Divisio regnorum und Ordinatio imperii. Reichsteilung und Einheitsgedanke in den Nachfolgeordnungen Karls des Großen und Ludwigs des Frommen


Term Paper (Advanced seminar), 2012

20 Pages, Grade: 2,7


Excerpt


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Quellen und Forschungsstand

2. Die Divisio regnorum Karls des Großen von 806
2.1 Der Aufbau der Divisio regnorum
2.2 Der Inhalt der Divisio regnorum

3. Die Ordinatio imperii Ludwigs des Frommen von 817
3.1 Der Aufbau der Ordinatio imperii
3.2 Der Inhalt der Ordinatio imperii
3.3 Die Geburt Karls des Kahlen und die Krise des Karolingerreiches

4. Die Nachfolgeordnungen Karl des Grossen und Ludwig des Frommen im Vergleich
4.1 Unterschiede zwischen Divisio regnorum und Ordinatio imperii
4.2 Gemeinsamkeiten von Divisio regnorum und Ordinatio imperii

5. Schluss und Fazit

6. Quellen und Literatur

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit den Nachfolgeregelungen Karls des Großen und seines Sohnes Ludwigs des Frommen, d.h. der Divisio regnorum aus dem Jahr 806 und der Ordinatio imperii von 817, sowie den mit dem Erlass der Ordinatio imperii im Zusammenhang stehenden Ereignissen. Auch die sogenannte Regni divisio Ludwigs des Frommen aus dem Jahr 831 wird in diesem Zusammenhang Erwähnung finden.

Neben einer Vorstellung der Quellen soll herausgearbeitet werden, welche Ziele die beiden Herrscher mit ihren jeweiligen Nachfolgeordnungen verfolgten. Es soll insbesondere die Frage diskutiert werden, wie wichtig dem jeweiligen Herrscher die Einheit des Reiches war oder ob der Einheitsgedanke eventuell hinter die germanische Teilungstradition zurücktrat. Besonderer Fokus soll hier auf die Ordinatio imperii gelegt werden und somit auf die Frage, ob die Nachfolgeregelung Ludwigs des Frommen und die damit verbundenen Ereignisse den Zerfall und somit letztlich den Untergang des karolingischen Großreiches einleiteten. Dazu sollen die Ereignisse um das Jahr 830, also die „loyale Palastrebellion“ der sogennanten „Reichseinheitspartei“, und die Gründe für diesen Aufstand näher betrachtet werden. Desweiteren soll ein Vergleich der beiden Nachfolgeordnungen erfolgen, und so mögliche Ähnlichkeiten und Unterschiede herausgestellt werden.

1.1 Quellen und Forschungsstand

Als Hauptquellen für diese Arbeit dienen die Divisio regnorum und die Ordinatio imperii selbst, welche mir in deutscher Übersetzung vorliegen[1].

In der Forschung sind Divisio regnorum und Ordinatio imperii schon länger ein Thema, wodurch umfangreiche Literatur zum Thema vorhanden ist. Was den Vergleich der beiden Ordnungen angeht, so kann man hier hauptsächlich zwei Positionen erkennen: Einerseits die Position Peter Classens[2], welcher die Thesen Heinrich Mitteis aufgegriffen hat und so die Ordinatio imperii als eine Art Neuauflage der Divisio regnorum sieht. Auf der anderen Seite, also der Seite derer, die in der Ordinatio imperii etwas Neues sehen, das nur bedingt durch die Divisio regnorum beeinflusst wurde, stehen unter anderem Dieter Hägermann[3] und Walter Schlesinger[4]. Mir liegen weiterhin Texte von Theodor Schieffer[5], Egon Boshof[6], Thomas Bauer[7], Steffen Patzold[8] und Walter Mohr[9] vor, deren Positionen und Ausführungen in diese Arbeit einfliessen werden.

