Mythen in der Markenwelt. Eine Analyse der Marke Marlboro

Entwicklung eines semiotischen Analysemodells für Markenmythen am Beispiel des Marlboro-Cowboys


Masterarbeit, 2012

84 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Wo ist der Cowboy geblieben?
1.2 Problemstellung
1.3 Zielsetzung
1.4 Aufbau der Arbeit

2 Die Macht der Marke
2.1 Was macht starke Marken unwiderstehlich?
2.1.1 Wirkungsbezogene Definition der Marke
2.1.2 Funktionen der Marke
2.1.3 Markenidentität und Markenschemata
2.2 Das Leben einer Marke - Markenlebenszyklus
2.3 Kontinuität als einziger Schlüssel zum Erfolg?

3 Mythen in der Markenwelt
3.1 Definition Mythos
3.2 Mythos und Marke als Mitteilungssystem
3.3 Semiotik des Mythos

4 Analyse
4.1 Entwicklung des mythologischen Analysesystems
4.2 Untersuchungsschritte
4.2.1 Hat die Marke Mythos-Charakter?
4.2.2 Welcher Mythos steckt in der Marke?
4.2.3 Markengeschichte und äußere Einflüsse
4.2.4 Untersuchung des Wertesystems
4.2.5 Interpretation und Wirkung auf den Verbraucher
4.3 Untersuchung der Marke Marlboro (Jahre 1902 bis 2007)
4.3.1 Hat die Marke Mythos-Charakter?
4.3.2 Welcher Mythos steckt in der Marke?
4.3.3 Markengeschichte und äußere Einflüsse
4.3.4 Untersuchung des Wertesystems
4.3.5 Interpretation und Wirkung auf den Verbraucher
4.3.6 Die Abkehr vom Cowboy
4.4 Untersuchung der MAYBE-Kampagne
4.4.1 Kampagnen-Phasen
4.4.2 Die „Generation Maybe“
4.4.3 MAYBE und die Werte der Marke Marlboro
4.5 Der Cowboy heute
4.5.1 Back to Marlboro Country
4.5.2 Be a real man
4.5.3 Be a real Cowgirl
4.5.4 Submarke „BE“ für die jüngere Zielgruppe
4.5.5 The real flavor
4.5.6 Sortiments-Straffung

5 Zukünftige Bedeutung des Mythos für Marken

Anlagen

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Marlboro-Kampagne 2008

Abbildung 2: BE-Marlboro-Kampagne 2011

Abbildung 3: MAYBE-Kampagne 2012

Abbildung 4: Lebenszyklusmodell einer Marke

Abbildung 5: Folgen des Kommunikationsbruchs bei Camel für die Entwicklung des Marktanteils im Zigarettenmarkt

Abbildung 6: Denotation und Konnotation als primäres und sekundäres Bedeutungssystem

Abbildung 7: Dyadisches Zeichenmodell nach de Saussure

Abbildung 8: Schema des Zusammenspiels von Objekt, Zeichen und Bedeutung

Abbildung 9: Zusammensetzung der Objektsprache auf der ersten Bedeutungsebene

Abbildung 10: Der Mythos als semiologisches System

Abbildung 11: Der Mythos der Marke Coca-Cola im semiologischen System

Abbildung 12: Erweiterung des mythologischen Systems um ein Wertesystem

Abbildung 13: Vollständiges Analysemodell auf Basis des mythologischen Systems

Abbildung 14: Die Marke Marlboro im mythologischen System

Abbildung 15: Zeitstrahl der Marke Marlboro (1902 - 2007)

Abbildung 16: Wertewandel in der Gesellschaft (1950er bis 2000er Jahre)

Abbildung 17: MAYBE-Kampagne Dezember 2011

Abbildung 18: Verschiedene Motive der MAYBE-Kampagne 2012

Abbildung 19: MAYBE-Kampagnenmotiv in der Schweiz, September 2012

Abbildung 20: Zeitstrahl der Marke Marlboro (2007 - 2012)

Abbildung 21: Werte des Cowboys vs. Werte der MAYBE-Kampagne

Abbildung 22: Untersuchungsschritte im Überblick

Abbildung 23: Marktanteil der Marke Marlboro (ab 1975)

Abbildung 24: Zeitstrahl der Marke Marlboro mit Abbildung der Marktanteile (ab 1975)

1 Einleitung

1.1 Wo ist der Cowboy geblieben?

Es ist noch gar nicht all zu lange her, dass der Mann mit dem charismatischen Gesicht, den engen Jeans und der tief ins Gesicht gezogenen Hutkrempe auf Plakaten zu sehen war. Wer erinnert sich nicht an die endlosen Weiten, die Steppe, die Canyons und die Pferde, die eingefangen und gezähmt werden wollten von den Cowboys aus Marlboro Country? Man freute sich beim Kinobesuch auf die Marlboro-Werbung - auf einen Hauch von Freiheitsgefühl mitten im tristen Alltag. Für ein paar Minuten konnte man fliehen nach Marlboro Country. Man beneidete den Cowboy, den Individualisten, der stets bereit war, sich allen Herausforderungen seiner Umwelt zu stellen. Ganz lässig und unbeeindruckt mit einer Marlboro im Mundwinkel (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Marlboro-Kampagne 2008

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://www.neuroanker.de/blog-post/der-marlboro-mann-fehlt

Doch wo ist er nun geblieben der sagenumwobene Mann, der in die spannende Welt des Marlboro-Landes eingeladen hat? Der Cowboy ist weg. Eingegangen in die ewigen Jagdgründe von Marlboro Country in den Rocky Mountains, um Platz zu machen für den vermeintlich moderneren Abenteurer der Großstädte, der mit Schal, Jacket und frisch geputzten Schuhen durch eine Berglandschaft spaziert (vgl. Abbildung 2). Die Marke Marlboro, die jahrelang lang als mutig und naturverbunden positioniert war und die Werte Abenteuer und Freiheit verkörperte, repräsentiert nun ein verwaschenes Bild eines modernen Abenteurers, der wenig abenteuerlich aussieht (Stachura2011) .

