Management von Industriegütermarken - Analyse, Relevanz und Gestaltungsempfehlungen für deutsche Maschinenbauunternehmen


Diplomarbeit, 2009

156 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Relevanz des Themas
1.2 Zielsetzung und Abgrenzung der Arbeit
1.3 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Markenmanagement im Industriegüterbereich
2.1.1 Industriegütergütermarketing
2.1.2 Definition und Funktionen der Industriegütermarke
2.1.3 Markenrelevanz
2.2 Charakterisierung der Maschinenbauindustrie
2.2.1 Beschreibung der Branchenspezifika
2.2.2 Aktuelle Situation der deutschen Maschinenbaubranche

3 Entwicklung eines theoretischen und empirischen Modells zur Analyse der Markenrelevanz in der Maschinenbaubranche
3.1 State-of-the-Art der Markenthematik im Industriegüterbereich
3.1.1 Ausgewählte Forschungsbeiträge zur Relevanz der Marke
3.1.2 Kritische Beurteilung der vorliegenden Ansätze
3.2 Entwicklung eines konzeptionellen Bezugsrahmens
3.3 Ausgestaltung des Bezugsrahmens
3.3.1 Integration der Markenpolitik im deutschen Maschinenbau
3.3.2 Kontextfaktoren der Markenrelevanz sowie Hypothesenbildung
3.4 Empirisches Untersuchungsmodell

4 Empirische Untersuchung
4.1 Aufbau, Operationalisierung und Methodik
4.1.1 Problemstellung und Vorgehensweise der empirischen Analyse
4.1.2 Erhebungsumfang und Auswahlverfahren
4.1.3 Stichprobenbeschreibung
4.1.4 Ausgestaltung des Fragebogens
4.1.5 Methoden der quantitativen Analyse
4.2 Auswertung und Interpretation der Untersuchungsergebnisse
4.2.1 Resultate der exploratorischen Faktorenanalyse
4.2.2 Resultate der multiplen Regression
4.3 Zusammenfassende Beurteilung zentraler empirischer Ergebnisse

5 Ausgewählte Analyse- und Gestaltungsperspektiven eines strategischen Industriegütermarkenmanagements
5.1 Status quo der Markenpolitik von Maschinenbauunternehmen
5.2 Strategische Optionen

6 Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Aufbau der Arbeit

Abb. 2: Rollenausprägungen im Buying Center

Abb. 3: Markenrelevanzverständnis (illustrativ)

Abb. 4: Marktsegmente im Maschinenbau

Abb. 5: Konzeptioneller Bezugsrahmen

Abb. 6: Empirisches Untersuchungsmodell

Abb. 7: Phasen des Forschungsprozesses

Abb. 8: Ausgangsmodell der Regression

Abb. 9: Einschätzung der aktuellen Markenrelevanz im Maschinenbausektor

Abb. 10: Markenpolitische Aktivitäten von Maschinenbauunternehmen

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Funktionen der Marke aus der Anbieter- und Nachfragerperspektive

Tab. 2: Die größten Industriezweige der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2008

Tab. 3: Ausgewählte Forschungsbeiträge zur Relevanz der Industriegütermarke

Tab. 4: Zusammensetzung der Stichprobe

Tab. 5: Messung des Konstrukts “Markenrelevanz aus Anbietersicht”

Tab. 6: Messung des Konstrukts “Markenrelevanz aus Nachfragersicht”

Tab. 7: Messung des Faktors “Komplexität des Produkts“

Tab. 8: Messung des Faktors “Wert des Produkts“

Tab. 9: Messung des Faktors “Öffentliche Wahrnehmung der Marke“

Tab. 10: Messung des Faktors “Beschaffungskomplexität“

Tab. 11: Messung des Faktors “Heterogenität des Buying Centers“

Tab. 12: Messung des Faktors “Wettbewerbsintensität“

Tab. 13: Messung des Faktors “Technische Produkthomogenität“

Tab. 14: Messung des Faktors “Technologische Dynamik“

Tab. 15: Ergebnisse der Regressionsschätzung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Relevanz des Themas

Jahrzehntelang trugen deutsche Industriegüterhersteller durch die technologische Überlegenheit ihrer Produkte auf dem Weltmarkt zum wirtschaftlichen Wohlstand der Bundesrepublik entscheidend bei. Dies ist vielfach auch heute noch der Fall. Allerdings vermögen die Erfolgsfaktoren vergangener Jahre den Unternehmenserfolg von morgen nicht mehr ohne Einschränkung zu garantieren (vgl. hier und im Folgenden Fritz 1994, S. 49).

Der deutsche Industriegütersektor steht gegenwärtig vor neuen Herausforderungen, die das Markthandeln erheblich erschweren. Diese sind vor allem in der informationstechnischen Revolution und einer zunehmenden Globalisierung der Geschäftsaktivitäten zu sehen (vgl. Weiber et al. 1998, S. 202). So wird der Wettbewerb infolge der Liberalisierungstendenzen des Welthandels und der Industrialisierung von ehemaligen Entwicklungsländern (z.B. die Länder Süd-Ost Asiens) immer intensiver (vgl. Kohlert 2003, S. 1; Kemper 2000, S. 120; Schmidt 2001, S. 57). Dies führt zu einem Anstieg der weltweiten Produktivität, die ein umfangreicheres Angebot an industriellen Leistungen wie bspw. technischen Bauteilen, Maschinen bis zu Großanlagen zur Folge hat.

Diese Entwicklungen zwingen die Industriegüteranbieter immer mehr dazu, die Leistungsdimensionen und Qualitätsstandards den Kundenerfordernissen und dem üblichen Marktniveau anzupassen (vgl. Kalla 1993, S. 162). Die Konsequenzen sind: Informationsüberflutung der Kunden, Unübersichtlichkeit der Märkte, steigender Preisdruck sowie eine zunehmende Homogenisierung von Produkten und Leistungen (vgl. Backhaus et al. 2002, S. 12; Belz/Kopp 1994, S. 1581). Die Folgen betreffen jedoch nicht nur die Hersteller, sondern verändern auch den industriellen Kaufprozess und erhöhen die Anforderungen an die Einkäufer, die immer komplexere Informationen verarbeiten müssen und somit eine höhere Unsicherheit empfinden (vgl. Homburg/Krohmer 2003, S. 892). Hinzu kommt der rasante technische Fortschritt, der die Produktlebenszyklen verkürzt und damit die Unsicherheit industrieller Kunden im Hinblick auf die Kaufentscheidung erheblich vergrößert (vgl. Schneider 2002, S. 275f.).

Die Marke und die Markenpolitik stellen hierbei eine mögliche Lösung dar, indem sie die Marktleistung eines Industriegüteranbieters unverwechselbar machen und sie aus der Menge der Angebote für ihre Zielgruppe positiv herausheben. Damit sollen Unsicherheiten der Kunden hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Hersteller oder der Leistungsqualität ihrer Marktleistungen abgebaut, Vertrauen aufgebaut und die Entscheidung der Kunden erleichtert werden (vgl. Schneider 2002, S. 275f.).

Dennoch wird heute das Markenmanagement in dem Industriegüterbereich noch vielfach vernachlässigt. Da Marketing oft als „Stiefkind“ in diesem Wirtschaftszweig gilt, resultiert für die Markenpolitik als Teil des absatzpolitischen Instrumentariums zwangläufig dasselbe (vgl. Winterling 1993, S. 85). Systematische Markenpolitik für Werkzeugmaschinen, Anlagen etc. ist bisher eher unüblich (vgl. Hundsdörfer 2002, S. 23; Pförtsch/Schmid 2005, S. 463). Während einige Namen wie Bosch, Intel oder Siemens allgemein bekannt sind, haben nur wenige Menschen etwas von Roland (Druckmaschinen), KSB (Pumpen) oder Müller-Weingarten (Pressen) gehört. Der Zielgruppe sind die Hersteller zwar bekannt, einen strategischen Wettbewerbsvorteil haben diese aber dadurch noch lange nicht erreicht (vgl. Winterling 1993, S. 84; Ginter/Dambacher 2002, S. 54).

Vielfach herrscht noch in der Investitionsgüterindustrie die Meinung vor, dass Markenmanagement ausschließlich ein Thema aus dem und für den Konsumgüterbereich ist (vgl. Behlke 2002, S. 22). Diese untergeordnete Bedeutung von Industriegütermarken wird mit der noch einseitigen Technologieorientierung vieler Anbieter begründet (vgl. Wiedmann/Schmidt 1997, S. 36; Kemper 2000, S. 1; Homburg/Schneider 2001, S. 605). Die Hersteller gehen davon aus, dass ihre objektiv-technischen Leistungsvorteile die gewerblichen Abnehmer bereits ausreichend überzeugen (vgl. Kemper/Bacher 2004, S. 34).

Vernachlässigt wurde das Thema aber auch seitens der Wissenschaft. So liegt das Hauptgewicht markenbezogener Forschungsarbeiten hauptsächlich auf Produkten des Konsumgüterbereichs (vgl. Webster/Keller 2004, S. 388). Ursächlich für die mangelhafte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Industriegütermarken sind vor allem zwei Gründe. Zum einen wurde dem Industriegütermarketing in der betriebswirtschaftlichen Absatzlehre wesentlich später Beachtung geschenkt als dem Konsumgütermarketing (vgl. Köhler 1994, S. 2063). Zum anderen ist die Relevanz von Industriegütermarken generell umstritten, da dem Industriegütermarketing im Vergleich zum Konsumgütermarketing eine höhere Rationalität bei der Abwägung von Kosten und Nutzen des Angebots unterstellt wird (vgl. Voeth/Rabe 2004, S. 87; Rozin 2004, S. 344).

Als Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit lässt sich festhalten, dass die Industriegütermarke und speziell deren Management in der Unternehmenspraxis vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen eine hochgradig relevante Thematik darstellt, deren wissenschaftliche Durchdringung aber gravierende konzeptionelle und empirische Forschungslücken aufweist.

1.2 Zielsetzung und Abgrenzung der Arbeit

Zielsetzung dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zur Aufhellung der im vorigen Abschnitt aufgezeigten Problembereiche zu leisten sowie angesprochene Forschungslücken zu schließen. Dieses Ziel soll im Wesentlichen durch Beantwortung zwei zentraler Fragestellungen erreicht werden. In erster Linie geht es um die Klärung der Frage nach der grundlegenden Relevanz der Markenkonzeption in einem eingegrenzten Industriebereich – dem Maschinenbau in Deutschland. Da das Produktsortiment im Maschinenbau sehr heterogen ist, ist davon auszugehen, dass der Marke nicht in allen branchenspezifischen Produktsegmenten die gleiche Bedeutung zukommt (vgl. Jaßmeier 1999, S. 11; Richter 2007, S. 6). Die zweite Frage beschäftigt sich daher mit der Identifikation und empirischen Überprüfung von Faktoren, die die Höhe der Markenrelevanz beeinflussen und damit der Identifizierung von Industriegütern mit hohem Markenbildungspotenzial dienen sollen. Die zwei Forschungsfragen bilden die wesentlichen Ansatzpunkte zur anschließenden Ableitung der Gestaltungsempfehlungen zum Aufbau bzw. zur Optimierung des Markenmanagements in der Maschinenbaubranche. Im Zentrum dieser Arbeit stehen somit folgende Fragestellungen:

1. Sind Industriegütermarken im deutschen Maschinenbau grundsätzlich relevant?
2. Von welchen situativen Faktoren wird die Markenrelevanz beeinflusst und welche Implikationen ergeben sich daraus für das strategische Markenmanagement?

