Indigene Landrechte in Australien

Eine kritische Untersuchung des Mabo Urteils unter Berücksichtigung des Yorta Yorta Urteils


Diploma Thesis, 2005

106 Pages


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die Landrechtsfrage in historischer Perspektive
1.1 Der australische Kontinent wird für unbesiedelt erklärt
1.2 In England formiert sich Widerstand gegen die Annexion
1.2.1 Das Ende der ersten Landrechtbewegung
1.3 Die koloniale Rechtssprechung bestätigt: Australien ist eine Terra nullius (1889)
1.3.1 Die Doktrin der „Terra nullius“ und ihre Folgen
1.4 Die Landrechtdebatte in den 70er Jahren
1.4.1 ,Das Jahrzehnt des Protests’
1.4.2 Die Landrechtkommission von 1973
1.4.3 Die ausgehandelten Ergebnisse bleiben hinter den ursprünglichen Zielsetzungen zurück

1.4.4 Eine kritische Bewertung des Aboriginal Land Right NTAct (1976)
1.5 Resümee: Der lange Schatten der Doktrin der „Terra nullius“

2. Das ,neue’ Common Law und die Landrechtsfrage
2.1 DasMabo-Urteil(1992)
2.1.1 Das Common Law interpretiert die australische Geschichte neu
2.1.2 Australien gleicht weiterhin einer friedlich besiedelten Kolonie
2.2 Zur Begründung von Eingeborenbesitztiteln und sein Inhalt
2.2.1 Wann sind traditionelle Rechte erloschen?
2.2.2 Der Oberste Gerichtshof spricht sich gegen finanzielle Entschädigungen aus
2.3 Eingeborenen-Besitztitel verstanden als ein ,Recognition space’
2.3.1 Welche Bedingungen müssen für eine erfolgreiche Landrechtklage erfüllt sein?

2.4 Das Mabo-Urteil: Eine erste Einschätzung seiner symbolischen und sozialen Konsequenzen

3. Was ist unter dem Begriff ,Aboriginality’ zu verstehen?
3.1 Der Begriff“Aboriginality’ ist stets ein politischer Begriff
3.2 Gängige Vorstellungen über den Begriff ,Aboriginality’
3.3 Die Kultur der Aboriginal People ist keine ,frozen culture’

4. Das Mabo-Urteil brachte keine Wende in der Landrechtsfrage
4.1 Das WIK-Urteil (1996)
4.1.1 Das Problem der Pachtverträge (Pastoral Leases)
4.1.2 Der Gegenstand im Falle Wik
4.1.3 Der Urteilsspruch im Falle Wik (1996)
4.1.4 Eine Bewertung des Wik-Urteils
4.2 Was versteht man unter (bewahrender Tradition’? Die Klage der Yorta Yorta (2002)
4.2.1 Zum Hintergrund
4.2.2 Der Kampf der Yorta Yorta um Ihr Land
4.2.3 Verbindung gegenüber dem Territorium
4.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse
4.2.5 Der Urteilsspruch
4.2.6 Die Doktrin der Terra nullius wird durch den Euphemismus ,tide’ ersetzt

Schlussbetrachtung

Literatur

Entscheidungsregister

Andere Quellen

Einleitung

Auch nach über 220 Jahren ist die Landrechtsfrage in Australien nicht gelöst. Sicherlich gab es in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Bemühungen, um zu einer Lösung in dieser Frage zu kommen. Auffallend ist jedoch, dass immer wieder versucht wurde, die Rechte der Aboriginal People, die diese aus ihrer Geschichte und Tradition herleiten, in Frage zu stellen. Dies gilt insbesondere für die gegenwärtige Regierung unter John Howard, glaubt diese doch, dass die Anerkennung gesonderter Rechte der Aboriginal People gegen das Prinzip der Rechtsgleichheit verstößt. So sagte Howard 1998 in einer großen nationalen australischen Tageszeitung: “I deny that they have any special rights that might be different from the rest of society. I can not accept the principle that one group of Australians should be given rights and privileges that are not available to others” (The Australian 16. April, 1998).

Die Frage, die im Zentrum der Arbeit steht, ist: Inwieweit erkennt der australische Staat die Beanspruchung überlieferter Landrechte der Aboriginal People an? Bedingt durch die Vielzahl der Verfahren, in denen es um die Anerkennung tradierter Rechte der Aboriginal People geht, soll in dieser Untersuchung die Diskussion um das Problem der Anerkennung von Landrechten auf das wichtigste Verfahren beschränkt werden: Die Anerkennung traditioneller Besitztitel durch das australische Common Law. Die Arbeit stellt insofern eine rechtssoziologische Untersuchung dar, als sie die zentralen Rechtsurteile hinsichtlich der Frage untersucht, inwieweit das Common Law überlieferte Ansprüche der Aboriginal People anerkennt und welche sozialen Folgen sich aus den Urteilen ergeben[1].

Betrachtet man die Fülle der Literatur zu diesem Thema, gewinnt man einerseits den Eindruck, dass Landrechtsfrage gut erforscht ist. Andererseits fällt auf, dass die meisten Autoren bis dato kaum den Versuch unternommen haben, aus der Perspektive der Aboriginal People zu argumentieren. Diese Arbeit betritt im deutschsprachigen Raum Neuland, da sie die Landrechtsfrage aus der Sicht ,des Anderen’ untersucht. Dieser ethno-soziologische Zugang spiegelt sich auch in der Wahl der Literatur wider, indem schwerpunktmäßig Texte verwendet werden, die von Aboriginal People selbst verfasst worden sind. Insbesondere die noch nicht veröffentlichte Doktorarbeit von Wayne Atkinson, der als Yorta Yorta und als Sozialwissenschaftler die Landrechtklage seines Volkes begleitet hat, hat zur Thesenbildung in der Arbeit beigetragen.[2] In die Untersuchung sind auch Gespräche eingeflossen, die während eines 8-monatigen Aufenthalts in Australien geführt wurden. So konnte ich mehrere Gespräche mit Gary Foley führen, der in den 70er bis 90er Jahren einer der prominentesten Aboriginal Aktivisten war. Wichtige Einblicke brachten auch Gespräche mit Rechtsanwälten, die in der Vergangenheit Landrechtklagen begleitet haben, sowie Gespräche mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen, wie ,Friends of the Earth’ und der Aboriginal Community in Melbourne. Bedeutsame Hintergrundinformationen lieferten daneben Gespräche mit Menschen, die in ihrer Funktion als Sozialarbeiter, als Schauspieler oder als Biologen, teilweise seit mehreren Jahrzehnten mit Aboriginal People in den verschiedenen Kontexten Zusammenarbeiten.[3]

Wie so viele andere indigene Völker, wurden die Aboriginal People Opfer der kolonialen Bestrebungen Europas, in diesem Falle Großbritanniens. Historisch einmalig ist, dass mit dem Moment der Entdeckung Australiens den Aboriginal People das Existenzrecht und somit auch das Recht auf Landbesitz abgesprochen wurde. In diesem Zusammenhang sollten die Notizen von Joseph Banks, eines Naturforschers und Begleiters von James Cook, eine entscheidende Rolle spielen, legten sie doch den Grundstein für die lange Zeit aufrechtgehaltene Annahme, das Land sei bei der Ankunft der Briten unberührt von jeder menschlichen Zivilisation gewesen. So schreibt er in seinem Tagebuch, 1788: “This immense track of land ... is thinly inhabited even to admiration. We may have the liberty to conjecture however that the interior of the continent was totally uninhabited because without the supply of fish the wild produce of the land seems scarce able to support them.”

