dialektnutzer

Abb. 34: Verteilung für die Bewertung eines dialektalen Sprachgebrauchs bei Facebook für häufige Dialektnutzer

Abb. 35: Mittelwerte für Aussagen über Dialektnutzer

Abb. 36: Verteilung: Dialektnutzung bei Facebook negativ aufgefallen für alle Befragten

Abb. 37: Verteilung: Dialektnutzung bei Facebook negativ aufgefallen für Dialektsprecher

Abb. 38: Verteilung: Dialektnutzung bei Facebook negativ aufgefallen für Nicht-Dialektsprecher

Abb. 39: Mittelwerte für die Angemessenheit dialektaler Sprache in den verschiedenen kommunikativen Praktiken

Abb. 40: Mittelwerte für situative Angemessenheit der Dialektnutzung

Abb. 41: Verteilung der Meinungen zu einer Dialektverbreitung in der Zukunft

Abb. 42: Verteilung der Meinungen zum Einfluss der Dialektnutzung bei Facebook auf den mündlichen Sprachgebrauch

Abb. 43: Korrelationsmatrix für Dialektnutzung privat - Dialektnutzung bei Facebook

Abb. 44: Korrelationsmatrix für Nutzungshäufigkeit dialektaler Sprache bei Facebook - Bewertung eines dialektalen Sprachgebrauchs bei Facebook

Abb. 45: Korrelationsmatrix Persönliche Dialektsympathie - Bewertung eines dialektalen Sprachgebrauchs bei Facebook

Abb. 46: Online-Umfrage zu Spracheinstellungen gegenüber dialektaler Sprache bei Facebook (gekürzt)

Abb. 47: Verteilung der Teilnehmer nach Geschlecht

Abb. 48: Verteilung Fehlende Dialektkompetenz nach Sprachraum

Abb. 49: Verteilung Entscheidung Dialektsprecher nach Größe des Herkunftsortes

Abb. 50: Mittelwerte für Dialektgebrauch nach Altersgruppen

Abb. 51: Entscheidung Dialektsprecher nach Geschlecht

Abb. 52: Verteilung der Gewichtung von Dialekt und Schriftstandard in der Facebook- Kommunikation

Abb. 53: Vergleich Mittelwerte der Gründe für dialektalen Sprachgebrauch in mdl Kommunikation und bei Facebook

Abb. 54: Zusammenhang zwischen persönlicher Dialektbewertung und Beurteilung des Dialektgebrauchs bei Facebook

Abb. 55: Verteilung Angemessenheit des Dialektgebrauchs von kommunikativen Praktiken

Abb. 56: Verteilung der Dialektnutzer bei Facebook nach Sprachraum

Abb. 57: Gesamtverteilung der Befragten nach Sprachraum

Abb. 58: Verteilung der seltenen Dialektnutzer bei Facebook nach Größe der Ortschaft

Abb. 59: Verteilung der Nutzungshäufigkeit bei Facebook nach Geschlecht

Abb. 60: Korrelationsmatrix Nutzungshäufigkeit dialektaler Sprache bei Facebook - Auffälligkeit eines dialektalen Sprachgebrauchs bei Facebook

Abb. 61: Korrelationsmatrix Angemessenheit der Dialektverwendung - Häufigkeit der Dialektverwendung (nach kommunikativen Praktiken)

I. AUSGANGSLAGE

1. Einleitung

„Sprache ist ein, wenn nicht gar das wichtigste identitätsstiftende Kriterium, das die Zugehörigkeit des Sprechers zu einer klar abgrenzbaren Gruppe, Nation, Kultur oder Ethnie signalisiert“ (Huntington 1998, 99).

Mit diesem Eingangszitat umschreibt Huntington, seines Zeichens amerikanischer Politik- wissenschaftler, die Funktion von Sprache nicht nur als Mittel des individuellen Ausdrucks von Sprache, sondern vielmehr als Instrument der individuellen Verwirklichung, Positio- nierung und Kennzeichnung in der Gesellschaft. Auf diese Weise funktionieren auch Dia- lekte, die regionalen Varietäten einer Sprache, als identitätsstiftendes sprachliches Mittel. Gleichzeitig ist das Sprachverhalten geknüpft an Erwartungen, Urteilen und Kategorisie- rungen, die zu einer Bewertung und eben Einordnung eines Sprechers in eine Gruppe füh- ren. Je nachdem, wie die Wahrnehmung und Beurteilung der Sprache eines Kommunikati- onspartners ausfällt, steuern Sprecher ihr sprachliches Verhalten, indem beispielsweise auch sie entscheiden, im Dialekt zu sprechen. Demnach stellt die dialektale Sprachverwen- dung ein präsentes und relevantes Forschungsthema dar, insofern sowohl sprachliche Inter- aktionen sowie gesellschaftliche Prozesse durch eine dialektale Sprachverwendung geprägt sind.

So wie es nicht die eine Sprache des Deutschen in der mündlichen Kommunikation gibt, so herrscht ebenfalls Einigkeit darüber, dass es nur eine standardisierte Form der Schriftsprache gibt - die Standardvariet ä t, die als die zu wählende Varietät, die geschriebene Kommunikation bestimmt. Oder bestimmte?

In Anbetracht der technologischen Entwicklungen des vergangenen Jahrzehnts sind vor allem im Bereich der computervermittelten Kommunikation neue Kommunikationsräume und Kommunikationsträger geschaffen worden, die eine „stärker interaktive Nutzung“ (Tophinke 2008, 153) der Schriftlichkeit ermöglicht haben. Als einer der größten und be- deutendsten Kommunikationsräume im Internet hat sich dabei das soziale Online-Netzwerk Facebook formiert. Ähnlich dem mündlichen Sprachgebrauch gibt es also nicht mehr nur eine Schriftsprache, sondern durch die computervermittelte Kommunikation vielmehr eine Variationsbreite, die von Expertengesprächen in Foren hin zu privaten, umgangssprachlich markierten Dialogen reicht. Die Relevanz des Themas ist dabei nicht nur durch die Aktuali- tät der Entwicklungen der neuen Medien gegeben, sondern auch durch die Annahme, die computervermittelte Kommunikation könnte einen Wandel der Schriftkultur des Deutschen eingeleitet haben (vgl. Davies 2010, 389; Schlobinski 2005,7).

Insofern sollen in der vorliegenden Arbeit, diese beiden Aspekte - die dialektale Sprach- verwendung und die computervermittelte Kommunikation bei Facebook - in Verbindung gebracht werden. Verknüpfend wird untersucht, inwieweit die regionale Varietät als Merkmal des mündlichen Sprachgebrauchs in der computervermittelten Kommunikation bei Facebook Verwendung findet und welche Einstellungen Sprecher bzw. Nutzer gegenüber einer dialektalen Sprachverwendung bei Facebook haben.

Doch warum ist es überhaupt sinnvoll, die Spracheinstellungen gegenüber einem dialektalen Sprachgebrauch bei Facebook zu untersuchen? Vor allem unter dem Gesichtspunkt der Relevanz für den Spracherwerb, des Sprachverhaltens und der Entwicklung von Sprache und ihrer Varietäten - unter den Stichpunkten des Sprachwandels, der Destandardisierung und Renaturalisierung von Sprache, dem Dialektabbau und Sprachverfall - ist es lohnend, sich mit den Entwicklungen, die durch die neuen Kommunikationsformen bedingt, aufgetreten sind, eingehend zu beschäftigen.

Die Wahl dialektaler Sprache als Untersuchungsgegenstand hat dabei vor allem zwei Grün- de: Zum einen rührt das Forschungsinteresse aus den eigenständigen Beobachtungen, die vor allem in den letzten zwei Jahren hinsichtlich des Sprachgebrauchs bei Facebook getä- tigt wurden. Zum anderen verfolgt die Arbeit damit ein Untersuchungsanliegen, das in die- sem Kontext bislang nur wenig erforscht wurde, so dass nicht zuletzt auch ein Erkenntnis- gewinn angestrebt wird. Die Variation des Sprachgebrauchs selbst kann jedoch nicht „ohne Einstellungen und Einstellungen können nicht ohne Bezug auf Variation beschrieben wer- den“ (Tophinke/Ziegler 2006, 205). Es handelt sich hierbei also um ein enges Aufeinan- derwirken der verschiedenen Faktoren, da wiederum die Spracheinstellungen stark auf das Sprachverhalten einwirken.

