Freuds "Bruchstück einer Hysterie-Analyse"

Der Einfluss des Werkes auf die Theorieentwicklung der Psychoanalyse


Hausarbeit, 2011

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


1. Einleitung

Freuds Bruchstück einer Hysterie-Analyse war nicht nur seine erste und längste Hysterie­Fallgeschichte, sondern, wie Freud in einem Brief an Wilhelm Fließ vom 25. Januar 1901 anmerkte, damals „immerhin das Subtilste, was [er bis dahin] geschrieben"[1] hatte. Abgesehen von den literarischen Qualitäten der Studie, ist der Fall Dora jedoch vor allem bis heute ein bedeutender Teil des psychoanalytischen Erbes.

Diese Hausarbeit soll aufarbeiten, in welchem Rahmen die Fallgeschichte die Theorieentwicklung der Psychoanalyse beeinflusst hat.

Hierfür wird in Kapitel 2 zunächst Allgemeines zum biographischen Hintergrund der Hauptperson Dora dargestellt. Im Folgenden werden Doras Krankheitsbild und die Fallgeschichte aufgezeigt. In Kapitel 2.3 sollen die Ergebnisse der Analyse dargestellt werden. Kapitel 2.4 beschäftigt sich mit Doras Träumen, die in der Psychoanalyse bearbeitet wurden. In Kapitel 3 soll nun der Mechanismus hysterischer Phänomene an Doras Beispiel aufgezeigt werden. In Kapitel 4 werden schlussendlich die Erkenntnisansätze, die die Fallgeschichte mit sich gebracht hat, dargestellt.

Es ist an dieser Stelle anzumerken, dass das Bruchstück einer Hysterie-Analyse nicht nur Anklang gefunden, sondern auch wahre Stürme von Kritik ausgelöst hat. So wird der Fall von vielen Kritikern und vor allem von frauenrechtlerischer Seite als Beispiel davon gesehen, wie „patriarchale Kräfte im 19. Jahrhundert - politisch, sozial und medizinisch - ein jüdisches Mädchen, was ihre Schmerzen körperlich darstellen musste, unterdrückten."[2] Aufgrund des relativ engen Rahmens dieser Hausarbeit wird die kritische Bewertung der Begebenheiten hier jedoch nur angemerkt.

2. Bruchstück einer Hysterie-Analyse

Freuds Bruchstück einer Hysterie-Analyse entstand im Jahre 1900, wurde allerdings erst im Jahre 1905 veröffentlicht. Die Ausführungen wurden „Bruchstück“ betitelt, da die Behandlung „nicht bis zum vorgesetzten Ziele fortgeführt, sondern durch den Willen der Patientin unterbrochen, als ein gewisser Punkt erreicht war.“[3]

Es handelt sich dabei um die Beschreibung der Analyse einer jungen Frau, die zu ihrem Schutz vor der Öffentlichkeit von Freud das Pseudonym Dora bekam. Dora hieß mit wirklichem Namen Ida Bauer und wurde am 1.November 1882 in Wien geboren.[4] Ihre Eltern, Käthe Gerber-Bauer (1862-1912) und Philip Bauer (1853-1913) gehörten zum jüdisch-assimilierten Großbürgertum und stammten beide aus Böhmen.

Aufgrund verschiedener Krankheiten zog sich Philip Bauer aus dem Berufsleben zurück und Ida übernahm bald die Pflege für den an Tuberkulose erkrankten Vater. Dieser wird im Bruchstück einer Hysterie-Analyse zunächst größtenteils positiv beschrieben. Käthe Bauer allerdings wird als ungebildete Frau mit einer sogenannten Hausfrauen-Psychose charakterisiert. Ida hatte einen älteren Bruder, Otto, der am 5. September 1881 geboren wurde.

Als Ida 18 war, wurde sie auf Grund verschiedener angeblich hysterischer Symptome von ihrem Vater in die Behandlung zu Freud gegeben. Diese Symptome werden im folgenden Kapitel detaillierter erläutert. Aus Gründen der Einfachheit wird Ida Bauer dabei mit ihrem Pseudonym Dora bezeichnet.

