Ich versuche in dieser Arbeit einen Themenkomplex zu behandeln, der in der modernen Utopieforschung bisher leider größtenteils außen vor gelassen wurde. Ich spreche von zwei der unmoralischsten Praktiken, die ein Staat verfolgen kann: Eugenik und Auslese. Dass diese Themen nicht erst seit den Rassentheorien der Nationalsozialisten aktuell sind, versuche ich ebenso zu zeigen wie die Tatsache, dass sich auch große Philosophen ernsthaft mit solchen staatlichen Maßnahmen auseinandergesetzt haben, und zwar nicht bloß vom Standpunkt eines Kritikers aus. Zu beachten ist, dass ich das Wort „utopisch“ im Titel explizit als Gegenteil zu „dystopisch“ verstehe. Es ist mir unverständlich, wieso in der Literaturwissenschaft die Dystopien des 20. Jahrhunderts als Utopien bezeichnet werden, obwohl sie mit den klassischen Utopien des Altertums nichts zu tun haben. Während jene meiner Ansicht nach bloß nach ästhetischen Gesichtspunkten beurteilt werden können, sind diese oftmals strengstens zu kritisieren. Man muss sich klarwerden, dass Praktiken wie die Eugenik und die Auslese, verwendet in klassischen Utopien, nicht nur als gut, sondern als perfekt angesehen werden. Vor allem die Argumente, die dafür angeführt wurden, werde ich in meiner Arbeit beleuchten.
Exemplarisch werde ich die Problemstellung an den zwei berühmtesten Utopien der Literaturgeschichte untersuchen: an der „Politeia“ von Platon und an der „Utopia“ von Thomas Morus. Die Bekanntheit dieser beiden Werke bringt es mit sich, dass unfassbar viele Kommentare dazu verfasst wurden, die oftmals in ihrem Inhalt extrem voneinander abweichen. Ein besonderer Aspekt meiner Arbeit wird sein, die unterschiedlichen Interpretationen aufzuzeigen, sodass sich der Leser selber ein Urteil über das Thema bilden kann. Ich werde die beiden Werke nicht komplett voneinander getrennt behandeln, sondern im zweiten Teil über Morus immer wieder auf den bereits behandelten Platon verweisen. In beiden Teilen gehe ich zuerst auf die Eugenik und dann, ausführlicher, auf die verschiedenen Aspekte der Auslese ein.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Platon - Politeia
- 1. Allgemeine Einführung
- 2. Die Rolle der Eugenik in Platons Staat
- 3. Stände, Auslese und Königswahl in der „Politeia“
- 3.1 Natürliche Veranlagungen und der Mythos der Erdgeburt
- 3.2 Das Kastensystem in der Politeia
- 3.3 Der Weg zum Philosophenherrscher
- III. Thomas Morus - Utopia
- 1. Allgemeine Einführung
- 2. Die Rolle der Eugenik in Morus” „Utopia“
- 3. Auslese in der „Utopia“
- 3.1 Wissenschaftliche Veranlagungen
- 3.2 Die Sklavenhaltung in Utopia
- 3.3 Das Ständewesen und die staatlichen Ämter in Utopia
- 3.4 Ist die Utopia ein Klassenstaat?
- 3.5 Auslese bei der Partnerwahl
- IV. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Thema der Eugenik und der Auslese in klassischen Utopien, ein Aspekt, der in der modernen Utopieforschung bislang weitgehend vernachlässigt wurde. Das Ziel ist es, zu zeigen, dass diese Themen nicht erst mit den Rassentheorien des Nationalsozialismus relevant wurden, sondern bereits von bedeutenden Philosophen ernst genommen wurden. Dabei wird der Fokus auf die Argumente für diese Praktiken gelegt, die in klassischen Utopien als positiv und sogar perfekt betrachtet wurden.
- Die Rolle der Eugenik in den Utopien von Platon und Thomas Morus
- Die Bedeutung der Auslese für die Gestaltung der Idealgesellschaften
- Die unterschiedlichen Interpretationen der Eugenik und Auslese in den beiden Werken
- Der Einfluss von Karl Popper auf die Interpretation der Werke
- Die ethischen Aspekte der Eugenik und Auslese im Vergleich zwischen antiker und moderner Kultur
Zusammenfassung der Kapitel
II. Platon - Politeia
- 1. Allgemeine Einführung: Die Arbeit stellt Platons „Politeia“ als ein philosophisches Werk vor, dessen Hauptthema die Gerechtigkeit ist. Die Darstellung der imaginären Stadt dient als Mittel, um die Definition von Gerechtigkeit zu ergründen.
- 2. Die Rolle der Eugenik in Platons Staat: Platon argumentiert für staatlich geregelten Geschlechtsverkehr, um die Entstehung perfekter Kinder zu gewährleisten. Die Bevölkerung wird in gute und schlechte Menschen eingeteilt, wobei die „besten Männer“ den „besten Frauen“ zugewiesen werden. Schlechtere Kinder werden ausgesetzt und somit getötet, um die Reinheit des „Wächter“-Standes zu erhalten.
- 3. Stände, Auslese und Königswahl in der „Politeia“: Die „Politeia“ beschreibt ein Kastensystem mit Philosophen als höchster, Wächtern als zweithöchster und Handwerkern als unterster Klasse. Die Auslese spielt eine entscheidende Rolle bei der Wahl des Königs und der Zuweisung von Rollen in der Gesellschaft.
III. Thomas Morus - Utopia
- 1. Allgemeine Einführung: Die Arbeit stellt Morus’ „Utopia“ als eine weitere klassische Utopie vor, die sich mit dem Konzept der idealen Gesellschaft befasst.
- 2. Die Rolle der Eugenik in Morus” „Utopia“: Die Arbeit untersucht, ob auch in Morus’ „Utopia“ eugenische Praktiken vorkommen.
- 3. Auslese in der „Utopia“: Die Arbeit betrachtet verschiedene Aspekte der Auslese in Morus’ „Utopia“, darunter die Auswahl nach wissenschaftlichen Veranlagungen, die Sklavenhaltung, die Organisation der Stände und Ämter, die Frage nach Klassenherrschaft und die Auslese bei der Partnerwahl.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beleuchtet die Themen Eugenik und Auslese im Kontext klassischer Utopien, insbesondere in den Werken von Platon („Politeia“) und Thomas Morus („Utopia“). Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Idealstaat, Gerechtigkeit, Philosophenherrscher, Kastensystem, staatliche Kontrolle, Wächter, Rassenideologie, Totalitarismus, historischer Pessimismus, ethische Aspekte, antike Kultur, moderne Kultur, Interpretation, Karl Popper.
- Citation du texte
- Dennis Hogger (Auteur), 2012, Eugenik und Auslese in der utopischen Literatur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/207622