Es stellte sich alsbald das Gegenteil heraus, die Vorstellung selbst aber, dass Australien eine Terra nullius ist, also ein Land, das zum Zeitpunkt der Ankunft der Briten unbesiedelt war, wurde nicht mehr revidiert. Wie die Geschichte zeigt, brachte dies nachhaltige Konsequenzen für die Aboriginal People mit sich. Letztendlich führte dies dazu, dass man die Aboriginal People, unter dem Vorwand sie schützen zu wollen, kasernierte. Die Entwicklung von Instrumenten, die letzten Endes dazu dienten, die nicht assimilierbaren Aboriginal People „aussterben“ zu lassen, war nur eine Seite, die sich aus dieser Geschichtsinterpretation ergeben musste. Dieser Anachronismus brachte auch groteske Formen menschlichen Mitgefühls hervor. So glaubte man, dass man sogenannten ,half-bloods’- man nahm an, dass diese aufgrund ihres ,höheren weißen Blutanteiles’ überlebensfähiger sind - etwas Gutes tun würde, wenn man sie von ihren traditionellen Clans entfernt und sie in die weiße Gesellschaft integriert. Auffallend ist, dass trotz der daraus resultierenden Diskriminierung und Unterdrückung, die Aboriginal People weiter an ihrer Kultur festgehalten haben. Die Einforderung bestimmter Rechte, insbesondere der für die Aboriginal People so wichtigen Landrechte, steht damit in direktem Zusammenhang.

Es dauerte bis in die 70er Jahren des 19. Jahrhunderts hinein, bis sich die australische Regierung bereit erklärte, erste Konzessionen in der Landfrage zu machen. Jedoch sollte es bis zum Jahre 1992 dauern, bis den Aboriginal People das Existenzrecht zugestanden wurde. So entschied der Oberste Gerichtshof in dem Verfahren Mabo and Others v Queensland and Others (No2) (1992), kurz das Mabo-Urteil oder Mabo genannt, nicht nur, dass die Meriam People aufgrund der Bewahrung ihrer traditionellen Lebensweise als die ursprünglichen Eigentümer ihres Landes anzuerkennen sind.[4] Bedeutsamer für die Debatte um Landrechte war, dass der Oberste Gerichtshof in diesem Verfahren die australische Geschichte neu interpretierte: Australien war vor der Ankunft der Briten besiedelt. Damit hat das Gericht die Doktrin der „Terra nullius“ für hinfällig erklärt, also jene Doktrin, welche seit Anbeginn der Besiedlung den Aboriginal People jede Möglichkeit nahm, Landrechte einzufordern. Aus juristischer Perspektive stellte diese Entscheidung sicherlich eine Revolution dar, denn damit ergab sich für die Aboriginal People zum einen die Möglichkeit, mit Hilfe des Common Law ihre angestammten Rechte einzuklagen. Von soziologischem Interesse ist jedoch die Frage: Was genau hat das australische Common Law anerkannt und welche konkreten Rechte und Besitztitel fließen aus dem Urteil?

Wie die folgende Analyse zeigt, muss das Urteil als konservativ eingeschätzt werden. Zwar hat die Fortentwicklung der australischen Rechtssprechung in den folgenden Jahren dazu beigetragen, dass einige Völker traditionelles Land mit Hilfe des Rechtsweges zurückerhalten haben. Andererseits fallt auf, dass das Urteil in vielen Fällen, trotz aller Rhetorik der Richter, im vollen Umfang koloniales Unrecht rückgängig zu machen, zu neuem Unrecht beigetragen hat. Man kann sogar argumentieren, dass die australische Rechtssprechung, das Common Law, in seiner Natur immer noch kolonial ist. Dies wird insbesondere in den nachfolgenden Urteilen deutlich, welche unter Bezugnahme des Mabo-Urteils offengebliebene Fragen klären sollten. So sollte im Wik-Urteil (1996) der Oberste Gerichtshof lediglich koloniales Gewohnheitsrecht bestätigen. Das heißt, indigene Rechtsansprüche sind wie zu kolonialen Zeiten im Falle eines Interessenkonflikts den (wirtschaftlichen) Interessen der Farmer nachgestellt. Verdeutlicht bereits jenes Urteil, dass die Interessen und Rechte der Aboriginal People vor dem Common Law nichts anderes darstellen als Rechte zweiter Klasse, zeigt das Yorta Yorta Urteil (2002), dass das ,neue’ Common Law als ein Instrument fungiert, die Aboriginal People erneut zu enteignen. Neu ist nur die Art der Begründung: Legitimierte man in kolonialen Tagen die Enteignung damit, die Aboriginal People seien nicht zivilisiert genug, so erkennt man heute ihre Rechte ab, in dem man ihnen vorhält, sie leben nicht mehr wie zu Zeiten zu Beginn der Kolonisation. Dabei sollte es keine Rolle spielen, ob die Kläger sich noch als authentisch begreifen. Denn wie anhand des Urteils deutlich wurde, genügte es den Beklagten nachzuweisen, dass es im Laufe der Besiedlung zu Veränderungen der Lebensweise der Kläger kam, um das Gericht davon zu überzeugen, dass die Geschichte die überlieferten Rechte weggespült hat.

Die zentrale These dieser Arbeit ist, dass das Gericht 1992 zwar altes Unrecht aufgehoben, jedoch nicht die entsprechenden Konsequenzen gezogen hat. Die indigene Rechtsordnung stellt nach wie vor keine eigenständige und gleichwertige Rechtstradition in Australien dar. Die Folgen dieser Inkonsistenz der richterlichen Argumentation sollten lange Zeit unentdeckt bleiben. Erst das Yorta Yorta-Urteil machte die Folgen in ihrer ganzen Reichweite sichtbar: Das Mabo-Urteil hat den Aboriginal People das Recht auf kulturellen Wandel abgesprochen. Damit hörte das Volk der Yorta Yorta auf vor dem Common Law zu existieren Die Doktrin der „Terra nullius“ wurde durch den Euphemismus ,tide’ ersetzt. In diesem Sinne schließt sich paradoxerweise der Kreis der Geschichte. So finden sich die Yorta Yorta in ihrer Anstrengung um Anerkennung von überlieferten Landrechten in einer Situation wider, die der aus dem 18. Jahrhundert stark ähnelt. Entsprechend muss man konstatieren: Der Rechtsweg stellt für viele indigene Völker keine mögliche Option in der Lösung der Landrechtsfrage dar. Auch in der Post- Mabo-Ära werden die Aboriginal People vor dem Common Law ethnisch diskriminiert.

Zum Aufbau der Arbeit

Die Arbeit besteht aus vier Kapiteln. Im ersten Kapitel soll die Landrechtsfrage im Zeitraum von 1788- 1982 dargestellt werden, im zweiten Kapitel wird das Mabo-Urteil dargestellt, im dritten Kapitel geht es in einem Exkurs um den Begriff ,Aborigine’, und schließlich sollen in einem vierten Kapitel wichtige Urteile in der Folge von Mabo untersucht werden.

Die Diskussion zeigt, dass das Problemfeld ,Landrechte’ nicht verstanden und bewertet werden kann, ohne einen Blick in die australische Geschichte zu werfen. Im ersten Kapitel der Arbeit sollen deshalb wichtige Ergebnisse der jüngeren Geschichtsforschung, insbesondere die Arbeiten der ,New Social History’, dargestellt werden.[5] Deutlich wird anhand der Untersuchung, dass Australien von Anfang bestrebt war, die Existenz der Aboriginal People zu negieren. Ein Beispiel: Im Jahre 1909 wurde mit dem sogenannten Aborigines Protection Act verfügt, alle überlebenden Aboriginal People in Reservate unterzubringen, so dass sie einen ruhigen Platz zu Sterben haben (,Smooth the Dying Pillow’). Doch noch in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts tat sich Australien schwer, den Aboriginal People Zugeständnisse in der Landfrage zu machen. Manche Bundesstaaten sollten sogar Landrechtgesetzgebungen bis Ende der 1980er Jahre ablehnen.