Bevor die konkrete empirische Auseinandersetzung mit dem Thema erreicht ist, soll in Teil I zunächst die Einbettung der Arbeit in den Forschungskontext (3) und die Ausarbeitung der Forschungsfragen und Arbeitshypothesen in Kapitel 2 geleistet werden, um im An- schluss zu der Darstellung der für diesen Zusammenhang nötigen Theorie in Teil II der Arbeit kommen. Hier wird zunächst der Komplex der computervermittelten Kommunikati- on näher beleuchtet: Beginnend mit einem historischem Abriss der Entwicklungsgeschichte und der Klärung essentieller Termini (4.1.) wird anschließend der Fokus auf das Konzept der Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Zusammenhang mit der computervermittelten Kommunikation gelegt (4.2.). Zuletzt soll der Bogen zur sozialen Kommunikation über Online-Netzwerke geschlagen werden (4.3.). Am Beispiel von Facebook werden Grundla- gen der Funktionsweise (4.3.1.) und die kommunikativen Praktiken des Netzwerkes (4.3.2.) vorgestellt.

In einem zweiten theoretischen Block gilt es, das Forschungsfeld der Dialektologie einge- hender zu betrachten. Neben einer entwicklungsgeschichtlichen Zusammenfassung (5.1.) dient dieses Kapitel vor allem den Aspekten der Dialektverwendung und -bewertung (5.2.) vor dem Hintergrund der angestrebten Spracheinstellungserhebung. Abschließend soll versucht werden, eine Einteilung der Dialekte des Deutschen unter Zuhilfenahme verschiedener theoretischer Ansätze zu leisten.

Kapitel 6 bietet zusammenfassend die Verknüpfung beider theoretischer Komplexe und stellt dabei nochmals die wichtigsten Aspekte für die folgende empirische Untersuchung heraus.

Teil III der Arbeit beginnt mit dem Zwischenschritt von der Theorie zur Empirie in Kapitel

7. Neben der Vorstellung des grundlegenden Forschungsdesign (7.1.) beschäftigt sich das Kapitel explizit mit dem Messinstrument (7.2.): Das quantitative Vorgehen wird begründet, gefolgt durch allgemeine Vorbemerkungen zur Datenkontrolle bzw. Datenproblemen (7.3.) und Datenauswertung (7.4.).

Kapitel 8 nimmt sich die Auswertung der Umfrage vor und beginnt mit der deskriptiven Analyse in Kapitel 8.1. Dabei wird zunächst auf allgemeine Kennwerte der Zusammensetzung des Teilnehmerfeldes eingegangen (8.1.1.), um anschließend die Dialektgewohnheiten der Teilnehmer näher zu beleuchten (8.1.2.). Systematisch werden daraufhin alle weiteren Bestandteile der Befragung zum dialektalen Sprachgebrauch bei Facebook (8.1.3.) und der Bewertung dialektaler Sprache bei Facebook (8.1.4.) analysiert. Mit Hilfe der gängigen statistischen Werte, sowie Grafiken zur Darstellung der Verteilung werden die einzelnen Komponenten aufgegliedert und dem Umfang angemessen erläutert.

Eine umfassende Diskussion der Daten im Hinblick auf die formulierten Untersuchungshypothesen in Kapitel 8.2. soll die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit herausstellen und dient gleichzeitig dem Abschluss des empirischen Teils der Arbeit.

Teil IV dient schließlich einerseits der zentralen Zusammenfassung der Erkenntnisse der Erhebung in Kapitel 9. Andererseits lässt sich darüber hinaus eine Antwort bezüglich der Forschungsfragen und Hypothesen geben. In Kapitel 10 wird ein generelles Fazit gezogen sowie ein kurzer Ausblick auf künftige Analysen in diesem Forschungsbereich aufgezeigt.

2. Forschungsfragen und Hypothesenbildung

Wie bereits eingangs formuliert, besteht das Forschungsanliegen dieser Arbeit darin, die Spracheinstellungen der Facebook-Nutzer gegenüber einem dialektbehafteten Sprachgebrauch zu untersuchen. Dabei liegt der Schwerpunkt des Erkenntnisinteresses vor allem auf der Beantwortung der Fragen,

- inwieweit der Sprachgebrauch bei Facebook dialektal geprägt ist (F1),
- welche Faktoren und Gründe den Dialektgebrauch bestimmen (F2),
- wie der Dialektgebrauch bei Facebook bewertet wird (F3) und
- inwiefern sich die Nutzung dialektaler Sprache bei Facebook auf den mündlichen

Sprachgebrauch auswirkt (F4).

Die erste Frage (F1) ist vor allem dahingehend einträglich, da es sich bei einem Dialekt um eine sprachliche Varietät handelt, die ursprünglich im mündlichen Sprachgebrauch ange- siedelt ist. Die Kommunikation bei Facebook wiederum ist schriftbasiert, so dass ein Dia- lektgebrauch theoretisch nicht zu erwarten ist. Da jedoch die Kommunikation via Facebook nicht als schriftliche Kommunikation im ursprünglichen Sinn angelegt ist, lautet die erste Hypothese:

H0 Die Kommunikation bei Facebook ist zwar medial schriftlich, weist jedoch einen hinreichend hohen Grad an konzeptioneller Mündlichkeit auf.1

Daran anschließend kann davon ausgegangen werden, dass auch konzeptionell mündliche Elemente in den Sprachgebrauch einfließen, so dass wie folgt anzunehmen ist:

H1 Der Sprachgebrauch in der Facebook-Kommunikation ist ähnlich dem mündli- chen Sprachgebrauch dialektal geprägt.

Ähnlich dem Dialektgebrauch in der gesprochenen Sprache kann davon ausgegangen werden, dass auch ein dialektaler Sprachgebrauch bei Facebook abhängig von verschiedenen außersprachlichen Faktoren ist (F2). So können zum Beispiel die regionale Herkunft, Alter, die Sozialisierung mit Dialekten oder die Verwendungsintensität dialektaler Sprache, aber auch situative und individuelle Gründe für die Dialektnutzung mitverantwortlich sein. Dabei ist die Kommunikation bei Facebook nur ein Spiegel der Dialektnutzung im mündlichen Sprachgebrauch, so dass die Hypothese lautet:

H2 Der Dialektgebrauch eines Nutzers bei Facebook spiegelt seinen Dialektgebrauch im mündlichen Sprachgebrauch wider.

Demnach wird bei den Befragten eine ähnliche Verteilung für die Dialektnutzung in der gesprochenen Sprache und bei Facebook erwartet. Zudem wird zu überprüfen sein, inwie- weit der Dialektgebrauch abhängig von der eigenen bzw. öffentlichen Sympathie für den Dialekt ist.

Hinsichtlich der Verwendungsweise dialektaler Sprache bei Facebook ist unwahrscheinlich, dass der Dialekt genauso konsistent durchgehalten wird, wie im mündlichen Sprachge- brauch. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er von den Nutzern bewusst eingesetzt wird:

H3 Nutzer wechseln, ähnlich der gesprochenen Sprache zum Teil bewusst zwischen den sprachlichen Varietäten.

Dahingehend soll überprüft werden, inwieweit der dialektale Sprachgebrauch bei Facebook von den unterschiedlichen kommunikativen Praktiken abhängig ist. Dabei werden im Rah- men dieser Untersuchung nur die folgenden Kommunikationstools bei Facebook beleuch- tet: Statusmeldung, persönliche Nachricht, Kommentar und Pinnwandeintrag. Darüber hin- aus wird zu untersuchen sein, welche außersprachlichen Faktoren eine Dialektverwendung bei Facebook besonders begünstigen, da die Existenz eines situationsspezifischen Sprach- gebrauchs nicht zu bezweifeln ist.

Sprache hat, wie eingangs bemerkt, eine identitätsstiftende Funktion und lässt Rückschlüsse auf den Sprecher zu. Dabei unterliegt nicht nur der Inhalt, sondern auch die sprachliche Gestalt der Äußerung einer subjektiven Beurteilung des Rezipienten (F3). Die Impression Management-Theorie nach Tetlock und Manstead (1985) geht davon aus, dass Menschen eine Auswahl an verschiedenen Verhaltensstrategien haben und diese zielgerichtet nutzen, um ein gewisses Bild von sich in ihrem Umfeld zu erzeugen. Zu den verschiedenen Techniken zählen dabei auch assertive Strategien, indem z.B. Gemeinsamkeiten aufgezeigt werden, um so die soziale Beziehung zum Kommunikationspartner zu kräftigen (vgl. Tophinke/Ziegler 2006, 208). Daher lautet die Hypothese:

H4: Durch einen dialektalen Sprachgebrauch bei Facebook beeinflussen die Nutzer das Bild, das andere von ihm erhalten.