1.3 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit

Der Aufbau der vorliegenden Arbeit orientiert sich an den formulierten Forschungsfragen und umfasst insgesamt sechs Kapitel:

Im Anschluss an das einleitende Kapitel beschäftigt sich das zweite Kapitel mit den Grundlagen der Untersuchung. Das Fundament der vorliegenden Arbeit bilden hierbei Darstellung des Industriegütermarketings und Markenwesens im Kontext industrieller Produkte sowie Charakterisierung der Maschinenbaubranche.

Ausgehend von der Bestandsaufnahme relevanter Forschungsbeiträge ist Gegenstand des dritten Kapitels die Entwicklung des konzeptionellen Modells. Darauf aufbauend erfolgen eine sukzessive Vorstellung einzelner Modellkonstrukte sowie die Formulierung von Hypothesen über deren Wirkungszusammenhänge.

Gegenstand des vierten Kapitels ist die empirische Überprüfung der in Kapitel 3 entwickelten Hypothesen sowie die Darstellung und Interpretation der zentralen Ergebnisse der quantitativen Studie.

Die Ableitung von markenpolitischen Gestaltungsempfehlungen erfolgt in Kapitel 5. Es werden Maßnahmen gezeigt, die die Unternehmenspraxis ergreifen sollte, um die Ausgestaltung ihres strategischen Markenmanagements zielgerichtet zu optimieren.

Abschließend werden in Kapitel 6 zum einen die Kernergebnisse der Arbeit zusammengefasst und zum anderen wissenschaftliche Restriktionen als Ansatzpunkte für die zukünftige Forschung diskutiert. Abb.1 gibt einen komprimierten Überblick über den Aufbau der Arbeit wieder.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Aufbau der Arbeit

Quelle: Eigene Darstellung

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Markenmanagement im Industriegüterbereich

2.1.1 Industriegütermarketing

Produkte und Produktprogramme von Unternehmen bilden nicht länger die Ausgangspunkte eines modernen Marketings. Vielmehr setzt Marketing heutzutage bei den Problemen und Bedürfnissen potentieller Kunden in den ausgewählten Geschäftsfeldern an (vgl. Schneider 2002, S. 26). So definiert Meffert Marketing als „(…) Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele verwirklicht werden“ (Meffert 2000, S. 8).[1]

Das Industriegütermarketing stellt eine Teildisziplin des allgemeinen Marketings dar. Dabei sind Industriegüter solche Güter oder Dienstleistungen, die von Organisationen beschafft werden, um sie im eigenen Leistungserstellungsprozess zu verwenden oder um sie unverändert an andere Organisationen weiterzuverkaufen (vgl. Homburg/Schneider 2001, S. 589). In der deutschsprachigen Literatur werden die Bezeichnungen „Industriegütermarketing“, „Investitionsgütermarketing“ und „Business-to-Business-Marketing“ (B2B-Marketing) weitgehend synonym gebraucht, wobei der letzte Begriff z. T. weiter gefasst wird (vgl. Backhaus/Voeth 2007, S. 5).[2]

Eine Charakterisierung des Industriegütermarketings kann anhand verschiedener Kriterien vorgenommen werden. Insbesondere lassen sich die Kriterien Nachfrager , Verwendung der Produkte und organisationales Kaufverhalten unterscheiden (vgl. hier und im Folgenden Homburg/Schneider 2001, S. 589).

Nachfrager sind im Industriegüterbereich nicht die Endverbraucher, sondern Organisationen.[3] Der „klassische B2B-Kunde“ erwirbt ein Produkt, um es zur Erstellung seiner eigenen Leistungen zu benutzen (z. B. Fertigungsmaschinen, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe) (vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 25). Nach Pförtsch und Schmid können industrielle Kunden sehr unterschiedlich sein (vgl. Pförtsch/Schmid 2005, S. 9):

- Produzierende oder dienstleistende Unternehmen , die die bezogenen Produkte weiterverarbeiten oder im eigenen Produktionsprozess zur Erstellung materieller Produkte oder immaterieller Dienstleistungen nutzen (z. B. OEM[4], Ingenieurbüros),
- Handels-Unternehmen , die die gekauften Produkte weiterverkaufen,
- Staatliche Einrichtungen (z. B. Länder und Gemeinden),
- Institutionen (z. B. Krankenhäuser, Kirchen und Universitäten).

Die Verwendung der Produkte zielt hierbei auf die Erzeugung weiterer Produkte bzw. auf ihre Weiterveräußerung ab (vgl. Homburg/Schneider 2001, S. 589). Unter dem Begriff Industriegüter lassen sich verschiedene Produkttypen wie z. B. Anlagen, einzelne Maschinen, Einsatzstoffe oder Energieträger vereinen (vgl. Engelhardt/Günter 1981). Aus Marketing-Sicht werden sie nicht als gleichwertig eingestuft.[5] Backhaus unterteilt die Geschäftstypen in (vgl. Backhaus 2003, S. 324f.):

- Produktgeschäft: Es handelt sich um die Leistungen eines Anbieters, die weitgehend standardisiert hergestellt und vermarktet werden können, und die zu einem isolierten Einsatz bei den Abnehmern bestimmt sind (z. B. Schrauben, Motoren)
- Anlagengeschäft: Hier werden komplexe Produkte oder Systeme vermarktet. Die Kaufentscheidung wird zu einem bestimmten Zeitpunkt getroffen und in der Regel mit der Realisierung des Projektes abgeschlossen
- Systemgeschäft: Es handelt sich um Produkte, die nicht als Komplettpakete, sondern als Systembestandteile in einer sukzessiven Beschaffungsschrittfolge vermarktet werden (zu denen auch Dienstleistungen, als Systembestandteile, gehören)
- Zuliefergeschäft: Hier beliefern die Zulieferer ihre Kunden (OEM) mit Komponenten, die nahezu unverändert in die Produkte eingebaut werden.

Die Unterschiede zwischen einzelnen Typen bestehen z. B. bezüglich der Kaufhäufigkeit, des Volumens der Leistungsabgabe und der Dienstleistungsintensität (vgl. Homburg/Schneider 2001, S. 590).[6]

Das organisationale Kaufverhalten stellt das dritte Charakteristikum des Industriegütermarketings dar. Neben Besonderheiten auf der Nachfrager- und Anbieterseite lassen sich auch charakteristische Merkmale der Geschäftsbeziehung identifizieren (vgl. Backhaus/Voeth 2007, S. 10f.). Die organisationale Nachfrage weist verschiedene Kriterien auf. Insbesondere sind folgende Merkmale zu nennen: derivativer bzw. abgeleiteter Charakter der Nachfrage , rationale Entscheidungen , Multipersonalität und hoher Individualisierungsgrad (vgl. hier und im Folgenden Homburg/Schneider 2001, S. 590f.; Baumgarth 2004, S. 314).

Die Transaktionen auf den Industriegütermärkten werden dadurch gesteuert, dass es sich nicht um die Befriedigung einer originären, sondern einer abgeleiteten Nachfrage handelt. Bspw. ist die Nachfrage nach Silicondioxid von der Nachfrage nach PCs abhängig, deren Mikroprozessoren aus diesem Material gefertigt werden (vgl. Kotler/Pförtsch 2006, S. 22; Ogilvie 1987, S. 36).

Rationale Entscheidungen[7] bilden einen kognitiven Abwägungsprozess ab, in dem Zielgruppen mit schlüssigen Argumenten vom Produktnutzen überzeugt werden (vgl. Willhardt 2008, S. 33).

Im Gegensatz zum Konsumgütermarketing, bei dem Kaufentscheidungen überwiegend von einer Person getroffen werden, sind die Beschaffungsentscheidungen im Industriegüterbereich von mehreren Personen abhängig (vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 54). Der Grund hierfür liegt in der Komplexität des gewerblichen Kaufs, die oft die Kompetenz einer einzelnen Person übersteigt (vgl. Pförtsch/Schmid 2005, S. 15). Somit ist die Gruppe der mit einer Beschaffung befassten Personen durch Multipersonalität[8] geprägt und wird als Buying Center (BC) bzw. Decision Making Unit (DMU) bezeichnet (vgl. Webster/Wind 1972; Mudambi et al. 1997, S. 436). Jedes Mitglied eines solchen Einkaufsgremiums hat seinen eigenen Verantwortungsbereich und bewertet die Kaufentscheidung nach verschiedenen Kriterien. (vgl. Homburg/Schneider 2001, S. 590). Der Einfluss der jeweiligen Mitglieder schwankt in Abhängigkeit von der spezifischen Beschaffungssituation. Dabei unterscheidet man die Situation des Neukaufs, identischen Wiederkaufs und modifizierten Wiederkaufs (vgl. Robinson et al. 1967, S. 28). Das Buying Center ist in der Regel institutionell nicht verankert und wird jeweils nur für eine anstehende Kaufentscheidung gebildet (vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 54).[9]

Die Mitglieder des Buying Centers können unterschiedliche Rollen einnehmen (vgl. Fitzgerald 1989, S. 77). Folgende Rollen werden dabei differenziert (vgl. Webster/Wind 1972, S. 77f.; Godefroid/Pförtsch 2008, S. 55f.; Rozin 2004, S. 345):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Rollenausprägungen im Buying Center

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Godefroid/Pförtsch 2008, S. 55.

- Initiatoren sind Personen, die den Bedarf erkannt und den Kaufprozess ausgelöst haben
- Verwender (User) des Beschaffungsobjektes sind Personen, die nach dem Kauf mit dem Produkt arbeiten
- Beeinflusser (Influencer) beeinflussen die Kaufentscheidung durch die Festlegung bestimmter Normen, Erfahrungen oder Kenntnissen bzgl. der Lieferunternehmen oder ihrer Produkte
- Einkäufer (Buyer) verfügen über die formale Autorität zur Auswahl potentieller Lieferanten und für die Festlegung der Kauf- und Lieferbedingungen
- Informationsselektierer (Gatekeeper) sind solche Mitglieder, die den Informationsfluss im und in das Buying Center steuern
- Entscheider (Decider) sind Personen, die aufgrund ihrer formalen Macht die endgültige Entscheidung treffen
- Coach ist eine Person im Buying Center, die mit dem Verkäufer besonders vertrauensvoll arbeitet und über die der Verkäufer einen Zugang zum BC hat.[10]

Die Kenntnis der Rollen erleichtert es dem Anbieter, den Überblick über die Position, den Einfluss und Aufgaben der BC-Mitglieder zu gewinnen und somit den Kaufprozess effizient zu gestalten (vgl. Fließ 2000, S. 313).

