Die genrespezifischen narrativen Aspekte des Italo-Western


Mémoire de Maîtrise, 1994

59 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Methodische Vorüberlegungen
1.1 Beschreibungsebenen
1.2 Begriffsklärung: 'Genre'
1.3 Rezeptionsgeschichte der Italo-Western: Nichtbeachtung, Ausgrenzung, Provinzialismus
1.4 Auswahl der Filme

2. Fabula
2.1 Die konzeptuelle Struktur
2.1.1 Die oppositionale Wertstruktur des Western - der Italo-Western als Anti-Western
2.1.1.1 'inside society'/'outside society' im Italo-Western
2.1.1.2 'wilderness'/'civilization' im Italo-Western
2.1.1.3 'strong'/'weak' im Italo-Western
2.1.1.4 'good'/'bad' im Italo-Western
2.2 Die Plot-Struktur
2.2.1 Wrights Analyse des amerikanischen Western: Methode
2.2.1.1 Die Subgenres des amerikanischen Western nach Wright
2.2.2 Das Problem der Integration des Italo-Western in das Wrightsche Schema
2.2.2.1 Fraylings 'Italian Plot': methodische Unsauberkeit
2.2.3 Der Italo-Plot: 'Ein Diener zweier Herren' als Tiefenstruktur
2.2.3.1 Die dramatis personae des Italo-Western
2.2.3.2 Der Italo-Western: ein Funktionenmodell
2.2.3.3 Erläuterungen und Illustrationen zu den einzelnen Funktionen
2.2.3.4 Abweichungen vom 'Italo-Plot'
2.2.3.5 Zwei Beispiele

3. Story
3.1 Die Zeitstruktur der Italo-Western
3.2 Die Raumstruktur der Italo-Western
3.3 Das Setting der Italo-Western
3.4 Die Figurenkonzeption der Italo-Western
3.4.1 Der Bösewicht
3.4.2 Der Held
3.4.2.1 Seine Moral
3.4.2.2 Sein Aussehen
3.4.2.3 Sein Innenleben
3.4.2.4 Die Sympathielenkung
3.4.2.5 Seine Wurzeln

4. Text: die erzählerische Vermittlung
4.1 Thematische Besonderheiten
4.1.1 Brutalität als Gütesiegel
4.1.2 Neuentdeckte Körperlichkeit: Homophobie und Vulgarität
4.1.3 Blasphemie
4.2 Mediumspezifische Techniken
4.2.1 Detailaufnahmen
4.2.2 Subjektive Kamera
4.2.3 Montage
4.2.4 Soundtrack

5. Schlussbemerkung

6. Zitierte Filme

7. Zitierte Literatur

8. Endnotes

0. Einleitung

Die von italienischen Regisseuren Mitte bis Ende der sechziger Jahre gedrehten Western wurden schon sehr früh unter dem Namen 'Italo-Western' als Genre zusammengefasst. Obwohl die Filme beim Publikum sehr erfolgreich waren und auch die Kritik sich intensiv mit ihnen befasste, wurde das Genre meist als 'trivial' abgetan, weswegen es in akademischen Untersuchungen zum Western lange Zeit unbeachtet blieb und bis heute kaum systematisch erfasst ist.[1] Mit dieser Arbeit soll schrittweise dargestellt werden, dass die Italo-Western

a. die im traditionellen Western transportierten Werte auf den Kopf stellen,[2]
b. eine distinkte Plotstruktur aufweisen,
c. einen neuen Heldentypus in den Vordergrund spielen und
d. eine für das 'Trivial'-Kino der sechziger Jahre neuartige Filmsprache verwenden.

Auf diesen vier Ebenen fand mit dem Italo-Western keine einfache Variation, sondern eine revolutionäre Umwälzung innerhalb des Western statt, die die Kinogeschichte bis heute beeinflusst hat. Mit ihrem destruktiven Anarchismus ermöglichten die Italo-Western einen neuen Anfang für das Kino, indem sie eine Situation schufen, die die Möglichkeit bot, unbehelligt von puritanischer Moralität Geschichten zu erzählen, in denen die Differenz zwischen Gut und Böse nicht mehr an der Farbe des Hutes abzulesen, d.h. fließend oder gar nicht vorhanden ist.

Der Held des Italo-Western wurde vor allem in den Filmen von und mit Clint Eastwood weiterentwickelt (z.B. in Der Mann, der niemals aufgibt oder den Dirty-Harry-Filmen, die durchaus als 'moderne Western' gelten können). Bei den Heldenfiguren der neueren Filme aus der 'härteren' Kategorie (z.B. mit Steve McQueen, Charles Bronson oder Mel Gibson) ist die Verwandtschaft mit dem Helden des Italo-Western ebenfalls unverkennbar.

Ebenso mögen die Italo-Western hinsichtlich ihres unverkrampften Umganges mit stilistischen Mitteln wie subjektiver Kamera, Großaufnahmen und gewagten Schnitten als Wegbereiter für das heutige Action-Kino anzusehen sein, in dem dem Publikum nicht mehr die Sicherheit der Position des distanzierten Beobachters gegönnt wird.

1. Methodische Vorüberlegungen

1.1 Beschreibungsebenen

Als Orientierungsmuster soll für diese Arbeit das von Bal (1985) entwickelte Schichtenmodell dienen, welches für die Analyse von Erzählungen folgende Beschreibungsebenen unterscheidet: Fabula - Story - Text.