Abbildung 2: BE-Marlboro-Kampagne 2011

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: www.taringa.net/posts/imagenes/14592350/Publicidad-Marlboro-_Hace-unos-anos_.html

So zumindest präsentierten sich die ersten Motive einer neuen Marlboro-Kampagne Anfang 2011, als der Cowboy als Werbeikone für die Marke verschwand und durch die „BE-Marlboro“-Kampagne und im Dezember 2011 schließlich durch die „MAYBE“-Kampagne ersetzt wurde. Lässt sich bei der „BE-Marlboro“-Kampagne noch die Szenerie der Rocky Mountains als schwacher Hinweis auf das Marlboro Country erahnen, werden in der nachfolgenden „MAYBE“-Kampagne hauptsächlich urbane Großstadt-Szenen abgebildet (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: MAYBE-Kampagne 2012

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenQuelle: http://broell.blogspot.de/2012/03/marlboro-maybe-eine-wette-mit-philip.html ; www.wuv.de/marketing/marlboro_setzt_maybe_kampagne_aus

Slogans wie „Maybe will never be her own Boss“ oder „Maybe never fell in love“ sollen suggerieren, dass jemand, der „vielleicht“ sagt und keine eindeutigen Entscheidungen trifft, keinen Erfolg haben wird. Die Kampagne soll zu Entschlossenheit und klaren Positionen auffordern. Leider verleiten die Slogans vor allem in Deutschland zu falschen Übersetzungen und führen zu einem Missverstehen der eigentlichen Werbeaussage. „Sie wird vielleicht nie ihr eigener Boss sein“ oder „Sie hätten sich wahrscheinlich nie verliebt“ sind die am naheliegendsten Aussagen, die sich aus einer direkten Übersetzung ergeben.

Was alle Motive gemein haben, ist der Verweis unter dem jeweiligen Slogan „BE Marlboro“. Übersetzt: „Sei Marlboro“. Doch möchte die Zielgruppe wirklich „Marlboro“ sein? Wollten treue Markenverwender nicht viel lieber ein Cowboy sein? Es stellt sich nun die Frage, ob sich die Konsumenten tatsächlich noch mit dieser Marke identifizieren können.

Was immer Marlboro mit der Kampagne ausdrücken möchte, der neue Markenauftritt hat nichts mehr zu tun mit Lagerfeuerromantik und endlosen Weiten, nichts mehr mit dem Cowboy. Die sagenumwobene Identifikationsfigur ist weg. Was bleibt nun in den Köpfen der Konsumenten zurück wenn sie an die Marke Marlboro denken? Waren nicht der Cowboy und Marlboro Country die Erfolgsfaktoren der Marke? Haben nicht genau diese Elemente die Marke über Jahre hinweg zu einer der erfolgreichsten, stärksten und am konsequentesten geführten Marken der Welt gemacht?

Beim Blick auf weitere erfolgreiche Marken wird deutlich, welche Rolle solche Identifikationsfiguren spielen können. Was wäre z.B. wenn der Bärenmarke-Bär auf einmal nicht mehr auf den saftigen Wiesen in den Bergen herumspringen würde, sondern durch eine vermeintlich modernere Figur ersetzt werden würde, die in einer Großstadt umherläuft? Was wäre Milka ohne die lila Kuh? Oder Meister Proper ohne den glatzköpfigen Mann? Massive Veränderungen des Markenauftritts wie bei Marlboro bergen immer die Gefahr eines Vertrauensverlustes bei den Kunden.

Es gibt Marken, die über Jahre, manche sogar über Generationen hinweg Erfolg haben, sich stets treu geblieben sind und doch die Relevanz in der Gesellschaft und bei ihren Kunden nie verloren haben. Es stellt sich die Frage, was diese Marken so erfolgreich gemacht hat. Gibt es einen Erfolgsfaktor, der sie verbindet? Was hat z.B. die Marke Nivea an sich, dass sie heute noch immer relevant ist? Was hat die Bärenmarke und was hat Milka an sich? Und was hatte der Cowboy? Sie alle umgibt etwas Geheimnisvolles. Etwas, das man nicht wirklich beschreiben kann. Jeder weiß, dass es starke Marken sind. Jeder hat beim Gedanken an die Marke ein vertrautes Gefühl. Schon bei der Großmutter stand die blaue Dose mit dem weißen Schriftzug am Waschbecken, die Mutter und sogar der Vater benutzten täglich Nivea-Creme und so wuchsen auch die Kinder mit der weißen Creme auf. Auch der Bärenmarke-Bär gießt seit Generationen die frische Milch in den Bottich und tanzt über die Wiesen in den Bergen. Die Bildmarke der Mutter-Kind-Einheit strahlt heute wie damals einen gewissen Schutz und Fürsorglichkeit aus (Grünewald2008). Die Milka-Kuh verkörpert schon lange die „zarteste Versuchung seit es Schokolade gibt“ und der Cowboy ritt viele Jahre lang durch die Rocky Mountains und entführte uns zum Klang des Marlboro-Songs in eine spannende Welt voller Freiheit und Abenteuer. Beim Gedanken an alle genannten Beispiele entstehen in unseren Köpfen Bilder und Assoziationen, die uns vertraute Geschichten erzählen und uns in andere Welten entführen. Legendär, sagenumwoben, sogar mythisch? Kann man hier von einem mythischen Charakter der Marken sprechen? Ist es der Mythos, der diese Marken über Jahre, ja sogar über Generationen erfolgreich gemacht hat?

1.2 Problemstellung

Erfolgreiche Marken besitzen oft einen mythischen Kern, auf den das gesamte Markenbild aufbaut oder der dem Konsumenten implizit vermittelt wird. Im heutigen Sprachgebrauch wird der Begriff Mythos sehr häufig verwendet. Sei es beim Gedanken an verstorbene Legenden wie Elvis Presley, Marilyn Monroe, James Dean und John F. Kennedy oder bei der Erwähnung eines Sportidols wie Husain Bolt, Weltfußballer Pelé oder der deutschen Nationalelf während einer Fußballweltmeisterschaft. Auch der amerikanische Mythos „vom Tellerwäscher zum Millionär“ oder der Mythos vom Bermuda-Dreieck sind weit verbreitete Legenden. Sagen von griechischen und germanischen Göttern und Helden wie Sisiphos oder Thor, Erzählungen von König Arthus und seiner Tafelrunde gelten ebenfalls als Legenden oder Mythen. Auch Marken wie bspw. Coca Cola oder Jack Daniels sind von etwas Mythischem umgeben, welches schwer zu beschreiben ist. Dem Begriff Mythos haftet jedoch oft auch ein negativer Aspekt an wenn unterstellt wird, etwas entspräche nicht der Wahrheit, es sei also nur ein Mythos.

Auch erfolgreiche Marken wie Nivea, Bärenmarke, Milka oder Marlboro könnten einen mythischen Kern haben. Bei Nivea könnte dies der Mythos der Reinheit und Pflege sein, bei der Bärenmarke der Mythos der Mutter-Kind-Einheit und Fürsorge und bei Milka könnte es der Mythos der unberührten Natur in der Alpenwelt sein. Die Marke Marlboro könnte einzig durch den Cowboy-Mythos so erfolgreich geworden sein.

