Der Umgang mit AD(H)S in der Schule

Herausforderung und Chancen


Hausarbeit, 2012

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Was ist AD(H)S? – Begriffsklärung und Epidemiologie

3. Symptomatik und Diagnose von AD(H)S

4. Ursachen und Behandlung von AD(H)S

5. AD(H)S in der Schule
11.1 Hürden für die von AD(H)S betroffenen SchülerInnen in der Schule
11.2 Umgang mit AD(H)S in der Schule

6. (K)eine Schlussbetrachtung

7. Literaturnachweise Teil III

1. Einführung

"Ob der Philipp heute still wohl bei Tische sitzen will?“ heißt es in Heinrich Hoffmanns Geschichte vom Zappelphilipp. Der Frankfurter Nervenarzt beschreibt im 19. Jahrhundert in seinem Werk „Der Struwwelpeter“ unerwünschtes Verhalten von Kindern. So findet sich im Struwwelpeter neben dem Zappelphillipp auch den Hand Guck-in-die-Luft, der ständig träumend durch die Welt läuft.Was Hoffman hier beschreibt sind typische Symtome einer Störung, die heute als Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) oder Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bezeichnet wird.

AD(H)S[1] ist eines der häufigsten diagnostizierten kinder- und jugendpsychiatrischen Störbilder (vgl. Gebhardt et al. 2008: 15). Gleichzeitig ist die Auseinandersetzung und der Kenntnisstand des pädagogischen Personals an den Schulen und Bildungseinrichtungen erschreckend niedrig. So ist die Aufklärung über das Syndrom und den Umgang damit nur selten obligatorischer Teil der Lehrerausbildung (vgl. Farnkopf 2009: 10).

Die vorliegende Arbeit hat es sich daher zur Aufgabe gesetzt, der Frage nachzugehen, was AD(H)S ist und wie man damit vor allem im schulischen Kontext umgehen kann. Zur Beantwortung dieser Frage wird zum einen eine Begriffsklärung durchgeführt, bei der zusätzlich auf die Häufigkeit des Auftretens des Syndroms eingegangen wird. Anschließend wird im Sinne der Operationalisierung die Symptome, also die empirischen Referenten, des Konstrukts AD(H)S, näher betrachtet. Dies soll vor allem die Diagnosekompetenz des Rezipienten fördern. Bereits an dieser Stelle wird die Praxisnähe, welche die Arbeit bewusst sucht, deutlich. Bevor dem aber weiter nachgegangen wird nimmt die Arbeit noch einen kurzen Exkurs zu den Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von AD(H)S vor, um sich abschließend dem gewichtigsten Teil zuzuwenden: dem Umgang mit AD(H)S in der Schule. Dieses Kapitel verfolgt zwei Schwerpunkte. Zum einen untersucht es die Spezifischen Probleme von AD(H)S-SchülerInnen in der Schule und zum anderen beschäftigt es sich mit der Frage nach einem gerechten Umgang mit den Betroffenen im Unterricht und im schulischen Kontext.

Dabei fußt die Arbeit auf einem breiten Spektrum an Fachaussagen. Als wegweisend sind hier die Arbeiten von Birte Gebhardt et al. zu nennen (2008), die sich in einer Studie ausführlich mit dem Syndrom auseinandergesetzt haben. Als Grundlagen konnten auch die Ausführungen von Catarina Gawrilow (2009) und Kai G.Kahl (2007) herangezogen werden. Für den praktischen Teil der vorliegenden Arbeit haben vor allem die Texte von Rosemarie Farnkopf (2009) und Margarete Imhof et al. (2010) hohe Bedeutung.

Trotz der breiten Grundlage, die vor allem in den deskriptiven Teilen der Arbeit zum Tragen kommen, hat die vorliegende Arbeit den Anspruch, argumentativ selbstständig zu sein. Vor allem ihr appellierender praktischer Charakter versucht aus wissenschaftlichen Erkenntnissen handlungsorientierte Anregungen abzuleiten und dem Autor, wie auch dem Leser eine bessere Orientierung im pädagogischen Umgang mit AD(H)S-Schülern zu geben. Will man es noch weiter zuspitzen, ist das Ziel der Arbeit, die Perspektive der betroffen SchülerInnen für den Autor und Leser so zu rekonstruieren, dass dies Grundlage für einen fairen und angemessen Umgang im schulischen Kontext sein kann.