Unter 'Fabula' versteht Bal die abstrakteste bedeutungstragende Ebene eines gegebenen narrativen Textes, auf der die Figurenkonstellation und die Plotstruktur anzusiedeln sind. In der Beschreibung der Fabula wird die Erzählung also reduziert auf ihre Akteure und die durch ihre Handlungen entstehenden Ereignisse. Auch wenn Bal sich selbst nicht über konzeptuelle Strukturen, d.h. über die transportieren Werte äußert, können diese doch ebenfalls als zur Fabula zugehörig angenommen werden. Während auf der Fabula-Ebene nur das Skelett der Erzählung interessiert, wird auf der 'Story'-Ebene die Figurenkonzeption, das Setting etc. untersucht, d.h. die Muskulatur.[3] Die Untersuchung der erzählerischen Vermittlung findet schließlich auf der 'Text'-Ebene statt.

Diese drei Beschreibungsebenen sollen hier deutlich voneinander unterschieden werden, da dies hilfreich ist, um terminologische Mehrdeutigkeiten zu vermeiden, mit denen z.B. der Begriff 'Held' belastet ist. In der Literatur ist dieser manchmal gleichzusetzen mit 'Protagonist', manchmal schwingen all jene Konnotationen mit, die mit der Phrase 'ein wahrer Held' assoziiert werden. Im ersten Fall wäre 'Held' der Oberbegriff für 'Bösewicht', im zweiten stünden die Begriffe 'Held' und 'Bösewicht' auf gleicher Stufe in Opposition.

Wenn hier also in der Analyse der Fabula von 'Held' die Rede ist, ist damit lediglich eine Position innerhalb der Konstellation der Akteure gemeint. Auf der Story-Ebene ist mit 'Held' jedoch der Figurentypus bezeichnet, der sich üblicherweise in dieser Position befindet. Jedoch ist, wie noch zu zeigen ist, der Umkehrschluss nicht immer möglich: in der Fabula mancher Filme ist zwar eine mit 'Held' zu bezeichnende Position auszumachen, aber die Zuordnung von einer bestimmten Figur zu dieser Position ist problematisch (vergl. 2.2.3.3).

1.2 Begriffsklärung: 'Genre'

Da der Begriff 'Genre' zumindest in der Literaturwissenschaft häufig als äußerst problematisch empfunden wird, soll zunächst geklärt werden, was hier gemeint ist, wenn von 'Genre' die Rede ist.

In Anlehnung an Hempfer (1973) wird hier eine konstruktivistische Position eingenommen, der entsprechend Genres kommunikative Normenkomplexe darstellen, "im Sinne von mehr oder minder internalisierten 'Spielregeln', nicht im Sinne von präskriptiven Postulaten" (Hempfer 223). Wie Berger/Luckmann (1980) gezeigt haben, werden solche internalisierten Normen dadurch, dass sie die Interaktion von Menschen beeinflussen, von diesen als der Objektebene zugehörig empfunden. Ein 'Genre' hat insofern sowohl für Textproduzenten als auch für Textrezipienten Realität,[4] denn Abweichungen von den 'Spielregeln' werden registriert, wohingegen Konformität als unmarkiert, d.h. unauffällig erlebt wird. Diese Sichtweise hat folgende Konsequenzen:

a. 'Genre' ist eine unausweichliche Kategorie (vergl. Walch 1991: 13). Genreerwartungen dienen stets als Grundorientierung im Rezeptionsprozess.[5]

b. Nicht nur die Zugehörigkeit von Einzeltexten zu einem bestimmten Genre kann erklärt werden, sondern auch Variationen innerhalb eines Genres, denn wo es Spielregeln gibt, gibt es auch immer jemanden, der gegen sie verstößt: zumindest die ersten Italo-Western sind als Anti-Western bzw. als Persiflage auf den amerikanischen Western zu verstehen. Später bildete sich durch den kommerziellen Erfolg der ersten Italo-Western ein neues System von 'Spielregeln' heraus; mit den italienischen Anti-Western entstand also ein neues Subgenre des Western, das den Rezeptionshorizont für alle folgenden Western beeinflusste.

c. Genregrenzen sind notwendigerweise fließend. "Jedes neue Werk ändert seine Gattung(en). Kein Werk geht vollständig in einer Gruppe auf" (Walch 13).

1.3 Rezeptionsgeschichte der Italo-Western:
Nichtbeachtung, Ausgrenzung, Provinzialismus

Trotz ihres großen Erfolges beim italienischen, aber auch internationalen Publikum (mit Ausnahme des amerikanischen) dauerte es verhältnismäßig lang, bis die akademische Kritik sich herabließ, sich mit dem 'Trivialgenre' Italo-Western zu beschäftigen ("formula cinema": vergl. Frayling 122-24). Cawelti (1971) erwähnt zwar die Sergio Leone - Filme in einer "Chronological List of Major & Representative Westerns" (110-113), übergeht sie aber völlig in seiner Analyse des Westernmythos. Wie um zu betonen, dass diese Filme für ihn uninteressant sind, lässt er eine "List of Western Films by Subject" (113-119) folgen, die die Italo-Western ausspart, gerade so, als hätten sie kein Thema. Dass die Filme unter der Rubrik "French Critics Select the Ten Best Westerns" (119 ff) nicht aufgeführt werden, überrascht da kaum noch.[6]

Ebenso analysiert Wright (1975) die amerikanischen Western, die bis Mitte der siebziger Jahre produziert wurden, und erhebt den Anspruch, damit den Westernmythos im allgemeinen zu erfassen. Die Ausschließlichkeit, mit der er erfolgreiche amerikanische Produktionen berücksichtigt, hat zwei Gründe:

- Zum ersten glaubt Wright, die italienischen Western problemlos in sein Schema einfügen zu können, indem er sie unter seinen "professional plot" subsumiert (vergl. 2.1.1 und 2.2.2). Italienische Western stellen für ihn nichts weiter dar als "fill ins" (14), unkreative Produktionen also, die nur Erfolg hatten, da in den USA zur selben Zeit keine nennenswerten Filme hergestellt wurden.