Es stellt sich nun die Frage, wie sich diese erfolgreichen Marken über lange Zeit hinweg behaupten konnten und welche Rolle der Mythos-Charakter hierbei spielt. Anhand der Marke Marlboro soll untersucht werden, wie der Mythos einer Marke über Jahre oder sogar über Generationen hinweg in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft am Leben erhalten werden konnte und ob der Mythos dabei bestimmte Codes oder Werte vermittelt hat.

In Anbetracht der momentanen Situation der Marke Marlboro stellt sich die Frage, ob eine Marke, die über Jahrzehnte hinweg vom Cowboy-Image lebte, sich es leisten kann, dieses aufzugeben und es mit einer neuen Interpretation der Kernwerte Freiheit und Abenteuer schaffen wird, neue Marktanteile zu gewinnen und sich weiterhin als Marktführer zu behaupten.

Wird der Marke aufgrund einer strategischen Neuausrichtung auf dem Markt ein solcher Mythos genommen, oder hat der Mythos keine Relevanz mehr in der Gesellschaft, kann das der Untergang einer einst erfolgreichen Marke sein. Im Fall der Marke Marlboro könnte die Abkehr vom Cowboy-Mythos ebenfalls negative Folgen haben.

1.3 Zielsetzung

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es herauszufinden, welchen Einfluss Mythen in der Markenwelt besitzen und wie man mit Hilfe des Mythos eine Marke langfristig aufrecht und damit relevant halten kann. Anhand der Marke Marlboro soll im Rahmen einer qualitativen Analyse untersucht werden, welchen Gehalt Mythen im Kern einer Marke haben und was sie imstande sind, ihr zu geben. Dabei gilt es, mit Hilfe der Semiotik bestimmte Werte und Codes zu entschlüsseln, die von einer erfolgreichen Marke mit Mythos-Charakter verkörpert werden. Dies soll bei der Beantwortung der Frage helfen, welche Rolle der Mythos für den Erfolg von Marken spielt. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Untersuchung des Cowboy-Mythos im Zusammenhang mit der Marke Marlboro. Aus den Ergebnissen der Analyse werden Erkenntnisse generiert und Handlungsempfehlungen für die Marke Marlboro abgeleitet.

1.4 Aufbau der Arbeit

Kapitel 2 dieser Arbeit befasst sich mit der Erarbeitung der für die Zielsetzung relevanten theoretischen Grundlagen. Um die Auswirkungen zu untersuchen, die eine Marke auf den Konsumenten haben kann, wird zunächst der Begriff der Marke aus wirkungsbezogener Sicht definiert und eingeordnet. In diesem Zusammenhang sollen auch die verschiedenen Funktionen der Marke aus Verbrauchersicht dargestellt werden. Die Begriffe Markenimage, Markenidentität und Markenschemata werden vorgestellt und voneinander abgegrenzt. Anhand des Markenlebenszykluskonzepts wird im Anschluss daran die Wichtigkeit von Kontinuität und Relevanz in der Markenführung verdeutlicht. Diese Faktoren verleihen einer Marke Macht über den Konsumenten. Durch die Aufladung mit zusätzlichen Bedeutungen und bestimmten Codes können erfolgreiche Marken es schaffen, über Jahre hinweg relevant zu bleiben. Dem Mythos wird hierbei eine besonders wichtige Rolle zugeschrieben.

Kapitel 3 beschäftigt sich im Anschluss daran mit dem Thema Mythos. Es wird angenommen, dass der Mythos als Instrument der Markenkommunikation in der Lage ist, Marken erfolgreich sein zu lassen und diesen Relevanz sowie Kontinuität verleihen. Um die Macht des Mythos verstehen zu können, erfolgt zunächst eine schrittweise Annäherung an dieses Phänomen. Zur Erklärung des Konstrukts Mythos werden verschiedene Definitionen und Begriffsabgrenzungen herangezogen, bevor der Mythos mit Hilfe des semiologischen Systems von Roland Barthes untersucht wird, um die Vielschichtigkeit des Mythos zu verdeutlichen.

Da angenommen wird, dass der Cowboy-Mythos für die Marke Marlboro und deren Erfolg eine wichtige Rolle spielt, wird in der Analyse in Kapitel 4 der Schwerpunkt auf diese Marke und die Werbefigur des Cowboys gelegt. Die Marke soll hinsichtlich ihrer Entwicklung sowie geschichtlicher, gesellschaftlicher und medialer Einschnitte im Verlauf der letzten Jahrzehnte untersucht werden. Zu diesem Zweck wird ein Analysemodell entwickelt, mit dessen Hilfe der Mythos der Marke Marlboro untersucht werden soll. Das Analysemodell baut auf das mythologische System von Roland Barthes auf und wird in diesem Schritt um zwei wichtige Untersuchungselemente erweitert. Danach werden die konkreten Untersuchungsschritte im Einzelnen festgelegt, um die praktische Anwendbarkeit des Modells zu gewährleisten.

Im Anschluss daran findet das zuvor entwickelte Analyseraster anhand der Marke Marlboro Anwendung. Die qualitative Analyse soll Erkenntnisse darüber liefern, ob der Erfolg der Marke dem Cowboy-Mythos zuzuschreiben ist und welche Bedeutung die MAYBE-Kampagne für die Marke hat. Hieraus sollen Handlungsempfehlungen bezüglich der weiteren Markenführung von Marlboro abgeleitet werden. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick auf die Bedeutung des Mythos für Marken.

2 Die Macht der Marke

2.1 Was macht starke Marken unwiderstehlich?

Der Cowboy ist weg. Und mit ihm vielleicht auch bald die Marke Marlboro. Was bleibt übrig, wenn man beim Gedanken an die Marke den Cowboy und die Rocky-Mountain-Idylle außen vor lassen muss? Waren es nicht genau diese Assoziationen, die beim Verbraucher die Marke definiert haben? Wie kommt es dazu, dass ein simples Produkt, wie im Falle Marlboros eine Zigarette, es schaffen kann in den Köpfen von Rauchern und Nichtrauchern automatisch eine Bildwelt der Freiheit und des Abenteuers, der Lagerfeuerromantik und der Cowboys zu öffnen (Esch2008,S.24)? Um herauszufinden, wie eine solche Wirkung entstehen kann, muss zunächst untersucht werden, wie das Prinzip Marke funktioniert.

