Die „Beschäftigung mit dem Arbeitskampfrecht lässt gelegentlich an den Versuch denken, sich in einem Urwald zurechtzufinden.“ Schwerpunkt dieser Arbeit ist zwar nicht das Arbeitskampfrecht, dennoch trifft diese Metapher des ehemaligen Bundesarbeitsgerichtspräsidenten Wißmann zu. Denn kaum ein anderes Thema im Arbeitsrecht ist so umstritten und vielseitig diskutiert wie das des Erfordernisses der sozialen Mächtigkeit für den Gewerkschaftsbegriff. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Gesetzgeber mit einer Entscheidung im Sinne der marginal überwiegenden Literaturauffassung auf sich warten lässt. Brisanz erlangt die seit einem halbem Jahrhundert bestehende Thematik durch die sich im Umbruch befindende Gewerkschaftslandschaft. Bedingt wird dies einerseits durch die Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit bei Tarifpluralität im Jahre 2010. Demnach können in einem Betrieb für ein und dieselbe Regelungsmaterie auf verschiedene Arbeitsverhältnisse verschiedene Tarifverträge Anwendung finden. Die damit verbundene Stärkung kleinerer Spartengewerkschaften begünstigt die Bildung neuer derselben. Die Mitglieder dieser Spartengewerkschaften sehen ihre Interessen in einer für sie zugeschnittenen Vereinigung besser vertreten. Andererseits geht der Trend weg von den „großen“ Gewerkschaften hin zu den „kleinen“. Schließlich tragen die zunehmende Bedeutung von Firmentarifverträgen auch mit kleineren Gewerkschaften und die sinkenden Mitgliederzahlen in Gewerkschaften der Aktualität Rechnung. Ungeachtet der näheren Klärung des Begriffs der sozialen Mächtigkeit ergibt sich schon aus dem Wortlaut, dass diesem Erfordernis für große Gewerkschaften keinerlei Bedeutung und damit praktische Auswirkungen zukam. So mutiert der anfangs noch eher rechtstheoretisch geführte Meinungsstreit zu einem für die Arbeitswelt relevanten Konflikt. Ziel dieser Arbeit ist es, den seit langem vor allem im Bereich des Tarifrechts geführten, und durch die Rechtsprechung vom einheitlichen Gewerkschaftsbegriff auf weitere Bereiche erstreckten Streit im Sinne des Art. 9 III GG aufzulösen. Dabei wird vor allem auch danach gefragt, inwiefern eine soziale Mächtigkeit überhaupt erforderlich ist und was darunter zu verstehen ist. Schließlich werden im Schrifttum vorzufindende, auf den Bereich des Tarifrechts fokussierende alternative Lösungsansätze zur sozialen Mächtigkeit unter dem Gesichtspunkt der Effektivität und Zweckmäßigkeit überprüft.
INHALTSVERZEICHNIS
Literaturverzeichnis
A. Eine Gewerkschaftslandschaft im Umbruch
B. Die soziale Mächtigkeit als Voraussetzung für den Koalitionsbegriff
I. Der uneinheitliche Koalitionsbegriff
II. Begriff der sozialen Mächtigkeit
1. Herleitung der Mächtigkeit
2. eHerhDEFErklärung der Mächtigkeit
3. Kriterien für die Mächtigkeit
a) Durchsetzungsfähigkeit und Annahmen gegen diese
b) Organisatorische Leistungsfähigkeit
c) Kritik an der bis dato bestehenden Rechtspraxis
aa) Gewichtung der Kriterien
bb) Bewertung der Kritik nach der Kriteriengewichtung
cc) Mögliches Aufkeimen alter Kritik
4. Funktionen der Mächtigkeit
III. Der einheitliche Gewerkschaftsbegriff
1. Auslegung des Wortlauts
2. Historische Auslegung
IV. Lehre vom relativen/funktionalen Gewerkschaftsbegriff
1. Die soziale Mächtigkeit im Prozessrecht
2. Die soziale Mächtigkeit im Betriebsverfassungsrecht
3. Die soziale Mächtigkeit im Personalvertretungsrecht
4. Die soziale Mächtigkeit im Mitbestimmungsrecht
5. Zwischenergebnis
V. Verfassungsrechtliche Kritik an der sozialen Mächtigkeit
1. Schutzbereich von Art. 9 III GG
a) Persönlicher Schutzbereich
b) Sachlicher Schutzbereich
2. Abgrenzung von Eingriff und Ausgestaltung
3. Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit
a) Eingriff in die Koalitionsbildungsfreiheit
b) Eingriff in die Koalitionsbetätigungsfreiheit
4. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
a) Die Mächtigkeit im Tarifvertragsrecht
b) Die Mächtigkeit in anderen arbeitsrechtlichen Gesetzen
5. Verstoß gegen die individuelle Koalitionsfreiheit
6. Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz
7. Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz
a) Ungleichbehandlung gegenüber mächtigen Arbeitnehmerkoalitionen
b) Ungleichbehandlung gegenüber nichtmächtigem Gegenspieler
c) Ungleichbehandlung „junger“ gegenüber etablierter Koalitionen
8. Verstoß gegen den Koalitionspluralismus
9. Internationale Regelungen zur Koalitionsfreiheit
10. Zwischenergebnis
VI. Alternativkonzepte zur sozialen Mächtigkeit
1. Relative Tariffähigkeit
2. Das Prinzip des freien Spiels der Kräfte
a) Erweiterte Inhaltskontrolle
b) Nachträgliche Missbrauchskontrolle
3. Zwischenergebnis
C. Rechtsvergleichender Ausblick
Ehrenwörtliche Erklärung
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