Die Bedeutung des Bilderbuches für die Sprachentwicklung im frühen Kindesalter
Einleitung
Ein Bilderbuch ist für eine Kinderstube ein ebenso wesentlicheres und noch unentbehrlicheres Meuble als eine Wiege, Puppe oder das Ste-ckenpferd. Diese Wahrheit kennt jeder Vater, jede Mutter, jeder, der Kinder erzogen hat, und von Locke an bis auf Basedow, Campe und Salzmann empfiehlt jeder vernünftige Pädagog, den frühesten Unter-richt des Kindes durchs Auge anzufangen, und ihm so viel gute und richtige Bilder und Figuren, als man kann, vor Gesicht zu bringen.
(Friedrich Justin Bertuch 1790: 438, zitiert nach Niermann 1979: 7)
Die vermittelnde und kommunikative Struktur der Bilderbücher geriet bereits im 17. Jahrhun-dert ins Blickfeld der Pädagogik. 1658 brachte Comenius das erste Bildwörterbuch der Welt, den „Orbis sensualium pictus“ mit dem Ziel heraus, den Kindern das Erlernen der lateinischen Sprache durch bildliche Vorstellungen zu einer Spielbeschäftigung zu machen und dadurch auf eine angenehme Weise zu erleichtern (vgl. Rosenfeld 1964: Nachwort). Dieser war der erste Best- und Longseller der Kinder- und Jugendliteratur und wurde für die Entwicklung des Bilderbuches im 17. und 18. Jahrhundert richtungsgebend (vgl. Doderer/Müller 1973: 43). In den nächsten Jahren entstanden zahlreiche Nachfolgewerke wie Johann Bernhard Basedows „Elementarwerk“ (1770–1774), Johann Siegmund Stoys „Bilder-Akademie für die Jugend“ (1780), Christian Gotthilf Salzmanns „Moralisches Elementarbuch“, bis hin zu Friedrich Jus-tin Bertuchs „Bilderbuch für Kinder“ (1790–1822) (vgl. Dierks 1965: 27ff.). Mit Bertuch wurde der Begriff Bilderbuch zum ersten Mal als Titel eines illustrierten Werkes für Kinder gebraucht (vgl. Minke 1958: 5). Auch das Familienbuch „Mutter- und Koselieder“ (1844) von Friedrich Fröbel darf nicht übersehen werden, das durch die Einheit von Bild, Text und Musik zum gemeinsamen Anschauen und Spielen, zu einer Begegnung mit Kunst und Dichtung anregt. All diese Werke wurden mit dem gleichen Anliegen geschaffen, den Kindern die Welt näher-zubringen – wenn auch zunächst mit mäßiger Qualität und nicht in systematischer Weise – und sie dabei mit allen Sinnen anzusprechen. Die gemeinsame Bilderbuchbetrachtung stellt eine der effektivsten Formen der Sprachförderung im frühen Kindesalter dar.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Begriffsexplikation „Bilderbuch“
2 Worauf kommt es an?
2.1 Bilderbuchbetrachtung und Vorlesen als besondere Dialogform
2.2 Bilderbuchbetrachtung und Vorlesen als Basis für eine tragfähige Beziehung
3 Entwicklungspsychologische Forschungsperspektiven zur Bedeutung von Bildern
4 Bilderbucharten
4.1 Bilderbuchgattungen
4.2 Bildgestaltung
4.3 Text-Bild-Verknüpfungen
4.4 Allererste Bilderbücher
4.5 Nachfolgende Bilderbücher
4.6 Ein Zwischenfazit
5 Spracherwerbstheorien
5.1 Lerntheoretische Konzeptionen
5.2 Nativistische Konzeptionen
5.3 Kognitivistische Konzeptionen
5.4 Interaktionistische Konzeptionen
5.5 Ein Zwischenfazit
6 Die Bedeutung des Bilderbuches für die kindliche Sprachentwicklung
6.1 Dimensionen der kindlichen Sprachentwicklung
6.1.1 Phonologische Entwicklung
6.1.2 Grammatisch-syntaktische Entwicklung
6.1.3 Wortschatzentwicklung
6.1.4 Entwicklung konversationeller und diskursiver Fähigkeiten
6.1.5 Phraseologieerwerb
6.1.6 Ein Zwischenfazit
6.2 Wie trägt das Bilderbuch zur sprachlichen Entwicklung bei?
6.2.1 Phonologische Bewusstheit
6.2.2 Wortschatz und Grammatik
6.2.3 Entwicklung des Bewusstseins über Sprachstil und Textsorten
6.2.4 Konversationelle und diskursive Fähigkeiten
6.2.5 Phraseologieerwerb
6.2.6 Ein Zwischenfazit
7 Analyse des Bilderbuches von Anne Heseler „Der dicke fette Pfannkuchen“
7.1 Methodische Vorgehensweise und Zielsetzung
7.2 Analyse des Bilderbuches
7.3 Didaktische Handhabung
7.4 Fazit
8 Schlussbetrachtung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
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