2.1.1 Wirkungsbezogene Definition der Marke

Der Markenbegriff soll an dieser Stelle weder im klassischen Verständnis aus merkmalsbezogener Sicht noch aus rechtlicher, wettbewerbs-, oder erfolgsorientierter Sicht definiert werden (Esch;Langner;et al.2005,S.9 ff.). Hintergründe zur historischen Entwicklung und unterschiedlichen Kategorisierungen des Markenverständnisses sollen an dieser Stelle ebenfalls nicht vorgestellt werden. Diese werden in der Grundlagenliteratur bereits hinlänglich bearbeitet und diskutiert[1]. Für die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit geht es vielmehr um das Verständnis des Einflusses einer Marke auf den Konsumenten. Da untersucht werden soll, wie ein Produkt bestimmte Assoziationen im Kopf des Verbrauchers auslösen kann, wird im Folgenden auf die sogenannte wirkungsbezogene Sichtweise näher eingegangen, die sich am Konsumenten ausrichtet.

Das subjektive, nachfragerbezogene Markenverständnis ist somit die Grundlage für den in dieser Arbeit verwendeten Markenbegriff. Meffert et al. definieren demnach die Marke

„als ein in der Psyche des Konsumenten und sonstiger Bezugsgruppen der Marke fest verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung [..].“ (Meffert et al.2002,S.6)

Eine Marke entsteht also dann, wenn sie beim Verbraucher ein relevantes, unverwechselbares und positives Image auslöst (Esch;Wicke;et al.2005,S.11). Dabei soll die Leistung, die der Marke zu Grunde liegt, „über einen längeren Zeitraum in gleichartigem Auftritt und in gleich bleibender oder verbesserter Qualität“ (Meffert et al.2002,S.6) angeboten werden. Dieser wirkungsbezogene Ansatz betrachtet die Marke über die Wahrnehmung des Verbrauchers. Psychologische und soziologische Aspekte wie Motivationen, Werte, Emotionen und Einstellungen der Konsumenten spielen hierbei eine wichtige Rolle (Bruhn2004,S.11).

Nach diesem Ansatz kann eine starke Marke nur dann entstehen, wenn die Konsumenten ihr gegenüber ein gewisses Vertrauen aufbauen und ihr über einen längeren Zeitraum hinweg eine bestimmte Identität zuschreiben. Nur eine Marke, die über eine klare Identität in den Köpfen der Konsumenten verfügt, kann es schaffen, eine dauerhafte Kundenbindung und dadurch Markentreue aufzubauen. Neben einem klaren, prägnanten Auftritt der Marke verhelfen demnach vor allem die positiven, relevanten und unverwechselbaren Vorstellungen und Assoziationen im Kopf des Verbrauchers zu einer gewissen Markenstärke (Meffert et al.2002,S.6; Weinberg, 1995, S. 2681 zit. nach Esch2008,S.22).

Neben funktionalen und materiellen Aspekten eines Produktes bestimmen somit hauptsächlich emotionale Aspekte wie Gefühle, persönliche Assoziationen und Erfahrungen die Wirkung auf den Verbraucher. Das Beispiel Marlboro macht deutlich, in welchem Ausmaß es eine starke Marke vermag, beim bloßen Gedanken an den Markennamen automatisch Gefühls- und Bildwelten im Kopf des Konsumenten zu öffnen (Esch2008,S.22).

2.1.2 Funktionen der Marke

Nachdem der Begriff der Marke aus Verbrauchersicht definiert und eingeordnet wurde, soll nun auf die verschiedenen Funktionen eingegangen werden, die Marken innehaben können. Aus Sicht des Konsumenten bietet eine Marke vielerlei Nutzen im Laufe des Kaufentscheidungsprozesses[2]. Neben Orientierungshilfe, Entlastungs-, Qualitätssicherungs- und Prestigefunktion sind an dieser Stelle vor allem die Vertrauens- und die Identifikationsfunktion hervorzuheben (Meffert et al.2002,S.9 ff.). Die Vertrauensfunktion kann erklärt werden, indem die Verhaltensunsicherheit aufgrund gewisser Informationsdefizite beim Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung betrachtet wird. So haben Konsumenten vorwiegend beim Kauf eines neuen Produktes, welches sie noch nicht verwendet haben und somit nicht umfassend beurteilen können, ein hohes Risikoempfinden. Kann das Produkt nun mit einer bestimmten Marke in Verbindung gebracht werden, mit welcher beim Kunden bereits positive Eigenschaften und Assoziationen verknüpft sind, mindert sich das empfundene Kaufrisiko. Die Wiedererkennung einer Marke schafft somit ein gewisses Maß an Sicherheit, signalisiert eine bestimmte Leistungsqualität, erleichtert die Orientierung in einer Fülle von Angeboten und schafft dadurch Vertrauen in ein Produkt, mit dem zuvor noch keine Erfahrungen gemacht wurden (Meffert et al.2002,S.9 f.; Esch2008,S.24) .

Schon Domizlaff, Begründer der Markentechnik, beschreibt im Jahr 1939 in seinen Grundsätzen der natürlichen Markenbildung:

„Der Wert eines Markenartikels beruht auf dem Vertrautsein des Verbrauchers mit dem Gesicht des Markenartikels. Das Markengesicht ist ein Zusammenklang sämtlicher wesentlicher Besonderheiten und Eigenschaften des Markenartikels, die nach erfolgreicher Einführung nicht mehr getrennt werden dürfen.“ (Domizlaff2005,S.91)

Es wird erneut deutlich, dass ein Produkt erst dann zu einer Marke werden kann, wenn der Konsument ihm gegenüber im Laufe der Zeit ein gewisses Vertrauen aufgebaut hat und ihm eine bestimmte Identität zuschreiben kann. Dieses „Markengesicht“ mit seinen wesentlichen Eigenschaften sollte laut Domizlaff nach dessen Einführung nicht mehr geändert werden. Nur so kann das Vertrauen aufrechterhalten werden. Der Mensch sucht dem Instinkt nach vor allem bei neuen Produkten oder Dienstleistungen gerne nach etwas Vertrautem, nach etwas, das er mit positiven Erfahrungen verknüpfen kann. Darum leben starke Marken von der Wiedererkennung und vom bereits vorhandenen Wissen über gute Leistungen eines Produktes. Dieses, wie Zschiesche und Errichiello es nennen, positive Vorurteil ermöglicht es, Vertrauen zu schaffen und den Verbraucher mit geringem Aufwand zu überzeugen (Zschiesche;Errichiello2008,S.21, 32) .