- Zum zweiten hält Wright den Western offensichtlich für einen spezifisch amerikanischen Mythos. Ausländische Produktionen besitzen kaum eine Daseinsberechtigung, die Modifikationen des Westernmythos durch ausländische Regisseure sind für ihn völlig uninteressant.

Dieser Standpunkt ist schon deswegen problematisch, da die Filme, die die wichtigsten Einflüsse auf den von Wright als 'amerikanisch' anerkannten Western darstellen, zwar in Hollywood, aber nicht von Amerikanern gedreht wurden: "Ford is Irish; Zinneman, Austrian; Lang, German; Wyler and Tourneur, French...I don't see, why an Italian should not be included in the group" (Leone zitiert nach Frayling 1981: 35). Und auch außerhalb Hollywoods gab es von Beginn der Kinogeschichte an nennenswerte Beschäftigungen mit dem Westernmythos: in den 20er Jahren schrieb Sergej Eisenstein das Drehbuch zu Sutter's Gold, basierend auf einer französischen Romanvorlage; 1936 brachte Luis Trenker Der Kaiser von Kalifornien heraus. Weder Eisenstein noch Trenker hatten dabei Grund zu befürchten, sie könnten mit ihrer Arbeit Missfallen bei der jeweiligen politischen Führung erregen:

Director's and scriptwriters associated with 'epic' reconstructions of great moments in America's past were quite capable of manipulating history in ways ... which both Stalinist and Nazi propagandists might well admire. (Frayling 7)

Inzwischen gibt es sicher kaum ein filmproduzierendes Land, in dem noch kein Western hergestellt wurde (wenn auch sicher nicht alle Adaptionen einen ähnlichen Einfluss auf das Genre nehmen konnten wie die italienischen).

Die weltweite Verbreitung der Westernfilme, die Entstehung eines weltumspannenden Westernpublikums und vor allem die Adaption des Western durch nicht-amerikanische Filmproduktionen für ihr spezielles Publikum legt es nahe, den Western als ein internationales Genre aufzufassen. Somit hat Amerika das Recht auf exklusive Beanspruchung des Mythos verloren bzw. nie besessen. Das historisch-geographische Setting möchte ein solches Recht zwar suggerieren, wird jedoch stets transzendiert:

[The] unreality in Westerns, their invention of a world released from the present time, alleviated of the...ordinary hindrances of contemporary living, must be what allows them to be enjoyed by people all over the world who know and care nothing about America, but can recognize a grand old myth when they see one. (Wood 1976: 29)

Ebenso argumentiert Sergio Leone:

Man darf den Mythos des Wilden Westens ...nicht mit der historischen Realität Amerikas im vergangenen Jahrhundert verwechseln. Wenn es stimmt, dass die Westernfilme von dieser Epoche inspiriert sind, so trifft es ebenfalls zu, dass sie diese Zeit nach Belieben verändern...Die Fabel, die Dichtung, der Mythos gehören niemandem, sie gehören allen. Und so gehört auch der Western allen! (Leone zitiert nach Fornari 1984: 22)

Sich bei der Analyse des Westernmythos lediglich auf amerikanische Western zu beschränken, wird dem Objekt folglich nicht gerecht.

Frayling (1981) fügt der Wrightschen Analyse eine Abhandlung über den italienischen Western hinzu. Er wiederum beschränkt sich auf diejenigen Filme, die von italienischen Regisseuren gedreht wurden. Diese Vorgehensweise ist einerseits berechtigt, da die Kritik diese Filme als ähnlich und zusammengehörig erlebte und mit den Bezeichnungen 'Spaghetti'- oder 'Italo'-Western als Genre zusammenfasste und somit auf ihre geographisch-kulturelle Herkunft zurückführte. Außerdem ist es sicherlich richtig, dass es italienische Regisseure waren, die das Genre prägten. Andererseits sind die Bezeichnungen irreführend und Frayling verfällt, ihnen unkritisch folgend, in einen ähnlichen Provinzialismus wie Wright. Dies ist umso überraschender als Frayling doch herausarbeitet, dass es nicht nur die Nationalität der Regisseure ist, die die Filme gemeinsam haben, sondern darüber hinaus auffällige strukturelle Merkmale. Letztere sollten eigentlich zu der Erkenntnis führen, dass Filme wie die von und mit Clint Eastwood, von Sinola über Ein Fremder ohne Namen und Pale Rider zu Erbarmungslos, im Grunde "Spaghettis" sind,[7] von der Grundstruktur her vielleicht noch eher als Once upon (vergl. 2.2.3.4).[8]

1.4 Auswahl der Filme

Den Überlegungen aus 1.3 entsprechend wird das Hauptgewicht in dieser Arbeit zwar auf den Filmen Leones, Corbuccis und Sollimas etc. aus der Zeit von 1964 - 1970 liegen, da diese das Genre geprägt hatten und schließlich auch für den Namen verantwortlich sind. Jedoch werden sowohl spätere Produktionen als auch jene nicht-italienischen Filme zur Illustration herangezogen, die deutliche Anleihen beim Italo-Western machen bzw. gar als genrekonforme Variationen anzusehen sind. Hier wird der Standpunkt vertreten, dass mit dem Italo-Western weniger ein durch die regionale Herkunft der Regisseure bestimmtes Subgenre des Westerns entstanden ist, sondern vielmehr eines, das sich durch strukturelle und stilistische Merkmale auszeichnet, d.h. durch ein bestimmtes Set von 'Spielregeln'. Wie unter 1.2 angedeutet, sind daher die Grenzen zwischen den einzelnen Subgenres fließend. Eine sklavische Festlegung auf Filme italienischer Regisseure wäre darum falsch.