Das erste Kapitel rekonstruiert Gründe und Ursachen dieser „Conspiracy of Silence“ (Burney 1994: 1). Deutlich wird, welche zentrale Rolle die Doktrin der „Terra nullius“ in der Landrechtsfrage spielt. Wie gezeigt werden kann, änderten auch die einzelnen Landrechtgesetzgebungen Anfang der 1970er Jahre wenig daran, dass die Aboriginal People im Prinzip nicht mehr darstellten als ,Fremde’ in ihrem eigenen Land. Denn die gesetzlich übertragenen Rechte erkennen nicht die aus der Geschichte ableitbaren Rechte der Aboriginal People an, sondern die nach dem Common Law möglichen Rechte. Entsprechend konnten die Aboriginal People nur Land einfordern, auf denen keine Rechtsansprüche Dritter vorhanden waren. Ferner konnte der Gesetzgeber, wenn er wollte, den Aboriginal Peoplejederzeit diese Rechte wieder aberkennen, kannte doch das Common Law bis zum Mabo-Urteil keine Eingeborenenbesitztitel.

Im Zentrum der Arbeit steht das zweite Kapitel, worin das Mabo-Urteil aus dem Jahre 1992 erörtert wird. Im Einzelnen sollen neben den zentralen Aussagen des Urteils, das Konzept des Native Title (Eingeborenenbesitztitel) vorgestellt werden. Ebenso wird die Frage interessieren, inwieweit mit der Mabo-Entscheidung ein Weg gefunden wurde, das zentrale Problem, dem sich Australien heute gegenüber gestellt sieht, zu lösen: Kann Australien nachträglich die Rechte der indigenen Bevölkerung anerkennen?

Wie in dem Kapitel gezeigt wird, blieb das Mabo-Urteil weit hinter seinen eigenen Ansprüchen zurück. Zwar hat das Gericht in diesem Grundsatzurteil die Doktrin der „Terra nullius“ als ein „koloniales Relikt“ verworfen, und damit zugleich die Aboriginal People als die ursprünglichen Besitzer allen Landes anerkannt. Konsequenterweise können seit dieser Zeit die Aboriginal People ihre angestammten Rechte vor einem australischen Gericht einklagen. Andererseits haben die Richter deutlich gemacht, dass sie den Status quo nicht gefährden möchten. Deutlich wird dies daran, dass sie weder die Frage der Souveränität behandelt noch das australische Landvergabesystem zur Disposition gestellt haben. Mit anderen Worten, Australien gleicht, allen historischen Kenntnissen zum Trotz, weiterhin einer Kolonie, die friedlich besiedelt worden ist. Wie gezeigt wird, sind die Konsequenzen der Schlussfolgerungen schwerwiegend. So wurden mit diesem Urteil nicht nur alle Besitzübertragungen von Seite der Krone nachträglich legalisiert, ohne dass die Aboriginal People dafür Ausgleichzahlungen erhalten sollten. Es gilt auch weiterhin: „Australia said so“ (The Wik People v the State of Queensland (1996): 198). Das heißt, noch immer leitet das Gericht seine Machtbefugnis aus dem Umstand ab, dass in Folge der Kolonisation das Common Law zur einzigen moralischen und autoritativen Instanz erklärt wurde.

Mit dem Mabo-Urteil blieben viele Fragen ungelöst. So war weiterhin offen, ob auf Pachtverträgen Native-Title-Rechte existieren. Unklar war ebenfalls, was unter ,bewahrender Tradition’ zu verstehen ist. Weitere Testfalle waren demnach notwendig. Das dritte Kapitel stellt einen Exkurs zu der Frage dar, was man unter dem schwierigen Begriff ,Aboriginality’ zu verstehen hat. Wie im zweiten Kapitel gezeigt wird, hat das Mabo-Urteil festgelegt, dass Eingeborenbesitzrechte (Native Title) sich aus den Sitten und den Gebräuchen ableiten müssen. Folgerichtig ist die Kultur der Aboriginal People und was man darunter zu verstehen hat, zu einem streitbaren Feld geworden.

Mittlerweile wird die historische Tatsache, dass die Aboriginal People in vorkolonialen Zeiten die traditionellen Besitzer des gesamten Kontinents waren, nicht mehr angefochten. Seit dem Mabo-Urteil ist dies eine historische Tatsache. Allerdings wird von Landrechtsgegnem und von vermeintlichen Bewahrern der ,wahren’ Aboriginal Kultur immer wieder die Authentizität der /urbanised’ Aboriginal People angezweifelt und damit auch deren Landrechtsansprüche. Bezeichnend ist, dass Vertreter dieses ,Culture Loss Model’ lediglich kulturelle Erfahrungen und Aspirationen der Aboriginal People in den entlegenen Gebieten abbilden. Umgekehrt trägt dieses Modell dazu bei, Aboriginal People aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres ,Unwissens’ innerhalb wie außerhalb ihrer Gemeinschaft zu disqualifizieren. Sie werden, wie folgende Aussage eines Aborigines macht, /unsichtbar’: ,,My skin is so white, it makes me really angry. Why can’t I have brown? .„it seems like you’re getting on the bandwagon; feeling second rate because we didn’t know these things” (in: Bringing Them Home Report, 1997: 46).

Entsprechend des hier gewählten Ansatzes soll in dem Kapitel versucht werden, den Begriff ,Aboriginality’ aus der Sicht der Aboriginal People zu beschreiben. Dabei soll besonders interessieren, welche Bedeutung Land für die sogenannten /urbanised Aborigines’ hat. Wenngleich es vermessen wäre, alle Facetten zu beleuchten, wird deutlich, dass auch diese Aborigines gegenüber dem Land eine holistische Verbindung besitzen. Mit anderen Worten, die Aboriginal Kultur ist trotz allem Wandel „authentisch“, und sie stellt wiejede andere Kultur auch, keine ,frozen culture’ dar.

Wohlwissend um die Komplexität der Landrechtsfrage hat das Höchste Gericht 1992 lediglich eine Grundsatzentscheidung getroffen. Die Idee war nun, dass weitere Testfälle Mabo spezifizieren sollten, so dass am Ende ein Art Regelwerk entsteht, mit dessen Hilfe alle künftigen Landrechtsfragen bestimmt werden können. In diesem Zusammenhang spielen zwei Urteile eine entscheidende Rolle: Wik Peoples v Queensland (1996) 187 CLR 1 und Members of the Yorta Yorta Aboriginal Community v Victoria (2002) HCA 58. Das vierte Kapitel widmet sich diesen Urteilen. Dabei zeigt sich, dass in beiden Fällen die Rechte der Aboriginal People weiter eingeschränkt wurden. Offenkundig wird dies insbesondere beim zweiten Urteil. Bemerkenswert ist, dass dieses Urteil die Inkonsistenz des richterlichen Urteilsspruches aus dem Jahre 1992 offen zu Tage brachte. Denn indem das Gericht 1992 entschied, die Aboriginal People nicht als eine ,Nation of Peoples’ sondern als Ethnie anzuerkennen, blieb den Richtern 2002 nichts anderes übrig, als die gegenwärtige Lebensweise der Yorta Yorta, wie im Falle der Meriam People, mit kolonialen Vorlagen zu vergleichen. Eine andere Möglichkeit stand dem Gericht nicht offen, hätte doch die Anerkennung von Wandel die Legitimation des Gerichts selbst in Frage gestellt. Damit lässt sich auch erklären, warum das Gericht die umfangreichen Ausführungen der Yorta Yorta nicht als Beweismaterial anerkannt hat, sondern sich stattdessen auf fragwürdige Aufzeichnungen eines gewissen Curr stützte, der im Jahre 1840 als Hobbyethnologe die Gewohnheiten der YortaYorta beobachtet hat.

Es lässt sich konstatieren, dass Native Title, verstanden als ein Konzept, um Eingeborenenbesitzansprüche sichtbar zu machen, nicht mit Landrechten zu verwechseln ist. Denn im Prinzip besitzen vor dem Common Law nur diejenigen Aboriginal People (eingeschränkte) Anrechte gegenüber dem Land, die wie zu präkolonialen Zeiten leben. Entsprechend folgt einer Modifikation der traditionellen’ Lebensweise die Aberkennung von jeglichen Ansprüchen. Unerheblich ist dabei, ob die Kläger, wie im Falle der Yorta Yorta, sich als authentische Aborigines begreifen.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, wenn Atkinson davon spricht, dass mit dem Urteilspruch aus dem Jahre 2002 die einstige als rassistisch verworfene Doktrin der „Terra nullius“ durch die idiomatische Wendung ,the tide of history’ ersetzt wurde. Wie im resümierenden Schlussteil der Arbeit ausgeführt wird, lässt sich die Lösung der Landrechtsfrage vermutlich nur mit Hilfe eines Friedensvertrages erreichen.