2. Was ist AD(H)S? – Begriffsklärung und Epidemiologie

Auf der Suche nach einer Definition finden sich in der Fachliteratur verschiedene Angebote, die AD(H)S näher beschreiben. Gemeinsam haben diese Definitionen, dass sie sich auf die Symptomatik der Störung beziehen, jedoch nicht auf ein Maß oder die Häufigkeit der Symptome festlegen. Daher kann der Übergang zwischen Kindern mit AD(H)S und Kindern ohne AD(H)S als fließend bzw. nicht eindeutig lokalisierbar bezeichnet werden.[2]

Zunächst jedoch zu den unstrittigen Merkmalen des Syndroms:

Als Kernmerkmale von ADHS werden 1. Verminderte Aufmerksamkeit 2. Hyperaktivität und 3. Impulsivität beschrieben (vgl. Gawrilow 2009: 7).

Problematisch wird es, wenn die Prävalenz[3] und Inzidenz[4] des Syndroms näher beschrieben werden sollen. Hintergrund dessen ist, dass verschiedene Diagnosekriterien der Klassifikationssysteme, wie beispielsweise ICD-10 oder DSM-IV TR[5], dazu führen, dass unterschiedliche Häufigkeiten angegeben werden (vgl. Gebhardt et al. 2008: 28; Kahl et al. 2007: 3).

Zusammenfassend kann jedoch festgehalten werden, dass weltweit alle epidemiologischen Untersuchungen AD(H)S bei 6 bis 10% aller Kinder diagnostizieren (vgl. Gawrilow 2009: 17), während bei Jungen offenbar viermal häufiger AD(H)D diagnostiziert wird als bei Mädchen (Kahl et al. 2007: 3). Die Prävalenz nimmt mit steigendem Alter zu, vor allem ist dies beim Übergang vom Vorschul- ins Grundschulalter zu beobachten (vgl. Gebhardt et al. 2008: 28)

Anknüpfend an die Häufigkeit des Syndroms, soll es nun darum gehen, was unter den Kernmerkmalen im Einzelnen zu verstehen ist, um anschließend zu diskutieren, inwiefern sich die Fachvorstellungen von der Intensität der Symptome für eine positive Diagnose von AD(H)S unterscheiden.

Wenn man von verminderter Aufmerksamkeit spricht, muss hier zunächst genauer dargelegt werden, was man unter Aufmerksamkeit versteht und was daran bei AD(H)S-Patienten vermindert ist.

„Die selektiven Funktionen des Menschen werden als Aufmerksamkeit zusammengefasst“ (Imhof 2010: 149)

Zusätzlich kann zwischen willkürlicher und unwillkürlicher Aufmerksamkeit unterschieden werden (vgl. Farnkopf 2009: 13). Unwillkürliche Aufmerksamkeit kann durch eine zufällige Wahrnehmung beschrieben werden. Beispielsweise schlägt sich diese im Neugierverhalten oder dem Spieltrieb von Kleinkindern nieder. Kleinkinder oder Säuglinge lassen sich leicht durch eine Rassel oder Schaukeln, also eine Veränderung der Umwelt, beruhigen – mit anderen Worten: hier wird die unwillkürliche Aufmerksamkeit genutzt, um die Aufmerksamkeit von einem anderen Gegenstand abzulenken. Unwillkürliche Aufmerksamkeit ist also von Interessen, Vorlieben oder Gefühlen geprägt.

Erst ab dem sechsten Lebensjahr lernen Kinder, ihre Aufmerksamkeit gezielt zu steuern und zu organisieren. Hiermit ist die willkürliche Aufmerksamkeit beschrieben, d.h. die Fähigkeit, sich bewusst auf etwas zu konzentrieren. Neurobiologisch gesehen werden dabei netzwerkartig verschiedene Teile des Gehirns aktiviert (vgl. ebd.). Beispielsweise werden Vorwissen und Erfahrungen aktiviert, um zielführende Handlungen zu ermöglichen. Während dieses Prozesses werden alle anderen Störreize ausgeblendet, um das Wesentliche zu fokussieren. Bei Personen mit AD(H)S ist diese Funktion gestört. Bei ihnen hat sich die willkürliche Aufmerksamkeit nicht vollends ausgebildet und sie sind oft nicht in der Lage zwischen wichtigen und unwichtigen Reizen zu selektieren (vgl. ebd.: 14). Folglich haben Kinder mit AD(H)S keine verminderte Aufmerksamkeit – im Gegenteil sie nehmen viel mehr wahr – sie haben nur eine verminderte Selektions- und Abstraktionsfähigkeit. Man spricht von einer verminderten Fähigkeit zur willkürlichen Aufmerksamkeit.[6]