Darüber hinaus ist für die Dialektbewertung auch die Selbsteinschätzung der Sprecher eines Dialektes entscheidend. Ein gesundes Selbstbewusstsein zum Dialekt sorgt dafür, dass Sprecher diesen positiver beurteilen. Zudem ist anzunehmen, dass eine häufige Nutzung dialektaler Sprache im mündlichen Sprachgebrauch auch eine positive Bewertung dialekta- ler Sprache bei Facebook begünstigt. Grundsätzlich ist daher Folgendes anzunehmen:

H5 Die Spracheinstellungen zum Dialektgebrauch bei Facebook korrelieren mit den Dialektgewohnheiten im mündlichen Sprachgebrauch.

Des Weiteren ist davon auszugehen, dass bestimmte kommunikative Praktiken für bestimmte kommunikative Anlässe genutzt werden. So gilt bereits als erwiesen, dass es „eine Kovariation zwischen ernstem Modus und standardorientiertem Sprachgebrauch [und] zwischen ludischem Modus und der Präferenz nonstandardsprachlicher regionaler Formen“ (Ziegler 2005, 726) gibt. Daher lautet eine weitere Hypothese:

H6 Die Angemessenheit der Dialektverwendung bei Facebook ist abhängig von situativen sowie inhaltlichen Kommunikationsbedingungen.

In einem letzten Schritt soll dann auf die Forschungsfrage F4 eingegangen werden. Die Überlegung ist, ob bei einem intensiven dialektalen Sprachgebrauch bei Facebook, der Dialektgebrauch in der gesprochenen Alltagssprache zunehmen kann bzw. der Dialekt zunehmend als Merkmal schriftlicher Kommunikation Einzug hält.

H7 Ein dialektaler Sprachgebrauch bei Facebook beeinflusst auch den dialektalen Sprachgebrauch der Nutzer außerhalb von Facebook.

Dies würde bedeuten, dass nicht nur der alltägliche Sprachgebrauch auf den Sprachge- brauch bei Facebook, sondern der Sprachgebrauch bei Facebook auch auf die Alltagsspra- che wirkt. Wenn die Kommunikationspartner bei Facebook überwiegend Dialekt gebrau- chen und darüber hinaus eine Anpassung anderer Kommunikationspartner an ihren dialek- talen Sprachgebrauch erzielen, kann dadurch mitunter eine Zunahme des Dialektgebrauchs generell erreicht werden. Die Frage, ob der Chat „als Wegbereiter einer regionalen Schrift- lichkeit“ (Kelle 2000 zit. n. Tophinke 2008, 154) tätig werden könnte, wurde zwar für die Chat-Kommunikation nicht bestätigt, bleibt jedoch für die Facebook-Kommunikation zu prüfen.

3. Forschungsstand

Da es sich bei dem Forschungsanlass um eine recht neue Fragekonstellation handelt, be- wegt sich die vorliegende Arbeit in ihrem Vorhaben zwar auf bisher nur spärlich studiertem Boden, aufgrund der Verknüpfung zweier etablierter Forschungszweige der Sprachwissen- schaften, kann dennoch auf die individuellen Forschungserkenntnisse aufgebaut werden. Diese reichen von den klassischen Einführungswerken zur Dialektologie2 und computer- vermittelten Kommunikation3 hin zu zahlreichen Studien, die ihre Schwerpunkte insbeson- dere in den Disziplinen der Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaften sowie der Sozialpsychologie und Linguistik sehen.

Für die Netzwerkplattform Facebook sind dabei ausdrücklich Bernadette Kneidinger (2010) und Sebastian Trepesch (2010) gesondert zu nennen, da sie explizit und detailliert auf die unterschiedlichen Nutzungsweisen und Interaktionsformen bei Facebook eingehen. Forschungsarbeiten, die konkret den Dialektgebrauch im Zusammenhang mit der compu- tervermittelten Kommunikation untersuchen, sind erst seit den 2000er Jahren zu verzeich- nen und bleiben dabei meist auf die funktionalen und pragmatischen Aspekte der Sprach- verwendung beschränkt (vgl. Killian 2011, 156). Zahlreiche Arbeiten, vor allem für den Schweizer Sprachraum, sind so auf die Verschriftung regionalsprachlicher und dialektaler Formulierungen im Internet ausgelegt: Siebenhaar 2005; 2006; Härvelid 2007, Schümann 2011. Ähnliche Erhebungen für den deutschen Sprachraum sind beispielsweise. von Jörg Killian 2011 veröffentlicht wurden, wenngleich sein Interesse vordergründig auf den Aus- wirkungen der verschrifteten dialektalen Sprache auf die deutsche Schriftsprache liegt. Ebenso beschäftigt sich Evelyn Ziegler (2005) mit der Dialektverwendung in der Online- Kommunikation. Ihr geht es dabei vor allem um die Verfahren und Motivationen eines dia- lektalen Sprachgebrauchs, die sie anhand eines regionalen Chatkanals analysiert. Ein bedeutender Vertreter der Forschungsrichtung der Wahrnehmungsdialektologie ist Markus Hundt, der bereits 1992 Untersuchungen zu den Spracheinstellungen gegenüber dialektal gefärbter Standardsprache unternahm. Fortgeführt wird seine Arbeit mitunter von Christina Ada Anders (2010), die zum einen eine methodische Systematisierung der Wahr- nehmungsdialektologie als eigenständige Subdisziplin der Dialektologie vornimmt und darauf aufbauend anschließend eine Untersuchung zur laienlinguistischen Repräsentation des Obersächsischen durchführt. Zudem haben Meike Glawe und Judith Butterworth (2011) im Rahmen der Wahrnehmungsdialektologie, Informationen über die „Sprachwahr- nehmung und subjektiv empfundener Situationsadäquatheit sowie Normativität sprachli- cher Merkmale“ (Butterworth/Glawe 2011, 371) gesammelt und ausgewertet. Sie verfolgen dabei das Ziel, die subjektive Seite der Sprachverwendung und -wahrnehmung genauer zu erforschen und zu verstehen.

Aufgrund der Tatsache, dass mit dem Anspruch der vorliegenden Arbeit zwei relativ junge Forschungszweige, der computervermitteln Kommunikation in sozialen Online- Netzwerken einerseits und der Wahrnehmungsdialektologie andererseits, verbunden wer- den, kann auf keine vergleichbaren Untersuchungen Bezug genommen werden. Demnach gilt es die theoretischen Erkenntnisse der angeführten Autoren zielführend auf die eigens entwickelten Fragestellungen zu transferieren und die Gültigkeit dieser für die Kommuni- kation bei Facebook festzustellen.

II. THEORETISCHE GRUNDLAGEN

4. Computervermittelte Kommunikation im Internet

Um die grundlegende Frage zu beantworten, was genau sich hinter dem Begriff der computervermittelten Kommunikation verbirgt, scheint es sinnvoll, sich zunächst den elementaren Bausteinen zu widmen, die ihn ausmachen.

Auf der einen Seite bedarf es eines Computers, also eines technischen Gerätes, das zudem Äußerungen vermitteln kann, also als Medium fungiert. Der Computer wird somit in zwei- facher Funktionalität beschrieben „als Maschine und Medium“ (Beck 2006, 16). In Anleh- nung an Holly (1997 zit. n. Dürscheid 2005, 4) liegt dieser Arbeit ein technologisches Me- dienkonzept zugrunde, wonach Medien „materiale, vom Menschen hergestellte Apparate zur Herstellung/Modifikation, Speicherung, Übertragung oder Verteilung von sprachlichen (und nicht-sprachlichen) Zeichen“ sind. Entsprechend dieser Definition sind also nicht nur Papierformate wie Briefe, Fotos und Textseiten Medien, sondern auch, die dazugehörigen Maschinen: Drucker, Kameras, aber eben auch der Bildschirm bzw. Computer (vgl. Dür- scheid 2005, 4).

