Die satzmediale Groß- und Kleinschreibung im Deutschen

Ein Vergleich des traditionellen, lexikalischen Ansatzes mit einem aktuellen, syntaktischen Ansatz


Hausarbeit, 2010

17 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführende Bemerkungen

2. Zur Entwicklung der satzinternen Großschreibung

3. Der lexikalische und der syntaktische Ansatz
3.1 Die traditionelle Didaktik und ihre Problematik
3.1.1 Problematik der Substantivierung
3.1.2 Problematik der Artikelprobe
3.2 Der syntaktische Ansatz
3.2.1 Die Bestimmung der Nominalgruppe und des Kerns
3.2.2 Vorteile und Problematik

4. Lösungsansätze für die aufgeworfenen Fragen in dieser Arbeit

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einführende Bemerkungen

Ein Hauptgrund für abgelehnte Bewerbungen sind die mangelnden Rechtschreibkenntnisse der Schulabgänger. „Wer mit dem Einstellungsgespräch einen fehlerhaften

Lebenslauf abliefert und danach noch einen rechtschreib fehlerhaften schriftlichen Test, disqualifiziert sich selbst.“ (Scheuringer 1996, S. 13). Das liest und hört man immer wieder. Da die Vermittlung von sicheren Rechtschreibfähigkeiten eine wichtige Aufgabe des Deutschunterrichts ist, wird meistens den Lehrern[1] die Schuld für eine schlechte Rechtschreibung zugewiesen. Aber sollte nicht auch die Didaktik, nach der die Lehrer unterrichten, beleuchtet werden? Und dann gibt es da noch die Rechtschreibreform (1996) sowie eine Reform der Reform (2006). Vielleicht sind ja viele Beteiligte auch durch diesen Umstand verunsichert? Gibt es einen Weg, um dem Mangel ein Ende zu bereiten? Sicherlich sind diese Fragen nicht oder nur sehr schwierig zu beantworten, aber wenn die Rechtschreibkenntnisse der Schulabgänger bemängelt werden, so ist ein „Nachdenken über eine Optimierung des Schrifterwerbs höchst aktuell" (Röber-Siekmeyer 1999, S. 9) und unbedingt notwendig.

Ein großes Problemfeld im Bereich der Orthographie ist die satzinterne Groß-Klein-Schreibung[2]. Fehleruntersuchungen zeigen, dass im 3. und 4. Schuljahr der Grundschule jeder vierte Rechtschreibfehler aus dem Bereich der GKS stamme (vgl. Menzel 1985, S. 10), in den mittleren und oberen Klassen betrage der Fehleranteil an der GKS etwa ein Sechstel (vgl. Küttel 2003, S. 384). Da die GKS ein sehr weites Feld umfasst, beschränke ich mich in dieser Arbeit auf die satzinterne Großschreibung von Substantiven sowie Substantivierungen[3], da diese an Lernende die größten Herausforderungen stellen und gehe nicht näher auf Großschreibungen von Satzanfängen, Anredepronomina oder Eigennamen ein.

Um der Problematik der GKS auf den Grund zu gehen, wird nachfolgend zunächst die Vermittlung der Regeln zur GKS dargestellt, wie sie seit jeher in der Schule mit dem Duden als allgemeiner Norm gelehrt wird. Daran anschließend wird ein alternativer Ansatz vorgestellt, der die GKS weniger morphologisch-lexikalisch zu vermitteln versucht, als vielmehr eine syntaktische Markierung ins Zentrum rückt.

Parallel zu der Gegenüberstellung arbeite ich die jeweiligen Vorteile beziehungsweise Kritikpunkte der Vermittlungsansätze heraus. Dabei stellen sich folgende Fragen, zu derer Beantwortung diese Arbeit vielleicht helfen kann:

1. Ist der satzbezogene[4] Ansatz zur Vermittlung der Großschreibung effektiver als der traditionelle Lernweg des wortartbezogenen[5] Ansatzes?
2. Sollte der bisherige Ansatz komplett verworfen werden, oder kann ein sinnvolles Nebeneinander beider Ansätze zu Besserungen in der GKS führen? Wenn Letzteres zutrifft, in welchen Jahrgangsstufen böte sich welcher Ansatz an?

2. Zur Entwicklung der satzinternen Großschreibung

Bevor die oben genannten didaktischen Ansätze zur Vermittlung der GKS dargestellt werden, soll eine kurze Abhandlung zur geschichtlichen Entwicklung der satzmedialen Großschreibung aufzeigen, dass es bereits hier unterschiedliche Meinungen in der Sprachwissenschaft gibt.

Nach Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg im 15. Jahrhundert bestand das Ziel der Buchdrucker darin, die Majuskeln[6] als textgliederndes Mittel zur Hervorhebung wichtiger, bedeutender Wörter und damit zur besseren Lesbarkeit einzusetzen, um eine breite Masse der eher noch leseunerfahrenen Bevölkerung zu erreichen. Nach Meinung der Befürworter des wortartbezogenen Ansatzes beziehe sich der Großbuchstabe für „die Kennzeichnung von Wort- oder Wortgruppenanfängen auf die lexikalische Ebene des sprachlichen Systems[ ]“ (Ewald/Nerius 1990, S. 13) und damit auf bestimmte großzuschreibende Wortarten.