Neben der Aufmerksamkeit wird die Hyperaktivität als Kernmerkmal für AD(H)S aufgeführt. Tatsächlich gibt es auch Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität. In einem solchen Fall spricht man vom reinen Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS), welchem sich diese Arbeit aber erst im anschließenden Kapitel genauer widmen wird. Wenden wir uns zunächst der Hyperaktivität zu:

„Unter Hyperaktivität versteht man erheblich vermehrte motorische Unruhe“ (Imhof et al. 2006: 11)

Ein Ansatz zur Erklärung dieses Verhaltens geht davon aus, dass die Kinder durch vermehrte motorische Unruhe ihre Aufmerksamkeit steigern wollen (vgl. ebd.)

Neben der verminderten willkürlichen Aufmerksamkeit und der Hyperaktivität, ist bei Menschen mit AD(H)S ebenfalls impulsives Verhalten zu beobachten:

„Impulsivität ist spontanes plötzliches Ausführen von Handlungen, ohne zu überlegen und/oder die Folgen zu bedenken“ (vgl. DMDI 2012)

Kommen alle drei Merkmale zusammen, spricht man von AD(H)S. Anhand welcher Symptome diese Kernmerkmale diagnostiziert werden können, soll im folgenden Kapitel betrachtet werden.

3. Symptomatik und Diagnose von AD(H)S

An dieser Stelle sollen Symptome und Diagnose von AD(H)S ausführlich beschrieben werden. Dies erscheint sinnvoll, denn bevor Lehrer oder außerschulische Bildner sich einen angemessenen Umgang mit AD(H)S aneignen können, müssen Sie dieses erkennen, ergo dessen Symptome verstehen lernen. Außerdem soll der Leser an dieser Stelle für die Hintergründe der differenten Prävalenzangaben sensibilisiert werden.

Eine Diagnose von AD(H)S im Kindes- und Jugendalter nimmt in der Regel ein
(Schul-)Psychologe bzw. eine (Schul-)Psychologin oder ein Kinderarzt bzw. eine Kinderärztin vor. Lehrern und Eltern kommt dabei eine unterstützende Rolle zu, indem sie beobachten, jedoch selbst nicht diagnostizieren (vgl. Imhof 2010: 113)

Es existieren verschiedene Diagnoseverfahren für AD(H)S, welche verschiedene Symptome bzw. diagnostische Kriterien angeben. Die beiden gängigsten Verfahren sind das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders[7] (DSM) der American Psychiatric Association (vgl. DSM IV TR 2000) und die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems[8] (vgl. ICD-10 2001) der World Health Organization (WHO). Im Folgenden werden beide Diagnosekriterien inklusiv aufgeführt[9]:

[...]


[1] Diese Abkürzung schließt ADS sowie ADHS ein.

[2] ist die Lehre von der Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen sowie von deren Ursachen und Risikofaktoren in Bevölkerungsgruppen (vgl. Roche Medizin Lexikon 2012) .

[3] ist eine epidemiologische Maßzahl, welche die Häufigkeit der Erkrankungen angibt (vgl. Roche Medizin Lexikon 2012).

[4] ist eine epidemiologische Maßzahl, welche die Anzahl der Neuerkrankungen angibt (vgl. Roche Medizin Lexikon 2012).

[5] Im Kapitel Symptomatik und Diagnose von AD(H)S werden diese Klassifikationssysteme näher beschrieben und deren Kriterien diskutiert.

[6] Im Kapitel zu den Ursachendiskussion soll dieser Zusammenhang genauer betrachtet werden.

[7] engl. für Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen. Die derzeitig aktuelle 4. Auflage ist als Textrevision im Jahr 2000 und in deutsch ist 2003 erschienen (vgl. DSM IV TR 2000).

[8] Engl. für Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. Die aktuelle Auflage erschien 2012 (vgl. DMDI 2012)

[9] Differente Formulierungen der gleichen Sachlage wurden zu Gunsten der Darstellung vereinheitlicht.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der Umgang mit AD(H)S in der Schule
Untertitel
Herausforderung und Chancen
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Fragen der Integration von Schülerinnen und Schülern in den Unterricht im Kontext heterogener Lernausgangslagen
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
19
Katalognummer
V209195
ISBN (eBook)
9783656367925
ISBN (Buch)
9783656368274
Dateigröße
611 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
umgang, schule, herausforderung, chancen
Arbeit zitieren
David Jugel (Autor:in), 2012, Der Umgang mit AD(H)S in der Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209195

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