Ferner ist der hohe Individualisierungsgrad der organisationalen Nachfrage zu nennen. Industrielle Kunden haben meistens einen spezifischen Problemlösungsbedarf, dem nur durch ein individualisiertes Angebot Rechnung getragen werden kann (vgl. Kleinaltenkamp 2000, S. 216; Voeth/Rabe 2004, S. 78).

Neben den Merkmalen der organisationalen Nachfrage lassen sich auch bestimmte Charakteristika der Anbieter identifizieren (vgl. hier und im Folgenden Homburg/Schneider 2001, S. 591). Dazu zählen insbesondere die Multipersonalität, die Multiorganisationalität und die Internationalität. Multipersonalität ist durch die Bildung eines Selling Centers, analog zum Buying Center auf der Nachfragerseite, gekennzeichnet. Als Multiorganisationalität wird der Zusammenschluss der Organisationen zu Anbietergemeinschaften verstanden. Bedingt durch die zunehmende Globalisierung der Märkte ist die Internationalität ein weiteres Kriterium der Anbieter (vgl. Belz/Kopp 1994, S. 1579; Baumgarth/Douven 2006, S. 154).

Die Anbieter sind größtenteils die Hersteller der Industriegüter, die selbst wiederum als Kunden auf B2B-Märkten agieren (vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 28; Kleinaltenkamp 2000, S. 195).[11] Im Rahmen dieser Arbeit werden die Marketingaspekte des Markenmanagements überwiegend aus Sicht eines derartigen Herstellers betrachtet.

2.1.2 Definition und Funktionen der Industriegütermarke

Ziel und Ankerpunkt einer strategischen Industriegütermarkenpolitik[12] ist die Industriegütermarke. Unter der Industriegütermarke [13] wird ein Zeichen oder Merkmal zur Kennzeichnung solcher Sachgüter und Dienstleistungen verstanden, die von Organisationen für die weitere Leistungserstellung oder unveränderte Weiterveräußerung beschafft werden (vgl. hier und im Folgenden Kemper 2000, S. 93f.; Abschnitt 2.1.1).[14] Als Kennzeichen stellt die Industriegütermarke ein Informationsmedium dar, das Verwendern die Herkunft der Güter signalisiert und der Identifizierung sowie Individualisierung von Angeboten dient (vgl. Irmscher 1997, S. 7; Thurman 1961, S. 21). Die Markierung allein ist jedoch nur als reine Kennzeichnung einer Leistung und somit als ein Teilaspekt der Marke zu verstehen (vgl. Pförtsch/Schmid 2005, S. 75). Es bedarf einer weiteren Differenzierung des Markenbegriffes aus einer ganzheitlichen Perspektive.

Das Bestreben des Marketings ist es u.a., aus einem weitgehend austauschbaren Produkt eine alleinstellende Marke zu kreieren (vgl. Pepels 2006, S. 231). „Als Marke werden Leistungen bezeichnet, die neben einer unterscheidungsfähigen Markierung durch ein systematisches Absatzkonzept im Markt ein Qualitätsversprechen geben, das eine dauerhaft werthaltige, nutzenstiftende Wirkung erzielt und bei der relevanten Zielgruppe in der Erfüllung der Kundenerwartungen einen nachhaltigen Erfolg im Markt realisiert bzw. realisieren kann“ (Bruhn 2004, S. 21). Bieberstein definiert die Marke anhand bestimmter Eigenschaften, die ein Produkt erfüllen muss, um als Markenartikel gelten zu können (vgl. Bieberstein 2006, S. 249). Danach zeichnen sich Markenerzeugnisse u.a. aus durch:

- ein unverwechselbares, einheitliches Erscheinungsbild ,
- einen hohen Bekanntheitsgrad ,
- eine gleichbleibende, standardisierte Qualität der Leistung,
- ein relativ konstantes, meist hohes Preisniveau und
- ein Angebot in einem größeren Absatzraum .[15]

Meffert und Burmann gehen von einem erweiterten, wirkungsbezogenen Markenverständnis aus und definieren die Marke als ein „(…) in der Psyche des Konsumenten verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung“ (Meffert/Burmann 2000, S. 169).[16] Für das Nachfragerverhalten ist demnach das Gesamtbild einer Marke entscheidend, das sich in einem unbewusst verlaufenden Prozess der Vereinigung von objektiv-funktionalen mit subjektiv-psychologischen Eigenschaften ergibt (vgl. Becker 1992, S. 122). Nach Lehmann und Keller besitzt dieses Markenverständnis auch im Rahmen des organisationalen Kaufverhaltens Geltung und kann somit für die weiteren Ausführungen als grundlegend betrachtet werden (vgl. Keller/Lehmann 2006, S. 745).

Die Möglichkeiten und der Erfolg der Markenpolitik werden insbesondere von den Funktionen bestimmt, die der Marke aus Sicht der einzelnen Marktteilnehmer beigemessen werden (vgl. Bruhn 2004, S. 27). Die Wertschätzung einer Marke bei den Nachfragern und ihre hohe Bedeutung für den Inhaber beruhen auf der Erfüllung dieser Funktionen bzw. ihrer grundsätzlichen Aufgaben in einem Wirtschaftsprozess (vgl. Kemper 2000, S. 11; Kraft 1992, S. 250). Bei den Markenfunktionen kann somit je nach dem betrachteten Marktteilnehmer zwischen einer Anbieter- und Nachfragerperspektive unterschieden werden (vgl. Pförtsch/Schmid 2005, S. 106).

Eine eindeutige Unterscheidung einzelner Markenfunktionen gestaltet sich schwierig, da die Funktionen sich z. T. auf verschiedene Bezugssysteme beziehen (vgl. Sander 1994, S. 9f.; Meffert et al. 2005, S. 10f.; Homburg/Krohmer 2003, S. 516f.). Nachfolgend werden einige allgemein anerkannte wirtschaftliche Funktionen einer Marke aufgeführt (vgl. Tab. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Funktionen der Marke aus Anbieter- und Nachfragerperspektive

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bruhn 2004, S. 28f.

Die Marke soll dem Anbieter einen preispolitischen Spielraum verschaffen (vgl. Meffert/Burmann 2002, S. 12). Je besser es gelingt, eine Marke einzigartig im Vergleich zu konkurrierenden Angeboten darzustellen, desto größer ist der Preisspielraum. Ein professionelles Markenmanagement führt somit auch zu einer Wertsteigerung des Unternehmens (vgl. Meffert et al. 2005, S. 15). Als Informationsmittel erfüllt die Marke eine Kommunikationsfunktion . Durch sie können Botschaften gezielt an die Empfänger gesendet und bei diesen in Assoziationen mit der Marke verankert werden (vgl. hier und im Folgenden Bruhn 2004, S. 29; Pförtsch/Schmid 2005, S. 108). Hinsichtlich des I-mages geht es darum, der Zielgruppe ein prägnantes Markenbild zu vermitteln ( Imagefunktion ), das dazu dient, die eigenen Leistungen von den Wettbewerbern abzugrenzen ( Differenzierungsfunktion ) (vgl. Homburg/Krohmer 2003, S. 517). Als Ausschließlichkeitsrecht besitzt die Marke den rechtlichen Schutz, der über das Markengesetz geregelt ist und den Markeninhaber gegen missbräuchliche Nachahmung schützt ( Schutzfunktion ) (vgl. Kemper 2000, S. 113).

Aus der Nachfragerperspektive muss sich die Zahlung einer Preisprämie lohnen. Somit ist die Wertschätzung der Nachfrager die Basis für die Realisierung eines Markenwertes auf der Anbieterseite (vgl. Willrodt 2004, S. 18). Caspar et al. unterscheiden folgende drei Hauptgruppen der Markenfunktionen auf der Nachfragerseite (vgl. hier und im Folgenden Caspar et al. 2002, S. 23f.):

1) Die Steigerung der Informationseffizienz bezieht sich auf alle Aspekte, bei denen die Marke eine Informationsverarbeitungs- und Entscheidungshilfe darstellt. Sie basiert auf der Eigenschaft von Marken, verschiedene Informationen über Produkt und Her-steller in höchstem Maße zu verdichten und so als „Information Chunk“[17] zu fungieren (vgl. Schröder/Perrey 2002, S. 15f.; Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 284). Dabei gibt die Marke die Herkunft des Produktes an und dient durch die Wiedererkennung eines bestimmten Produktes der Orientierung bei einer großen Anzahl von Produktalternativen (vgl. Pförtsch/Schmid 2005, S. 106). Ferner reduziert die Marke den durch die Multipersonalität erhöhten Entscheidungsaufwand, indem sie die Kommunikation zwischen den Mitgliedern des Buying Center erleichtert (vgl. Caspar et al. 2002, S. 24; Sitte 2001, S. 98).
2) Eine weitere Funktion der Marke besteht in der Reduktion des Risikos , eine falsche Entscheidung zu treffen (vgl. Bugdahl 1998, S. 23). Die Marke bietet Sicherheit, indem sie kognitive Dissonanzen[18] reduziert. Marken stehen als Garant für die aktuelle und zukünftige Qualität der Leistungen und geben so Vertrauen[19] durch die Erfüllung von Erwartungen, die in die Produktleistung gesetzt werden (vgl. Schröder/Perrey 2002, S. 17). Bedingt durch die Besonderheiten des Industriegüterbereichs können Marken eine Rechtfertigungsfunktion übernehmen, indem sich die Beschaffenden im Konfliktfall auf die in der Marke gebündelte Reputation des Anbieters berufen können (vgl. Pförtsch/Schmid 2005, S. 107).[20]
3) Zusätzlich können Marken einen ideellen Nutzen stiften. Während die Marke im Konsumgüterbereich die Selbstverwirklichung der Konsumenten beschreibt, die in einen emotionalen und erlebnisbezogenen Zusatznutzen resultiert, zielt sie im B2B-Bereich auf die Außenwirkung von Unternehmen auf verschiedene Anspruchsgruppen (vgl. Backhaus et al. 2002, S. 48). Hierbei sind drei unterschiedliche Wirkungsrichtungen zu unterscheiden (vgl. hier und im Folgenden Schröder/Perrey 2002, S. 17f.):

- Selbstdarstellung der Mitarbeiter. Die Marke hilft bei der Verwirklichung von Mitarbeiterzielen, indem sie die Darstellung der Mitarbeiter des beschaffenden Unternehmens in den Dimensionen sozialer und funktionaler Status (z.B. durch die Nutzung eines hochwertigen Dienstwagens) unterstützt
- Darstellung des Unternehmens. Hier kann die Marke als Symbol des unternehmerischen Erfolgs sowie in der Kommunikation der Unternehmenswerte (z. B. durch die nach außen sichtbare Verwendung renommierter Qualitätssicherungssysteme) genutzt werden
- Reputationstransfer. Durch ihre Wirkung auf die nachfolgenden Wertschöpfungsstufen kann Marke dem beschaffenden Unternehmen einen Nutzen stiften, indem sie die Produkte und das Image des Unternehmens durch einen Transfer der Reputation des Zulieferunternehmens aufwertet.[21]

Die Markenfunktionen lehnen sich eng an die Kaufprozesse an, die zwischen einzelnen Industriegütermärkten stark variieren. Folglich ist davon auszugehen, dass sämtliche Aspekte der dargestellten Markenfunktionen für die zahlreichen B2B-Produktmärkte von unterschiedlicher Bedeutung sind (vgl. Caspar et al. 2002, S. 28).