Meffert et al. schreiben der Marke neben den oben genannten Funktionen des Weiteren eine Identifikationsfunktion zu, welche für den weiteren Verlauf dieser Arbeit ebenfalls von besonderer Bedeutung ist. Hierbei identifiziert sich der Konsument mit einzelnen Eigenschaften der Marke und definiert dadurch sein Selbstbild (Meffert et al.2002,S.11). Das Markenimage, welches als Fremdbild der Marke aus den Augen der relevanten Anspruchsgruppen definiert werden kann, spielt hierbei eine wichtige Rolle. Es entsteht durch Lernprozesse bei sämtlichen Kontakten und Erfahrungen mit der Marke (Esch;Langner;et al.2005,S.106). Beim Abgleich des Selbstbildes mit dem Markenimage können für den Konsumenten vor allem emotionale Zusatznutzen, welche über die funktionalen Nutzen eines Produktes hinaus gehen, hilfreich sein (Gaiser2005,S.9). Auf diese Weise kann der Verbraucher mit seinem sozialen Umfeld durch die Verwendung einer Marke kommunizieren, seine Persönlichkeit oder eine gewisse Gruppenzugehörigkeit zum Ausdruck bringen oder sich abgrenzen (Meffert et al.2002,S.11 f.). So können Marken als emotionale Anker dienen, die bestimmte Gefühle und Images vermitteln und somit eigene Wertvorstellungen nach außen kommunizieren können (Esch2008,S.24).

2.1.3 Markenidentität und Markenschemata

Die Markenidentität [3] verkörpert die Wurzeln einer Marke und bestimmt damit, wofür eine Marke steht. Sie beinhaltet alle wesentlichen, zeitlich beständigen und wesensprägenden Eigenschaften der Marke in Form von unverwechselbaren, einmaligen Zusammenstellungen von Gedankenverknüpfungen, die bei den Anspruchsgruppen als Gedächtnisstrukturen zur Marke gespeichert werden (Esch;Langner;et al.2005,S.106; Esch2008,S.81). Beim Gedanken an Marlboro setzen sich diese Gedächtnisstrukturen, die sogenannten Schemata, zunächst aus den produktspezifischen Eigenschaften zusammen: aus Begriffen wie Zigarette, Rauch, Schachtel, bestimmte Verwendungssituationen wie z.B. eine Raucherpause. Darüberhinaus sind zusätzliche einzigartige Vorstellungen im Gehirn des Konsumenten gespeichert, welche ausschließlich für die Marke Marlboro gelten. Das sind der Cowboy, Pferde, Prärielandschaften und eine gewisse Lagerfeuer-Idylle. Diese einzigartigen zusätzlichen Gedanken bilden ein starkes Markenschemata.

Ein Markenschemata stellt demnach das Gedächtnisbild einer Marke dar. Es fasst alle Erfahrungen, Vorstellungen und Kenntnisse zusammen, die der Konsument zur Marke gespeichert hat und alles was er dazu assoziiert. Dabei finden kognitive Prozesse in seinem Gehirn statt, die mit bestimmten Bewertungsmustern und Emotionen verknüpft werden und welche diese schließlich auslösen. Diese Schemavorstellungen, also komplexe Wissenseinheiten mit typischen Eigenschaften und standardisierten Vorstellungen zu Objekten, Ereignissen und Situationen, erleichtern generell die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen. Sie bestimmen, was wir wahrnehmen und wie wir dies tun. Aus diesem Grund sind starke Markenschemata essentiell für den Erfolg einer Marke (Sommer1998,S.71; Esch2008,S.63). Die Eigenschaft, die eine Marke ausstrahlt basiert allein auf den mit der Marke verbundenen Vorstellungen und Werten, die der Konsument als solche interpretiert. Wird nun der Auftritt einer Marke radikal verändert, werden bestimmte Teile des Markenschematas und somit bestimmte Einschätzungen, Bewertungen und Assoziationen gelöscht. Dies kann den emotionalen Wert der Marke schwächen und letztlich negative Auswirkungen auf den Markenerfolg haben (Sommer1998,S.71).

Eine Marke kann durch Markenschemata, welche sich beim Verbraucher eingeprägt haben, ferner ganze kulturelle Ordnungsmuster bereitstellen, in denen dieser sich und seine Identität wiederfinden kann (Bismarck;Baumann1995,S.43). Die Marke übermittelt bestimmte Bedeutungen und Codes, die vom Verbraucher entschlüsselt und verstanden werden können. Diese sogenannten semantischen [4] Merkmale sind nichtverbale Codes, die der Mensch in der Lage ist, zu verarbeiten (Karmasin2004,S.159, 169). Unabhängig von Herkunft, Kultur und Sprachverständnis ist er mit Hilfe eines solchen allgemeingültiges Zeichensystem in der Lage, sich darzustellen und anderen mitzuteilen. So können Marken zusätzlich als Sprache benutzt werden, wie z.B. eine Rolex am Arm die gesellschaftliche Stellung des Trägers verdeutlichen kann (Heubach1992,S.190 zit. nach Bismarck;Baumann1995,S.44).

Durch Markenschemata und durch bestimmte Eigenschaften, die der Konsument einer Produktgruppe zuschreibt, ergibt sich nach Esch letztlich auch der Markenwert. Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht wird der Markenwert nicht als monetäres Messinstrument betrachtet, sondern vielmehr „als ‚Wert’ in den Köpfen der Anspruchsgruppen.“ (Esch2008,S.62). Esch differenziert dabei im Spezifischen die Konstrukte Markenimage, welches bereits in Kapitel 2.1.2 definiert wurde, als hinreichende Bedingung und die Markenbekanntheit als notwendige Bedingung für den Markenerfolg. Damit eine Marke ein bestimmtes Image vermittelt und Assoziationen bei den Konsumenten auslösen kann, muss die Marke zunächst bekannt sein (Esch2008,S.65). Diese Sichtweise basiert auf einer verhaltenswissenschaftlichen Betrachtung des Markenwerts und auf der Annahme, dass der Konsument durch Markenführungsaktivitäten ein bestimmtes Vorstellungsbild der Marke bekommt (Meffert;Burmann2005,S.38). Der Wert einer Marke beruht demnach auf der Existenz von Markenbekanntheit und Markenimage. Diese Betrachtung des Markenwerts kann für die Markensteuerung eingesetzt werden und dabei helfen, die Kontinuität einer Marke zu erhalten (Esch2008,S.63).