2.1 Doras Krankheitsbild

Dora litt unter Charakterveränderungen, Verstimmtheiten, Müdigkeit und Zerstreutheit und letztlich war ein Brief, in dem Dora Selbstmordgedanken äußerte, Auslöser für den Vater, Dora in die Behandlung durch Freud zu geben. Verstärkend zu dieser Entscheidung führte, dass Dora, als ihr Vater sie auf den Brief ansprach, in Ohnmacht fiel und danach an einer Amnesie litt. Desweiteren hatte Dora seit ihrem zwölften Lebensjahr Anfälle von halbseitiger Migräne und nervösem Husten, wobei die Migräne später wieder verging. Der nervöse Husten aber blieb und wurde später durch Asthma und periodisch auftretende komplette Stimmlosigkeit begleitet. Im Alter von 17 Jahren bestand bei Dora der Verdacht auf eine Blinddarmentzündung und sie zog ihren Fuß nach, als hätte sie ihn sich verstaucht. Außerdem litt Dora wiederholt unter Scheidenentzündungen mit Ausfluss und unter Verstopfung, stechenden Magenschmerzen, Essunlust und Erbrechen.

2.2 Doras Fallgeschichte

Dora war in eine Reihe komplizierter Beziehungen in ihrem sozialen Umfeld verstrickt. Zu ihrer Mutter hatte sie, wie oben angedeutet, kein gutes Verhältnis und ihre Liebe und Zuneigung konzentrierten sich zunächst stattdessen auf ihren Vater. Dora übernahm schon früh eine pflegende Rolle für ihren erkrankten Vater, da sich die Mutter weitestgehend von ihm zurückzog. Doras Verhältnis zu ihrem Vater erfuhr jedoch im Laufe ihrer Adoleszenz mehrere Störungen und war extrem zwiespältig.

So war Dora z.B. davon überzeugt, dass ihr Vater ein geheimes Liebesverhältnis zu Frau K. unterhielt, welche selbst verheiratet war. Herr und Frau K.[5] waren Freunde der Familie und Dora pflegte lange auch ein intensives freundschaftliches Verhältnis zu Frau K. Auch zu Herrn K. hatte Dora lange ein gutes Verhältnis, wobei dieser ihr immer wieder Geschenke machte. Dies wies möglicherweise schon früh auf eine verstärkte Zuneigung des erwachsenen, verheirateten Mannes zu dem Kind hin, woran zunächst aber niemand Anstoß nahm. Dora tolerierte also die Liebesbeziehung ihres Vaters bis zu dem Tag, an dem Herr K. Dora bei einem Spaziergang am See einen sogenannten Liebesantrag machte. Daraufhin lief Dora davon und erzählte auch ihrem Vater von dem Ereignis. Dieser stellte Herrn K. zur Rede, welcher aber alles abstritt. Doras Vater glaubte ihm. Grund hierfür ist unter anderem, dass Frau K. äußerte, dass Dora sich sehr für sexuelle Themen interessiere und sich die Szene - angeregt durch Literatur zu dem Thema - sicherlich nur eingebildet hätte. Dora fühlte sich nun natürlich sowohl von Frau K. als auch von ihrem Vater verraten und glaubte, dass sie als Tauschobjekt in dem Beziehungsdreieck zwischen Herrn und Frau K. und ihrem Vater gehandelt wurde.

Wie sich in der Analyse herausstellte, war Herr K. schon mehrere Jahre zuvor zudringlich gegenüber Dora geworden. Als Dora 14 war, hatte er es so eingerichtet, dass er und Dora sich allein in seinem abgedunkelten Laden begegneten. Er zog sie an sich und küsste sie gegen ihren Willen. Dora verspürte starken Ekel und riss sich los.

2.3 Ergebnisse der Analyse

Aufgrund der Krankheitssymptome diagnostiziert Freud bei Dora eine Konversionshysterie, also eine Hysterie, bei der eine psychische Abwehrreaktion vorliegt, die zur Bildung somatischer Symptome führt.

Nach Meinung des Analytikers ist Dora unbewusst in Herrn K. verliebt. Diese starke unbewusste Liebe zu Herrn K. und deren Verdrängung haben nach Freud den Hauptteil der Krankheitssymptome der Patientin ausgelöst. Außerdem erkennt er im Laufe der Analyse eine Reaktivierung Doras infantiler Liebe zu ihrem eigenen Vater und eine homoerotische Verliebtheit in Frau K. Im Folgenden soll erläutert werden, wie Freud zu diesen Schlüssen kommt.