Zu fragen ist dann, ob jedes Industriegut zu einem Markenprodukt ausgebaut werden sollte oder aufgrund bestimmter hemmender Faktoren diese Stufe überhaupt erreichen kann. So kann ein Industriegut zwar Merkmale von Markenartikeln besitzen, dennoch aber bestimmte Defizite oder eine geringe Wirkungsintensität aufweisen (vgl. Kemper 2000, S. 94). Den Aspekten der generellen Markenbedeutung im Industriegüterbereich wird im nächsten Abschnitt nachgegangen.

2.1.3 Markenrelevanz

Als einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Industrie- und Konsumgütermarketing wurde längere Zeit die Abwesenheit von Marken im B2B-Bereich angesehen. So entfielen im Jahr 2000 von 86.000 Markenneuanmeldungen in Deutschland lediglich ca. 20% auf Industriegütermarken (vgl. Backhaus et al. 2002, S. 48).

Inzwischen mehren sich jedoch in der Unternehmenspraxis die Stimmen, die markenpolitischen Aspekten eine steigende Relevanz im Vermarktungskonzept von Industriegüteranbietern beimessen (vgl. Richter 2007, S. 3). Von den 500 größten europäischen Markenunternehmen waren 2007 ca. 64% überwiegend B2B-Unternehmen (vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 187).[22] Diese Entwicklung ist im Wesentlichen auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen auf die zunehmende Leistungshomogenisierung und zum anderen auf die zunehmende Angebotsvielfalt auf den zahlreichen Industriegütermärkten (vgl. Richter 2007, S. 4; Abschnitt 1.1).

Das Marketing Centrum Münster (MCM) und die Unternehmensberatung McKinsey definieren erstmalig den Begriff Markenrelevanz , wie er dieser Arbeit zugrunde liegt. Dieser Definition nach wird als Markenrelevanz die relative Wichtigkeit der Marke bei der Auswahl- und Kaufentscheidung der Nachfrager bezeichnet (vgl. Caspar et al. 2002, S. 10).[23] Artverwandt und z. T. synonym werden in der Literatur Begriffe wie Markenbedeutung, Markenbewusstsein, Markenwichtigkeit, Markenbereitschaft und Markenbildungspotenzial genannt (vgl. Richter 2007, S. 19; Schmidt 2001, S. 57; Mudambi 2002, S. 525). Betrachtungsbasis ist hierbei der Kaufentscheidungsprozess, der von dem produktmarktspezifischen Umfeld der Nachfrager abhängt (vgl. Backhaus et al. 2002, S. 50).

Angesichts der vielen Industriegüterarten kann nicht a priori davon ausgegangen werden, dass eine Markenpolitik in jedem Fall angebracht ist. Vielmehr sind die Voraussetzungen güterspezifisch und situationsbezogen zu überprüfen (vgl. Kemper/Bacher 2004, S. 35). Ebenfalls sind die Einflussfaktoren einer Kaufentscheidung in verschiedenen Kaufsituationen unterschiedlich wichtig (vgl. hier und im Folgenden Caspar et al. 2002, S. 10 f.). Vergleicht man beispielhaft zwei Beschaffungs- bzw. Kaufprozesse, hat die relative Bedeutung der Marke verschiedene Ausprägungen auf die Kaufentscheidung (vgl. Abb. 3):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Markenrelevanzverständnis (illustrativ)

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Caspar et al. 2002, S. 11.

Im Zigarettenmarkt hängt die Kaufentscheidung u. a. von einer schnellen Orientierung unter der Angebotsvielfalt und von dem emotionalen Zusatznutzen des Produktes ab. Folglich ist die Markenrelevanz bei der Kaufentscheidung in diesem Produktmarkt hoch. Im Gegensatz dazu spielen im Markt für Express-Zustelldienste Entscheidungskriterien, wie z.B. Preis oder Servicenetz, die ausschlaggebende Rolle. Die Bedeutung der Marke ist demnach gering.

Die Relevanz der Marke als Wettbewerbsinstrument hängt somit entscheidend von dem Kontext des Marktes ab, in dem sie geführt wird (vgl. Schröter 1993, S. 333). Je nachdem wie einzelne Kontextfaktoren ausgeprägt sind, können Aussagen darüber getroffen werden, ob Marken eine größere oder eher eine geringere Bedeutung besitzen (vgl. Fischer et al. 2002, S. 8). Der produktmarktspezifische Kontext wird durch die Eigenschaften von Industriegütermärkten definiert (vgl. Caspar et al. 2002, S. 30; Droege et al. 1993, S. 68).

Aufgrund der großen Vielfalt der auf Industriegütermärkten gehandelten Leistungen ist das Untersuchungsfeld für die weitere Analyse der Markenrelevanz einzugrenzen. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt im Folgenden auf der deutschen Maschinenbaubranche, die nachfolgend näher charakterisiert wird.

2.2 Charakterisierung der Maschinenbauindustrie

2.2.1 Beschreibung der Branchenspezifika

Der Maschinenbau ist traditionell einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige der Industrieländer. Dieser Wirtschaftsbereich umfasst die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb von Maschinen aller Art (vgl. Pförtsch/Schmid 2005, S. 457). Unter Maschinen werden dauerhafte Wirtschaftsgüter verstanden, die zur Herstellung anderer Güter verwendet werden, aber nicht als Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe in den Produktionsprozess eingehen (vgl. Beutel 1988, S. 25). Dabei sind Maschinen entweder Potenzialfaktoren, die ein Bündel von Nutzungen enthalten oder komplexe Teile von Produkten (vgl. Pohmer/Bea 1977, S. 72).

Die Maschinenbaubranche umfasst zahlreiche Fachgebiete, die sich gegenseitig und mit anderen Zweigen der Technik, insbesondere mit der Elektrotechnik und der Informations- und Kommunikationstechnik, durchdringen und vernetzen (vgl. Pförtsch/Schmid 2005, S. 457). Die Vielfältigkeit dieses Industriezweiges kann beispielhaft durch die Aufzählung einiger wesentlicher und typischer Fachgebiete verdeutlicht werden (vgl. VDMA [Statistisches Handbuch] 2008, S. 86f.):

- Antriebstechnik (z. B. Zahnräder, Getriebe, Kupplungen, Wälz-/Gleitlager),
- Fördertechnik (z. B. Aufzüge, Flurförderzeuge, Lagertechnik),
- (Präzisions-)Werkzeugmaschinen und Fertigungssysteme (z. B. Transferanlagen),
- Allgemeine Lufttechnik (z. B. Ventilatoren, Klimaanlagen), Power Systems,
- Baumaschinen (z. B. Krane, Bagger, Zementwerke, Fräsen),
- Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen, Armaturen (z. B. Ventile, Schieber),
- Druck- und Papiertechnik (z. B. Druck-, Satz- und Repromaschinen),
- Landtechnik (z. B. Traktoren, Erntemaschinen), Eisenhütten- und Walzwerke,
- Pumpen und Systeme, Robotik und Automation, Kunststoff- und Gummimaschinen,
- Thermo-, Prozess- und Abfalltechnik, Kompressoren, Waagen, Prüfmaschinen,
- Holzbearbeitungsmaschinen, Textilmaschinen, Bekleidungs- und Ledertechnik.[24]

Neben der Einteilung des Maschinenbaus in Fachzweige kann eine Differenzierung nach den Kriterien Erzeugnisarten und Fertigungsarten vorgenommen werden (vgl. Jaßmeier 1999, S. 26; Steven 2007, S. 35).

Die Unterscheidung nach Erzeugnisarten basiert auf unterschiedlicher Produktkomplexität (vgl. hier und im Folgenden Murmann 1994, S. 40f.). Es werden unterschieden:

- Maschinenkomponenten und Werkzeuge (z. B. Wälzlager, Zahnräder),
- Aggregate und Baugruppen (z. B. Getriebe, Kupplungen, Pumpen),
- Maschinen und Geräte (z. B. Dreh-, Textil-, Verpackungs- oder Baumaschinen),
- Anlagen (z. B. verkettete Maschinensysteme, Produktions- und Förderanlagen).[25]

Bei der Unterscheidung der Fertigungsarten wird auf die Struktur des Produkts und des Fertigungsprozesses abgestellt. Dazu wird das Kriterium Losgröße herangezogen:

- Einzelfertigung (bis 5 Stück/ Los),
- Kleinserienfertigung (5 bis 100 Stück/ Los),
- Serienfertigung (100 bis 500 Stück/ Los),
- Großserienfertigung (über 500 Stück/ Los).

Ferner lässt sich der Maschinenbausektor in verschiedene Marktsegmente unterteilen (vgl. hier und im Folgenden Beutel 1988, S. 138f.). Dies erfolgt nach einem technisch determinierten Spezialisierungsgrad der Produkte (vgl. Engelhardt/Günter 1981, S. 156f.; Richter 2001, S. 19). Es lassen sich folgende Marktsegmente für Maschinen bilden (vgl. Abb. 4):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Marktsegmente im Maschinenbau

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Beutel 1988, S. 139.