Aus oben genannter Gruppe wurden 35 Filme untersucht, d.h. ungefähr die Hälfte der Italo-Western, die überhaupt in den internationalen Verleih gelangten (vergl. Frayling 256). Zu den untersuchten Filmen gehören jedoch sowohl die kommerziell erfolgreichsten, als auch die in der Kritik am intensivsten diskutierten (d.h. die originellsten: eben die Filme Leones, Corbuccis, Sollimas), es erscheint also unproblematisch, von dieser Stichprobe auf das Genre zu schließen.

2. Fabula

2.1 Die konzeptuelle Struktur

Eine Untersuchung der zugrundeliegenden Werte und Konzepte hat schon bei der Analyse eines einzelnen Filmes mit dem Problem zu kämpfen, dass eine Operationalisierung schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist. Bei der Untersuchung eines ganzen Genres potenziert sich dieses Problem. Letztendlich sind es einzig die Intuitionen des Beobachters, auf die sich eine Untersuchung verlassen kann, wissenschaftlichen Ansprüchen können die Ausführungen in diesem Kapitel 2.1 also kaum genügen. Da jedoch sowohl Wright (1975) als auch Frayling (1981) sich bemüht haben, die Wertstrukturen des Westerns greifbar zu machen, soll auch hier darauf eingegangen werden, in der Hoffnung, dass, auch wenn keine strenge Falsifizierbarkeit erreicht wird, die Ergebnisse zumindest nachvollziehbar und fruchtbar sind.

2.1.1 Die oppositionale Wertstruktur des Western - der Italo-Western als Anti-Western

Wright (1975) fasst den Westernmythos als "communication between society and individuals" (20) auf, die die Aufgabe habe, bestimmte Werte und Konzepte zu transportieren. Diese seien in oppositionalen Strukturen organisiert, da eine dichotome Organisation die Bedeutung des Mythos klar hervortreten lasse und die Kommunikation ein Maximum an Effizienz erreiche:

When an image of a thing becomes a symbol, we know more about what it does mean if we know exactly what it does not mean. This is because the symbolic meaning created by an assumed dichotomy of images is determined only by the differences in the images; their similarities are irrelevant...The important point is that...in a tertiary structure, the meaning of each image would be far less obvious and general. (22-23)

Es erscheint zunächst verwunderlich, wenn Wright feststellt, dass es im Westernmythos drei Aktanten (d.h. Klassen von Akteuren) gibt, nämlich die Vertreter der Gesellschaft, die Bösewichter und den/die Helden. Hier liegt er auf einer Linie mit Cawelti (1971), der ebenfalls diese Dreierkonstellation ausmacht. Cawelti jedoch scheint sich vorzustellen, dass im traditionellen Western normalerweise kein echtes Dreiecksverhältnis (wie es im folgenden als konstitutiv für den Italo-Western dargestellt werden soll) vorliegt, sondern etwa folgende Struktur:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dieses Modell erscheint für den traditionellen Western angebracht, denn der Held entscheidet sich im Verlauf der Geschichte stets für eine Seite, d.h. normalerweise für die der Städter, was auch Wright so sieht. Cawelti ist daher der Ansicht, dass eine oppositionale Wertstruktur für den Western kennzeichnend ist:

The dialectical structure of the Western - its opposition of townspeople and savages with the hero in the middle - encourages the expression of value oppositions. (73)

Der Held stellt weniger einen eigenständigen Pol in der Wertestruktur dar, sondern trägt vielmehr das Spannungsverhältnis zwischen Zivilisation und Wildnis als "inner conflict" (Cawelti 55) stellvertretend für die anderen Akteure aus. Wright vertieft das Problem der oppositionalen Struktur und erarbeitet folgende grundlegenden Wertgegensätze, die seiner Ansicht nach den Western charakterisieren: 'inside society'/'outside society', 'strong'/'weak', 'good'/'bad', 'civilization'/'wilderness' (49).

Wright ordnet Halunken seinem "professional plot" zu (zu den Plot-Kategorien sowie den Problemen mit der Einordnung der Italo-Western siehe 2.2.2). Da dieser Film als ein typischer Vertreter seines Genres gelten kann und der einzige Italo-Western ist, den Wright in seiner Klassifikation explizit berücksichtigt, muss man annehmen, Wright verfahre ebenso mit allen anderen Italo-Western. Hier setzt Frayling (1981) mit seiner Kritik an:

Even in the most successful early Italian Westerns, society is virtually nonexistent, all the protagonists are 'strong', the distinction between 'good', 'bad' (or, come to that, 'ugly') has been redefined, and the tension between 'wilderness' and 'civilization' plays no part at all. (51)

Sicherlich ist es richtig, dass die italienischen Western mit den Grundoppositionen des Western ein besonderes Spiel treiben und sich darin auch vom 'Profi'-Plot unterscheiden, jedoch kann der Unterschied nicht darin liegen, dass völlig andere Oppositionen in ihnen Bedeutung erlangen und schon gar nicht solche ad hoc-Alternativen, wie Frayling sie bietet:

More appropriate oppositions at work in Italian Western, which can help us make sense of the genre, would be 'victim/executioner', 'Gringo/Mexican', 'inside the local community/outside the local community', 'pro-faction/anti-faction', 'family-oriented/self-oriented', 'amity/enmity', 'money/commitment to a cause'. (50)

Hätte Frayling Recht mit seiner Annahme, dass die Italo-Western sich lediglich auf andere Werte konzentrieren als die amerikanischen, so könnte man kaum die Aufregung, jedoch ebenso wenig das Interesse verstehen, die sie zu ihrer Zeit bei der Kritik und dem Publikum verursachten. Es wäre falsch, diese Reaktionen im Nachhinein damit abzutun, das Publikum/die Kritik hätte diese Western nicht oder nicht richtig verstanden, da sie im italienischen Kontext der 60er Jahre hätten interpretiert werden müssen, nicht im amerikanischen. Die Tatsache, dass diese Filme auch mit dem Italien der 60er Jahre auf gewisse Weise im Diskurs stehen, lässt sich sicherlich nicht verleugnen, allerdings würde diese Sichtweise wieder denselben Provinzialismus in die Diskussion des Western bringen, der schon bei Wright kritisiert wurde (siehe 1.3). Um hierzu ein wenig spekulative Rezeptionsgeschichte zu betreiben: die Kinobesucher sahen sich sicherlich nicht Italo-Western an, um sich Dramen über 'Freundschaft'/'Feindschaft' anzusehen, oder über das Verhältnis von 'Gringos' zu 'Mexikanern', sondern weil sie es genossen, im Kino dasselbe Scheitern der traditionellen Werte zu erleben wie in der gesellschaftlichen Realität. Nicht umsonst wurden die Italo-Western als 'realistischer' erlebt als ihre amerikanischen Vorläufer, die letztendlich das Bild einer heilen Welt verbreiteten.[9]

Zudem ist nicht einzusehen, warum man 'inside the local community'/'outside the local community', 'pro-faction'/'anti-faction', 'amity'/'enmity' und 'family-oriented'/ 'self-oriented' nicht als Sonderformen des Gegensatzpaares 'inside society'/'outside society' auffassen kann. Weiterhin könnte man argumentieren, dass 'money'/'commitment to a cause' keine Grundopposition darstellt, sondern lediglich auf Charakteristika der Figuren verweist, die sich in der Sympathielenkung auswirken, also letztendlich die 'gut'/ 'böse'-Opposition stützen. 'Gringo'/'Mexican' schließlich würde eine völlig neue Dimension der Abgrenzung von Untergenres in die Diskussion einbringen, denn ebenso müsste man dann 'Siedler'/'Indianer', 'Zivilist'/'Soldat' oder 'Viehzüchter'/'Ackerbauer' als genrebestimmende Oppositionen geltend machen, was zwar eine Möglichkeit der Klassifizierung (thematisch nämlich) darstellt, aber den Wrightschen Rahmen sprengen würde, in dem auch Frayling zu arbeiten versucht. Ein wichtigerer Einwand noch gegen die Annahme von derartigen Grundoppositionen ist, dass 'Gringo'/'Mexikaner' sich eindeutig auf ein sekundäres Attribut der Figuren, ihre Nationalität, bezieht. Solche Attribute sind auf der Story-Ebene anzusiedeln, für die Fabula im Sinne Bals (1985) muss jedoch ein höherer Abstraktionsgrad angelegt werden.

Abgesehen davon, dass die Gegensatzpaare, die Frayling beispielhaft aufführt, keine wirkliche Alternative zu den von Wright postulierten darstellen können, ist es fraglich, ob Frayling überhaupt eine sinnvolle Erklärungsstrategie verfolgt, denn sein Ansatz impliziert, dass Italo-Western durch das Bearbeiten anderer Oppositionen auch andere Filme sind, d.h. vielleicht sogar ein völlig eigenständiges Genre bilden. Auch die Italo-Western sind jedoch in erster Linie Western, d.h. das Genre 'Western' legt den Erwartungshorizont fest, gegen den auch Italo-'Western' rezipiert werden. Es muss also geklärt werden, inwiefern sie sich mit den Normen des Genres auseinandersetzen. Von vornherein anzunehmen, es spielten in den Italo-Western lediglich andere Werte eine Rolle, hieße, dem Problem auszuweichen. Im folgenden soll also angenommen werden, dass die Wrightschen Oppositionen tatsächlich konstitutiv für den Western wirken, also auch für den Italo-Western, da nämlich schon der Versuch, diesen normativen Klassifizierungen auszuweichen, eine signifikante Veränderung darstellt. Die Tatsache, dass Italo-Western eben Western sind, muss als Bekenntnis oder Verpflichtung gesehen werden, innerhalb eines bestimmten normativen Rahmens zu arbeiten. Wenn die binären Oppositionen, die für den traditionellen amerikanischen Western nützliche Instrumente der Beschreibung darstellten, im Falle des Italo-Western nicht mehr greifen, so ist dies als Kritik an den Werten des traditionellen Western, und damit an der Gesellschaft zu verstehen, die solche Western hervorgebracht hat.

Das Genre 'Italo-Western' bildete sich heraus, als der Vietnamkrieg die Proteste gegen das 'Establishment' verursachte und in Europa die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit das Vertrauen vieler junger Menschen in die Gesellschaft erschütterte. Das Wertesystem der Elterngeneration wurde abgelehnt; Provokation stellte ein beliebtes Mittel der Auseinandersetzung dar.

