"Wie meistens, wollte ich im Grund auch nur eine Liebesgeschichte schreiben."1
Nach Selbstaussagen von Böll basieren die meisten seiner Werke auf Liebesgeschichten. Mit Blick auf seine frühen Romane der späten 1940er und frühen 1950er gewinnt man jedoch den Eindruck, dass diese unter anderem auch aufgrund der dort kritisch beleuchteten Kriegs- und Nachkriegssituation eher Gegenbilder zu (traditionellen) Liebesgeschichten aufzeigen.2 Auch Bölls 1953 erschienene Roman Und sagte kein einziges Wort thematisiert eine Liebesgeschichte und wirft zugleich einen zeitgenössischen Blick auf die fünfziger Jahre der Bundesrepublik, die geprägt wurden durch die vergangenen Kriegsjahre und das aufkommende Wirtschaftswunder. (...) Bölls Realitätsdarstellung ist also mitunter sozialkritisch angelegt.
Die Leserinnen und Leser von Und sagte kein einziges Wort erfahren von diesen Problemen, indem Böll seine beiden Hauptfiguren ihre Erfahrungen und Gedanken darstellen lässt. Dies geschieht in den 13 Kapiteln alternierend jeweils aus der Ich-Perspektive der Protagonisten Kate und Fred Bogner heraus.4 (...)
Mit der Wahl seiner Protagonisten setzt Böll dabei auf das Kleinbürgertum, auf die ‚kleinen Leute’ und Benachteiligten, und vermittelt so deren spezifischen Alltagsprobleme beim Versuch, sich einzurichten, bedrängt von materieller und moralischer Not. Ausdrücklich im Roman Und sagte kein einziges Wort angesprochen werden beispielsweise die Wohnungsnot sowie die drückende Armut am Beispiel der Familie Bogner.6 Aber auch die Kritik an bestehender Scheinheiligkeit, Manipulation und Korruption in der Gesellschaft wird am Beispiel der katholischen Kirche überdeutlich dargestellt.7 Die Naziherrschaft und die Langzeitfolgen des Krieges erscheinen dabei jedoch ebenso nebensächlich wie die Frage nach der Schuld.8
Wie nun einführend deutlich gemacht wurde, unternimmt Bölls Roman Und sagte kein einziges Wort eine sozialkritische Haltung gegenüber der westdeutschen Nachkriegszeit der fünfziger Jahre. In dieser Hausarbeit soll daher folgende Frage untersucht werden: Welche kritische Haltung nimmt Heinrich Bölls Und sagte kein einziges Wort hinsichtlich der getrennt voneinander zu betrachtenden Themen Kirche und Geschlechterrollen ein? Der Frage soll dabei mithilfe einer Charakterisierung und - bei den Themen Liebe und Ehe – mithilfe der Diskussion über dargestellte Geschlechterbilder – nachgegangen werden. (...)
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die kapitalistische Leistungsgesellschaft - Bölls Kritik an der katholischen Kirche
- Die Vermieterin Frau Franke
- Der Bischof
- Liebe und Ehe in den fünfziger Jahren – Bölls Kritik an tradierten Geschlechterrollen
- Fred Bogner
- Käte Bogner
- Fred und Käte Bogners Liebesbeziehung
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Heinrich Bölls Roman „Und sagte kein einziges Wort“ bietet eine sozialkritische Auseinandersetzung mit der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft der 1950er Jahre. Der Roman zeichnet ein vielschichtiges Bild, das die Herausforderungen der Zeit und die Lebensrealitäten der Menschen aufzeigt. Die Arbeit untersucht die kritische Haltung des Autors gegenüber der Kirche und den traditionellen Geschlechterrollen.
- Kritik an der katholischen Kirche als Institution
- Die Rolle der Kirche in der kapitalistischen Leistungsgesellschaft
- Kritik an der Scheinheiligkeit und Moralvorstellungen der Kirche
- Tradierte Geschlechterrollen und ihre Auswirkungen auf die Liebe und Ehe
- Die Lebensrealität der kleinen Leute in der Nachkriegszeit
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung führt in die Thematik des Romans ein und stellt den Kontext der Nachkriegszeit heraus. Sie beleuchtet den Fokus auf Liebe und gleichzeitig die kritische Betrachtung der Zeit durch Böll.
- Kapitel 2 befasst sich mit der Kritik an der katholischen Kirche im Roman. Es beleuchtet die Haltung der Kirche gegenüber den Bedürftigen und die Parallelen zum kapitalistischen System.
- Kapitel 3 stellt die Figur der Vermieterin Frau Franke vor, die als Repräsentantin der Kirche agiert und deren Verhalten deutlich im Kontrast zu den anderen weiblichen Figuren steht.
- Kapitel 4 widmet sich dem Thema Liebe und Ehe in den fünfziger Jahren und der Kritik an den bestehenden Geschlechterrollen.
Schlüsselwörter
Heinrich Böll, Und sagte kein einziges Wort, Nachkriegszeit, Kritik, Kirche, Kapitalismus, Geschlechterrollen, Liebe, Ehe, Sozialkritik, Scheinheiligkeit, Moral, Kleinbürgertum, 1950er Jahre, Bundesrepublik Deutschland.
- Citation du texte
- Nika Ragua (Auteur), 2009, Die sozialkritische Darstellung von Kirche, Liebe und Ehe in Heinrich Bölls "Und sagte kein einziges Wort" am Beispiel ausgewählter Protagonisten , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207189