Universalmaschinen können nur innerhalb einer bestimmten Arbeitsfunktion eingesetzt werden. In diesem Bereich führen sie verschiedene Arbeitsvorgänge aus und bearbeiten sowohl quantitativ als auch qualitativ unterschiedliche Werkstoffe, wie z. B. Holz, Beton oder Metall (vgl. Engelhardt/Günter 1981, S. 156; Steven 2007, S. 149). Dies bewirkt eine Nachfrage größerer Stückzahlen eines Typs und ermöglicht damit die Fertigung größerer Serien (vgl. Beutel 1988, S. 139). Sondermaschinen werden entwickelt und produziert, um kundenspezifische Bearbeitungsprobleme zu lösen. Sie können nur eng begrenzte Funktionen an bestimmten Werkstoffen ausführen, wie z. B. Holzbohrungen einer bestimmten Stärke (vgl. Engelhardt/Günter 1981, S. 156). Die Fertigung der Sondermaschine vollzieht sich deshalb in der Regel als eine Einzelfertigung und ist mit hohen Kosten verbunden. Als Systeme werden verkettete Einzelmaschinen bezeichnet, wie z. B. Walzwerke. Sowohl Systeme als auch Sondermaschinen weisen einen hohen Grad an der Individualisierung auf, da sie zum großen Teil auf die Anforderungen des Kunden zugeschnitten werden müssen (vgl. Beutel 1988, S. 139f.).

Diese Spezialisierungsunterschiede bewirken eine hohe Abhängigkeit der Maschinenbaubranche von der wirtschaftlichen Situation industrieller Abnehmer. Damit kommt eine ausgeprägte Konjunkturabhängigkeit des Maschinenbaus zum Vorschein, die für die gesamte Branche kennzeichnend ist (vgl. Lehnen 2002, S. 77).[26]

Im folgenden Abschnitt wird auf die gegenwärtige Situation der Maschinenbaubranche in Deutschland eingegangen, um zu verdeutlichen, in welchem Umfeld sich die zu betrachtende Industriebranche befindet und welchen Rahmenbedingungen dieser Bereich ausgesetzt ist.

2.2.2 Aktuelle Situation der deutschen Maschinenbaubranche

Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau gehört zu den fünf wichtigsten Branchen in der Bundesrepublik. Gemessen an den rund 6000 Unternehmen und 965 000 Beschäftigten ist dies die größte Branche Deutschlands vor der Elektrotechnik und dem Straßenfahrzeugbau (siehe Tab. 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Die größten Industriezweige der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2008

Quelle: VDMA (2009b); Statistisches Bundesamt (2009); * eigene Berechnung

(AuslandsumsatzAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten100 : Umsatz)Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Maschinenbau dominieren mittelständische Betriebs- und Entscheidungsstrukturen. Ca. 88% der Unternehmen beschäftigen weniger als 250, nur 2% mehr als 1000 Mitarbeiter. Mehr als zwei Drittel haben sogar weniger als 100 Beschäftigte (vgl. hier und im Folgenden VDMA [Volkswirtschaft und Statistik] 2009b). Beschäftigungsmäßig stellt der Maschinenbau mit ca. 965 000 Arbeitnehmern den wichtigsten Industriesektor in der Bundesrepublik Deutschland dar.

Die meisten Unternehmen sind im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) organisiert, der rund 90% des Gesamtumsatzes repräsentiert (vgl. Pförtsch/Schmid 2005, S. 457). Der Branchenumsatz wird maßgeblich von der Fertigungstiefe beeinflusst. Während im Straßenfahrzeugbau und in der Elektrotechnik die Großserienfertigung mit weitgehend standardisierten Komponenten vorherrscht, ist der Maschinenbau von der Einzel- bzw. Kleinserienfertigung geprägt (vgl. Abschnitt 2.2.1).[27]

Bemerkenswert ist die hohe Exportorientierung der deutschen Maschinenhersteller. 70 % des Umsatzes wird durch den Export von Maschinen ins Ausland erwirtschaftet (vgl. Tab. 2). Die deutschen Maschinenexporte wuchsen im Jahr 2008 um real 4,8% im Vorjahresvergleich. Dies entspricht einer nominalen Zunahme um 7,2% (vgl. VDMA [Volkswirtschaft und Statistik] 2009). Im internationalen Vergleich nimmt der deutsche Maschinenbau eine führende Stelle ein, gefolgt von USA und Japan.[28]

Der Mercer-Studie „Maschinenbau 2010“[29] zur Folge hat der deutsche Maschinenbau auch in Zukunft gute Wachstumschancen, vorausgesetzt, es findet neben einer ganzheitlichen Kundenausrichtung mit gleichzeitiger Fokussierung auf Kernkompetenzen die Nutzung effektiver Marketing-Methoden statt (vgl. Seiwert/Thunig 2003, S. 34; Schmiedeknecht 1993, S. 121). Die Frage nach der Relevanz der Markenpolitik als Marketing-Methode für den deutschen Maschinenbausektor stellt im Rahmen dieser Arbeit eine besondere Herausforderung dar. Als Basis für die weitere Untersuchung markenrelevanter Aspekte werden im Folgenden ausgewählte Forschungsansätze zur Markenthematik im Industriegüterbereich in den Fokus der Betrachtung gezogen.

3 Entwicklung eines theoretischen und empirischen Modells zur Analyse der Markenrelevanz in der Maschinenbaubranche

3.1 State-of-the-Art der Markenthematik im Industriegüterbereich

3.1.1 Ausgewählte Forschungsbeiträge zur Relevanz der Marke

Zweck der Literaturbestandsaufnahme ist es, einen strukturierten Überblick über wissenschaftliche Ansätze zu liefern und somit als Grundlage im Hinblick auf die nachfolgende Untersuchung zu dienen (vgl. Richter 2007, S. 11).[30] Durch die Betrachtung ausgewählter Forschungsbeiträge soll geprüft werden, inwieweit sich wichtige Erkenntnisse für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit gewinnen lassen.

Aus Sicht der Praxis wird seit Jahren verstärkt auf die Bedeutung der Industriegütermarke hingewiesen (vgl. Homburg et al. 2006, S. 282). Es existieren bereits erste Studien,[31] welche die grundsätzliche Relevanz von Marken im B2B-Bereich empirisch untersuchen.[32] Im Gegensatz zu der steigenden Praxisbedeutung vernachlässigt die Lehrbuchliteratur diesen Bereich weitgehend (vgl. Douven/Baumgarth 2008, S. 189; Donnevert 2009, S. 3). Das Thema „Industriegütermarke“ weist sowohl in den Lehrbüchern zur Markenführung als auch zum Industriegütermarketing nur eine sehr geringe Bedeutung auf (vgl. hier und im Folgenden Baumgarth/Douven 2006, S. 136f.; Backhaus et al. 2004, S. 41).[33] Dagegen zeigen wissenschaftliche Forschungsbeiträge, die überwiegend in Zeitschriften, Arbeitspapieren und Dissertationen erschienen und deren Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit in der Literatur unumstritten sind, ein deutlich steigendes Interesse an der B2B-Marke.[34] In diesen Beiträgen geht es u.a. um die Beantwortung zweier Fragen: Zum einen, ob Marken im Industriegüterbereich überhaupt von Relevanz sind, und zum anderen nach den Faktoren, die das Ausmaß der Markenrelevanz im B2B-Bereich beeinflussen (vgl. Richter 2007, S. 19). Nachfolgend werden einige wichtige Forschungsansätze, auf denen diese Arbeit basiert, mit ihren wesentlichen Inhalten in chronologischer Reihenfolge dargestellt.

Als eine der ersten wissenschaftlichen Arbeiten zur Markenrelevanz ist die branchenübergreifende Studie von Shipley und Howard (1993) zu nennen. Im Rahmen einer Befragung von 135 Industriegüteranbietern in Großbritannien kommen die Forscher zu der Erkenntnis, dass Marken im B2B-Bereich von großer Bedeutung sind (vgl. Shipley/Howard 1993, S. 65).[35] Ebenfalls stellen die Autoren fest, dass Marken u. a. Produktidentitäten schaffen, die Kaufentscheidung der Kunden vereinfachen und einen wesentlichen Beitrag für den gesamten Marketingerfolg leisten. Dabei messen größere Unternehmen Marken eine höhere Bedeutung bei als kleinere Unternehmen (vgl. Shipley/Howard 1993, S. 63).

Hutton (1997) weist im Rahmen einer Befragung von 429 industriellen Einkäufern in Nordamerika nach, dass je bekannter eine Marke ist, desto ausgeprägter markenspezifische Verhaltensweisen der B2B-Kunden sind. So sind die Käufer bspw. bereit, eine höhere Preisprämie für eine bekannte Marke zu zahlen und sie weiterzuempfehlen (vgl. Hutton 1997, S. 435f.). Die Ergebnisse der Studie heben die Bedeutung der Marke ins-besondere in solchen Kaufsituationen hervor, die durch ein hohes persönliches und organisationales Risiko, hohe Produktkomplexität, Zeitdruck sowie Ressourcenmangel gekennzeichnet sind (vgl. Hutton 1997, S. 436).

In eine ähnliche Stoßrichtung gehen die Ergebnisse von Mudambi , Doyle und Wong (1997). Durch die Telefoninterviews mit 15 Herstellern, Händlern und Einkäufern von Präzisionsanlagen in Großbritannien kommen sie zum Schluss, dass auch bei rational geprägten Entscheidungen immaterielle Produkt- und Anbietereigenschaften Entscheidungsrelevanz aufweisen (vgl. Mudambi et al. 1997, S. 444f.). Besonders in Industriegütermärkten, in denen eine Differenzierung über Produkt und Preis häufig nicht mehr möglich ist, gewinnt der Markenaufbau an Bedeutung. Die Autoren konstatieren: „The potential power of industrial brands is great, but remains largely unexplained and untapped” (Mudambi et al. 1997, S. 445).

Den bisher umfassendsten empirischen Ansatz bzgl. der zentralen Einflussfaktoren der Markenrelevanz liefern Caspar , Hecker und Sabel (2002). Im Rahmen einer Befragung von 600 Einkäufern identifizieren sie als generelle Dimensionen der Markenrelevanz die drei Kernfunktionen einer Marke: Informationseffizienz, Risikoreduktion und ideeller Nutzen (vgl. Caspar et al 2002, S. 13f.; Abschnitt 2.1.2). Da der Nutzen dieser Funktionen entscheidend durch den Kontext eines Produktmarktes beeinflusst wird, untersuchen die Autoren in einem weiteren Schritt den Zusammenhang zwischen marktspezifischen Kontextfaktoren und den einzelnen Markenfunktionen. Dabei unterscheiden sie vier Gruppen von Kontextfaktoren: leistungsbezogene (z. B. Preis und Komplexität einer Leistung), Buying-Center-bezogene (z. B. Anzahl der Entscheider), kaufprozessbezogene (z. B. Beschaffungskomplexität) und umfeldbezogene Einflussvariablen, wie z.B. Anzahl der Hersteller und technologische Dynamik (vgl. Caspar et al. 2002, S. 30f.). Mit ihrer Studie beweisen die Autoren, dass die Kontextfaktoren einen signifikanten Einfluss auf die einzelnen Markenfunktionen ausüben und damit die Bedeutung der Marke in einem bestimmten B2B-Markt determinieren.[36]

Hinweise auf weitere Einflussfaktoren der Markenrelevanz im B2B-Bereich lassen sich aus der Untersuchung von Mudambi (2002) erschließen, bei der 132 industrielle Einkäufer von Präzisionslagern befragt wurden. Dieser Studie nach ist der Ausgangspunkt eines jeden Markenmodells die Annahme, dass Marken den Nachfragern einen Nutzen stiften und ein Bedürfnis der Käufer bzgl. dieser Markennutzen (bzw. Markenfunktionen) vorliegt (vgl. Mudambi 2002, S. 528f.).[37] Die Markenfunktionen beeinflussen je nach Kauf- und Käufereigenschaften[38] die Wichtigkeit des Kaufkriteriums Marke. Die Markenrelevanz wiederum wirkt auf den Kaufprozess und die finale Kaufentscheidung. Die Ergebnisse zeigen, dass die wahrgenommene Bedeutung der Marke über Unternehmen und Kaufsituationen hinweg variiert. Ferner stellt die Autorin unter Anwendung einer Clusteranalyse fest, dass v. a. Einkäufer, die wichtige und riskante Käufe tätigen, für Marken besonders empfänglich sind (vgl. Mudambi 2002, S. 531).

