Die Landschaft in Goethes "Wahlverwandtschaften"


Hausarbeit, 2008

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Gestaltete Natur
2.1 Über Natur und Landschaft
2.2 Eduard – ein heraustretender Wanderer?
2.3 Charlotte – ein Stadtmensch?

3 Die Enge des Anwesens
3.1 Die Insellage des Anwesens
3.2 Die Metamorphose der Landschaft
3.3 Die Katastrophe am See

4 Schlussteil

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Bandbreite der wissenschaftlichen Arbeiten zur Landschaftsthematik in der Literatur ist enorm. Selbst wenn man sich „nur“ mit der Goetheschen Auffassung beschäftigt, reicht der Rahmen einer Hausarbeit bei Weitem nicht aus. Aber gerade bei Goethe ist es eben diese Landschaft, die besondere Beachtung verdient. Seien es die Leiden des jungen Werther, das Universalwerk Faust oder eben die Wahlverwandtschaften – alle zeichnen sich durch die zentrale Bedeutung der Umwelt aus. Immer wieder wirkt diese nicht nur als Spiegel der Handlung, sondern auch als Vorbote einer Katastrophe. Die tragischen Elemente einer Handlung werden nicht nur von den Akteuren getragen, sondern auch oder vor allem durch „natürliche“ Elemente in deren Umgebung. Was wäre ein Werther inmitten einer Großstadt, ein Osterspaziergang durch die Korridore eines Schlosses und was wären die Wahlverwandtschaften ohne die herausragende Rolle des Parks?

Der folgende Text beschäftigt sich dementsprechend mit genau diesem Park, der Freiheit und Begrenztheit scheinbar möglich macht, am Ende aber doch nur eine Option zulässt. Es soll um ein natürliches Freiheitsgefühl gleich neben einer konstruierten Abgeschiedenheit gehen.

Vor allem wird das erste Kapitel untersucht werden, wobei Ausblicke auf den späteren Handlungsverlauf, speziell auf die Sterbeszene des Kindes, sicher nicht ausbleiben können.

Dazu wird zunächst die allgemeine Doppeldeutigkeit des Landschaftsbegriffs analysiert werden, um diese dann auf den Roman, seine Landschaft und die Protagonisten zu beziehen. Des Weiteren soll geklärt werden, wie sich die Landschaft im Verlauf der Handlung entwickelt und wie die Katastrophe am See durch verschiedene Elemente der Umwelt widergespiegelt wird.

2 Gestaltete Natur

2.1 Über Natur und Landschaft

Das gesamte Schaffen Goethes beruhte zu einem nicht unbeachtlichen Teil auf seiner Auffassung von der Natur. Dementsprechend ist es nur sinnvoll sich zunächst mit seinem Naturbegriff zu befassen, um dann auf die Deutungsmöglichkeiten des Landschaftsbegriffs und dessen Beziehung zu den Wahlverwandtschaften eingehen zu können.

Goethe gilt als herausragender Vertreter des „pantheistischen Zusammenrückens von Gott und Natur“.[1]

Gott ist in der Natur sichtbar, Gott wirkt in der Natur und die Natur in Gott. Folgerichtig ist es ein Prozess des ewigen Werdens und Fließens, der Natur und am Ende das Leben selbst kennzeichnet. Die stete Veränderung in der Natur[2] ist ein Motor, ein innerer Drang, eine schlichte Notwendigkeit.

Es sind dann diese wirkenden Kräfte (Goethe bevorzugt selbst den Begriff der „Tätigkeit“), die die Natur als großes Ganzes erscheinen lassen, als zwar erkennbares, aber niemals greifbares Ganzes. Der Kosmos, eine innere Weltordnung offenbart sich in der Natur, wenngleich die wahre Offenbahrung darin besteht, nie alles erfahren zu können, sondern ab einem gewissen Punkt in schlichte Bewunderung zu verfallen und die angesprochenen Kräfte wirken zu lassen.[3] Trifft eine derartige Naturwahrnehmung noch fast vollkommen auf den Werther zu, so ist es in den Wahlverwandtschaften die gestaltete Natur, die den zentralen Punkt darstellt.

Seit Jahrhunderten befassen sich Menschen mit der Zuwendung zur Natur als Landschaft. Wenn man sich der Gedanken von Joachim Ritter[4] annimmt – wie ich das im Laufe dieser Arbeit des Öfteren tun werde -, ist Landschaft etwas Gegenwärtiges, aber einzig emphatisch Erfassbares, während die Natur eben jenes umfangende Ganze darstellt. Nach Ritter zeichnet sich Landschaft auch oder vor allem durch eine Doppeldeutigkeit aus.