2.2 Das Leben einer Marke - Markenlebenszyklus

Hat es eine Marke geschafft, eine eigene Identität aufzubauen und ein einmaliges Bild in den Köpfen der Konsumenten zu manifestieren, geht es darum, diese Position zu halten. Eine Marke kontinuierlich weiterzuentwickeln, den äußeren Einflüssen wie Wirtschaft, Wettbewerb, Gesellschaft und Zeitgeist anzupassen und dabei der Markenidentität, den Wurzeln der Marke treu zu bleiben, stellt eine große Herausforderung dar. Dennoch ist dies eine notwendige Voraussetzung für das Überleben einer Marke (Esch2008,S.183 f.).

So wie auch Produkte oder Dienstleistungen einem bestimmten Lebenszyklus folgen, der durch verschiedene Entwicklungsphasen gekennzeichnet ist, sind auch Marken abhängig von einem Zyklus. Das Lebenszykluskonzept beschreibt im Allgemeinen, dass Produkte, Branchen, Märkte oder Marken eine begrenzte Lebensdauer haben. Im Zeitverlauf können neue Technologien und Produkte entstehen, welche die Bedürfnisse der Zielgruppen besser stillen können als die bestehenden. Das Lebenszyklusmodell bildet diese Entwicklungen anhand verschiedener Phasen ab (Bruhn2004,S.423). Es haben sich in der betriebswirtschaftlichen Forschung und Praxis unterschiedliche Anwendungsweisen des Lebenszykluskonzeptes entwickelt, welche alle auf dem allgemeinen Nachfrage- oder Produktlebenszyklus aufbauen (Bruhn2004,S.424). So kann auch der Lebenszyklus einer Marke, der sogenannte Markenlebenszyklus, auf den Produktlebenszyklus aufgebaut und entsprechend angepasst werden. Während das Modell des Produktlebenszyklus die Gewinn- und Umsatzentwicklung eines Produkts im Laufe der Zeit abbildet, bildet der Markenlebenszyklus hingegen den psychografische Wert einer Marke ausgedrückt durch Markenbekanntheit und Markenimage im Zeitverlauf ab (Enis et al.1977,S.48 zit. nach Salviti2005,S.7).

Abbildung 4 zeigt einen solchen Markenlebenszyklus, der auf das Grundmodell des Produktlebenszyklus aufbaut. Anstatt Umsatz und Gewinn eines Produktes stellt der Kurvenverlauf die Entwicklung des Markenwertes bzw. das Leben der Marke von ihrer Einführung bis zu ihrem Verschwinden vom Markt dar.

Abbildung 4: Lebenszyklusmodell einer Marke

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Sova (2007,S.37); Salviti (2005,S.6); Linxweiler (2004,S.89 f.)

Die Abbildung zeigt, dass eine Marke während ihres Lebens verschiedene Phasen von der Einführung bis zur Wiederbelebung durchläuft. Der Markenwert, auf dem das Leben der Marke in dieser Darstellung beruht, wird hier definiert durch Markenbekanntheit und Markenimage. In der Einführungsphase (Markenaufbauphase) ist der Markenwert zunächst gering aufgrund der noch niedrigen Bekanntheit und des noch wenig prägnanten Images. In der Wachstumsphase (Markenabsicherungsphase) steigt der Markenwert stark an, da Bekanntheit und Image vor allem durch Kommunikationsmaßnahmen gesteigert und gefestigt werden (Hüttel1998,S.146 f. zit. nach Salviti2005,S.7). Die Reifephase (Phase der Markendifferenzierung) ist durch hohe Bekanntheit und ein positives Image geprägt. Die Bekanntheit steigt in dieser Phase nur noch gering und der Markenwert befindet sich hier auf dem Höhepunkt. Die Gründe für die Abnahme des Markenwertes und für eine schwächelnde Marke in der folgenden Phase (Markenimitation) können unterschiedlicher Art sein. Vermehrtes Aufkommen von Handelsmarken und steigender Wettbewerb führt zu einem veränderten Konsumentenverhalten, da auch die Preissensibilität steigt. Auch neue Technologien, neue Trends, aber auch wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Ursachen können für den Rückgang des Markenwertes verantwortlich sein. Reagiert die Marke in dieser Phase nicht auf den Zeitgeist und die sich ändernden äußeren Umstände, kann das ihren Untergang bedeuten. In der Phase der Markenspaltung kristallisiert sich heraus, welche Marken dem hohem Preis- und Qualitätsbewusstsein der Konsumenten und dem gleichzeitig stagnierendem Marktwachstum standhalten können. In dieser Phase können sich nur starke Marken weiter behaupten. In der Phase der Markenpolarisierung können die auf dem Markt verbleibenden Anbieter wieder wachsen und ihre Marke stärken (Salviti2005,S.8; Linxweiler2004,S.89 f.).

Der Markenwert nimmt jedoch, wie in Abbildung 4 ersichtlich, nicht rasch ab sondern langsam. Dies hängt damit zusammen, dass starke Marken noch sehr lange und prägnant in den Köpfen der Konsumenten vorhanden sind, auch wenn diese nicht mehr durch Kommunikationsmaßnahmen beworben werden. Bestimmte Assoziationen und Schemata, die zur Marke aufgebaut wurden, werden nur langsam wieder vergessen (Aaker 1992, S. 89 f.; Berenson et al. 1994, S. 53; Meffert et al., S. 170 f. zit. nach Salviti2005,S.8). In einer Wiederbelebungsphase können schwache oder untergehende Marken z.B. durch einen Relaunch oder eine Wiedereinführung neu belebt werden. Um dem Rückgang des Markenwertes entgegenzuwirken, können bereits in der Reifephase Instrumente eingesetzt werden, welche die Stärkung und Attraktivierung aufstrebender Marken unterstützen (Sova2007,S.36). Marktforschung, Marketing und die ständige Überprüfung des Marktgeschehens und -wandels können hierbei hilfreich sein. Im Mittelpunkt der Betrachtung sollten hierbei Verwendungskultur, Stimmigkeit von Markenaussage und Produkt, Kontinuität in der vermittelten Botschaft und die Positionierung stehen (Rheingold2008).