Unter Kommunikation, so definiert Beck (vgl. 2010, 12), ist erst einmal nur die symbolische Interaktion zwischen Menschen zu verstehen. Im speziellen Fall der computervermittelten Kommunikation wird diese Interaktion mittels eines Mediums, genauer eines technisch basierten Kommunikationsmittels, realisiert. Kimpeler und Schweiger (2007, 15) begreifen computervermittele Kommunikation dann als Überbegriff für „alle Formen der inter-personalen, gruppenbezogenen und öffentlichen Kommunikation, die offline oder online über Computernetze oder digitale Endgeräte erfolgen.“

Computer und Internet sind nicht nur aufgrund ihrer relativ kurzen Entwicklungsgeschichte neue Medien, sondern sie sind auch neuartig, indem sie sich von den traditionellen und bis- her bekannten Medien „hinsichtlich der verwendeten Zeichensysteme, […], der kommuni- kativen Formen und Funktionen, aber auch der institutionellen und organisatorischen As- pekte“ (Beck 2010, 17) unterscheiden. Resultierend daraus entstehen durch die Verwen- dung von Computer und Internet zu Kommunikationszwecken neben einer neuen „Kom- munikationskultur und -infrastruktur“ (Moraldo 2011, 14), auch neue kommunikative For- men, Praktiken und Textsorten (vgl. Moraldo 2011, 11-12). Kommunikative Praktiken sind hierbei „präformierte Verfahrensweisen, die gesellschaftlich zur Verfügung stehen, wenn bestimmte rekurrente Ziele oder Zwecke kommunikativ realisiert werden sollen“ (Fiehler et al. 2004, 99), so dass auf bereits angeeignete Praktiken und kommunikative Bausteine zu- rückgegriffen werden kann. Sie bilden also innerhalb des kommunikativen Geschehens ein Handlungsschema, das den Kommunikanten eine Orientierung gibt und so die Kommuni- kation erleichtert, z.B. in Prüfungs- oder Bewerbungsgesprächen4. Kommunikationsformen wiederum sind „kommunikative Konstellationen, die über ein Hilfsmittel erst möglich“ (Dürscheid 2005, 5) gemacht werden, das heißt all jene Formen, die durch den Computer vermittelbar sind. Entsprechend existiert im Computer- und Internetmedium eine Vielzahl an unterschiedlichen Kommunikationsformen, „die einerseits von den medialen Arrange- ments der vernetzten Computer ermöglicht werden und sich andererseits nach bestimmten soziokulturellen Bedürfnissen als Praktiken etabliert haben“ (Holly 2011, 43).

4.1. Geschichte, Begriffe, Merkmale

Eine Einführung in die Grundlagen der computervermittelten Kommunikation beginnt am besten mit der Erfindung des Internets selbst. Der Rückblick dahin ist kein allzu ferner, wurde das Internet doch erst 1998 von dem CERN-Wissenschaftler Tim Berners-Lee er- funden, der damit jedoch in erster Linie ein weltweit operierendes Netzwerk geschaffen sah, das es Wissenschaftlern und Forschern internationaler Universitäten und Institute er- laubte, automatisch und in kürzester Zeit Informationen zu teilen, weiterzuleiten und zu empfangen (vgl. Moraldo 2011, 11). Kommunikative Anwendungen via Computer in Form von E-Mails, Mailinglisten, Chats etc. waren demnach in akademischen und Fachkreisen bereits seit einiger Zeit produktiv in Benutzung, bevor das World Wide Web Mitte der 1990er durchgängig bekannt wurde (vgl. Döring 2010, 160). Innerhalb des letzten Jahr- zehnts hat sich dann das Internet der sogenannten „ersten Generation“ (Döring 2010, 161) zum Web 2.0 gewandelt.

Mit diesem wenig aussagekräftigen Begriff verbunden, steht die Idee eines „zusammenfas- senden Chiffre für eine Reihe von Veränderungen […], die die gegenwärtige Gestalt des Internet prägen“ (Schmidt 2009, 12). Der Begriff selbst stammt von Tim O’Reilly, der im Jahre 2004 eine Konferenz mit dem Titel Web 2.0 Conference veranstaltete und sich damit an die führenden Persönlichkeiten und Konzerne in der Kommunikations- und Internet- branche richtete (vgl. Schmidt 2009, 11). Das Kürzel 2.0 weist dabei auf die gebräuchliche Bezeichnung von Software-Versionen hin und impliziert eine neuere, verbesserte, funktio- nal erweiterte Nutzungsform des Internet, die den Wandel der Zeit widerspiegelt (vgl. Schmidt 2009, 11). Der Begriff wird daher von Beginn an überwiegend positiv aufgenom- men; in ihm verbunden liegt die Hoffnung und Euphorie, die Kommunikation und Koope- ration zwischen den Menschen weltweit stetig zu verbessern (vgl. Schmidt 2009, 12). Gleichzeitig begleiteten auch gegensätzliche Meinungen die Entwicklung. Kritiker sehen in der wachsenden Vernetzung und Präsentation persönlicher Inhalte, die Gefährdung der Privatsphäre und den Beschnitt der Persönlichkeitsrechte.

Das Schlüsselmoment besteht darin, Web 2.0 als Plattform zu begreifen, die die Nutzer selbst mitgestalten können (vgl. Schmidt 2009, 13). Software ist somit nicht mehr ein Pro- dukt, das erworben und installiert werden muss, sondern vielmehr ein „Service, der bereit- gestellt wird“ (Schmidt 2009, 13) und der in Form von Anwendungen oder Diensten über den Webbrowser aufgerufen und genutzt werden kann. Nutzer des Web 2.0 werden nicht als passive Klienten betrachtet, stattdessen werden ihnen „zahlreiche komfortable Mitmach- , Kommunikations-und Interaktions-Möglichkeiten“ (O’Reilly 2005 zit. n. Döring 2010, 161) geboten.

Heute ist die technisch-vermittelte Kommunikation Grundlage sowohl in beruflichen als auch in privaten Kontexten und auch das Web 2.0 ist fast zur Voraussetzung für die persönliche Gestaltung einer erfolgreichen Kommunikationskultur und -struktur geworden. Dazu stellt Döring (2010, 161) fest:

„Insbesondere die junge „Generation Upload“ ist im Web 2.0 ausgesprochen aktiv: Heute gibt es kaum noch Jugendliche und junge Erwachsene, die sich nicht mit einem Online-Profil im Netz selbst darstellen, die nicht per Internet neue Bekannte, Freunde, Liebes- und Sexpartner kennen gelernt haben und die sich nicht an diversen Online-Gemeinschaften beteiligen“.

Die früher vorherrschende Meinung, Internetnutzer bewegen sich in einer virtuellen Welt, die nur in wenigen Fällen mit der realen Welt des jeweiligen Users verknüpft ist, gilt mitt- lerweile als revidiert. Es ist anerkannt, dass es sich bei der Online-Community nicht um eine bloße Scheinwelt handelt, sondern dass die Mehrheit der sozialen Online- Kommunikation mittlerweile mit Personen stattfindet, mit denen man auch außerhalb die- ses Mediums kommunizieren würde (vgl. Döring 2010, 161). Es findet derweil eine Vermi- schung der zwei Welten statt, die in beide Richtungen wirkt: Zum einen werden bekannte Personen explizit in die soziale Online-Kommunikation eingebunden, beispielsweise durch das Aufsuchen in einem sozialen Online-Netzwerk zum anderen werden aber auch Kontak- te, die zuerst im Internet geknüpft wurden, in die Offline-Welt transportiert.

Die „Online-Kommunikation ist selbstverständlicher Bestandteil des Alltags [geworden] und Chat- oder Mail-Kontakte [werden] als ebenso normale und alltägliche Kommunikati- on erlebt wie z.B. Telefonate“ (Döring 2010, 161). Infolgedessen zeichnet sich verstärkt der Trend in der Entwicklung der Online-Medien ab, den Holly (1997 zit. n. Moraldo 2011, 10) als „einen permanente Prozeß der teilweisen Kompensation der raum-zeitlichen Beschrän- kung direkter Kommunikation“ bezeichnet hat, „wobei die jeweils neu entstehenden Män- gel durch jeweils neue Medien wiederum teilweise kompensiert werden“.

In Konsequenz bedeutet dies, dass das Angebot an Kommunikationsformen und - plattformen kontinuierlich wächst und den kommunikativen Bedürfnissen der Menschen entsprechend weiterentwickelt wird. Moraldo (2011, 10) spricht in diesem Zusammenhang von einem „breit ausdifferenzierten Spektrum von Kommunikationsformen“. Dem gegen- über steht jedoch der Prozess des media merging, welches die Tendenz beobachtet, „dass aktuelle Kunst- wie Kommunikationspraktiken danach streben […], sich einer Vielfalt me- dialer Möglichkeiten gleichzeitig zu bedienen und sich somit eine Kombination der Medien bis hin zu ihrer Fusion konturiert“ (Freymuth 2005 zit. n. Moraldo 2011, 13).

Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass eine Differenzierung und Systematisierung der verschiedenen Kommunikationsformen und -praktiken innerhalb der computervermittelten Kommunikation nicht eineindeutig sein kann und mit zahlreichen Hindernissen verbunden sein dürfte. Ähnliches konstatiert Greiffenstern (vgl. 2010, 35), wenn sie anmerkt, dass es unmöglich scheint, eine treffende Darstellung der computervermittelten Kommunikation zu formulieren, denn nicht nur sind die verschiedenen Modi mehrheitlich heterogen, hinzu kommt, dass der Entwicklungsprozess der computervermittelten Kommunikation noch nicht abgeschlossen ist, es immer wieder neue Formen und Funktionen gibt und entspre- chend neue Wege und Arten der Anwendung und Umsetzung dieser. Dennoch sollen einige Forschungsansätze einer derartigen Klassifikation im Folgenden kurz skizziert werden, vor allem zu Zwecken der Übersicht über die verschiedenen Formen und Praktiken und im Hinblick auf die Verortung der sozialen Online-Netzwerke im Feld der computervermittel- ten Kommunikation.

Die verschiedenen Kommunikationsformen, die durch die computervermittelte Kommuni- kation entstehen‚ sind „virtuelle Konstellationen eben eines bestimmten Zeichenspeiche- rungs- oder Übertragungspotentials […], die mit Hilfe bestimmter Medien, d.h. konkreter materieller Hilfsmittel […]‚ hergestellt, gespeichert und/oder übertragen werden können“ (Holly 1997 zit. n. Moraldo 2011, 12). An dem Punkt der Konstellationen setzen auch Mor- ris und Organ (1996) an, indem sie für ihre Systematisierung die Faktoren der Zeit, der so- zialen Dimension und die Anzahl der Beteiligten heranziehen.5 Kritisch anzumerken ist bei dieser Einteilung jedoch, dass der Ansatz nicht der zuvor diskutierten Heterogenität der aktuellen Kommunikation des Web 2.0 entspricht. Es scheint nahezu unmöglich, distinkte Unterscheidungen zwischen den Kategorien zu treffen und eindeutige Grenzen, im Sinne einer Entscheidung von, was ist synchron, was ist asynchron, wie viele sind viele und wie viele sind wenige, zu ziehen.

Ein weiterer Ansatz, der der Beschaffenheit des Web 2.0 als Hybridmedium am ehesten gerecht wird, ist die Unterscheidung nach den „etablierten Gebrauchsweisen“ (vgl. Höflich 1997). Neben zwei öffentlichen Kommunikationsformen6 benennt Höflich die privaten Formen computervermittelter Kommunikation, bei denen eine „Nutzung nur gemeinsam mit anderen möglich bzw. die gegenseitige Bezugnahme der Kommunikationspartner vo- rausgesetzt ist“ (Höflich 1997 zit. n. Beck 2006, 26). Hinzufügend merkt er an, dass „der Computer gerade deshalb als ein Hybridmedium zu bezeichnen [ist], weil von einer Form der medialen Kommunikation in eine andere gewechselt werden kann“ (Höflich 1997 zit. n. Beck 2006, 26). Während Höflich somit noch von einem Wechsel zwischen den einzelnen Formen medialer Kommunikation schreibt, muss jedoch, um der aktuellen Entwicklung Rechnung zu tragen, bereits von einem Wechsel innerhalb einer Kommunikati- ons(platt)form ausgegangen werden (vgl. Schmidt 2009, 22). Wie im weiteren Verlauf deutlich werden wird, bietet z.B. Facebook seinen Nutzern die Möglichkeit, sowohl E- Mails, als auch Instant Messaging, Videotelefonie und SMS über ihren Account zu nutzen. So wie der Computer ein Hybridmedium ist, sind also mittlerweile auch einzelne Kommu- nikationsformen im Internet ebenso hybrid und multimedial, indem zwischen den kommu- nikativen Praktiken fließend gewechselt werden kann.

Abschließend sei noch auf den Ansatz von Jan Schmidt (2009) verwiesen, dessen Darstel- lung der Praktiken des Web 2.0 nicht den Anspruch erhebt „eine konsequente systemati- sche Trennung“ (Schmidt 2009, 22) zu garantieren. Vielmehr zielt er darauf ab, eine Orien- tierung über die existierenden Angebote zu geben. Er unterscheidet einerseits zwischen Plattformen, mit denen all solche Anwendungen gemeint sind, die „einer Vielzahl von Nut- zern eine gemeinsame Infrastruktur für Kommunikation oder Interaktion bieten“ (Schmidt 2009, 23). Analog beschreibt Holly (2011, 48) diese auch als „Rahmenkommunikations- form, [die] für weitere Kommunikationsformen wie Datenübertragung, E-Mail oder Chat genutzt werden“. Innerhalb der Plattformen unterscheidet Schmidt wiederum zwischen den Netzwerkplattformen, z.B. Facebook und den Multimediaplattform, z.B. YouTube. Neben den Plattformen nennt er noch das Personal Publishing, Wikis und Instant Messaging bzw. weitere Werkzeuge des Informationsmanagements (vgl. Schmidt 2009, 22-26), die aber für die vorliegende Diskussion nicht weiter von Interesse sein sollen.

Entscheidend an dieser Stelle festzuhalten sind weniger die verschiedenen theoretischen Ansätze, sondern vielmehr die Tatsache, dass das Internet, als Mittelpunkt der neuen Medi- en, letztlich „so viele verschiedene Kommunikationsformen und -möglichkeiten vereint und darüber hinaus eine universell verfügbare Infrastruktur des Datenverkehrs bereitstellt“ (Bittner 2003 zit. n. Moraldo 2011, 10), dass es gleichsam alle anderen Kommunikations- formen in sich aufnimmt und den Rückgriff auf andere Medien teilweise überflüssig macht.

4.2. Differenzierung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit

Die Digitalisierung durch die neuen Medien hat nicht nur neue Kommunikationsformen und neue Kommunikationswege ermöglicht, sondern hat zudem zu einer Veränderung der traditionellen Konzepte von Mündlichkeit und Schriftlichkeit geführt. Entscheidend ist da- bei in erster Linie, dass es mehr und mehr zu einer Vermischung und Verschmelzung beider Konzepte kommt: Die „computervermittelte Kommunikation ist zwar schriftbasiert, aber das Schreiben stellt sich in den Dienst des Sprechens“ (Reeg 2011, 82). Notwendigerweise werden die Inhalte schriftlich übermittelt, doch ermöglichen die Trägermedien heutzutage bereits eine fast zeitgleiche Übermittlung, sodass eine der Face-to-Face-Kommunikation ähnliche Situation geschaffen wird. Tophinke (2008, 153) schlägt hierfür den Begriff der „interaktiven Schriftlichkeit“ vor, die sich dadurch auszeichnet, dass „die einzelnen schrift- lichen Beiträge nicht nur eine kommunikative Funktion besitzen, sondern sie in stärkerem Maße aufeinander bezogen, voneinander abhängig und miteinander verschränkt sind“ (Tophinke 2008, 153). Der Gestaltung dieser interaktiven Schriftlichkeit wird vor allem mit einem erweiterten „Repertoire an schriftsprachlichen Gestaltungsmitteln“ (Tophinke 2008, 153) entsprochen - ein Großteil davon ist aus dem mündlichen und informellen Sprachge- brauch entlehnt.

Nachdem bereits Otto Behagel im ausgehenden 19. Jahrhundert näher auf den Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache einging, brauchte es dennoch weitere 60 Jahre bis diese Problematik erneut in den Diskurs aufgenommen wurde und zu der Er- kenntnis führte, dass eine rigide Klassifizierung in die Register schriftlich und mündlich unzureichend ist (vgl. Reeg 2011, 82). Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die geschriebene Sprache nur als Abbild der gesprochenen Sprache betrachtet. Erst mit Vachek (1939) wer- den gesprochene und geschriebene Sprache als funktional komplementär, unabhängig und spezifisch, indem sie für unterschiedliche kommunikative Aufgaben geeignet sind, begrif- fen (vgl. Reeg 2011, 82). Die medienspezifische Abgrenzung nach der zunächst jede Art von Sprache, die graphisch fixiert ist, als geschriebene Sprache und jede Art von Sprache, die phonisch realisiert ist, analog als gesprochene Sprache, definiert werden kann, stößt spätestens im Licht der neuen kommunikativen Kanäle an ihre Grenzen. Das Modell der Mündlichkeit und Schriftlichkeit von Koch/Österreicher (1990) scheint dieses Problem über die Differenzierung von Medium und Konzept sinnvoll zu lösen. In Anlehnung an Ludwig Söll (1985), der der medialen Präsentation den konzeptionellen Unterschied von Mündlichkeit und Schriftlichkeit gegenüberstellt, konzipierten Koch/Oesterreicher ein Modell, das „zu einer präzisen Kategorisierung und Bestimmung mündlicher und schriftlicher Äußerungen hinführen wollte“ (Reeg 2011, 83). Dabei meint Söll mit der medialen Präsentation die phonische bzw. graphische Realisierungsweise von Sprache; die ursprüngliche Formulierung und Intention von Sprache nennt er konzeptionell. Entscheidend ist dann der konzeptionelle Unterschied: Wird zum Beispiel etwas Gespro- chenes nachträglich schriftlich transkribiert, so ist dieser Text zwar schriftlich, jedoch kon- zeptionell mündlich. Insofern ergeben sich für Koch/Oesterreicher die Pole der konzeptio- nellen Mündlichkeit und der konzeptionellen Schriftlichkeit, wodurch „ein vieldimensiona- ler Raum entsteht, in dem alle konzeptionellen Möglichkeiten zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit positioniert werden können (vgl. Reeg 2011, 84).