Wenn sich der Mensch der Natur in betrachtender und vor allem genießender Art und Weise zuwendet, wird diese zur Landschaft. Die Natur verändert sich durch das Hinaustreten der Menschen, durch ihre Art sie zu betrachten. Landschaft ist somit das, was sich von der Natur im Inneren des Menschen widerspiegelt, sie erscheint als eine Gegenwart der Natur, die greifbarer wirkt, als es der pantheistische Gedanke von Goethe zulässt.

Es ist die Aufgabe der Kunst diese Abbildung zu vergegenwärtigen und den Menschen zugänglich zu machen. Es ist somit auch die Aufgabe der Wahlverwandtschaften das landschaftliche Empfinden der Akteure zum Ausdruck zu bringen. In diesem Roman ist es Eduard, der hinaustritt und sich der Natur als Landschaft zuwendet. Im Verhalten seiner Frau spiegelt sich ein anderes Landschaftsgefühl wider.

Bezieht man sich erneut auf Joachim Ritter steht dieser freiheitlichen Landschaftsinterpretation eine Art Abgegrenztheit, eine Beengtheit gegenüber. Landschaft gehört zur „Entzweiungsstruktur der modernen Gesellschaft“. Das Stadtleben ist nach Schiller der Motor der modernen Gesellschaft, wohingegen das Land eine Art Gegengewicht zum Fortschritt darstellt. Das Zusammenrücken der Menschen in der Stadt lässt ein produktives Freiheitsgefühl entstehen, wie es auf dem Land undenkbar ist. Eine für das Land kennzeichnende „umruhende Natur“ ist in der Stadt vollkommen verloren gegangen, was dann wiederum nach Schiller Voraussetzung für die Freiheit ist. Paradoxerweise spiegelt sich diese Landschaftsauffassung in der Figur der Charlotte wider.

2.2 Eduard – ein heraustretender Wanderer?

Wie Schiller darstellt, ist der heraustretende Wanderer ein wichtiges symbolisches Merkmal der Landschaftsgestaltung.[5] Ein solcher Wanderer ist durchdrungen von dem freudigen Gefühl, das leblose Zimmer endlich hinter sich gelassen zu haben. Einen solchen Wanderer findet der Leser in der Gestalt des Eduard wieder.

Analysiert man diesbezüglich die erste Szene der Wahlverwandtschaften lassen sich entsprechende Belege finden. Zunächst ist hierfür natürlich die simple Tatsache anzumerken, dass sich Eduard zu Beginn des Romans inmitten eben jener Landschaft befindet, womöglich also ein bereits hinausgetretener Wanderer ist. Der Leser begegnet Eduard zum ersten Mal, während dieser gerade mit Pfropfarbeiten beschäftigt ist. Der Baron ist folglich in das ständige Werden der Natur involviert. Nachdem die Pfropfarbeiten beendet sind, betrachtet Eduard sein Werk mit Vergnügen. Hier ist die Parallele zu den Überlegungen Ritters erneut erkennbar. Landschaft entsteht durch die Art der Betrachtung als Spiegelbild der Natur im Inneren. Erst dieses emphatische Betrachten erlaubt die Zuwendung zur Natur als Landschaft. Nach der Beobachtung des eigenen Werkes spricht ein Gärtner über die benachbarte Landschaft. Es ist hier eine Art fremder Spiegel der Natur erkennbar. Der Blick Eduards wird geleitet, seine Betrachtungsweise geführt. Somit entsteht ein gelenktes Gefühl von Freiheit. Der Leser fühlt zusammen mit Eduard die idyllische Atmosphäre. Doch stellt sich die Frage, inwieweit dieses Gefühl ein tatsächliches und „ehrliches“ ist.

Nach den Ausführungen des Gärtners entfernt sich dieser und Eduard ist in die Lage versetzt die Landschaft selbst betrachten zu können. Durch seinen angetretenen Weg zur Mooshütte entsteht das erste Mal tatsächlich das Bild des oben beschriebenen Wanderers. Eduards Streifzug ist ein Hinabsteigen von den Terrassen. Er verlässt also einen Aussichtspunkt und passiert im Laufe seiner Wanderung verschiedene andere Landschaftselemente. Seitlich lässt er Gewächshäuser und Treibbeete liegen, die

[...]


[1] Kim, Yeon – Hong: Goethes Naturbegriff und die Wahlverwandtschaften“

[2] Vgl. Goethe: Die Metamorphosen der Pflanzen

[3] Vgl. Goethe über die Urphänomene

[4] Vgl. Joachim Ritter: „Landschaft – Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft“

[5] Vgl. Schiller: „Der Spaziergang

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Landschaft in Goethes "Wahlverwandtschaften"
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Germanistische Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Goethe, Die Wahlverwandtschaften
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V208862
ISBN (eBook)
9783656363675
ISBN (Buch)
9783656364207
Dateigröße
494 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
landschaft, goethes, wahlverwandtschaften
Arbeit zitieren
Carolin Töpfer (Autor:in), 2008, Die Landschaft in Goethes "Wahlverwandtschaften", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208862

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