Extrait
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die „cleavage“-Theorie nach Lipset und Rokkan
2.1 Definition
2.2 Die vier historischen Konfliktlinien
2.3 Kritik
2.4 „Neue“ Konfliktlinien?
3. Konfliktlinien im deutschen Parteiensystem
3.1 Geschichte
3.2 Die Parteiprogramme
3.3 Die Wählerschaft
4. Zusammenfassung / Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Europäische Parteien und Parteiensysteme entstanden aufgrund tief greifender Konflikte („cleavages“) innerhalb europäischer Gesellschaften im 19.Jahrhundert. Dies ist die Hauptaussage der „cleavage“-Theorie, welche die Politikwissenschaftler Seymour Martin Lipset und Stein Rokkan im Jahr 1967 in ihrem Aufsatz „Cleavage Structures, Party Systems, and Voter Alignment“ aufstellten. Mit diesem makrosoziologischen Ansatz bot die Politikwissenschaft für lange Zeit ein erfolgreiches Erklärungsmodell für die Entstehung von Parteien und Parteiensystemen in westeuropäischen Staaten. Heute jedoch wird die Gültigkeit dieser Theorie und deren Anwendbarkeit auf Parteiensysteme mehr als kritisch hinterfragt. Durch die Auflösung traditioneller Milieus und einer abnehmenden Parteibindung der Wähler verliert die „cleavage“-Theorie an Erklärungskraft. So kann sie beispielsweise weder das Auftreten von Parteien, die jenseits von diesen historischen „cleavages“ agieren, noch die hohe Bedeutung der Wechsel-, Protest- und Nichtwähler, erklären.
Dennoch gibt es einige Anhaltspunkte dafür, dass sich die etablierten Parteien noch heute auf historische Konfliktlinien berufen, was sich in ihren Parteiprogrammen und in der Sozialstruktur ihrer Wählerschaft manifestiert.
Es stellt sich also die Frage in wie weit dieser makrosoziologische Ansatz einen ausreichenden Erklärungsansatz für das heutige Parteiensystem in der Bundesrepublik Deutschland darstellt, in wie weit historische „cleavages“ ganz verschwunden sind oder möglicherweise sogar eine Renaissance erfahren. Dies ist die Aufgabe der folgenden Arbeit.
Zunächst werden daher die „cleavage“-Theorie und ihre grundlegenden Argumente dargestellt. Daraufhin wird die Kritik an diesem makrosoziologischen Ansatz aufgezeigt und die mögliche Entstehung neuer Konfliktlinien diskutiert.
Im Hauptteil der Arbeit werden die Parteiprogramme der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien sowie deren Wählerschaft hinsichtlich der Fragestellung analysiert.
In einem abschließenden Fazit werden die Ergebnisse zusammengefasst und alternative, makrosoziologische Erklärungsversuche zur Analyse des heutigen Parteiensystems diskutiert.
2. Die „cleavage“-Theorie nach Lipset und Rokkan
Wie bereits erwähnt sehen Lipset und Rokkan die Entstehung nationaler Parteiensysteme in Westeuropa als Folge von tiefgreifenden gesellschaftlichen Konflikten, die sich Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelt haben. Die Existenz dieser „cleavages“ schuf dementsprechend „eine dauerhafte Bindung zwischen bestimmten Bevölkerungsgruppen und den entsprechenden Parteien“ (Schwander 2008: 1), weswegen diese - so die These - westeuropäische Parteiensysteme noch bis heute prägen.
2.1 Definition
Nach Bartolini und Mair weisen „cleavages“ drei Eigenschaften auf: Erstens muss ein „cleavage“ „eine soziale Spaltung beinhalten, welche eine Bevölkerungsgruppe aufgrund eines sozialen Merkmales definiert und von einer anderen Bevölkerungsgruppe abtrennt“ (Schwander 2008: 2). Außerdem muss ein „cleavage“ ein kollektives Bewusstsein in der Bevölkerung hervorrufen, d.h. die jeweilige Bevölkerungsgruppe muss sich als Träger dieses gesellschaftlichen Konflikts betrachten. Schließlich muss ein „cleavage“ institutionalisiert sein, also nicht nur von gesellschaftlichen Gruppen, sondern von formalen Organisationen repräsentiert werden (Vgl. Schwander 2008: 2f.).
Ein klassisches Beispiel dafür ist der Konflikt zwischen Arbeit und Kapital, der sich insbesondere im Auftreten der Arbeiterklasse manifestiert hat. Diese grenzt sich von anderen gesellschaftlichen Gruppen (wie den Unternehmern) ab, ihre Anhänger sehen sich selbst als „Arbeiter“ und repräsentieren den gesellschaftlichen Konflikt zwischen Arbeit und Kapital. Schließlich ist dieses „cleavage“ auch in institutionalisierter Form in der Gesellschaft verankert: Gewerkschaften (und Arbeitgeberverbände auf der anderen Seite) sind klassische Vertreter dieses gesellschaftlichen Konflikts.
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- Citation du texte
- Martin Schröter (Auteur), 2009, Die Erklärungskraft der "cleavage"-Theorie für das heutige Parteiensystem Deutschlands, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209603
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