“ We were hunted from our grounds, shot, poisoned, and had our daughters, sisters and wives taken from us What a number were poisoned at Kilcoy... they stole our ground were we used to get food, and when we got hungry and took a bit of flour or killed a bullock to eat, they shot us or poisoned us. All they give us now for our land is a blanket once a year"

(Dalaipi, ein Aborigine aus Queensland kommend, am Ende des 19. Jahrhundert: Zitat entnommen aus Broome 2002: 36).

1. Die Landrechtsfrage in historischer Perspektive

Im Vergleich zu anderen indigenen Völkern in angelsächsischen Ländern wie den USA, Kanada oder Neuseeland wurden den Aboriginal People in Australien erst sehr spät Landrechte zuerkannt. Erst in den 1970er Jahre, hat die australische Regierung per Gesetz den Aboriginal People ehemalige angestammte Gebiete Rückübertragen. Entgegen ursprünglichen Versprechungen sollten hingegen nur wenige Völker von den Landrechtgesetzgebungen profitieren. Die meisten Völker besaßen weiterhin nicht mehr als ein vorläufiges Duldungsrecht oder lebten weiterhin in Slums an den Rändern der Städte.

Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welche Gründe dazu geführt haben, dass auch nach über zwei Jahrhunderten die Landrechtsfrage weitgehend ungelöst war. Wie die einschlägige Literatur heute belegt, gibt es hinsichtlich dieser Frage vielfältige Erklärungen. Andererseits zeigen insbesondere die Arbeiten der beiden renommierten Historiker Reynolds und Rowley, dass der zentrale Grund in einer fälschlichen Annahme zu suchen ist. So gingen die ersten Siedler, im Gegensatz zum heutigen Wissensstand, davon aus, dass der entdeckte Kontinent eine Terra nullius darstellt, also ein Land, das bei der Ankunft der Weißen praktisch unbewohnt war. In der Tat spielte die Doktrin der „Terra nullius“ eine zentrale Rolle in der Geschichte der Landrechtsfrage. Sie stellte nicht nur von Anfang an ein Instrument der Enteignung dar, indem sie den indigenen Völkern Australiens das Recht absprach, traditionelle Besitzer des Landes zu sein. Hinzu kommt, dass die Aboriginal People aufgrund des selbst eingeräumten absoluten Herrschaftsanspruches der Krone, zu rechtlosen Subjekten gemacht wurden. Entsprechend führte die Doktrin der „Terra Nullius“ auch dazu, dass der australische Staatjede Form von Widerstand und Protest ignorieren konnte.

Die gegenwärtige Debatte um Landrechte macht deutlich, dass immer wieder mit Geschichte argumentiert wird. Dies gilt auch für die Aboriginal People. Entsprechend des hier verfolgten Ansatzes soll in diesem Kapitel die Geschichte der Enteignung und des Widerstandes rekonstruiert werden. Ferner wird in die Landrechtdebatte seit Beginn der 70er Jahre und deren Ergebnisse eingeführt. Deutlich tritt dabei zu Tage, dass auch eine aufgeschlossenere Haltung der australischen Gesellschaft nichts an Tatsache änderte, dass vielen Aboriginal People immer noch ihre angestammten Rechte vorenthalten wurden. Die Gründe waren wie so oft in der Vergangenheit wirtschaftliche Interessen. Andererseits mussten auch gutgemeinte Absichten in ihrer Umsetzung immer wieder scheitern, konnten die erarbeiteten politischen Lösungsansätze immer wieder in Frage gestellt werden. Eine Möglichkeit, Landrechte vor dem Common Law einzuklagen, existierte nicht. Insofern stellte die Doktrin der „Terra Nullius“ bis 1992 eine ideologische und legale Barriere in der Landrechtfrage dar.

1.1 Der australische Kontinent wird für unbesiedelt erklärt

Historisch gesehen waren die australischen Ureinwohner nicht die einzige Gruppe, die unter den geopolitischen Ambitionen der europäischen Kolonialmächte zu leiden hatten. Die meisten indigenen Völker wurden von den Folgen des kolonialen Zeitalters ereilt. Allerdings stellt die Kolonisation des australischen Kontinents ein Novum dar. Denn im Unterschied zu anderen Völkern wurde jenen das Existenzrecht abgesprochen. Damit wurde ihnen zugleich das Recht abgesprochen, die Besitzer ihres Landes zu sein.

Der Grund dafür ist auf folgenden Umstand zurückzuführen. Gemäß dem damals gültigen internationalen Recht gab es drei Formen der Souveränitätserlangung. Die Eroberung von Land, die Abtretung von Land durch Vertrag und die friedliche Okkupation im Sinne einer Besiedlung. Wenngleich die Geschichte immer wieder zeigte, dass die meisten Völker am Ende schließlich doch zu ,Fremden’ in ihrem eigenen Land gemacht wurden, war der Herrschaftsanspruch der jeweiligen Kolonialmacht in den beiden erstgenannten Fällen erheblich eingeschränkt. So sah die damalige internationale Rechtssprechung vor, dass traditionelle Gesetze (lex loci) so lange ihre Gültigkeit behalten, bis diese ausdrücklich, etwa durch die englische Krone, aufgehoben wurden. Ferner durfte die Kolonialmacht die persönlichen Besitzverhältnisse nicht anzweifeln. Diesen Rechtsanspruch erhielten jedoch nur Völker, welche als ,zivilisiert’ genug erachtet wurden. Dies traf im Falle Australiens nicht zu. Die Aboriginal People wurden in den Augen der Briten als nicht ,zivilisiert’ genug erachtet.

They: “did not make 'proper' use of the land, because they were supposedly without law or the institutions of European civil government, or because they were otherwise considered too low in the hierarchy of civilized races” (Patton 1999: 63).

Folgerichtig konnte gemäß der damaligen internationalen Rechtsprechung jenes Land als unbesiedelt bzw. als unbewohnt deklariert werden. Dementsprechend erlangte die Krone den absoluten Besitzanspruch über das gesamte Land. Das englische Common Law wurde zum maßgeblichen Recht erklärt.

Die Kolonisation in Australien nahm ihren eigentümlichen Lauf: Die indigene Bevölkerung konnte aufgrund dieser Annahmen so behandelt werden, als wäre sie nicht der rechtmäßige Besitzer des Landes und Fremdkörper in der Gesellschaft. Im Gegensatz dazu konnte die englische Krone aufgrund ihres selbst einräumten Herrschaftsanspruches das gesamte Land ihr eigen nennen, und in Folge dessen das Land ohne Zustimmung der Urbevölkerung einzuholen, verkaufen (freehold title) oder verpachten (pastoral leases). Damit wurde parallel mit dem Souveränitätsanspruch Grundzüge, einer aus dem Mittelalter kommende Gesellschaftsordnung, auch doctrine of tenure genannt, in der neuen Kolonie etabliert. Dies bedeutet, dass niemand in Australien im juristischen Sinne Grundbesitz im Sinne von Eigentum erwerben kann, sondern nur Herrschaftsrechte. Denn mit der Souveränitätserlangung sollte gelten: ,all land is held by the Crown’. Zu deutsch: Der englischen Krone wurde ein ,absoluter Besitzanspruch’ (full beneficial ownership) übertragen.