Die Italo-Western mit ihrer provokanten und für damalige Verhältnisse schockierenden Stilistik und ihrem Nihilismus fügten sich daher gut in die damalige Stimmungslage ein. Die Behauptung, dass es gerade die Negierung der traditionellen Werte war, die den Italo-Western zu seiner Zeit so populär machte, führt daher sicherlich nicht zu weit.

Im folgenden soll im Detail gezeigt werden, inwiefern die Wrightschen Oppositionen auf den Italo-Western anzuwenden sind, bzw. wo die Grenze der Anwendbarkeit liegt.

2.1.1.1 'inside society'/'outside society' im Italo-Western

Die 'Gesellschaft' ist im Italo-Western kaum auszumachen, bzw. tritt deutlich in den Hintergrund. Die Protagonisten sind meist deutlich als Außenseiter zu erkennen. Falls Repräsentanten gesellschaftlicher Institutionen auftauchen (Sheriffs, Bankiers, Saloonbesitzer, Richter, Priester), sind sie entweder marginale Figuren, die keinerlei Einfluss auf die Handlung haben und ziemlich schnell ins Abseits geschoben (bzw. ins Jenseits befördert) werden, oder sie fallen mit der traditionellen Bösewicht-Rolle zusammen (vergl. Bädekerl 600). Eine funktionierende Gesellschaft wird also noch nicht einmal als Möglichkeit gezeigt, wie es im amerikanischen "professional"-Western (siehe 2.2.1.1) noch der Fall ist, auch wenn sich die Protagonisten schon dort gegen sie entscheiden. Umso weiter ist der Italo-Western natürlich vom klassischen Western (siehe 2.2.1.1) entfernt, in dem der Wunsch nach einem friedlichen, geregelten Zusammenleben als Motivation des Helden gelten mag.

2.1.1.2 'wilderness'/'civilization' im Italo-Western

Die offensichtliche Nicht-Existenz einer funktionierenden Gesellschaft bewirkt eine Betonung der 'Wildnis' gegenüber der 'Zivilisation'. Zivilisatorische Errungenschaften wie Bildung (d.h. Schreiben- und Lesenkönnen) und technischer Fortschritt (d.h. Waffentechnologie) werden stets für Unterdrückung und Ausbeutung instrumentalisiert, d.h., bildlich gesprochen, dem 'Gesetz des Dschungels' untergeordnet.

Häuser fungieren traditionellerweise als Symbole für 'Zivilisation', da sie normalerweise Schutz bieten vor den Gefahren der Wildnis. Im Italo-Western werden sie vollständig umgedeutet: Als bewohnte Räume kommen sie kaum vor, denn die meisten Italo-Western spielen in Geisterstädten oder solchen, die zumindest zum Teil verlassen sind. Wird die Wohnung eines reichen ausbeuterischen Bösewichts gezeigt, dann nur, damit sie spätestens gegen Ende des Filmes zu Bruch geht. Die Wüste ist schon gefährlich, Häusern jedoch muss sich der Held mit noch größerer Vorsicht nähern und ständig darauf gefasst sein, dass aus einem unbewohnt scheinenden Haus plötzlich ein auf ihn gerichteter Gewehrlauf ragt.

Die 'Wildnis' ist also in die Räume der 'Zivilisation' eingedrungen, d.h. nirgends ist man vor ihr sicher, und sicher sollte man vor ihr sein: anders als im traditionellen Western wird 'Wildnis' nicht romantisiert; es gibt den Ort nicht, wo der Mensch mit der Natur noch im Einklang sein kann. Es werden keine schönen Landschaften gezeigt, vor denen die einsamen Reiter sich bewegen (wie es zum Beispiel in Zwei Banditen, einem Western der "professional"-Kategorie, der Fall ist). Die 'Wildnis' ist absolut lebensfeindlich: die schönen Wälder und grünen Wiesen, aber auch die monumentalen Steinberge des traditionellen Western mussten langweiligen, staubigen Wüsten und sengender Sonne weichen (Dollar-Trilogie),[10] regnerischer Dunkelheit, in der die Menschen durch knöcheltiefen Schlamm waten müssen (Django, Keoma), oder aber eisigen Schneewüsten (Leichen).

Dass die 'Zivilisation' keinen Schutz bietet oder gar noch lebensbedrohlicher ist, wird gleich zu Anfang der Filme deutlich gemacht, wie z.B. in Handvoll: der einsame Mann, der durch die Wüste reitet, findet als erste Anzeichen von 'Zivilisation' ein Grabkreuz oder einen Baum, von dem eine Schlinge hängt. Kaum in der Stadt, begegnet ihm ein Totengräber, der ihm auf nicht gerade geschäftstüchtige Weise rät zu verschwinden. Gelangt er zum Saloon, muss er sich spätestens dann mit Killern auseinandersetzen.

2.1.1.3 'strong'/'weak' im Italo-Western

Bezüglich der Opposition von 'stark'/'schwach' entspricht der Italo-Western weitgehend Wrights Einschätzung der traditionellen Formen. Alle Protagonisten, d.h. sowohl Helden als auch Bösewichter und Dritte sind 'stark'. Natürlich tauchen stets einige 'schwache' Randfiguren auf, an denen die Hauptfiguren ihre 'Stärke' beweisen können. Die Helden erschießen gruppenweise Männer aus dem Gefolge ihrer Widersacher, die Bösewichter unterdrücken ihre eigenen Männer und natürlich das verarmte Volk (je deutlicher die Filme politisch motiviert sind, desto ausführlicher werden diese Übergriffe geschildert). Frauen werden vergewaltigt, wovor auch die Helden nicht notwendigerweise zurückschrecken (Ein Fremder ohne Namen, eventuell auch Once upon), zumindest jedoch nicht eingreifen (Handvoll, Friedhof, Django).