Des Weiteren benennen Koch/Oesterreicher eine Reihe von Faktoren und Parameter mit Hilfe derer, eine genauere Beschreibung und Positionierung der sprachlichen Äußerung innerhalb des Kontinuums möglich wird.7 Analog zu diesen außersprachlichen Bedingun- gen wählen die Kommunikationspartner Strategien der Versprachlichung, um ihre Äuße- rung zu bilden. Entscheidend für die Wahl der Versprachlichungsstrategie ist vor allem auch der Aspekt der Nähe bzw. Distanz der Äußerung. Dazu stellt Reeg (2011, 86) fest: „Distanzäußerungen weisen einen hohen Planungsgrad auf und gelten somit als elaboriert im Unterschied zu den Kommunikationsbedingungen der Nähe, die einen vergleichsweise geringen Planungsgrad aufweisen“. Daraus entsteht der Pol der maximalen kommunikati- ven Distanz, dem die geschriebene Sprache zugeordnet wird und demgegenüber der Pol der maximalen kommunikativen Nähe steht, dem die gesprochene Sprache zugewiesen werden kann und bei dem ein hoher Grad an Spontanität und Emotionalität existiert (vgl. Reeg 2011, 86). Entscheidend ist dabei, dass die Dichotomie von phonischem und graphischem Kode als eine strikte verstanden wird, währenddessen die Polarität von gesprochenen und geschriebenen Äußerungen als ein Kontinuum angehsehen werden kann, in dem zahlreiche Abstufungsmöglichkeiten bestehen. Dementsprechend können verschiedene Kommunikati- onsformen ihrer Beschaffenheit und Konzeption nach im Kontinuum verortet werden.8

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Gesamtschema des Konzeptes Mündlichkeit und Schriftlichkeit nach Koch/ Oesterreicher (in: Koch/Oesterreicher 1985, 23)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Trotz dessen das Modell von Koch/Oesterreicher auf breite Resonanz gestoßen ist und auch heute noch als Grundlage für die Beschreibung der digitalvermittelten Kommunikation dient, wurde es im Laufe der Forschung leicht modifiziert. Als Beispiel sei in diesem Zusammenhang die kritische Auseinandersetzung Christa Dürscheids (2003) erwähnt, die dem Modell den Aspekt der Synchronität von Äußerungen als Parameter hinzufügt.

„Handelt es sich um eine synchrone Form der Kommunikation, sind die Äußerungen meist spontaner, sprachlich weniger reflektiert, weniger geplant. In einer asynchronen Kommunikati- on ist dies nicht der Fall; hier haben wir die Möglichkeit, unsere Äußerungen vorab zu planen, sie sprachlich zu elaborieren, sie zu korrigieren“ (Dürscheid 2003 zit. n. Reeg 2011, 90).

Neben der synchronen Kommunikation, wie sie beispielweise. in einem Telefonat vorliegt und der asynchronen Kommunikation (E-Mail), führt Dürscheid noch die quasi-synchrone Form der Kommunikation an und meint damit z.B. die Chat-Kommunikation. Zwar besteht innerhalb dieser ein hoher Grad an Interaktion und die Produktion und Rezeption einer Äußerung verlaufen nahezu simultan, es ist jedoch kein direktes Eingreifen oder Unterbrechen der Kommunikationspartner möglich.

Ausgehend von der Annahme, dass es sich bei der Kommunikation auf Netzwerkplattfor- men zwar um eine medial schriftliche, jedoch aber konzeptionell mündliche Kommunikati- on handelt, ist die folgende Charakterisierung der konzeptionellen Mündlichkeit nach Koch/Oesterreicher (1990 zit. n. Reeg 2011, 86) bedeutsam: Sie ist bestimmt durch „Ge- sprächswörter und ähnliche Verfahren, die auf Situationseinbettung, geringe Planung, Dia- logizität und Emotionalität zugeschnitten sind wie etwa Gliederungssignale, turn-taking- Signale, Sprecher-Hörer-Signale, Interjektionen, Abtönungspartikel“. Die Unmittelbarkeit der gesprochenen Kommunikation ermöglicht eine größere Spontanität; die Planung kann weniger aufwendig erfolgen. Des Weiteren ist die konzeptionell mündliche Sprache wie folgt charakterisiert:

„Im morphosyntaktischen Bereich gehören dazu Nachträge, Anakoluthe, Kongruenzschwächen, holophrastische Äußerungen, Segmentierungserscheinungen, die Rhema-Thema-Abfolge sowie der sparsame Umgang mit der Hypotaxe. Im lexikalischen Bereich sind passe-partout-Wörter, lexikalische Armut, niedrige type-token Relation; andererseits expressive Bildungen (Hyper- beln, Kraftwörter) und lexikalischer Reichtum in ganz bestimmten Sinnbezirken. […] Häufig dient zudem das Präsens als Tempus, die Redewiedergabe erfolgt vornehmlich durch direkte Rede. Auf den Bereich der Grammatik bezogen ist festzuhalten, dass die gesprochene Sprache eine offenere Norm wahrt und die Möglichkeiten des Systems weniger vielfältig nutzt“ (Koch/Oesterreicher 1985, 27).

Im Folgenden wird nun zu prüfen sein, inwieweit sich die Netzwerkplattform Facebook mit den unterschiedlichen kommunikativen Praktiken in das Modell von Koch/Oesterreicher einfügt und die Hypothese H0 Bestand hat.

4.3. Soziale Kommunikation im Internet: Netzwerkplattformen

Soziale Kommunikation im Internet kann in zahlreichen Formen auftreten. Auf die ein- gangs beschriebene Form der Netzwerkplattformen soll nun genauer eingegangen werden, auch weil sie mittlerweile zu den meistgenutzten Formen der computervermittelten Kom- munikation gehören. So entfällt ein Drittel der Gesamtzeit, die im Internet verbracht wird, auf die Nutzung von sozialen Netzwerken zu Kommunikationszwecken (vgl. Moraldo 2011, 14). Harald Rau (2007, 206) postuliert in seinem Aufsatz, dass Netzwerke immer dann eine „sozial wirksame Komponente“ haben, sobald der „Austausch im Netzwerk nicht allein eingleisig möglich ist“. Daraus ist zu schließen, dass Anwendungen wie Facebook, StudiVZ oder Xing soziale Netzwerke sind und aufgrund ihrer technischen Beschaffenheit, soziale Online-Netzwerke. Derartige Netzwerkplattformen können entweder „privat- persönlich“ (Schmidt 2009, 23) genutzt werden, wie zum Beispiel Facebook, und StudiVZ oder aber speziell auf „berufliches Networking“ (Schmidt 2009, 23) ausgerichtet sein, zum Beispiel Xing oder LinkedIn. Sie bieten aber in jedem Fall die Möglichkeit, nach abge- schlossener Registrierung, ein persönliches Profil anzulegen und ausgehend von diesem Punkt „soziale Beziehungen zu anderen Nutzern explizit zu machen und mit Hilfe des so artikulierten Freundes- oder Kontaktnetzwerks auf der Plattform zu navigieren bzw. zu in- teragieren“ (Schmidt 2009, 23).

Insofern sie bequemere und leichtere Möglichkeiten anbieten, räumliche und zeitliche Dis- tanzen zu überbrücken und miteinander zu kommunizieren bzw. die Beziehung wiederzu- beleben, entwickelt sich eine neue Qualität der Kontaktpflege. Darüber hinaus bietet sich dem Nutzer auch die Wahl der Kommunikationswerkzeuge und damit verbunden auch die Entscheidung, „mit welchen Personen eine simultane Interaktion angestrebt wird und für [wen] eher die dezentere und zeitversetzte Kommunikation etwa mittels Postfach-Nachricht […] gewählt wird“ (Kneidinger 2010, 36).