Anzumerken ist, dass diese Herrschaftsrechte, die sogenannten estates, noch einmal in freehold estates und in leasehold estates klassifiziert sind. Wenngleich in beiden Fällen ein Recht zum Besitz von Land übertragen wird, beinhaltet erstere ein Herrschaftsanrecht von unbestimmter Dauer, wobei der freehold title das umfassendste Besitzrecht in Australien darstellt, kommt doch diesem Titel, auch wenn die Krone weiterhin die Eigentümerin bleibt, in seiner praktischen Auswirkung dieselbe Bedeutung zu, wie das deutsche Vollrecht ,Eigentum’ (vgl. Srivastava/ Deklin /Singh 1996). Die leasehold estates hingegen sind zeitlich begrenzt, wobei dem Pächter (leaseholder) in der vereinbarten Zeit, das Recht zukommt, das Grundstück ausschließlich nutzen. Dies schließt die Behausung des Grundstücks mit ein. Hervorzuheben sind in diesem Zusam­menhang die sogenanntenpastoral leases. Sie stellen eine Besonderheit des australischen Landrechtssystems dar. Denn im Unterschied zu anderen Pachtverträgen (leasehold estates) verfügen jene Titel über kein exklusives Besitzrecht. So ist es dem Pächter (leaseholder) einerseits erlaubt Tiere auf dem Pachtland zu halten. Auch darf er die dafür erforderliche Infrastruktur errichten. Andererseits kann der Pächter (leaseholder) die gleichzeitige Nutzung ,seines’ Landes durch die Aborigines nicht verbieten.

Schon sehr bald regte sich Widerstand unter den Aboriginal People gegen diese Landvergabepolitik. Nicht selten griffen die Aboriginal People zu gewaltsamen Mitteln gegen diese Form der Enteignung (vgl. Attwood 1989; Goodall 1996; Broome 2002). Dokumente zeigen ferner, dass selbst im fernen London diese Art der ,Besiedlung’ immer wieder von Seiten von philantrophischen und kirchlichen Organisationen kritisiert wurde. Dies galt insbesondere ab dem Zeitpunkt, als klar wurde, dass die Aboriginal People alles andere als ziellos und bedürfnislos umher streunende Wilde waren und sehr wohl territoriale Grenzen kannten. Doch sollten, wie im Folgenden gezeigt wird, diese wohlmeinenden Versuche koloniales Unrecht zu beenden, letztendlich an den Interessen der Großgrundbesitzer und am Opportunismus der kolonialen Eliten scheitern.

1.2 In England formiert sich Widerstand gegen die Annexion:

Die erste Landrechtbewegung

Die Gleichsetzung ,Souveränitätsanspruch mit einem absoluten Besitzanspruch an Land’ war ab Anfang des 19. Jahrhunderts auch im fernen Großbritannien nicht mehr unumstritten. Insbesondere ab den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts, als offensichtlich wurde, dass die Besiedlung des Landes letztendlich auf einer gewaltsamen Eroberung beruhte, stand die koloniale Verwaltung unter Rechtfertigungsdruck. In diesem Zusammenhang sind vor allem englische Humanisten sowie philanthropische Vereinigungen hervorzuheben, versuchten diese politischen Druck auf die Regierung in London auszuüben, um damit den Aboriginal People zu ihren 'zivilen Rechten' zu verhelfen (Reynolds 1987b: 11-15). Thomas Fowell Buxton, der erste Präsident der Aboriginal Protection Society, sagte bei der Vorstellung seines Reports of the Select Committee vor dem Unterhaus in London, 1835:

“that the native inhabitants of any land have an incontrovertible right to their own soil: a plain and sacred right, however, which seems not to have been understood. Europeans have entered their borders, uninvited, and when they, have not only acted as if they were undoubted lords of the soil, but have punished the natives as aggressors if they have evinced a disposition to live in their own country ” (Buxton, C: ed., Memories of Sir Thomas Fowell Buxton, London 1848. Zitat entnommen aus: Reynolds 1987b: 14).

Seine Kritik sollte nicht ohne Folgen bleiben. Schon bald darauf wurden englische Abgesandte in die Kolonie entsendet, die sich vor verschiedenen Ausschüssen (z.B. South Australian Colonising Commission 1838) bemühten, jene Ungerechtigkeit zur Sprache zu bringen. Allerdings wurden diese Anstrengungen spätestens durch einen Urteilsspruch des sogenannten Proxy-Councils aus dem Jahre 1889 zunichte gemacht.[6] So stellte diese damalige höchste koloniale Institution in einem anhängenden Fall klar, dass trotz aller gegenteiligen Befunde, Australien eine Terra nullius sei. Damit wurde nicht nur der absolute Herrschaftsanspruch der Krone festgeschrieben, sondern auch das Ende der ,ersten Landrechtbewegung’ eingeläutet (Reynolds 1987b: 81-102).

1.2.1 DAS ENDE DER ERSTEN LANDRECHTBEWEGUNG

Gründe die Aufschluss für das Scheitern der ,ersten Landrechtbewegung’ geben sollen, gibt es viele. So stellt Reynolds (1987a) etwa die These auf, dass Australien einfach zu weit weg von dem Einfluss der englischen Krone gewesen sei, um die Geschehnisse kontrollieren zu können. Er bemerkt, dass die englische Regierung zwar mit Hilfe liberaler Abgesandter versucht hatte, Einfluss auf das Ergebnis verschiedener Kommissionen zu nehmen. Sie musste jedoch am Ende feststellen, dass sie sich gegen die Interessen der Großgrundbesitzer und Spekulanten vor Ort nicht durchsetzen konnte (Reynolds 1987a: 23).

Diese Interpretation mag in Teilen zutreffen, trifft aber letzten Endes nur die halbe Wahrheit. Denn einige dieser englischen Abgesandten haben ebenso deutlich gemacht, dass eine Lösung in der Landfrage nicht die wirtschaftlichen Interessen der Krone gefährden dürfen. Das Bekenntnis der Krone, sich für die Belange der Aboriginal People einzusetzen, war damit nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Deutlich kommt dies an folgendem Beispiel zum Ausdruck: Im Grundsatzpapier der South Australian Colonising Commission (1838), welche die Zielsetzung hatte, Lösungen in der Landrechtsfrage auszuarbeiten, stand zu lesen:

“...the precondition was that sufficient capital had to be raised to guarantee that it would be viable and that the Government (die englische Krone) would not have to provide financial support” (South Australian Colonizing Commission (1838).

Die Krone hat demnach deutlich gemacht, dass sie weder ein Interesse hatte, die australische Kolonie länger finanziell zu unterstützen, noch dass sie die Absicht hatte von der bisherigen Landvergabepolitik abzurücken. Mit diesem Art ,Freischein’ entschied die Kommission 1838, dass

“Land could be bought at a uniform price per acre irrespective of its quality or position, but if more than one person wanted a particular section it would be sold by auction. Leases of up to three years could be granted 'for pasturage' on unsold lands at a fixed price. The proceeds were to go to the Emigration Fund to assist 'poor persons' to come to the Province, initially as labourers or tradesman, with a view to becoming landowners themselves”(South Australian Colonizing Commission (1838).

Das ‘Problem Aborigines’ sollte in Südaustralien in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts noch einmal auf die Tagesordnung kommen. Jedoch basierte bereits zu diesem Zeitpunkt die Garantie von Rechten auf einer anderen Argumentation. So gestand der süd­australische Gouverneur Gawler 1848, nachdem in der Gegend des heutigen Adelaide die ursprüngliche Bevölkerung innerhalb weniger Jahre von 650 auf 180 Menschen aus Kummer, Not und Gewalt zurückgegangen war, ihnen aus ,, the lowest degree of respect“ (Broome 2002: 57) das Recht zu, auf verpachtetem Land zu leben.[7] Ebenso verpflichtete er sich, 15 % der Einnahmen, die Südaustralien aus dem Verkauf von Land erzielte, für den Schutz und die Erziehung der Aboriginal People einzusetzen (Reynolds 1987b:17).