Allerdings ist auch in Bezug auf die 'Stärke' eine Einschränkung zu machen: zwar ist der Held 'stärker' als die gewöhnlichen Sterblichen (d.h. Opfer- und Mittlerfiguren), im Kampf siegt er jedoch häufig durch List (die vors Herz gebundene Eisenplatte in Handvoll, die heimlich geleerte Pistole Tucos in Halunken) oder durch unfairen Waffenvorteil (extrem weittragendes Gewehr in Sinola oder Sabata, versteckte Schusswaffen in Sabata, Verwendung eines Maschinengewehrs in Django, Djangos Rückkehr und Sonne). Während 'Stärke' im traditionellen Western stets auch mit Fairness und Ritterlichkeit einherging, drückt sie sich im Italo-Western durch Regelverletzung aus, denn "wer sich an Regeln hält, verliert" (Königstein 28). Ritterlichkeit wird mit dem Tod bestraft:

- Listigkeit und Brutalität sind die Stärke des Helden in Leichen, daher ist seine Niederlage besiegelt, "als er nicht mehr gegen Bezahlung kämpft, sondern das Leben von Geiseln retten will, als er zum Idealisten konvertiert" (Bädekerl 600).
- Cheyenne (Once upon) erschießt Morton nicht, denn er kann nach eigener Aussage nicht auf Krüppel schießen, und kommt anschließend durch eine Kugel Mortons um. "Mitleid...ist sträflicher Leichtsinn und tödlich" (Schütte 38).
- In Friedhof sieht sich der Held am Ende einer Frau gegenüber, auf die er nach Art des traditionellen Heldentums natürlich nicht schießen darf und daraufhin von ihr niedergestreckt wird.

2.1.1.4 'good'/'bad' im Italo-Western

Im traditionellen Western tritt stets das Gute, personifiziert im Helden, gegen das im Bösewicht personifizierte Böse an. Williams (1961) führt dies auf den Einfluss des Calvinismus zurück, der jegliche Erfahrung auf den Widerstreit von Gut und Böse zurückführt. Dass in Italien, d.h. in einem vom Katholizismus geprägten Kontext, Filme gemacht werden, die eine deutlich andere Sicht auf das Verhältnis von Gut und Böse vertreten, ist nicht überraschend.

Wright selbst stellt fest, dass eine tertiäre Konstellation automatisch zu Schwierigkeiten in der moralischen Bewertung führen muss (vergl. 2.1.1). In größtenteils binär strukturierten Italo-Western (z.B. Sabata) ist die Einteilung der Figuren in 'Gute' oder 'Böse' auch noch recht einfach. Sobald jedoch ein dritter Protagonist hinzukommt, stellt sich die Frage, ob die Begriffe überhaupt noch anzuwenden sind, wie in Halunken besonders deutlich wird. Wenn der Blonde noch am ehesten der 'Guter' ist, und Sentenza der 'Böse', stellt Tuco ein Problem dar, da er mal mit dem einen, mal mit dem anderen arbeitet. Sergio Leone selbst macht im ironischen Originaltitel auf die Problematik der 'gut'/'böse'-Kategorisierung aufmerksam: zum 'Guten' und 'Bösen' gesellt sich der 'Hässliche'. Da Wright diesen Film in seine Analyse explizit einbezieht, ist es umso verwunderlicher, dass er die dominante tertiäre Struktur und ihre Wirkung auf die gut/böse-Opposition übersieht, vor allem da er ja behauptet, tertiäre Strukturen seien in Mythen ihrer Ineffizienz wegen nicht gebräuchlich.

Der Effekt der Dreieckskonstellation auf die 'gut'/'böse' - Opposition wird durch die düstere Heldenfigur noch unterstützt, in der die dem Westernhelden ohnehin eigentümliche Ambivalenz (in erster Linie ein 'Guter', aber doch gewalttätig zu sein) noch potenziert ist,[11] bzw. auf den Kopf gestellt wird: der Held des Italo-Western tötet aus Geldgier, aus sportlichen Motiven (siehe das Finale in Handvoll) oder weil er gerade ein Pferd braucht und der Reiter natürlich nicht freiwillig absteigen will (Keoma). An den Massentötungen, die üblicherweise stattfinden, ist er nicht notwendigerweise direkt beteiligt, hat aber zumindest alles losgetreten. Der Held des Italo-Western ist also in erster Linie gewalttätig, wobei an ihm irritiert, dass er irgendwie doch 'gut' ist.

Trotz der Schwierigkeiten, die die 'gut'/'böse'-Opposition bei der Beschreibung der Italo-Western bereitet, bedeutet dies nicht, dass 'gut' und 'böse' als Kategorien ausgedient haben, wie Frayling behauptet, und z.B. durch 'sympathisch'/'unsympathisch' ersetzt werden sollten. Vielmehr liegt der Witz des Genres darin, den Versuch, 'gut' und 'böse' zu applizieren, ad absurdum zu führen.

2.2 Die Plot-Struktur

2.2.1 Wrights Analyse des amerikanischen Western: Methode

Wright (1975) vertritt die Auffassung, dass Mythen die Funktion haben, sowohl Werte zu transportieren als auch Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen (24). Dies führt ihn dazu, neben der oppositionalen Struktur auch die spezifisch narrative Organisation des untersuchten Mythos zu betrachten.