2. Die Divisio regnorum Karls des Großen von 806

Beratung und Erlass der Divisio regnorum erfolgten im Jahr 806, höchstwahrscheinlich auf einem Reichstag in Diedenhofen. Wie man bereits am Namen dieses Dokuments ablesen kann, handelt es sich bei der Divisio regnorum um ein Gesetz, bzw. ein Reihe von Gesetzen, zur Teilung des Reiches. Mit der geplanten Aufteilung des Reiches auf seine drei Söhne folgte Karl der Große scheinbar einer alten germanischen Sitte, jedoch auf Kosten des christlichen Reichsgedankens, der mit seiner Kaiserkrönung im Jahr 800 Verwirklichung gefunden hatte[10]. Inwiefern Karls geplante Reichsteilung jedoch wirklich altem germanischem Recht und germanischer Tradition eintsprach ist fraglich und wurde in der Forschung ausgiebig diskutiert. Ich werde im späteren Verlauf dieser Arbeit auf diese Frage zurückkommen.

2.1 Der Aufbau der Divisio regnorum

Der Erlass der Divisio regnorum erfolgte in Form eines Kapitulars, welches von den Großen des Reiches per Eid bekräftig werden musste und danach dem Papst zur Einsicht übersandt wurde. Der Papst erkannte das Dokument durch Unterschrift an[11]. Der Text selbst ist in zwei Abschnitte unterteilt, die als testamentum und constitutiones pacis bezeichnet werden können[12]. Hier stellt sich die Frage, ob beide Teile zur gleichen Zeit entstanden oder erst nachträglich zu einem Dokument zusammengefügt wurden. Walter Schlesinger stellt diesbezüglich die Theorie auf, dass es sich um zwei ehemals selbstständige Texte handelte, die dann zu einem zusammengefügt wurden[13]. Beide Abschnitte sind, folgend auf das relativ lange Pröemium, in Paragraphen von 1 bis 20 unterteilt. Bei den Paragraphen ist keine Trennung der beiden Abschnitte erkennbar. Der erste Abschnitt, welcher die eigentlichen Teilungsbestimmungen enthält, endet bei Parapgraph 5, ab Paragraph 6 finden sich die sogenannten constitutiones pacis, also Regeln zur Wahrung des Friedens.

2.2 Der Inhalt der Divisio regnorum

Wie im vorigen Kapitel erwähnt, ist die Divisio regnorum in zwei Abschnitte unterteilt, welche sich vom Inhalt her unterscheiden. Die Bezeichnungen testamentum und constitutiones pacis lassen erahnen, worum es sich bei den jeweiligen Inhalten handelt. Nach dem Proömium bzw. der Einleitung, in welcher die Intentionen des vorliegenden Dokuments zusammengefasst werden und in dem die Söhne Karls bereits zu seinen Lebzeiten zu Mitbesitzern des Reiches erklärt werden[14], folgt das fünf Paragraphen umfassende testamentum. Wie die Bezeichnung erahnen lasst, sind die nun folgenden Bestimmungen erst für die Zeit nach Karls Tod gedacht, und werden nicht zu seinen Lebzeiten gültig. In den Paragraphen 1 bis 3 wird festgelegt, wie das Reich unter Karls drei Söhne, Karl den Jüngeren, Ludwig und Pippin aufgeteilt werden soll, während Paragraph 4 und 5 sich mit dem möglichen Tod eines der Brüder und der darauf folgenden Aufteilung des jeweiligen Reichsteils, sowie mit der möglichen Vererbung an Nachkommen befasst. Die Teile des Reiches, die jedem von Karls Söhnen laut der Divisio regnorum zustehen, sind von der Größe her relativ ähnlich, so dass in dieser Hinsicht scheinbar keiner der drei Brüder benachteiligt worden wäre. In der Forschung haben jedoch einige Historiker dem Fakt, dass Karl der Jüngere das fränkische Kernreich erhalten sollte, besondere Bedeutung zugemessen. So stellte Peter Classen fest, dass die Gleichstellung der drei Söhne Karls zwar in der Divisio regnorum immer wieder hervorgehoben wird, jedoch verfügt die Divisio regnorum nicht über die Teilung des eigentlichen Frankenreiches, des regnum, sondern des Gesamtreiches inklusive eroberter Gebiete, des imperiums. Karl der Jüngere erhält also laut den Plänen seines Vaters all das, was einst das komplette Frankenreich war, und sich nun als Kernland in der Mitte des karolingischen Großreiches befindet. Diese „ungeteilte Vererbung des eigentlichen Frankenreiches an den ältesten Sohn stand auch dann im Widerspruch zum überlieferten Erbrecht, wenn die jüngeren Söhne materiell nicht weniger wertvolle Gebiete erhielten“[15]. Es mag also sein, dass allen drei Söhnen gleich große Gebiete zugedacht waren und keiner von ohnen materiell benachteiligt worden wäre, jedoch haftet dem fränkischen Kernreich, dem „Zentrum der Macht“ zur Regierungszeit Karls des Großen, ein besonderer Charakter an.