Auf dem Weg zur Anpassung an veränderte Marktgegebenheiten wie gesellschaftliche Umbrüche oder sich ändernde Konsumentenbedürfnisse, ist es für eine Marke essentiell, die Markenpersönlichkeit zu behalten (Esch2008,S.16) . Wie wichtig eine konsistente Markenführung ist, macht auch das viel zitierte (Negativ-) Beispiel Camel deutlich. Der einsame Abenteurer, der Camel Man, der damals meilenweit und unerschrocken durch die Wildnis marschierte, um eine Camel zu bekommen, wurde im Jahr 1987 durch Joe Camel, ein lustiges Comic-Kamel, ersetzt, da der Hersteller befürchtete, die Marke hätte inzwischen ein angestaubtes Image (Buchholz;Wördemann1999,S.200). Von der Figur des Helden wurde zum Spaßvogel gewechselt, was nicht nur die Verbraucher irritierte, sondern auch zu Vorwürfen führte, die Marke würde nun vorrangig Kinder ansprechen (Mark;Pearson2001,S.199; DiFranza et al.1991). Seither sank der Marktanteil der Zigarettenmarke kontinuierlich. Auch alle weiteren Versuche, der Marke wieder ein Gesicht zu geben, scheiterten. Ob Comic, Plüschkamel, Abenteuer oder entspannte Menschen im Jahr 2002 (Slogan: „Slow down. Pleasure up“), nichts konnte der Marke wieder Relevanz in der Zielgruppe verleihen. Der Markenauftritt passte einfach nicht mehr zur vorher aufgebauten Markenidentität (Langer et al.2009,S.109).

Abbildung 5: Folgen des Kommunikationsbruchs bei Camel für die Entwicklung des Marktanteils

im Zigarettenmarkt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Quelle: in Anlehnung an Esch 2008, S. 17

Der Marktanteil von Camel sank, wie in Abbildung 5 ersichtlich, von ehemals 5,6 Prozent kontinuierlich bis auf 1,7 Prozent im Jahr 2005. Dies verdeutlicht, dass solch starke Veränderungen der Markenpersönlichkeit fatale Folgen haben können. Vorhandene Markenschemata und Vorstellungsbilder, die ein Konsument zu einer Marke über Jahre aufgebaut und gespeichert hat, lassen sich nicht so einfach auslöschen. Im Fall Camel konnten die neuen Bilder der Kampagnen nicht auf die vorhandenen Vorstellungen aufbauen und somit nicht auf das Markenimage einzahlen (Esch2008,S.17). Starke, konsistent geführte Marken dagegen „sind im Zeitablauf resistent gegen Einflüsse von außen. Vorstellungsbilder zu Marken bauen sich kaum ab.“ (Esch2008,S.17)

2.3 Kontinuität als einziger Schlüssel zum Erfolg?

Anhand des oben genannten Beispiels wird deutlich, dass Relevanz und vor allem Kontinuität in der Markenidentität die wohl wichtigsten Faktoren in der Markenführung sind, um eine Marke auf Dauer interessant zu halten.

Im Folgenden wird untersucht, ob es allein diese Faktoren sind, die erfolgreichen Marken eine gewisse Macht über die Kaufentscheidung von Konsumenten verleihen. Eine Macht, die den Konsumenten dazu verleitet, einem bestimmten Produkt gewisse Werte und Bedeutungen zuzuschreiben. Dies sind Zusatzbedeutungen, die über den Produktnutzen hinausgehen und letztlich als Kaufargument herangezogen werden. Bei Betrachtung der in Kapitel 2.1 beschriebenen Markenidentität, wird deutlich, dass eine Marke Eigenschaften und Wertewelten verkörpern kann. Diese Eigenschaften werden in Form von Symbolen und Zeichen ausgedrückt, die der Marke aus Konsumentensicht ein wohlvertrautes Gesicht verleihen. Durch diese Zusatzbedeutung wird die Marke zu einer Persönlichkeit, welcher der Verwender ein gewisses Vertrauen entgegen bringt (Bismarck;Baumann1995,S.23; Kehrer2001,S.207 f.). Diese Symbole und Zeichen bilden eine Art System, welches bestimmte Informationen zwischen einer Marke und dem Verbraucher vermitteln kann. Dieses Zeichensystem wird auch als Code bezeichnet, der wiederum einen Vorrat an Zeichen zur Verfügung stellt, der, geprägt durch gesellschaftlichen und kulturellen Kontext, zum Verständnis und zur Interpretation befähigt (Kindervater2001,S.36 f.). Darüber hinaus befähigen solche Codes dazu, dass sich der Konsument selbst mit Hilfe des Produktes darstellen und sich anderen mitteilen kann. So kann ein Porsche oder ein Armani-Anzug Aussagen darüber machen, wo der Verwender sich in der Gesellschaft sieht und v.a. darüber, wie er gesehen werden möchte. Produkte können demnach bestimmte Codes übermitteln, deren Bedeutung von anderen Gesellschaftsteilnehmern entschlüsselt und verstanden werden kann (Bismarck;Baumann1995,S.44). Karmasin schreibt die Fähigkeit, Produkten eine Symbolik zu verleihen, u.a. der Werbung bzw. den Massenmedien zu:

„[Werbung] hebt Produkte aus der Sphäre der Gebrauchswerte heraus und stattet sie so aus, dass sie signalisieren: [...] das hier ist ein ganz individuelles Produkt“. (Karmasin2004,S.385)

Werbung kann demnach Produkte mit einer Zusatzbedeutung belegen, die von der Gesellschaft verstanden wird. Dabei greift sie auf (semantische) Codes zurück, die in der Kultur bereits vorhanden sind (Karmasin2004,S.159).

Welche Codes sind es, die erfolgreiche Marken heute verkörpern? Es steht außer Frage, dass starke Marken meistens über nonverbale Inhalte verfügen, auf die schnell zurückgegriffen werden kann (Esch2008,S.69). Aber was hat z.B. die Marke Nivea darüber hinaus an sich, dass sie nach wie vor in der Gesellschaft relevant ist? Was hat die Bärenmarke, was hat Milka an sich? Und welche Codes vermittelt Marlboro mit dem Cowboy? Es sind vertraute Botschaften, die diese Marken vermitteln. Es ist offensichtlich, dass hier zum Teil irreale Welten vermittelt werden. Es gibt keinen Teddybären, der auf einer Alpenwiese lebt und Milch abfüllt, es gibt auch keine lila Kuh auf wohlbehüteten Weiden. Auch gibt es diese Art von Cowboy heutzutage nicht mehr, wie er in der Marlboro-Werbung dargestellt wurde. Dennoch werden beim Gedanken an diese Marken Assoziationen im Kopf des Verbrauchers ausgelöst, durch die sich ein Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit einstellt. Seit Generationen gibt es nun den Bärenmarke-Bär, die Milka-Kuh und den Marlboro-Cowboy. Bild- und Gedankenwelten erzählen vertraute Geschichten und entführen in andere Welten. Irreal, aber dennoch vertraut. Welten, die mythisch und geheimnisvoll sind, aber dennoch ein Gefühl von Sicherheit geben.