Ähnlich fallen die Ergebnisse der Conjoint-Analyse von Homburg , Jensen und Richter (2006) aus. Im Zuge einer branchenübergreifenden Befragung von 51 industriellen Einkäufern stellen sie fest, dass die Relevanz von Industriegütermarken für das Kaufverhalten in solchen Beschaffungssituationen besonders hoch ausgeprägt ist, die für den Kunden wichtig und neuartig sind (vgl. Homburg et al. 2006, S. 281).

In Anknüpfung an die früheren Studien untersucht Richter (2007) die Bedeutung und das Management von Marken in 313 Industriegüterunternehmen (vgl. Richter 2007, S. 79). Er zeigt, welche Kontextfaktoren die Relevanz von Industriegütermarken beein-flussen und weist u.a. nach, dass erfolgreiche B2B-Marken den Unternehmenserfolg von Industriegüterherstellern nachhaltig verbessern können.

Die zentralen Kernaussagen der betrachteten Studien sind zusammenfassend in der Tab. 3 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 3:Ausgewählte Forschungsbeiträge zur Relevanz der Industriegütermarke

3.1.2 Kritische Beurteilung der vorliegenden Ansätze

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Arbeiten tendenziell auf eine steigende Markenrelevanz hindeuten.[40] Diese hohe Relevanz wird jedoch nicht für den gesamten Industriegüterbereich proklamiert. Vielmehr ist die Markenbedeutung in Abhängigkeit mit ihrem spezifischen Marktkontext und ihren Rahmenbedingungen[41] zu sehen (vgl. Bausback 2007, S. 69; Abschnitt 2.1.3). Die Ergebnisse der Studien zeigen außerdem, dass die Marke im B2B-Bereich vor allem bei der Reduktion des Risikos eine wichtige Rolle spielt (vgl. Backhaus et al. 2002, S. 52; Donnevert 2009; Büschken 1997, S. 193).[42] Insgesamt wird mit den Studien ein analytisch fundiertes und empirisch validiertes Instrumentarium vorgestellt, das die Messung der Markenrelevanz auf einem spezifischen B2B-Markt und somit die Ableitung strategischer Handlungsoptionen für die Industriegüteranbieter möglich macht (vgl. Schröder/Perrey 2002, S. 32).

Ein wesentliches Defizit der Forschungsarbeiten ist hingegen darin zu sehen, dass es oft an einer integrativen Analyse verschiedener Einflussfaktoren der Markenrelevanz mangelt. In den wenigen, existierenden Arbeiten werden bestimmte Einflussbereiche komplett ausgeblendet. Dies gilt insbesondere für die Studie von Caspar et al. , in der mögliche Aktivitäten bzw. Merkmale des Anbieters keine Beachtung finden (vgl. hier und im Folgenden Richter 2007, S. 22). Schließlich beeinflussen auch die markenpolitischen Aktivitäten des Industriegüterherstellers die Entscheidung der Käufer und wirken sich damit auf die Intensität der Markenrelevanz. Kritisch zu bemerken ist weiterhin, dass ein Großteil der Arbeiten sich entweder gänzlich auf die Anbieter- oder jedoch nur auf die Nachfragerperspektive fokussiert. Eine Integration beider Sichtweisen findet eher selten statt (vgl. Mudambi et al. 1997; Mudambi 2002). Außerdem sind die Studien zum großen Teil branchenübergreifend konzipiert. Eine gezielte Untersuchung mit dem Fokus auf eine bestimmte Branche im Industiegüterbereich, die die Heterogenität dieses B2B-Bereichs adäquat abbildet, fehlt bislang vollständig. Demzufolge sind trotz wichtiger empirischer Studien in Bereichen der jungen Markenrelevanz-Forschung noch Lücken evident, welche weitere Forschung als notwendig erscheinen lassen (vgl. Donnevert 2009, S. 36).

Baumgarth und Douven fordern die gegenwärtige Forschung daher auf, auf der Basis bestehender Typologien, Hypothesen über den Einfluss des Branchenkontextes zu spezifizieren und empirisch zu überprüfen (vgl. hier und im Folgenden Baumgarth/Douven 2006, S. 154). Zur Realisierung dieser Forderung schlagen sie vor allem zwei Vorgehensweisen vor: explizite Modellierung des Einflusses des Branchenkontextes auf der Basis von Leistungstypologien (vgl. Abschnitt 2.1.1 und 2.2.1) oder die Replikation bestehender Studien in anderen Industriezweigen zur Überprüfung eines spezifischen Branchenkontextes.

Alle diese Gründe machen die Entwicklung eines integrativen Modells zur Relevanz der Marke in einem speziellen B2B-Bereich notwendig. Dazu werden die Erkenntnisse aus den vorliegenden Forschungsarbeiten sowie aus den Themenfeldern, die in den theoretischen Grundlagen vorgestellt wurden, im folgenden Abschnitt zusammengetragen und in einen Bezugsrahmen integriert.

3.2 Entwicklung eines konzeptionellen Bezugsrahmens

Ein Bezugsrahmen soll dazu dienen, die Konzeption der Arbeit mit all ihren Konstrukten und möglichen Zusammenhängen grob darzustellen und in ein Ganzes einzuordnen (vgl. Wolf 2003, S. 30). Ziel ist es, den weiteren Forschungsprozess und damit die Vorgehensweise der vorliegenden Arbeit zu strukturieren.[43]

Als Grundlage für den konzeptionellen Bezugsrahmen dieser Arbeit dient das klassische SOR-Paradigma ,[44] das seinen Ursprung in der verhaltensorientierten, empirischen Konsumentenforschung nimmt (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, S. 17).

Das SOR-Paradigma stellt einen allgemeinen Rahmen dar und wird in verschiedenen Kontexten angewandt (vgl. Bausback 2007, S. 109). Gemessen an Veröffentlichungen in der einschlägigen Marketing-Literatur kann ein typischer situativer Kontext durch vier Merkmale beschrieben werden: Einzelkundenperspektive , Massenmärkte , Individualkaufentscheidungen und Kaufaktbetrachtung (vgl. hier und im Folgenden Backhaus 1998, S. 42f.). Der beschriebene Kontext trifft jedoch in einem geringen Maße auf Markttransaktionen bei klassischen Industriegütern zu, wie z.B. Kauf einer Großanlage oder komplexer technischer Systeme. Mit dem Fokus auf den Industriegüterbereich ist im Folgenden ein Perspektivenwechsel vorzunehmen.

Zunächst liegt es nahe, die Einzelkundenperspektive durch die im B2B-Bereich charakteristische Interaktionsperspektive zu substituieren. Demnach führt die Reaktion des Käufers wiederum zur Reaktion auf der Anbieterseite. Es kommt also zu gegenseitigen Beeinflussungsprozessen, die das Transaktionsverhalten der Marktteilnehmer verändern (vgl. Backhaus 1998, S. 49).[45] In einem nächsten Schritt ist der Massenmarkt auf einen spezifischen Marktbereich zu reduzieren. So ist der Markt bzgl. möglicher Kunden eher klein und überschaubar (vgl. Caspar et al. 2002, S. 21; Kemper 2000, S. 43; Merbold 1995, S. 414). Anschließend ist das Merkmal Individualentscheidung durch die Betrachtung von Gruppenkaufentscheidungen sowie die Ergänzung der Kaufaktbetrachtung um eine Kaufentscheidungsprozessanalyse zu erweitern (vgl. Backhaus 1998, S. 43).

Der Bezugsrahmen muss weiterhin den Fokus auf die Bedeutung der Marke in einem spezifischen B2B-Bereich widerspiegeln. Eine spezifische Verwendung des SOR-Paradigmas in Bezug auf die Markenrelevanz im Industriegüterbereich konnte nicht gefunden werden. Nach Mudambi determiniert sich jedoch die Relevanz einer Indus-triegütermarke in den Reaktionen der organisationalen Nachfrager, die sich zum einen in internen, nichtsichtbaren Entscheidungsprozessen und zum anderen in sichtbaren Reaktionen in Form von Akzeptanz oder Ablehnung der Markenbedeutung im Rahmen einer Kaufentscheidung äußern (vgl. Mudambi 2002, S. 528).

Für die Erklärung der Markenrelevanz ist die Identifikation ihrer Determinanten notwendig (vgl. Caspar et al. 2002, S. 12). Die in Abschnitt 3.1.1 betrachteten Arbeiten zur Relevanz von Industriegütermarken leisten hierfür einen wertvollen Beitrag. So gehen aus den wissenschaftlichen Studien konkrete Hinweise auf zentrale Einflussfaktoren der Markenrelevanz im Industriegüterbereich hervor.[46] In Anlehnung an die bestehende Forschung kann die Bedeutung von Industriegütermarken grundsätzlich durch Kontextfaktoren aus folgenden fünf Bereichen beeinflusst werden (vgl. Caspar et al. 2002; Richter 2007):

- Merkmale des Marktes (z. B. technologische Dynamik),
- Merkmale des Produkts (z. B. Komplexität),
- Merkmale des Kaufs (z. B. Neuartigkeit des Kaufs),

[...]


[1] Für weitere Definitionen des Marketings vgl. Kotler et al. 2007, S. 18; Homburg/Krohmer 2006, S. 10; Kohlert 2003, S. 3. In der Literatur besteht keine Einigkeit darüber, was den Kern des Marketings ausmacht. Konsens besteht lediglich darin, dass Marketing nicht allein als Unternehmensfunktion (Absatz bzw. Vertrieb), sondern aus einer funktionsübergreifenden Perspektive zu sehen ist (vgl. Backhaus/Voeth 2007, S. 14).