Ein unbedingt zu erwähnender Punkt ist auch, dass in der Divisio regnorum nicht offiziell über den Kaisertitel verfügt wird. Dieter Hägermann versucht dies mit dem 806 noch ungeklärten Verhältnis zu Byzanz zu erklären, wo ja ein weiterer Herrscher über Kaiserwürde und „nomen imperatoris“ verfügte[16]. Dazu, dass Karl die Frage der Kaiserwürde erst einmal ungeklärt ließ passt wohl auch, dass er seine Söhne mit der Divisio regnorum nicht zu Mitherrschern oder gar einen von ihnen zum Mitkaiser erhob[17].Walter Schlesinger hat dagegen versucht zu zeigen, dass Karl die Kaiserwürde in seiner Nachfolgeordnung sehr wohl beachtete. So sieht er insbesondere in der Verwendung eines nicht üblichen und somit wohl für diesen Zweck erfundenen Kaisertitels in der Divisio regnorumimperator ac rex – ein Zeichen dafür, dass Karl die Kaiserwürde beim Verfassen seiner Nachfolgeordnung nicht ignorierte, sondern sich im Vorfeld intesiv mit gerade diesem Thema auseinandergesetzt hat[18].

Während das Proömium sowie die ersten fünf Paragraphen, also das testamentum, wohl der wichtigere Teil der Divisio regnorum sind, wurde auch den folgenden fünfzehn Paragraphen, den sogenannten constitutiones, in der Forschung durchaus Beachtung geschenkt. Es handelt sich bei diesen Paragraphen um Gesetze oder Regeln, die zur Wahrung des Friedens zwischen Karls drei Söhnen beachtet werden sollen. So weist Walter Mohr darauf hin, dass die Paragraphen 17 bis 19 auffällig sind und sich seiner Meinung nach „nicht organisch in die Divisio regnorum einfügen“[19]. Er folgert daraus, dass die Divisio regnorum in der uns heute bekannten Form nicht 806 entstanden ist, sondern, dass sie später „ergänzt“ wurde[20]. Mohr kommt hier besonders Kapitel 18 auffällig vor:

„Es ist unser Wille, daß unsere Enkel, also die Söhne unserer schon genannten Söhne, die bereits geboren sind, und diejenigen, die vielleicht nocht geboren wurden, von keinem von ohnen und bei keinerlei Gelegenheit getötet oder verstümmelt oder geblendet oder gegen ihren Willen geschoren werden ohne gerechte Verhandlung und Untersuchung, wenn einer von ihnen verklagt ist, sondern wir wollen, daß sie von ihren Vätern und Oheimen geachtet werden, und sie selbst sollen diesen in aller Ergebenheit gehorchen, wie es sich für den gehört, der zu einer solchen Sippe zählt.“[21]

[...]


[1] Wolfgang Lautemann (Übers.), Divisio regnorum. In:Wolfgang Lautemann, Manfred Schlenke (Hrsg.), Geschichte in Quellen II, Mittelalter, München 1970, S.103-106 (hiernach zitiert als Lautemann, Divisio regnorum) sowie Wolfgang Lautemann (Übers.), Das Reichsteilungsgesetz Ludwigs des Frommen. In: Wolfgang Lautemann, Manfred Schlenke (Hrsg.), Geschichte in Quellen II, Mittelalter, München 1970, S.107-110 (hiernach zitiert als Lautemann, Ordinatio imperii).

[2] Vgl. hierzu z.B. Peter Classen, Karl der Große und die Thronfolge im Frankenreich. In: Josef Fleckenstein (Hrsg.), Ausgewählte Aufsätze von Peter Classen,

Vorträge und Forschungen, Bd. 28, Sigmaringen 1983, S. 206-229 (hiernach zitiert als Classen, Karl der Große).

[3] Dieter Hägermann, Reichseinheit und Reichsteilung, Bemerkungen zur Divisio regnorum von 806 und zur Ordinatio imperii von 817. In: Historisches Jahrbuch 95 (1975) S. 278–307 (hiernach zitiert als: Hägermann, Reicheinheit und Reichsteilung).