Neben der Pflege von sozialen Kontakten erlauben Netzwerkplattformen aber auch vielsei- tige Möglichkeiten der Selbstdarstellung und -verwirklichung. So kann der Nutzer durch das Einbinden von Musik-, Literatur-, Freizeitvorlieben, Ansichten und Interessen in die Profile, aber auch durch das aktive Teilen von Fotos, Links oder Musik ein zugeschnittenes Bild von sich selbst entwerfen und seinem Kontaktkreis präsentieren. Hiermit sind bereits zwei Komponenten des Handelns in Netzwerkplattformen beschrieben, die Schmidt (2009, 71) einerseits als „Beziehungsmanagement“ und andererseits als „Iden- titätsmanagement“ klassifiziert. Als drittes Motiv nennt er dann noch das „Informationsma- nagement, [das] sich schließlich auf das Filtern, Selektieren, Bewerten und Verwalten In- formationen aller Art“ (Schmidt 2009, 71) bezieht. Darüber hinaus bieten derartige Platt- formen ihren Nutzern verschiedene Kommunikationswege an, beispielsweise via E-Mail, Instant Messaging, Blogs, Pinnwandeinträge, Verlinkungen, Fotos oder Videos - ein Dienst, den Richter und Koch (2008 zit. n. Kneidinger 2010, 50) als „gemeinsamen Aus- tausch“ bezeichnen.

Netzwerkplattformen fördern damit in erster Linie das „aufeinander bezogene Handeln zwischen Nutzern“ (Schmidt 2009, 21) und stärken damit die Strukturen des sozialen Netzwerkes, in dem sie sich bewegen. Welche Dienste, Anwendungen und Funktionen Facebook im Speziellen anbietet und wie sich daraus folgend die Kommunikation innerhalb der Plattform gestaltet, ist Gegenstand der nächsten beiden Unterkapitel.

4.3.1. Facebook Grundlagen

„Facebook's mission is to give people the power to share and make the world more open and connected” (Facebook 2012a). Diese Aussage ist auf der Profilseite von Facebook selbst zu finden und verdeutlicht in prägnanter Weise die Kernfunktion der Netzwerkplatt- form. In ihrer Unternehmensübersicht wird darüber hinaus deklariert: „Millions of people use Facebook every day to keep up with friends, upload an unlimited number of photos, share links and videos, and learn more about the people they meet” (Facebook 2012a). Ver- gleicht man diese Aussagen mit den zuvor herausgearbeiteten Merkmalen und Funktionen von Netzwerkplattformen, ist festzustellen, dass sich Facebook bereits mit den einleitenden Worten eindeutig positioniert und als soziales Online-Netzwerk definiert.

Im Newsroom von Facebook (vgl. Facebook 2012b) finden sich weitere interessante Daten und Fakten, mittels derer Facebook sich darstellt: Zum einen wird deutlich, dass Facebook eindeutig eine Web 2.0 Anwendung ist, indem durch die Facebook Platform Nutzern die Möglichkeit geben ist, Spiele, Apps und Tools zu entwickeln und sie in die Gesamtheit der Facebook-Plattform zu integrieren (vgl. Facebook 2012c). Darüber hinaus besteht für Nut- zer die Möglichkeit, sich mit etlichen anderen Websites und Diensten zu verbinden bzw. Erfahrungen, Eindrücke und Meinungen, die außerhalb des Netzwerkes gesammelt wurden über Apps und Social Plugins, beispielsweise den Like oder Subscribe Button, direkt in sein Profil einzubinden (vgl. Facebook 2012c). Trepesch (2010, 32) sieht darin die Entwicklung von Facebook hin zu einer „multifunktionalen Plattform, die Kooperationen und Integratio- nen auf anderen Webangeboten sucht“.

Facebook wurde im Jahre 2004 durch den damaligen Studierenden Mark Zuckerberg ge- gründet und entwickelt, der damit ursprünglich die Mission verfolgte, die Kommunikation innerhalb seines Universitätscampus zu verbessern (vgl. Ross et al. 2009, 579). Nachdem die Plattform zuerst nur für weitere Universitäten in den USA zugänglich war, fand die weltweite Öffnung im September 2006 statt (vgl. Kneidinger 2010, 58). Von diesem Zeit- punkt an ist die Expansion und Entwicklung Facebooks unaufhaltsam vorangeschritten: Innerhalb weniger Jahre fanden sich Nutzer aus Asien, Europa und Australien, neue sprach- lich angepasste Versionen wurden entwickelt und die Dienste und Anwendungen der Platt- form kontinuierlich ausgebaut. Mittlerweile hat Facebook nach eigenen Angaben (Stand: März 2012) 901 Millionen Nutzer9, von denen 80% außerhalb der USA und Kanada le- ben.10 Damit gewinnt Facebook nicht nur zunehmend in allen Bevölkerungs- und Kultur- kreisen an Bedeutung, es ändern sich durch die Entwicklung der mobilen Dienste von Fa- cebook auch die Nutzungsformen, was so Kneidinger (2010, 60) „Auswirkungen auf beste- hende Sozialbeziehungen in der breiten Bevölkerung“ haben wird. Allein im März 2012 haben 488 Millionen Nutzer derartige mobile Dienste von Facebook genutzt, Tendenz stei- gend (vgl. Facebook 2012d).

Die aktuelle Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest stellte für das Jahr 2011 fest, dass vier Fünftel der Jugendlichen Facebook derzeit regelmäßig nutzen und nur 12% der Jugendlichen im Internet darauf verzichten (vgl. JIM-Studie 2011, 47). Für die anderen 80% haben soziale Online-Netzwerke eine „sehr hohe Alltagsrelevanz“ (JIM- Studie 2011, 47), denn mehr als die Hälfte logt sich mindestens einmal täglich ein, zwei Drittel davon sogar häufiger (vgl. JIM-Studie 2011, 47). Die Nutzung von Online- Communities ist jedoch nicht nur ein Phänomen von Jugendlichen, die mit Schüler- und Studentennetzwerken hier Vorreiter waren. Sowohl in der Werbung, der Berichterstattung, bei Veranstaltungen oder in der Politik - überall stößt man inzwischen auf soziale Netz- werke und vor allem auf Facebook, das mittlerweile omnipräsent und fast schon zum Syno- nym für Online-Netzwerke geworden ist (vgl. JIM-Studie 2011, 47). Immer wieder gab es parallel zu Facebook andere Netzwerkplattformen, die in ihren Grundzügen ähnliche Funk- tionen und Dienste angeboten haben. Zu nennen wäre hier zum Beispiel MySpace (2003), die VZ-Plattformen (ab 2005) oder Google+ (2011). Jedoch konnte sich keine der Plattfor- men gegenüber Facebook durchsetzen oder sie gar ablösen. Es stellt sich daher unausweich- lich die Frage, was Facebook von anderen Netzwerken abgrenzt oder worin die Besonder- heit liegt.

Grundsätzlich funktioniert Facebook ähnlich wie alle anderen sozialen Online-Netzwerke: Ein potentielles Mitglied erstellt ein persönliches Profil von sich selbst und formuliert und kreiert dadurch gleichzeitig eine Art Selbstdarstellung, die mit Bildern, Interessen, Ansich- ten und persönlichen Daten gefüttert ist. In der minimalistischsten Ausführung geben die Seiten den Namen, Herkunft, Geschlecht und eventuelle Netzwerkzugehörigkeit des jewei- ligen Nutzers an, so dass es sich anfangs noch um einen offenen, leeren Kommunikations- raum handelt, der „zum sinnstiftenden Kontext erst durch die spezifische Nutzung und Ausgestaltung“ (Tophinke 2008, 157) durch die Mitglieder wird. Mitglieder müssen sich also erst ihr eigenes Netzwerk aufbauen, in dem diese Bekannte und Freunde suchen und sie in ihre Freundschaftsliste einladen bzw. eingeladen werden. Ist man mit einem anderen Mitglied befreundet, sprich vernetzt, können durch die einzelnen kommunikativen Dienste und Praktiken, die Facebook anbietet, das Leben und Handeln der anderen Personen beo- bachtet und darüber hinaus auch kommentiert werden. Facebook selbst stellt in seiner Selbstauskunft folgende Produkte vor (vgl. Facebook 2012e):