In der narrativen Analyse orientiert sich Wright mit leichten Modifikationen an der Methode, die Propp (1968) vorstellt. Der Versuch allein, ein Proppsches Modell für Western zu entwickeln, hat etwas Sysiphusartiges an sich, da jeder gute Film ja deshalb unter seinesgleichen heraussticht, weil er die Grenzen des Genres auszuloten oder gar zu überschreiten versucht, d.h. originell zu sein. Es kann deshalb natürlich nicht erwartet werden, dass sich alle Western sauber in das Wrightsche Schema einfügen lassen. Die Kritik an Wright, die sich an der Einordnung einzelner Filme in bestimmte Kategorien stört, soll daher hier vernachlässigt werden. Ebenso soll der Einwand nicht gelten, den Kitses (1978) gegen Wright vorbringt, dass nämlich seine Methode die Filme ihrer Individualität beraube. Wer die Individualität einzelner Filme genießen möchte, sollte sie sich ansehen. Das Verdienst Wrights bleibt es, den Blick hinter die Fassade der Individualität zu lenken und eine formale Basis zu schaffen, auf der ein facettenreiches Genre wie der Western überhaupt erst sinnvoll diskutiert werden kann.

Für die Fabulae von Gruppen ähnlicher Filme erstellt Wright Listen von Funktionen, wobei jede Funktion in jeweils einem Satz eine einzelne Aktion oder ein einzelnes Attribut eines Aktanten beschreibt. Während Propp postuliert, dass die Liste von Funktionen, die er für das Märchen angibt, eine rigide Reihenfolge aufweist, Funktion n-1 also stets vor Funktion n auftaucht, hält Wright dies für unnötig restriktiv. Für ihn stellt es keine Falsifikation seines Modelles dar, wenn einzelne Filme sich in der Reihenfolge der Funktionen unterscheiden. Hier lockert er das Proppsche Modell auf ähnliche Weise wie Eco (1966) in der Analyse der James Bond-Romane. Jameson (1977) hält dies für gerechtfertigt, denn seiner Ansicht nach ist ein statisch-typologisches Schema a la Propp zwar geeignet, Konformität aufzuzeigen, permutative Schemata (wie Wright oder Eco sie präsentieren) seien jedoch außerdem in der Lage, Variationen innerhalb eines gewissen Rahmens zu erklären (Jameson 551). Allerdings, muss man Jameson entgegenhalten, erklären Wright und Eco Variationen nicht, sondern erlauben sie lediglich. Mit dem einfachen Kunstgriff, Propps Ansprüche an ein Handlungsschema zu lockern, gelingt es Wright zwar ebenso wie Eco, Variationen einzufangen, beide vermeiden jedoch die Frage, wie bestimmte Oberflächenstrukturen auf eine gemeinsame Tiefenstruktur zurückzuführen sind. Anders gesagt: wenn eine Liste von Funktionen für ein gesamtes Genre verbindlich sein soll, muss es den Rang einer Tiefenstruktur erhalten. Es muss dann auch möglich sein, Transformationsregeln anzugeben, die Variationen in der Oberflächenstruktur erklären können. Jameson übersieht, dass Propp mit seinem Verweis auf das trebling eine solche Transformationsregel angibt. Die begrenzten Variationsmöglichkeiten, die ein auf oraler Tradition beruhendes Genre bietet, fängt Propp also durchaus ein. Romane oder Filme hingegen haben durch Wiederholung oder gar achronologische Struktur weitaus ausgedehntere Möglichkeiten, eine von der Tiefenstruktur des Genres abweichende Reihenfolge von Funktionen zu bieten; die vornehme Zurückhaltung Wrights und Ecos zu diesem Thema ist also durchaus verständlich. Auch in dieser Arbeit kann mit dem Hinweis auf mögliche Transformationen und Einbettungen von Dreiecksverhältnissen (siehe 2.2.3.3) nur andeutungsweise darauf eingegangen werden. Die Frage, wie genau eine Tiefenstruktur die möglichen Oberflächenstrukturen generiert, muss weiterhin offenbleiben.

2.2.1.1 Die Subgenres des amerikanischen Western nach Wright

Als dramatis personae für alle Western gibt Wright implizit drei Aktanten an:

1. Held
2. Bösewicht
3. Vertreter der Gesellschaft

Die verschiedenen Plots, die sich aus den Interaktionen dieser drei ergeben, fasst er in vier Subgenres zusammen:

a. "the classical plot": Der Held taucht in einer bewohnten Gegend/einer Stadt auf. Bösewichter zwingen der schwachen Gesellschaft dort ihre Interessen auf. Der Held besiegt die Bösewichter, stellt somit die Ordnung wieder her und wird von den Einwohnern, die zuerst Vorbehalte gegen ihn hatten, als einer der ihren akzeptiert (vergl. Wright 48-59).

[...]

Fin de l'extrait de 59 pages

Résumé des informations

Titre
Die genrespezifischen narrativen Aspekte des Italo-Western
Université
University of Cologne  (Anglistik)
Cours
Englische Philologie
Note
1,7
Auteur
Année
1994
Pages
59
N° de catalogue
V205837
ISBN (ebook)
9783656355199
ISBN (Livre)
9783656355304
Taille d'un fichier
675 KB
Langue
allemand
Mots clés
Italo-Western, Spaghetti-Western, Clint Eastwood
Citation du texte
Philipp Strazny (Auteur), 1994, Die genrespezifischen narrativen Aspekte des Italo-Western, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205837

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