[2] Während das Business-to-Business-Marketing auch die Vermarktung an den konsumtiven Groß- und Einzelhandel miteinbezieht, umfasst das Industriegütermarketing ausschließlich die Vermarktung von Leistungen an gewerbliche Organisationen und Handelsunternehmen (vgl. Engelhardt/Günter 1981, S. 24). Pförtsch und Schmid halten jedoch diese Beschränkung auf gewerbliche Zwischenhändler und Weiterverarbeiter als einengend. Bei den Autoren steht weniger der Aspekt der Wertschöpfungstiefe im Vordergrund, als vielmehr die Stellung und die Eigenschaften nachgelagerter Kunden im Wertschöpfungsprozess (vgl. Pförtsch/Schmid 2005, S. 8; Kleinaltenkamp 2000, S. 173; Godefroid/Pförtsch 2008, S. 21). Gemeinsam bringen beide Definitionen angemessen zum Ausdruck, dass nicht die Gutskategorie, sondern die Art der beteiligten Marktpartner und damit die Verwendung der betreffenden Güter von stärkerer Differenzierungskraft sind (vgl. Binckebanck 2006, S. 18). Dementsprechend werden die Begriffe „Industriegütermarketing“ und „B2B-Marketing“ in dieser Arbeit synonym gebraucht.

[3] Dass der Kundenkreis im Industriegütermarketing nicht die Endkonsumenten, sondern im Allgemeinen Organisationen sind, unterscheidet das Industriegütermarketing grundsätzlich von dem Konsumgütermarketing (vgl. Backhaus 2003, S. 8; Schneider 2002, S. 33).

[4] Als OEM oder Original Equipment Manufacturer bezeichnet man Unternehmen, die Produkte kaufen, um sie nahezu unverändert in ihre eigenen Produkte einzubauen. Ein typisches Beispiel ist die Automobilindustrie: Aus Sicht der Zulieferer (z. B. Conti, Hella, Bosch) sind die Automobilhersteller OEMs (vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 25).

[5] Der Kauf von Schrauben, eines Computers oder einer ganzen Walzstraße hat unter vielen Aspekten (z. B. finanzielle Gegebenheiten) eine sehr unterschiedliche Bedeutung und erfordert daher einen differenzierten Einsatz von Marketing-Instrumenten (vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 29; Homburg/Schneider 2001, S. 589).

[6] Bspw. ist die Kaufhäufigkeit im Produktgeschäft wesentlich höher als im Anlagengeschäft, das Volumen der Leistungsabgabe ist jedoch im Anlagengeschäft größer als im Produktgeschäft. Außerdem zeichnen sich sowohl das Anlagengeschäft, als auch Systemgeschäft durch eine relativ hohe Dienstleistungsintensität aus. So sind bspw. bei der Implementierung eines neuen Fertigungssystems Schulungen erforderlich (vgl. Homburg/Schneider 2001, S. 29).

[7] Rational sind die Entscheidungen auf Industriegütermärkten u. a. aufgrund der Befriedigung organisationaler und nicht individueller Bedürfnisse (vgl. Backhaus/Sabel 2004, S. 789).

[8] Die am Kaufprozess beteiligten Personen kommen meistens aus verschiedenen Funktionsbereichen eines Unternehmens und aus anderen Organisationen zusammen (vgl. Meffert 2000, S. 1204). Die Zusammensetzung des BC variiert abhängig vom zu beschaffenden Industriegut und ist innerhalb der verschiedenen Phasen des Kauprozesses nicht konstant (vgl. Pförtsch/Schmid 2005, S. 16).

[9] Dies schließt nicht aus, dass ein großer Teil der Mitglieder des BC regelmäßig oder grundsätzlich an Beschaffungen beteiligt ist (vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 54).

[10] Diese Rollenausprägung sollte vom Verkäufer mit großer Vorsicht betrachtet werden. In der Praxis kommt es häufig vor, dass ein BC bewusst über den Coach Desinformation an den Verkäufer sendet, um ihn bspw. in Sicherheit zu wiegen, während tatsächlich für den Wettbewerber entschieden wird (vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 57).

[11] Es treten auch andere Organisationen als Anbieter auf Industriegütermärkten auf: Händler und Distributoren sowie diverse Dienstleistungsunternehmen (vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 28).

[12] Unter der Markenpolitik werden sämtliche kurz- und langfristig orientierten Entscheidungen und Maßnahmen markenführender Institutionen (Hersteller, Händler, Dienstleister) verstanden, die darauf abzielen, Leistungen als Marke aufzubauen und im Markt erfolgreich durchzusetzen, um damit spezifische markenpolitische Ziele zu erreichen (vgl. Bruhn 2004, S. 26).

[13] Angesichts der mangelnden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den markenpolitischen Aspekten im Industriegüterbereich liegt bislang keine eindeutige, allgemein anerkannte Definition der Industriegütermarke vor. Häufig wird in der einschlägigen Literatur auf eine genaue Begriffsabgrenzung sogar ganz verzichtet (vgl. Richter, 2007, S. 13).

[14] Darauf stützend subsumiert Richter unter der Industriegütermarke auch Begriffe wie Anlagegüter-, Produktionsgüter, Komponenten-, Material-, Vorprodukt- und Zuliefermarke. Demzufolge verfügt ein Industriegüterunternehmen über eine Marke, sobald es seine Produkte nicht anonym vermarktet, sondern mit einem bestimmten Zeichen oder Merkmal in Verbindung bringt (vgl. Richter 2007, S. 14).

[15] Diese klassische, merkmalsbezogene Markendefinition ist jedoch heutzutage für ein allgemeines Markenverständnis zu eng gefasst (vgl. Webster/Keller 2004, S. 389; Keller/Lehmann 2006, S. 743). So reichen bspw. die Informationen über Herkunft oder Qualität eines Produktes nicht mehr aus, um das Verhalten der Nachfrager erklären zu können (vgl. Köhler 2004, S. 2769). Um den Einfluss von Marke verstehen zu können, ist eine wirkungsbezogene Sichtweise notwendig (vgl. Donnevert 2009, S. 6; Esch 2007, S. 23; Meffert 2006, S. 128).

[16] Eine Marke ist demnach stets immateriell und existiert ausschließlich in Köpfen der Kunden (vgl. Homburg et al. 2006, S. 282; Donnevert 2009, S. 7).

[17] Darunter ist die konzentrierte Kurzbotschaft über die wesentlichen Kapazitäten eines Industriegüteranbieters zu verstehen (vgl. Schweiger 1995). So wird die Marke als „(…) die am höchsten verdichtete Information über ein Produkt“ im Industriegüterbereich verstanden (vgl. Winterling 1993, S. 84). Die Eigenschaft des Information Chunkings gewinnt angesichts der Informationsflut und steigender Leistungskomplexität an Bedeutung (vgl. Caspar et al. 2002, S. 23).

[18] Damit wird ein negatives Gefühl bezeichnet, das infolge einer wahrgenommenen Diskrepanz beim Vergleich zwischen den Vorzügen der gewählten und der ausgeschlagenen Alternative entsteht (vgl. Trommsdorff 2004a, S. 141; Kroeber-Riel et al. 2009, S. 233; Weinberg 1981, S. 78).

[19] In der Informationsökonomie wird unterstellt, dass bei Transaktionsprozessen zwischen Anbietern und Nachfragern Informationsasymmetrien und damit Verhaltensunsicherheiten auftreten (vgl. Hansen/Bode 1999, S. 250; vgl. Abschnitt 3.3.2). Dabei wird die Höhe der Informationsdefizite eines Nachfragers von den Beurteilungsmöglichkeiten eines Leistungsangebots determiniert. Es wird eine Unterscheidung von Leistungsmerkmalen nach Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften vorgenommen (vgl. Kleinaltenkamp 2000, S. 223). Vor allem bei Produkten mit einem hohen Anteil an Vertrauenseigenschaften, die auch nach dem Kauf eines Produktes nicht zweifelsfrei beurteilt werden können (z. B. technischer Wartungszustand und Sicherheit eines Flugzeuges), besteht beim Nachfrager ein hohes Risikoempfinden. Marke kann hier als Signal für eine Leistungsqualität aufgefasst werden und trägt zu einer Minderung des subjektiv empfundenen Risikos bei (vgl. Meffert et al 2005, S. 11f.).

[20] Das Risikoempfinden ist im Industriegüterbereich besonders hoch (vgl. Pförtsch/Schmid 2005, S. 107). Insbesondere die Leistungen mit Systembindung sind sehr risikoreich, da ein Systemwechsel hier nur mit sehr hohen Kosten realisierbar ist (vgl. Backhaus/Voeth 2007, S. 419). Demnach ist es unerlässlich die Integrierbarkeit von künftigen Erweiterungsinvestitionen in das bestehende System abzusichern (vgl. Schröder/Perrey 2002, S. 17).

[21] Diese auch als „Ingredient Branding“ bekannte Strategie bezeichnet eine vom Markenanbieter über mehrere Marktstufen gesteuerte Markenpolitik, die einen Nachfrage-Pull des Endverbrauchermarktes auf den Anbietern nachfolgenden Wertschöpfungsstufen initiiert (vgl. Freter/Baumgarth 2005, S. 462; Ludwig 2000, S. 20). Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Zusammenspiel vom Mikroprozessorhersteller Intel mit seiner „Intel Inside“-Kampagne und dem Computerhersteller IBM (vgl. hierzu ausführlicher Ginter/Dambacher 2002, S. 65).

[22] Die hohen ökonomischen Markenwerte für Industriegütermarken stellen einen weiteren Nachweis für die steigende Markenrelevanz dar. Dem Interbrand-Ranking zufolge lassen sich 17 der 100 wertvollsten Marken, wie z. B. IBM, SAP, CATEPILLAR und SIEMENS, dem B2B-Bereich zuordnen (vgl. Baumgarth/Douven 2006, S. 137).

[23] Baumgarth und Haase beziehen sich in ihrer Definition von Markenrelevanz auf MCM und McKinsey. Insofern stellt sie keine inhaltlich neue Definition dar. Die Autoren unterscheiden jedoch zwischen der aktuellen und der potenziellen Markenrelevanz. Potenzielle Markenrelevanz wird zwar nicht explizit definiert, beschreibt aber die mögliche Relevanz von Marken in einer Produktkategorie, die noch über keine bekannten Marken verfügt. (vgl. Baumgarth/Haase 2005a, S. 44f.).

[24] Nach der Definition von VDMA gehört zum Maschinenbau auch die Herstellung von Waffen und Haushaltsgeräten (vgl. VDMA [Statistisches Handbuch] 2009, S. 10). Im Folgenden werden jedoch die beiden Produktkategorien nicht weiter behandelt, da ihr Verständnis aus dem Rahmen des B2B-Kontextes hinausgeht.

[25] Die Unterscheidung der Erzeugnisarten entspricht weitgehend dem im Rahmen von gütertypologischen Ansätzen des Industriegütermarketings üblichen Vorgehen (vgl. Abschnitt 2.1.1).