[4] Walter Schlesinger, Kaisertum und Reichsteilung. In: Gunter Wolf (Hrsg.), Zum Kaisertum Karls des Großen, Beiträge und Aufsätze, Darmstadt 1972, S. 116-173 (hiernach zitiert als: Schlesinger: Kaisertum und Reichsteilung).

[5] Theodor Schieffer, Die Krise des Karolingischen Imperiums. In: Josef Engel, Hans Martin Klinkenberg (Hrsg.), Aus Mittelalter und Neuzeit, Bonn 1957, S. 1-15 (hiernach zitiert als: Schieffer, Krise des karolingischen Imperiums).

[6] Egon Boshof, Einheitsidee und Teilungsprinzip in der Regierungszeit Ludwigs des Frommen. In: Peter Goodman, Roger Collins (Hrsg.), Charlemagne’s Heir, New Perspectives on the Reign of Louis the Pious 814-840, Oxford 1990, S.161-189. (Hiernach zitiert als Boshof, Einheitsidee und Teilungsprinzip).

[7] Thomas Bauer, Die Ordinatio imperii von 817, der Vertrag von Verdun 843 und die Herausbildung Lotharingiens. In: Rheinische Vierteljahresblätter 58 (1994), S. 1-24 (hiernach zitiert als Bauer, Die Ordinatio imperii von 817).

[8] Steffen Patzold, Eine „loyale Palastrebellion“ der „Reichseinheitspartei“? Zur „Divisio imperii“ von 817 und zu den Ursachen des Aufstandes gegen Ludwig den Frommen im Jahre 830. In: Frühmittelalterliche Studien 40 (2006), S. 43-77 (hiernach zitiert als Patzold, Zur „Divisio imperii“ von 817).

[9] Walter Mohr, Gedanken zur Divisio regnorum des Jahres 806. In: Archivum Latinitatis Medii Aevi 24 (1954) S. 131-157 (hiernach zitiert als Mohr, Gedanken zur Divisio regnorum).

[10] Vgl. hierzu Mohr, Gedanken zur Divisio regnorum, S. 131.

[11] Classen, Karl der Große, S.271.

[12] Vgl. hierzu Friedrich Kurze (Hrsg.), Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 6: Annales regni Francorum inde ab a. 741 usque ad a. 829, qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi, Hannover 1895, S.121:

„De hac partitione ettestamentum factum et iureiurando ab optimatibus Francorum confirmatum, et constitutiones pacis conservandae causa factae, atque haec omnia litteris mandata sunt et Leoni papae, ut his sua manu subscriberet, per Einhardum missa. Quibus pontifex lectis et adsensum praebuit et propria manu subscripsit.”

[13] Schlesinger, Kaisertum und Reichsteilung,S. 124f.

[14] Lautemann, Divisio regnorum, S. 103.

[15] Classen, Karl der Große, S.221f.

[16] Hägermann, Reicheinheit und Reichsteilung, S. 285.

[17] Hägermann, Reicheinheit und Reichsteilung, S. 286.

[18] Schlesinger, Kaisertum und Reichsteilung,S. 135f.

[19] Mohr, Gedanken zur Divisio regnorum, S.136.

[20] Mohr, Gedanken zur Divisio regnorum, S.136.

[21] Lautemann, Divisio regnorum, S.106.

Excerpt out of 20 pages

Details

Title
Divisio regnorum und Ordinatio imperii. Reichsteilung und Einheitsgedanke in den Nachfolgeordnungen Karls des Großen und Ludwigs des Frommen
College
RWTH Aachen University  (Historisches Institut der RWTH Aachen)
Course
Hauptseminar "Der Zerfall des karolingischen Großreichs"
Grade
2,7
Author
Year
2012
Pages
20
Catalog Number
V209470
ISBN (eBook)
9783656372653
ISBN (Book)
9783656372820
File size
512 KB
Language
German
Keywords
Karl der Große, divisio regnorum, ordinatio imperii, karolinger, karolingisches reich, ludwig der fromme, regni divisio
Quote paper
Gabriele Grenkowski (Author), 2012, Divisio regnorum und Ordinatio imperii. Reichsteilung und Einheitsgedanke in den Nachfolgeordnungen Karls des Großen und Ludwigs des Frommen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209470

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