Die Vertreter der syntaxbezogenen GKS sind der Auffassung, die zeitgenössischen Grammatiker hätten den Majuskelgebrauch der Buchdrucker scheinbar fehlinterpretiert. Sie hätten die Majuskelsetzung nicht als Strukturierungshilfe gesehen, sondern stattdessen deren Gebrauch in der Schriftwirklichkeit zu interpretieren versucht und ihre wortartbezogene Fixierung stetig auf die Schriftpraxis ausgeweitet (vgl. Nünke/Wilhelmus 2002, S. 203). Diese Fehlinterpretation hatte über Jahrhunderte Bestand und führt bis heute in der Grundschule dazu, dass allein Substantivität als großschreibungsauslösendes Kriterium gelehrt und gelernt wird (vgl. Müller 2010, S. 16).

3. Der lexikalische und der syntaktische Ansatz

3.1 Die traditionelle Didaktik und ihre Problematik

„Substantive schreibt man groß <§55>.“ (Rechtschreibduden 2009, S. 57). Dies ist die erste und auf den ersten Blick relativ simple Regel im Rechtschreibduden für die GKS.

Des Weiteren wird gelehrt, dass man vor Substantive einen Artikel setzen kann und dass Verben und Adjektive kleinzuschreiben sind. Nach dieser wortartbezogenen Didaktik vermitteln noch immer alle Schulbücher die GKS. Nomen werden von anderen Wortarten getrennt und nur ihnen gebührt das Recht der Großschreibung. Dabei lernen die SuS in der Grundschule, dass Nomen neben Dingen und Lebewesen (Konkreta) auch Abstrakta, also Vorstellungen bezeichnen können (vgl. Birck u. a. 1994, S. 52). Daneben wird in den ersten Klassen nicht selten mit vereinfachten, inhaltsbezogenen Tests für Nomen gearbeitet, die bei unsicheren Schreibern Missverständnisse nahelegen können: „Kann man es anfassen, fotografieren?“ (Lindauer/Schmellentin 2008, S. 38). Mit dieser Erkennungshilfe gibt es bei den Abstrakta Probleme, denn „Glaube“ oder „Hoffnung“ können nicht angefasst oder fotografiert werden. „Um Nomen als solche identifizieren zu können, lernen SuS, dass diese einen Begleiter, also Artikel haben können. Nomen werden in der Primarstufe auch als Namenwörter, Verben als Tuwörter und Adjektive als Wiewörter bezeichnet. Auch das dient der Identifizierung. Sind sich die SuS unsicher, zu welcher Wortart ein Wort gehört, überprüfen sie es mit Hilfe der Artikelprobe und mit bestimmten Fragen. Sie lernen, dass man bei Wiewörtern fragen kann: ,,Wie ist es?". Tuwörter kann man mit der Frage: ,,Was macht oder tut er?" identifizieren und sich schließlich für die Kleinschreibung entscheiden. Dass Wörter aus anderen Wortarten nominalisiert[7] werden können und dann ebenfalls großgeschrieben werden, ist erst in höheren Klassen vorgesehen, obschon auch Grundschüler mit Nominalisierungen konfrontiert werden und dann mit den gelernten Regeln und Kriterien an ihre Grenzen stoßen. Ein weiteres Problem ist, dass die Grundschüler nicht die grammatischen Bestimmungen der Wortarten lernen und keine anderen Wortarten als Nomen, Verben und Adjektive kennenlernen. Das hat zur Folge, dass viele SuS bei anderen Wörtern hilflos sind oder versuchen, diese irgendwie den bekannten Wortarten zuzuordnen. Ein inhaltlicher Zugang, bei dem der textliche Zusammenhang bedeutend ist, wird dabei gänzlich ausgeklammert. Dadurch lesen viele SuS gar nicht den ganzen Satz oder größeren Zusammenhang, sondern isolieren einzelne Wörter, um sie zunächst einer Wortart und dann der GKS zuzuordnen. Ein Vertreter dieses semantischen Konzepts ist Nerius: Nach ihm sei für die GKS „das lexikalische Prinzip prägend, denn die zugrunde liegende Wortarteneinteilung ist Klassifikationsprinzip auf der lexikalischen Ebene. So kann die Großschreibung der Wortart der Substantive als formales Merkmal einer bestimmten lexikalischen Klasse mit gemeinsamer kategorialer Bedeutung angesehen werden.“ (Nerius u. a. 2007, S. 167). Wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird, gibt es zu dieser Meinung allerdings einige Kritiker.

[...]


[1] Der Einfachheit halber wird nur die maskuline Form der Begrifflichkeit „Lehrer“ verwendet.

[2] Nachfolgend mit GKS abgekürzt.

[3] Ich verwende in dieser Arbeit ebenfalls die Synonyme „Nomen“ und „Nominalisierungen“.

[4] Synonym zu „syntaktischer Ansatz“.

[5] Synonym zu „lexikalischer Ansatz“.

[6] Großbuchstaben.

[7] Die Bildung eines Substantivs aus einer anderen Wortart, vor allem aus Verben und Adjektiven.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die satzmediale Groß- und Kleinschreibung im Deutschen
Untertitel
Ein Vergleich des traditionellen, lexikalischen Ansatzes mit einem aktuellen, syntaktischen Ansatz
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg  (Fakultät II: Institut für Sprachen)
Note
1.0
Autor
Jahr
2010
Seiten
17
Katalognummer
V205702
ISBN (eBook)
9783656326366
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
lexikalischer Ansatz, syntaktischer Ansatz, Groß- und Kleinschreibung im Satz, traditioneller Ansatz vs. aktueller Ansatz
Arbeit zitieren
Christian Osterfeld (Autor:in), 2010, Die satzmediale Groß- und Kleinschreibung im Deutschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205702

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