[26] Da der Maschinenbau ausschließlich Industriegüter produziert, hängt er vom Investitionsklima und von der Gewinnsituation der Wirtschaft ab. Maschinen werden in der Regel dann gekauft, wenn sich die Investition vor dem Hintergrund der aktuellen und der zukünftig zu erwartenden wirtschaftlichen Situation des Nachfragers lohnt (vgl. Lehnen 2002, S. 77f.; Krist 1993, S. 327). Laut der VDMA-Prognose wird bspw. die reale Produktion der deutschen Maschinenhersteller im Jahr 2009 aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise von 2008 um 7% zurückgehen. Erstmals seit 2003 ist die Branche wieder in der Unterauslastung der Sachkapazitäten. Eine dermaßen geringe Auslastung hat in der Branche zuletzt 1993 statt gefunden (vgl. VDMA [Konjunkturbulletin] 2009a).

[27] Maßgeschneiderte Kundenlösungen drücken den Pro-Kopf-Umsatz auf rund 212 500 Euro (vgl. VDMA).

[28] In 18 von 30 international vergleichbaren Fachzweigen, wie z. B. Antriebs- und Fördertechnik, ist der deutsche Maschinenbau sogar Weltmarktführer (vgl. VDMA 2009).

[29] Zu den Ergebnissen der Studie vgl. ausführlicher Deraed 2003.

[30] Dies beinhaltet sowohl das Aufzeigen theoretischer Bezugspunkte als zentrale Basis für die Entwicklung des Untersuchungsmodells und –hypothesen zur Beantwortung der Forschungsfragen (vgl. Abschnitt 3.2 ), als auch die Darstellung grundlegender Aspekte bzgl. der empirischen Erhebung, die zur Uberprüfung der entwickelten Hypothesen im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wird (vgl. Abschnitt 3.3).

[31] Prominentes Pionierbeispiel hierfür ist die von der Brand Trust Markenstrategie-Beratung 2007 zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum durchgeführte Studie „B2B-Marken in der Praxis“ (vgl. Willhardt 2008, S. 32f.). Befragt wurden 67 Einkäufer und Verkäufer (Kunden- und Lieferantenperspektive) der Maschinenbaubranche sowie 134 Personen in entsprechenden Positionen der Automobil- und Chemiebranche. Das Ziel der Studie war es u. a. herauszufinden, welche Kriterien die Kaufentscheidung beeinflussen und wie diese von B2B-Marken erfüllt werden (vgl. Gietl 2008). Demzufolge treffen die Einkäufer Entscheidungen vorrangig nach den Sicherheitskriterien Qualität , Garantie und Zuverlässigkeit , sehen aber diese bei ihren Lieferanten nur unzureichend erfüllt. Für die Verkäufer sind es v. a. die Beziehungsklassiker Flexibilität und Kompetenz die kaufentscheidenden Kriterien. Einig sind sich die beiden Gruppen hingegen in der Bewertung von Leistungsaspekten: Sie sind Selbstverständlichkeiten, die bestenfalls bei Innovation und Spezialisierung Entscheidungseinfluss ausüben (vgl. hierzu ausführlicher Willhardt 2008, S. 36). Dabei führt der Maschinenbau mit fast der Hälfte an erfüllten Kundenkriterien den Branchenvergleich an (vgl. Willhardt 2008, S. 34). Im Hinblick auf die Industriegütermarke sind 88% der befragten Maschinenbauer überzeugt, dass sie einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet, jedoch sind die Unternehmen „weit davon entfernt, sich wie eine Marke zu verhalten“ (vgl. o. V. 2007; Gietl 2008).

[32] Darüber hinaus belegen diverse in den letzten Jahren in der Praxis etablierte Preisverleihungen wie die „Business Superbrands“ und der „BoB“ (Best of Business-to-Business) die steigende Relevanz von Industriegütermarken (vgl. Baumgarth/Douven 2006, S. 137).

[33] In den meisten Publikationen wird auf das Thema „Industriegütermarke“ sogar vollständig verzichtet (vgl. Baumgarth/Douven 2006, S. 137).

[34] Baumgart und Douven identifizieren im Rahmen einer Literaturanalyse zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit B2B-Marken sieben Inhaltskategorien der Bearbeitungsintensität. Dabei stellt der „Markenaufbau“ mit 36,8% das am häufigsten behandelte Themengebiet dar. Die Themenfelder „Markenwirkung“, „Controlling“ und „Implementierung“ folgen mit einem deutlichem Abstand: 14,6%, 13,2% und 11,8%. „Markenspezifika“, „Markenrelevanz“ und „Markenentwicklung“ gehören dagegen mit 9,7%, 7,6% und 6,3% verhältnismäßig zu den wenig bearbeiteten Themenbereichen (vgl. Baumgarth/Douven 2006, S. 147f.).

[35] Allerdings stellt Krämer in diesem Zusammenhang relativierend fest, dass die Produktmarkierung lediglich 5% der Marketingaktivitäten von Industriegüterherstellern ausmacht (vgl. Krämer 1993, S. 313 sowie S. 438).

[36] Bzgl. des Markennutzens weist die Risikoreduktion die höchste Ausprägung auf, dicht gefolgt von der Steigerung der Informationseffizienz. Die beiden Funktionen sind insbesondere bei komplexen Produkten wie Schaltanlagen und Werkzeugmaschinen wichtig. Der ideelle Nutzen ist dagegen deutlich geringer ausgeprägt. Bei der ideellen Nutzenstiftung haben v.a. solche Industriegütermarken Wirkung, die besonders gut sichtbar für die verschiedenen Stakeholder wie z. B. Mitarbeiter und Kunden sind (vgl. Caspar et al. 2002, S. 43f.).

[37] Der Ansatz von Mudambi stimmt bzgl. der Markennutzen als Determinanten der Markenrelevanz mit dem von Caspar et al. überein. Allerdings beeinflussen hier die Markenfunktionen die Markenrelevanz indirekt über die Kauf- und Einkäufercharakteristika (vgl. Mudambi 2002, S. 528).

[38] Als häufigste Käufereigenschaft stellt die Autorin „branding receptiveness“ (Markenempfänglichkeit) fest, welche mit Kapferers und Laurents „Markensensibilität“ gleichzusetzen ist (vgl. Kapferer/Laurent 1988, S. 13f.). Die anderen beiden Kundencluster sind „high tangible“ und „low interest“ (vgl. Mudambi 2002, S. 530).

[39] Im B2B-Produktmarkt für Buchbindemaschinen konnte Donnevert empirisch nachweisen, dass der Risikoreduktionsnutzen am stärksten die Markenrelevanz beeinflusst. Einen ebenfalls signifikanten Einfluss auf die Bedeutung der Marke üben Vertrauens- und Prestigenutzen aus. Für die Nutzenarten: Informationseffizienz-, Konsensfindungs- und Rechtfertigungsnutzen konnte dagegen kein signifikanter Einfluss festgestellt werden (vgl. ausführlicher Donnevert 2009, S. 212f.).

[40] Backhaus und Sabel stellen jedoch in diesem Zusammenhang relativierend fest, dass nur wenige wissenschaftliche Studien der Marke eindeutig eine hohe Relevanz attestieren. Aufgrund der wachsenden, aber immer noch geringeren Anzahl an empirischen Arbeiten sowie der Übersicht der dort gefundenen Erkenntnisse folgt zwangsläufig, dass „aus wissenschaftlicher Perspektive von einem Markenhype im Industriegüterbereich nicht die Rede sein kann“ (Backhaus/Sabel 2004, S. 785; Homburg et al. 2006, S. 283).

[41] Damit werden Veränderungen im B2B-Kontext gemeint, die die Markenrelevanz beeinflussen (vgl. Bausback 2007, S. 71). In diesem Zusammenhang sind u. a. eine zunehmende Leistungshomogenität, Komplexität und Preisdruck zu nennen (vgl. Webster 1993, S. 203).

[42] Während im B2B-Bereich die Risikoreduktion dominiert, stellt im Konsumgüterbereich der ideelle Nutzen die wichtigste Funktion dar. Die Ursache dafür liegt in den unterschiedlichen Kaufprozessen dieser Segmente (vgl. Backhaus et al. 2002, S. 52).

[43] Mit anderen Worten besteht die zentrale Funktion eines konzeptionellen Rahmens in der Strukturierung der komplexen Realität, der Leitung explorativer Untersuchung sowie der anschließenden Stützung generierter Untersuchungshypothesen (vgl. Kutz 2004, S. 119).

[44] Das Verhalten lässt sich danach durch das Einwirken von Umwelteinflüssen (Reize bzw. Stimuli ) auf den Nachfrager ( Organismus ) erklären. Die beobachtbaren Reize der Umwelt werden unter der Berücksichtigung von nicht beobachtbaren, psychischen Prozessen wie Einstellung, Präferenzen, Involvement etc. vom Organismus verarbeitet und erzeugen eine beobachtbare Reaktion ( Response ), wie z.B. Kauf (vgl. Kroeber-Riel et al. 2009, S. 17; Backhaus 1998, S. 42).

[45] Zu bemerken ist, dass eine isolierte Betrachtung des Interaktionsansatzes im Rahmen des Industriegütermarketings nicht ausreichend ist. Erst eine Integration von Interaktionsansatz und SOR-Paradigma erlauben eine umfassende Beschreibung des Industriegütermarketings (vgl. Plinke 1991, S. 176f.).

[46] In den Arbeiten von Caspar/Hecker/Sabel und Donnevert wird die Markenrelevanz in einem Produktmarkt unmittelbar von den Funktionen einer Marke beeinflusst, die ihrerseits von den produktmarktspezifischen Kontextfaktoren abhängen (vgl. Caspar et al. 2002; Donnevert 2009; Abschnitt 3.1.1). Im Rahmen dieser Arbeit wird jedoch auf eine explizite Prüfung der Markenfunktionen verzichtet, da sich der Einfluss der Markenfunktionen auf die Markenrelevanz implizit durch die Kontextfaktoren abbilden lässt (vgl. Richter 2007, S. 75; Abschnitt 3.3.2).

Ende der Leseprobe aus 156 Seiten

Details

Titel
Management von Industriegütermarken - Analyse, Relevanz und Gestaltungsempfehlungen für deutsche Maschinenbauunternehmen
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Marketing und Management)
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
156
Katalognummer
V209683
ISBN (eBook)
9783656372394
ISBN (Buch)
9783656372806
Dateigröße
2424 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
management, industriegütermarken, analyse, relevanz, gestaltungsempfehlungen, maschinenbauunternehmen
Arbeit zitieren
Irina Fix (Autor:in), 2009, Management von Industriegütermarken - Analyse, Relevanz und Gestaltungsempfehlungen für deutsche Maschinenbauunternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209683

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