- Timeline ist die neueste Möglichkeit der Mitglieder ihre Profile chronologisch anzulegen und zu organisieren. Inhalte können dabei hervorgehoben und mit dem Netzwerk geteilt werden.
- Activity Log ist die Möglichkeit für Nutzer all ihre Aktivitäten seit Beitritt zu sehen und zu bear- beiten.
- News Feed ist die Startseite von Facebook auf der alle Aktivitäten von Freunden, Gruppen, Ver- anstaltungen und Seiten up-to-date und personalisiert angezeigt werden.
- Photos and Video können nicht nur unbegrenzt hochgeladen werden, sondern sie können auch für weitere Funktionen genutzt werden, z.B. Freunde markieren, Orte lokalisieren etc..
- Groups bieten Mitgliedern mit gleichen Interessen, Ansichten oder Belangen einen gemeinsa- men, privaten Raum, den sie als eigenes kleines Netzwerk nutzen können. Entscheiden ist dabei auch, dass die zum Teil ambivalenten Namen die Funktion eines kommunikativen Statements übernehmen können.
- Messages treten bei Facebook in Form von Nachrichten, E-Mails, Chat und SMS auf und werden alle gebündelt, dialogisch und chronologisch angezeigt.
- Friend Lists ist ein Tool, das es den Mitgliedern erlaubt, ihre Kontakte in Listen einzuordnen und entsprechend dieser nur bestimmte Inhalte zugänglich zu machen.
- Events können alle Nutzer erstellen und andere Mitglieder dazu einladen, informieren und auf dem aktuellen Stand halten.
- Subscribe dient Nutzern, die öffentliche Posts von beispielsweise bekannten Personen lesen wol- len, die aber nicht ihre Freunde sind.
- Ticker zeigt den Nutzern in Echtzeit die Aktivitäten aller befreundeten Mitglieder, abonnierten Seiten und Gruppen an.
- Pages sind öffentliche Profile von Künstlern, Sportlern, Politikern und anderen Personen des öf- fentlichen Lebens. Nachdem die Seite geliked wurde, erscheinen alle Aktivitäten im news feed.

Innerhalb der einzelnen Produkte gibt es noch weitere Dienste, die Facebook anbietet, so dass dies nur als grobe Übersicht zu fassen ist. Es ist jedoch ausreichend um nachzuvollzie- hen, welche enorme Bandbreite an Kommunikationsformen und -praktiken Facebook ver- eint. Darüber hinaus ist aber auch ausschlaggebend, dass Facebook durch seine enorme Mitgliederzahl bereits kennzeichnendes Merkmal unserer Gesellschaft ist. Es ist damit nicht nur ein Online-Netzwerk, sondern ein Teil des realen sozialen Netzwerkes der Nutzer, das zwar durch das Internet zur Verfügung gestellt wird, gleichzeitig aber großen Einfluss auf die Strukturen der Offline-Kommunikation und Offline-Netzwerke hat. In diesem Zusam- menhang sprechen manche Wissenschaftler (vgl. Bühl 2000, Castells 1996) auch von „ei- ner neuen Qualität der Vergesellschaftung, die im virtuellen Raum vor sich geht“ (Kneidin- ger, 2010, 50).

4.3.2. Kommunikative Praktiken auf Facebook

Wenn kommunikative Praktiken auf Facebook diskutiert werden, ist zu beachten, dass in diesem Kontext ganz andere Faktoren eine Rolle für die Kommunikation spielen, als dies zum Beispiel der Fall in der Face-to-Face Kommunikation ist. So sind vor allem die „netz- spezifische soziale Kompetenz und Einstellungsähnlichkeit der Gesprächspartner von Vor- teil“ (Trepesch 2010, 29), während Gesichtsausdruck, Haltung, Gestik, Stimmqualität oder Kleidung keine Rolle spielen. Wie bereits erläutert, ist einer der Hauptgründe für die enor- me Nutzungsfrequenz von Facebook das vielfältige und weit vernetzte Kommunikations- angebot. Sozialwissenschaftler befürchten, dass sich durch die intensive Nutzung und steti- ge Ausbreitung sozialer Online-Netzwerke wie Facebook, die sozialen Netzwerke in die virtuelle Welt verschieben und es zu einem „Bedeutungsverlust des Lokalen kommen wer- de, weil der ortslose virtuelle Raum diese Funktion übernimmt“ (Kneidinger 2010, 50). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob diese Annahme begründet ist und demnach inwieweit der kommunikative Austausch bei Facebook bereits so konzeptionell mündlich ist, dass er der Face-to-Face-Kommunikation nahe kommt.

[...]


1 Es handelt sich bei der Benennung der Hypothesen lediglich um eine geordnete Aufzählung, wobei die H0 zwar als notwendige Bedingung für die anderen Hypothesen gilt, jedoch nicht als eine eigentliche Nullhypothese im statistischen Kontext betrachtet werden kann.

2 Vgl. Löffler 2003; Macha/ Niebaum 2006.

3 Vgl. Beck 2006; Kimpeler /Schweiger 2007.

4 In der Forschungsliteratur findet sich auch der Begriff der kommunikativen Gattung, der in Anlehnung an Luckmann (1986 zit. n. Dürscheid 2005, 9) ebenfalls als „historisch und kulturell spezifische, gesellschaftlich verfestigte und formalisierte Lösung kommunikativer Probleme“ definiert ist. Fiehler (2004 zit. n. Rißmann 2011, 131) jedoch hebt hervor, dass kommunikative Praktiken im Gegensatz zu kommunikativen Gattungen „weniger rigide Ordnungsstrukturen aufweisen und [so] den Vollzugscharakter, die Interaktivität und die Zweckmäßigkeit des kommunikativen Handelns“ besser hervorheben.

5 Entsprechend schlagen die Autoren vier Kategorien vor: „one-to-one asynchronous communication (E-Mail); many-to-many asynchronous communication (Usenet, BBS); synchronous communication: one-to-one, one-to-few, one-to-many (MUD, MOO, IRC); asynchronous communication, im Sinne eines individuellen Abrufs von Angeboten (WWW, FTP, Gopher): many-to-one, one-to-one, one-to-many“ (Beck 2006, 21-22).

6 Die öffentlichen Kommunikationsformen können sich einerseits an ein disperses Publikum richten und anderer- seits zwar Teil des öffentlichen Angebots sein bzw. sind öffentlich zugänglich, jedoch nicht explizit an ein disperses Publikum gerichtet.

7 Dazu zählen der Grad an Öffentlichkeit, die Vertrautheit der Kommunikationspartner, die emotionale Teilhabe, die Einbettung in die Situation oder Handlung, der Referenzbezug, die physische Entfernung der Kommunikationspartner, die Kooperationsbereitschaft, die Dialogizität, Spontaneität und Themenfixierung (vgl. Koch/Oesterreicher 1990 zit. n. Reeg 2011, 86).

8 Die Buchstaben stehen für: a vertrautes Gespräch, b Telefonat mit einem Freund, c Interview, d abgedrucktes Interview, e Tagebucheintrag, f Privatbrief, g Vorstellungsgespräch, h Predigt, i Vortrag, j FAZ-Artikel, k Verwaltungsvorschrift (vgl. Koch/Oesterreicher 1985, 17-18).

9 Im Vergleich dazu waren es im Dezember 2009 noch nur 350 Millionen Nutzer (vgl. Kneidinger 2010, 60).

10 Hierin wird deutlich, wie weitläufig die Plattform mittlerweile genutzt wird, denn nicht nur hat sich die geografische Verteilung des ursprünglichen Nutzerkerns grundlegend verschoben, zudem handelt es sich bei den Nutzern zu nur noch einem Drittel um Studenten, wenngleich der Altersdurchschnitt, trotz gegenläufiger Tendenzen, noch immer jung ist (vgl. Kneidinger 2010, 60).

Excerpt out of 98 pages

Details

Title
Liken, wenn dir dit jefällt!
Subtitle
Eine Untersuchung zu den Spracheinstellungen bezüglich der dialektalen Sprachverwendung am Beispiel des sozialen Online-Netzwerks Facebook
College
Ernst Moritz Arndt University of Greifswald  (Institut für Deutsche Philologie)
Grade
1,0
Author
Year
2012
Pages
98
Catalog Number
V205661
ISBN (eBook)
9783656344506
File size
2852 KB
Language
German
Keywords
liken, eine, untersuchung, spracheinstellungen, sprachverwendung, beispiel, online-netzwerks, facebook, Dialekt, Verwendung
Quote paper
Nadja Grebe (Author), 2012, Liken, wenn dir dit jefällt!, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205661

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