Die Diagnose, dass Dora eine hysterische Störung hat, sieht er das erste Mal bewiesen, als Dora ihm von der Kuss-Szene im Laden von Herrn K. erzählt, die für Freud ein sexuelles Trauma darstellt. Der Analytiker geht davon aus, dass sich bei diesem Kuss von Herrn K. auch dessen erigiertes Glied an Doras Körper gedrängt hat. Dora verspürte bei der Berührung starken Ekel und riss sich los. Freud aber geht davon aus, dass Dora eigentlich sexuell erregt war und findet deshalb:

„Das Benehmen des 14 jährigen Kindes [war] bereits ganz und voll hysterisch. Jede Person, bei welcher ein Anlaß zur sexuellen Erregung überwiegend oder ausschließlich Unlustgefühle hervorruft, würde ich unbedenklich für eine Hysterika halten."[6]

Freud geht davon aus, dass hier eine Affektverkehrung, bzw. eine Verschiebung der Empfindung stattgefunden hat. Weil Dora ihre sexuelle Erregung verdrängt, stellt sich stattdessen Ekel ein.

Auch die anderen somatischen Symptome, die Dora zeigt, interpretiert Freud als Reaktion auf ihre unterdrückte Liebe zu Herrn K. So legt der Analytiker Doras Verdacht auf Blinddarmentzündung, der sich 9 Monate nach dem Liebesantrag von Herrn K. einstellte, als eine Entbindungsphantasie Doras aus. Mit dieser Entbindungsphantasie habe Dora den Ausgang der Liebesantragsszene unbewusst korrigiert. Doras wiederkehrende Stimmlosigkeit erklärt Freud mit der An- und Abwesenheit von Herrn K. Wenn dieser über mehrere Wochen verreist war und Dora ihm nur schreiben konnte, verlor Dora ihre Stimme:

„Die Aphonie Doras ließ also folgende symbolische Deutung zu: Wenn der Geliebte fern war, verzichtete sie auf das Sprechen; es hatte seinen Wert verloren, da sie mit ihm nicht sprechen konnte."[7]

In der Analyse kommt Dora immer wieder auf das Verhältnis ihres Vaters mit Frau K. zu sprechen und gibt an, dass ihr dieses nicht aus dem Kopf gehe. In diesem Zusammenhang sagt sie auch, ihr Vater sei „ein vermögender Mann"[8] und Frau K. sei möglicherweise nur deshalb mit ihm zusammen. Aus Gründen, die Freud an dieser Stelle nicht näher erläutert, schließt er, „daß sich hinter dem Satze sein Gegenteil verberge: Der Vater sei ein unvermögender Mann. Dies konnte nur sexuell gemeint sein, also: Der Vater sei als Mann unvermögend, impotent."[9]

[...]


[1] Hier zit. Nach: Freud, Sigmund: Bruchstück einer Hysterie-Analyse. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1993. Umschlagrückseite.

[2] Mahony, Patrick J.: Freud’s Dora. A psychoanalytic, historical, and textual study. New Haven and London: Yale University Press, 1996. S.2: “In the annals of Western culture, Dora has emerged as a paradigmatic example of how patriarchal forces in the nineteenth century-political, social, and medical- oppressed a Jewish girl who had to write out her pain in her body.”

[3] Freud, Sigmund: Bruchstück einer Hysterie-Analyse. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1993. S.14

[4] Die Ausführungen zu Doras biographischem Hintergrund stützen sich vornehmlich auf Simone Tünnermanns Veröffentlichung „Ida Bauer 1882-1945. Rebellin der Ohnmacht.“ Erschienen in: Duda, Sybille; Pusch, Luise F. (Hrsg.): Wahnsinnsfrauen. Zweiter Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag, 1996.

[5] Die Pseudonyme Herr und Frau K. stehen für Herrn und Frau Zellenka.

[6] Freud, Sigmund: Bruchstück einer Hysterie-Analyse. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1993. S. 30

[7] Ebd. S. 40

[8] Ebd. S. 48

[9] Ebd. S. 48

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Freuds "Bruchstück einer Hysterie-Analyse"
Untertitel
Der Einfluss des Werkes auf die Theorieentwicklung der Psychoanalyse
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
12
Katalognummer
V207165
ISBN (eBook)
9783656342403
ISBN (Buch)
9783656346661
Dateigröße
550 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hysterie, Dora, Übertragung, Psychoanalyse
Arbeit zitieren
Marie Alicja Adler (Autor:in), 2011, Freuds "Bruchstück einer Hysterie-Analyse", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207165

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