Ähnlich verhielt es sich in Victoria, dem damaligen Port Phillip Distrikt.[8] Auch hier gab es anfangs Bemühungen eine Landrechtreform auf den Weg zu bringen, die, legt man die Argumentation von Atkinson zugrunde, auf eine friedliche Koexistenz hinausgelaufen wäre (Atkinson 2003).[9] Historischen Dokumenten zufolge waren die Bemühungen sogar weit fortgeschritten. So wurde bereits 1836, ein Jahr nach der ersten Besiedung, eine Policy of Protection formuliert, die zur Folge hatte, dass Protektorate, also Schutzkorridore, eingerichtet wurden. Allerdings sind die meisten dieser Protektorate, welche in den Jahren 1839-1840 eingerichtet wurden, in weniger als zwei Jahren wieder geschlossen oder in ihrer Größe deutlich reduziert worden (Felton 1981: 170).

Wie in Südaustralien spielten auch hier wirtschaftliche Interessen eine Rolle. In diesem Fall stand das Scheitern der Landvergabepolitik im unmittelbaren Zusammenhang mit der Absicht Englands, seine neue Kolonie als ,Kornkammer’ zu nutzen. So hat im Jahre 1822 die englische Krone entschieden, die Zölle für australische Wolle auf ein Sechstel des Wertes der deutschen Wolle zu senken. Dies hatte zwar Großbritannien den Vorteil gebracht, unabhängiger von deutschen Wollimporten zu werden. Gleichzeitig führte jene Entscheidung in den folgenden Jahren (1830-1850) zu einem starken Anwachsen der Schafherden in Australien. Darüber hinaus machten sich Zehntausende von Menschen nach Australien auf, um am wirtschaftlichen ,Bonanza’ teilhaben zu können. Im Ergebnis führte dies dazu, dass im Jahre 1845 die Siedler in New South Wales (NSW) ungefähr die Hälfte des Landes für sich beanspruchten (Morris 1989: 75). Wenngleich keine konkreten Zahlen für den Port Phillip Distrikt vorliegen, dürften sie sich kaum von denjenigen in New South Wales unterscheiden. So war auch dort von einem ,Siedlungsdruck’ die Rede (vgl.: Felton 1981: 179).

Trotz einer Politik der Fakten befand sich das Projekt ,Kolonisierung Australiens’ auf einem rechtlich unsicheren Stand. So bediente sich zwar die damalige koloniale Verwaltung der Doktrin der „Terra nullius“ um die Kolonisierung des Raumes voranzutreiben. Gleichzeitig konnte es nicht mehr verleugnet werden, dass sich die koloniale Verwaltung in einem Krieg mit den Ureinwohnern befand. Dies stellte in der Tat ein rechtliches Problem dar, stand die Gleichsetzung von Souveränitätsrechten mit einem absoluten Besitzanspruch auf dem Prüfstand. Insofern kam dem Proxy-Urteil von 1889 eine besondere Bedeutung zu, sollte hier Geschichte von ihrem Ende her geschrieben werden. Das heißt, Geschichte wurde dahingehend umgeschrieben werden, dass sie dem Interesse des Besatzers diente.

1.3 Die koloniale Rechtssprechung bestätigt:

Australien ist eine Terra nullius (1889)

Wie anhand der bisherigen Diskussion deutlich wird, war die koloniale Administration immer wieder Kritik hinsichtlich ihrer Landvergabepolitik ausgesetzt. Teilweise wurde das koloniale Projekt selbst in Frage gestellt. Zeigen wird ist auch, dass es schon frühzeitig Versuche von Seiten der kolonialen Eliten gab, die Politik der Enteignung rechtlich gesehen, auf einen sicheren Stand zu stellen. So sollte bereits 1849 ein Richter in der damaligen Provinz New South Wales erklären:

„Australian land had been unoccupied and waste when the British arrived; consequently the title of the Crown as universal occupant was a reality ” (Doe and Wilson v Terry (1849) 1 Legge 505)

Doch sollte erst das Proxy-Urteil von 1889, in dieser Frage endgültige Klarheit schaffen. Denn injenem Jahr sollten die Mitglieder des Judicial Committee of the Privy Council im Falle Cooper v. Stuart (1889) entscheiden:

''There is a great difference between the case of a colony acquired by conquest or cession, in which there is an established system of law, and that of a colony which consisted of a tract of territory practically unoccupied, without settled inhabitants or settled law, at the time when it was peacefully annexed to the British dominions. The Colony of New South Wales belongs to the latter class" (Cooper v Stuart (1889) 14 App. Cas. 286 (P.C.)).

Mit diesem Urteilsspruch konnten die bisherigen Enteignungen nicht nur nachträglich legitimiert werden. Substantieller war, dass die Doktrin der „Terra nullius“ seit dieser Zeit auch eine Doktrin des Common Law darstellt. Die Kehrseite ist, dass die Aboriginal People ab diesem Zeitpunkt vor dem Common Law nicht mehr existierten, erkannte doch die höchste koloniale Gerichtsbarkeit die ideologische Doktrin der „Terra nullius“ als ein ^historisches Faktum’ an.

Der renommierte Historiker Reynolds schreibt dazu:

„the common Law turned a blind eye to everything that happened in Australia and retreated further from the real world onto the world of injustice” (Reynolds 1987a, 31).

1.3.1 DIE DOKTRIN DER „TERRA NULLIUS“ UND IHRE FOLGEN

Mit dem Urteilsspruch sollten erhebliche Veränderungen für das Leben der Aboriginal People einhergehen. In bezug auf die Reservate, welche ab Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge der sogenannten humanistischen Bewegung eingerichtet wurden, hieß dies, dass sie mit einem Mal eine neue Bedeutung erhielten: Sie leiteten sich nicht mehr wie bislang aus der Geschichte und der Tradition der Aboriginal People ab, sondern galten von nun an als Ausdruck eines wohlwollendem Entgegenkommen gegenüber den Kolonisierten. Dementsprechend konnten sie jederzeit wieder aufgelöst werden (Maddock 1993: 31). Dies geschah insbesondere in Victoria und New South Wales. Gerade dort wurden viele Reservate, die während der ersten Landrechtbewegung entstanden sind, beinahe komplett wieder aufgelöst wurden (Felton 1981: 168-221). Ein Zahlenbeispiel: Von den ursprünglichen 398 km2, die den Kooris- dieser Begriff umfasst alle Aboriginal Völker im Südwesten von Australien- ursprünglich zugestanden wurde, sind ganze 4.5 km2 übrig geblieben (Stand: 1983). Alles andere Land wurde an europäische Siedler verkauft.

Dies ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass der australische Staat seit diesem Urteil gegenüber jeder Form von Protest der Aborigines immun wurde. Denn indem man ein ,Aboriginal System of law’, sogar die juristische Existenz jener Menschen verleugnete, konnte man jede Form von Widerstand als illegitim oder als gegenstandslos erklären. Wie wenig erfolgreich dementsprechend der Protest war, zeigt das Beispiel der Yorta Yorta, das sehr gut dokumentiert ist. So kann Atkinson anhand seiner Untersuchungen nachweisen, dass das Volk der Yorta Yorta bereits im Jahre 1860 damit begann, seinen Protest auf unterschiedliche Art und Weise zu artikulieren:

Chronologische Aufstellung der einzelnen Forderungen

1. Forderungen von Kompensationen für verloren gegangene Fischereierträge aufgrund von Zerstörung der natürlichen Lebensräume, 1860.
2. Einsendung einer Petition an den Gouverneur von New South Wales, 1881 mit der Bitte um Land.
3. Land wird im Namen von Weißen Siedlern (Dummy Selectors) zurückgekauft, 1885.
4. Unterschiedliche Versuche des Siedlers Matthews Landrechte zu sichern, 1881-87.
5. Antrag auf Fischereirechte an das Victorian Boardfor Land 1887.
6. Einsendung einer Petition an den Gouverneur von 19. Juli 1887 mit der Bitte um Landrückgabe.
7. Matthew versucht auf ein Neues, Land für die Yorta Yorta aufkaufen zu dürfen, sein Anliegen wird abgelehnt, 1889-92.
8. Mehrere Anträge auf zusätzliches Land für das Cummera-Reservat, 1890er Jahre.
9. Bildung der ersten Aboriginal Landrechtbewegung, 1930-1932.
10. Entsendung einer Petition an den König George V mit der Bitte politische und zivile Rechte sowie Land zu erhalten, 1935.
11. Mehrere Versuche Land zurückzuerhalten, 1959 (nicht weiter erklärt).
12. Entsendung vonDelegationen, 1959-66.
13. Organisationvon Landrechtkampagnen, 1966.
14. Entsendung von Abgesandten nach Canberra, um mit der Regierung um Landrechte zuverhandeln, 1972.
15. Forderung nach Rückgabe der Barmah/Moira Wälder, 1975.
16. Proteste um die Rückkehr auf das ,Cummera Land’ zu erzwingen, 1972-83.
17. Anspruch wird erhoben auf die Rückgabe der Barmah Wälder, 1983.