Diesen Marken kann folglich ein mythischer Charakter zugeschrieben werden. Denn Mythen erzählen Geschichten, die bestimmte Aussagen und Werte vermitteln. Sie sind sozusagen Ideologieträger, die grundsätzliche Denk- und Bewertungsmuster der Kultur sichtbar machen (Karmasin2004,S.215). Mythen sind somit Träger von bestimmten Codes, die geprägt sind durch soziale Strukturen und Wertvorstellungen und je nach kulturellem Kontext verstanden und interpretiert werden können. Mythen können Produkte mit Werten und Bedeutungen aufladen, die Gefühle, Glauben und Zugehörigkeiten ausdrücken (Bismarck;Baumann1995,S.97).

Kann es also der Mythos sein, der erfolgreiche Marken über Jahre, oft sogar über Generationen erfolgreich macht? Welchen Einfluss übt ein Mythos bei der Identifikation mit der Marke beim Konsumenten aus? Liegt es am Cowboy-Mythos, dass die Marke Marlboro seit Jahrzehnten die weltweit am meisten verkaufte Zigarettenmarke ist und im Jahr 2012 noch immer zu den zehn wertvollsten Marken der Welt[5] zählt?

3 Mythen in der Markenwelt

3.1 Definition Mythos

Wie in Kapitel 1.2 bereits erwähnt, wird der Mythos-Begriff im heutigen Sprachgebrauch sehr häufig und in sehr unterschiedlichem Kontext verwendet: verstorbene Legenden, Sportidole, das Bermuda-Dreieck, Sagen von Göttern und Helden oder auch im Zusammenhang mit bestimmten Marken.

In der Literatur wird der Begriff in den unterschiedlichsten Wissenschaften untersucht und ist dennoch nicht leicht zu fassen, denn „die Ungreifbarkeit des Mythos liegt in dessen Natur.“ (Führer2005,S.15)

Aus dem Altgriechischen kommend bedeutet Mythos „(heiliges) Wort, durch Institutionen autorisiertes „Überlieferungswort“ oder „Erzählung“, aber auch „Gerücht“, „Gedanke“. Der auf Aristoteles zurückgehende Mythosbegriff definiert den Mythos als „narrative Struktur, als Erzählmuster, das tradiert wird und in der Wiederholung variiert werden kann.“ (Schnell2000 zit. nach Führer2005,S.15; Brockhaus Mythologie2010,S.6).

Im Weiteren lässt sich der Mythos als

„eine überlieferte Dichtung, Sage, Erzählung, Geschichte oder narrative Sequenz aus der Vorzeit eines Volkes, die sich besonders mit Göttern, Dämonen, der Entstehung der Welt und der Erschaffung des Menschen befasst, [oder als] Person, Sache oder Begebenheit, die aus meist verschwommenen, irrationalen Vorstellungen heraus glorifiziert wird und legendären Charakter hat, [oder als eine] falsche Vorstellung beschreiben.“ (Duden1997 zit. nach Führer2005,S.15)

Generell kann Mythen etwas Zeitloses zugeschrieben werden. Es können uralte, aber auch sehr aktuelle zeitgenössische Geschichten sein, die eine Art Modellcharakter innehaben. Hierbei spielt es keine Rolle, wann sich diese Geschichten ereignet haben, denn ihre Aussage ist zeitlos und bewahrt ihre Bedeutung über Zeitgrenzen hinaus. So können Bilder und Geschichten dazu verwendet werden, „andere Geschichten zu erzählen, Gedanken zu erläutern, Problemstellungen zu schildern und Erfahrungsgehalte zu vermitteln.“ (Brockhaus Mythologie2010,S.5) Segal beschreibt den Mythos auch als erzählte Geschichte über etwas Bedeutendes (Segal2007,S.12).

Oftmals wird der Mythos-Begriff auch als Gegenpart des Logos-Begriffs[6], der aus dem Griechischen für „Vernunft“, „Klarheit“ und Wissenschaft“ steht, definiert (Brockhaus Mythologie2010,S.6).

[...]


[1] Ausführliche Markendefinitionen und Hintergründe zur Entwicklung der Marke liefern. z.B. Bruhn (2004,S.5 ff.); Esch (2008,S.1 ff., 17 ff.); Aaker/Mader (1992,S.22) oder Kotler/Bliemel (2006,S.735 ff.). Einen Überblick über Begriff und Funktionen einer Marke geben u.a. auch Bismarck/Baumann (1995,S.27 – 44)oder Boldt (2010,S.4 – 8).

[2] Vgl. hierzu Meffert et al. (2002,S.9 ff.), im Speziellen Abb. 4 „Nutzen der Marke aus Nachfragerperspektive“, S. 10.

[3] Nähere Ausführungen zu Markenidentität, Zusammenhang von Markenidentität und Markenimage sowie Ansätze zur Erfassung der Markenidentität (u.a. durch das Markensteuerrad) liefern z.B. Esch (2008,S.79 – 124; 2005,S.65 f.) oder Adjouri (1993,S.89 – 114).

[4] Semantik = die Bedeutung der Zeichen. Vgl. hierzu Karmasin (2004,S.159 ff.).

[5] http://de.statista.com/statistik/daten/studie/6003/umfrage/die-wertvollsten-marken-weltweit/

[6] Eine ausführliche Betrachtung der Gegenüberstellung des Logos- und Mythos-Begriffes liefert u.a. Führer (2005,S.19 ff.) oder Pelikan (2005,S.15 f.).

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Mythen in der Markenwelt. Eine Analyse der Marke Marlboro
Untertitel
Entwicklung eines semiotischen Analysemodells für Markenmythen am Beispiel des Marlboro-Cowboys
Hochschule
Hochschule Pforzheim
Veranstaltung
Creative Communication and Brand Management
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
84
Katalognummer
V209782
ISBN (eBook)
9783656373711
ISBN (Buch)
9783656374183
Dateigröße
5141 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Interessante Ausführungen über Mythen in der Markenwelt, die Marke Marlboro im Wandel der Gesellschaft und spannende Analyse der MAYBE-Kampagne von Marlboro. Wie aus einem selbstsicheren Cowboy ein verunsicherter "Maybe" wird und welche Folgen das für die Marke hat.
Schlagworte
mythos, marke, markenmythos, semiotik, markenidentität, markenlebenszyklus, mitteilungssystem, mythologisches Analysesystem, marlboro, cowboy, maybe, mythos-charakter, semiologie, denotation, konnotation, primäres Bedeutungssystem, sekundäres Bedeutungssystem
Arbeit zitieren
Isabel Krause (Autor:in), 2012, Mythen in der Markenwelt. Eine Analyse der Marke Marlboro, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209782

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