Quelle: Atkinson (2001): 253-254.

Gleichwohl die Yorta Yorta, wie anhand jener Auflistung deutlich wird, niemals aufhörten für ihre Rechte einzutreten, zeigen die folgenden Zahlen, dass die gemachten Konzessionen die Bezeichnung ,, a shamefull job“ (Atkinson 2001: 55) mehr als ver­dienen. So konnten die Yorta Yorta, die ehemals mehr als 4.000 km2 Land besaßen, 1881 1.5 km2, 1890 0.15 km2, 1899 0.8 km2, 1900 0.5 km2 und bis 1975 0.4 km2 Land erstreiten, wobei der größte Teil des Gebietes an Großgrundbesitzer verpachtet war. Damit besaßen die Yorta Yorta auch über das ihnen zugesprochene Land keine vollen Besitzrechte.

Anzumerken ist noch an dieser Stelle, dass der Widerstand nicht auf die Yorta Yorta beschränkt war. Attwood (1996) kann anhand seiner Forschungen belegen, dass gegen Ende des 18. Jahrhunderts viele Aboriginal Völker Petitionen an die englische Krone verschickten, dass sie sogar Streiks initiierten, wie 1880 in Coranderrk geschehen. Ferner wurden ab Mitte des 20. Jahrhunderts immer wieder zivile Bürgerrechte von Seiten der Aboriginal People eingefordert.

Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle konstatieren, dass die Doktrin der „Terra nullius“ eine Lösung in der Landfrage stets verhindern hat. Denn wie Chesterman schreibt:

“If there is no owner of this land, then we can establish a system of land ownership; there is no law, so we can establish a legal system; there is no language, so we can declare an official language; there is no culture so we can nominate and endorse a national culture; there is no decision-making structure or system of authority, so we can empower a Parliament“ (Chesterman 1995: 195).

Sicher kam es immer wieder zu Konflikten. Dieser Konflikt konnte jedoch bis Mitte des 20. Jahrhunderts durch die neue Ordnung übergangen werden. Aus den folgenden zwei Gründen: Einmal konnte aufgrund der Verteilung der Macht die neue Ordnung darüber entscheiden, was unrechtmäßig und was rechtmäßig war. Zum anderen konnte jedes Unrecht durch den Anspruch legitimiert werden, die neue Ordnung verfüge über ein objektives Wissen über den Anderen.

Wie im folgenden Abschnitt gezeigt wird, hörte der Widerstand der Aborigines auch im 20. Jahrhundert nicht auf. Vor allem die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts gingen als ,das Jahrzehnt des Protestes’ in die australische Geschichte ein (Attwood/ Markus 1999). Allerdings wird sich auch an diesem Punkt der Geschichte zeigen: Solange sich Australien nicht ernsthaft mit seiner Geschichte der Enteignung auseinandersetzt, so lange müssen die Forderungen der Aboriginal People nach Landrückgabe unerhört bleiben. Beispielhaft stehen dafür die Staaten Queensland und Westaustralien, wo Landrechtgesetze bis in die 1980er Jahre mit der Begründung abgelehnt wurden, die Aboriginal People würden das Land nicht produktiv nutzen. Doch selbst in den anderen Bundesstaaten müssen die verabschiedeten Landrechtgesetzgebungen eher als ein Geschenk an die Großgrundbesitzer und an die Bergbauunternehmen gesehen werden, als dass sie traditionelle Rechte der Aboriginal People anerkennen. Aufgrund der Bedeutung für die künftige Entwicklung der Landrechtsfrage soll im Folgenden die Landrechtdebatte der 1970er Jahre und die Ergebnisse jener Zeit dargestellt werden. Im Anschluss daran, soll das bedeutendste Landrechtgesetz, das ALRNTA (1976) diskutiert werden.

1.4 Die Landrechtdebatte in den 70er Jahren

1.4.1 ,DAS JAHRZEHNT DES PROTESTS’

Wenngleich immer wieder einzelne Völker und Aktivisten versuchten auf ihre Situation aufmerksam zu machen, dauerte es bis in die 70er Jahre hinein bis die Landrechtdebatte wieder auf die nationale politische Agenda gelangte.[10] Dies hatte vor allem damit zu tun, dass Aboriginal People überall im Land, angefangen von den entlegenen Gebieten wie in Alice Springs oder in Arnheim Land, aber auch in den Metropolen, wie Sydney und Melbourne versuchten, mit Hilfe von Protestaktionen (Streiks, Demonstrationen) auf ihre Forderungen nach Land aufmerksam zu machen. Höhepunkt dieser Protestaktionen sollte die Errichtung der sogenannten ,Tent Embassy’ vor dem Parlament in Canberra am 26.02.1972, also am Australian Day sein.[11] Gerade der in dieser Aktion so deutlich zum Ausdruck kommende Affront gegen den absoluten Souveränitätsanspruch des australischen Staates hat dazu geführt, dass die australische wie auch die Weltöffentlichkeit über die Situation der Aborigines Kenntnis gewonnen hat. In diesem Zusammenhang sollte die 5-Point-Policy-Declaration, die an jenem besagten Tag vor dem Parlament in Canberra vorgelesen wurde, eine besondere Rolle spielen, formulierte jene detailliert die Ziele der Aboriginal People zu diese Zeit.

Im Folgendem ein Auszug:

We demand

1. Full State rights to the Northern Territory (NT) under Aboriginal ownership and control with all titles and minerals, etc.
2. Ownership of all other reserves and settlements, throughout Australia with all titles to minerals and mining rights.
3. The preservation of all sacred lands not included in Points 1. and 2.
4. As compensation, an initial payment of six billion dollars for all other land throughout Australia plus a percentage of the gross national income per annum.
5. Ownership of certain areas of certain cities with all titles to minerals and mining rights.

Quelle: Mansell (1972): 292.

Die Politik war aufgefordert, sich auf der Grundlage der 5-Point-Policy-Declaration mit den Forderungen auseinander zu setzen (Foley, damals Teilnehmer an der Errichtung der Tent Embassy 1972).[12] Bedingt durch den massiven öffentlichen Druck, der durch die politischen Aktionen entstanden war, standen die Chancen zu Beginn gut, auf die politische Exekutive Einfluss zu nehmen. Hinzu kamen zwei zeitgeschichtliche Umstände, die durchaus begünstigend wirkten. Zum einen schienen zu dieser Zeit große Teile der nicht-indigenen Gesellschaft Australiens bereit zu sein, ihre bisherige Haltung gegenüber der Urbevölkerung zu überdenken. Exemplarisch für dieses Umdenken steht das Referendum von 1967, in dem entschieden wurde, der Urbevölkerung die vollen Bürgerrechte zu garantieren.[13] Zugleich erhielten sie mit diesem Referendum das allgemeine Wahlrecht. Zum zweiten übernahm 1972 mit der neuen Labour-Regierung unter Whitlam, ein Premier die Regierungsgeschäfte, der sich als ein Fürsprecher in der Landrechtsfrage ausgab. Seine Regierung wollte sich sogar an folgender Vision messen lassen:

„Australia’s treatment of her Aborigines will be the thing upon which the rest of the world will judge Australia and Australians not just now, but in the greater perspective of history (Zitat entnommen aus: Broome 2002: 185).

Erläuternd sei an dieser Stelle hinzuzufügen, dass der australischen Bundesregierung erst seit dem Referendum von 1967 die Möglichkeiten zugebilligt worden ist, eine nationale Aboriginal Policy zu formulieren. Bis 1967 hatte im Verfassungstext, der aus dem Jahre 1901 datierte, in Sektion 51, Paragraph xxvi gestanden:

“the parliament shall, subject to this Constitution, have power to make laws for the peace, order and good Government of the Commonwealth with respect to; the people of any race other than Aboriginal race in any state for whom it is deemed necessary to make special laws ” (Commonwealth Constitution 1901: 51, xxvi).

Das heißt, die Hoheit der Aboriginal Affairs hatte bis zu jenem Zeitpunkt, außer in Northern Territory und ACT (Australian Capital Territory) bei den einzelnen Bundes­staaten gelegen.

Dass die Regierung es mit ihrer Ankündigung ernst meinte, kann man daran ablesen, dass sie kurz nach der Übernahme ihrer Amtsgeschäfte einige richtungsweisende Reformen einleitete, von denen zwei von besonderem Interesse sind. Zum einen hat sie 1975 ein Antidiskriminierungsgesetz (Racial Diskrimination Act, kurz RDA (1975)) erlassen, das jede Art von ethnischer Diskriminierung unter Strafe stellte. Zum anderen hat die Regierung zwei Jahre zuvor, 1973, die Woodward-Royal-Kommission eingesetzt, die zur Aufgabe hatte, eine nationale Landgesetzgebung zu formulieren. Aufgrund ihrer Bedeutung soll das Ergebnis überblicksartig vorgestellt werden.

1.4.2 DIE LANDRECHTKOMMISSION VON 1973

Eine der ersten wichtigen politischen Entscheidungen der Whitlam-Regierung und eine Antwort auf das Jahrzehnt des Protests’ stellte 1973 die Einsetzung der sogenannten Woodward-Royal-Kommission dar. Ziel und Zweck dieser Kommission war es, im Auftrag der Regierung eine Gesetzesnovelle zu erarbeiten, welche die Aboriginal People als traditionelle Besitzer des Landes wieder einsetzt. Es war zu diesem Zeitpunkt darüber hinaus gefordert worden, dass die traditionellen Besitzer sogar den Abbau von Mineralien untersagen können. So sagte der Kommissionsvorsitzende Sir Woodward in einer Sitzung imApril 1974:

“I believe that to deny Aboriginal the right to prevent mining on their land is to deny the reality of their land rights” (Woodward 1974: 108).

Betrachtet man die Landrechtdebatte bis zu diesem Zeitpunkt, so muss die Einsetzung einer Landrechtkommission mit derart weitreichenden Zielen als ein Novum in der australischen Geschichte verstanden werden. Dies aus zwei Gründen: Zum einen brachte sie zum Ausdruck, dass die australische Politik bereit war, mit der bisherigen Assimilations- bzw. Segregationspolitik zu brechen (vgl.: The Aboriginal Land Right Commission 1974: 2). Und zweitens ging es in dieser Kommission nicht mehr um die Frage, ob die Aboriginal People gegenüber dem Land Rechte und Interessen besitzen.

[...]


[1] Anzumerken ist, dass aus Gründen der Sinnbeibehaltung verschiedene rechtliche Begriffe sowie Zitate, insbesonderejene, welche mit den einzelnen Urteilen zu tun haben, nicht übersetzt werden.

[2] Die Yorta Yorta leben traditionell an der Grenze zwischen Victoria und New South Wales entlang des Flusses Murray.

[3] Die Gesprächsnotizen sind vornehmlich in den Fußnoten dokumentiert.

[4] Die Merian People rechnen sich den Torres Strait Islander zu, und sind daher nicht zu verwechseln mit den Aboriginal People auf dem Festland. Traditionell leben sie auf Inseln, welche der nördlichen australischen Küste vorgelagert sind

[5] Hier sind insbesondere die Arbeiten der beiden renommierten Historiker Charles Rowley und Henry Reynolds zu nennen, waren sie es doch, die eine Aboriginal Historiograph begründeten. Bekannt wurde Reynolds mit seiner Arbeit: The Other Side of the Frontier (1983) entwickelte er hier das sogenannte ,model of dispossession and resistances’. Dieses Modell hat bis heute nichts an seiner Aktualität verloren (vgl. Markus 1999; Attwood 1989, Rose 1991).

[6] Das Proxy-Council- an anderer Stelle ist auch vom Privy-Council die Rede- war eine Institution, in der die Aristokratie, bzw. die höchsten königlichen Berater über die kolonialen Angelegenheiten entschieden. „In fact Australia was shaped by the inner circle of the King's aristocratic advisers" (Rose 1991: 38). Interessant ist, dass die Expertisen bezüglich der anhängigen Landrechtsfragen, von dem Committee of Trade, welches 1786 auf das Verlangen des Proxy-Councils eingesetzt wurde, erarbeitet wurde. Im diesem Committee of Trade saßen, “a dedicated oligarchy, which forced through a free trade agenda, most were active members of the political Economy Club and went either to trinity college, Cambridge or to Christ Church, Oxford” (Rose 1991: 40). Eines der Mitglieder war der Erzbischof von Canterbury.

[7] Südaustralien wurde ab 1836 besiedelt.

[8] Victoria wurde ab 1835 besiedelt.

[9] Im Februar 2003 konnte ich ein Gespräch mit Atkinson führen. In diesem Zusammenhang sprachen wir auch über möglich gewesene Lösungen.

[10] Zwei wichtige Ereignisse aus den 60er Jahren, welche auf die soziale Diskriminierung aufmerksam machten: Der ,Walk Off’ der Gurindji im Queensland im Jahre 1966. Mit Hilfe dieser Aktion wurde versucht, gegen die erbärmlichen Arbeitsbedingungen, gegen Unterbezahlung und andere Formen der Diskriminierung aufmerksam zu machen. Darüber hinaus besetzten jene traditionelles Land, um eine eigene Rinderfarm zu errichten. Der Besetzung schlug letzten Endes fehl. H.C. Nugget Coombs, der wohl bekannteste nicht-indigene Verfechter für Aboriginal Rechte hat später behauptet, dass “this incident is universally acknowledged as the first shot in the war for land rights" (Coombs, 1994: 281). Eine andere bedeutsame Protestaktion wurde Charles Perkins, ein Aborigine, zusammen mit Studenten der Universität Sydney organisiert. Jene hatten 1963 eine Bustour durch die Städte in New South Wales organisiert, um auf die erbärmlichen Lebensbedingungen der Aborigines in den ländlichen Gebieten aufmerksam zu machen. Diese Aktion ist unter dem Namen ,The Freedom Ride’ bekannt geworden.

[11] An diesem nationalen Feiertag, an dem die ,Gründung’ Australiens gefeiert wird.

[12] Notizen aus dem Gespräch mit Gary Foly, langjähriger führender Aktivist der Black Panther. (15.12.2002)

[13] Dies war das erste nationale Referendum das positiv entschieden wurde (Stand 2003)

Excerpt out of 106 pages

Details

Title
Indigene Landrechte in Australien
Subtitle
Eine kritische Untersuchung des Mabo Urteils unter Berücksichtigung des Yorta Yorta Urteils
College
Humboldt-University of Berlin
Author
Year
2005
Pages
106
Catalog Number
V208714
ISBN (eBook)
9783656451761
ISBN (Book)
9783656452300
File size
924 KB
Language
German
Keywords
Kolonisation, Eddie Mabo, Postkolonisation, oral history, indigene Rechte, Unterdrückung, Zivilgesellschaft
Quote paper
Thomas Welzenbacher (Author), 2005, Indigene Landrechte in Australien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208714

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Title: Indigene Landrechte in Australien



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