Das Marienburger Tresslerbuch als Beispiel mittelalterlicher Rechnungslegung


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2001

22 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Problemstellung

2. Die Verwaltungs- und Organisationsstruktur des Ordens in Preußen
2.1 Die Statuten und die wichtigsten Ordensämter
2.2 Die Verwaltung des Deutschordensstaates

3. Textpräsentation
3.1 Beschreibung der Handschrift
3.2 Die Dimension der Anordnung
3.2.1 Beschreibung der inhaltlichen Struktur
3.2.1.1 Die Einnahmen
3.2.1.2 Die Ausgaben
3.2.2 Sprache
3.2.3 Die Zahlzeichen
3.3 Die Dimension der Herstellung
3.3.1 Technik
3.3.2 Der Autor
3.3.3 Struktur der Vorlagen
3.3.4 Zeitpunkt der Entstehung der Jahresberichte
3.3.5 Die Abrechnung zwischen Tressler und Großkomtur
3.3.6 Mit dem Geld rechnen

4. Ergebnis und Ausblick

Literaturverzeichnis

Das Marienburger Tresslerbuch als Beispiel mittelalterlicher Rechnungslegung

1. Einleitung und Problemstellung

Die Zunahme von Schriftlichkeit ist ein zentraler Aspekt der „moderner“ werdenden Verwaltung im späten Mittelalter. Dazu gehört auch Schriftlichkeit in Form von Rechnungslegung. Das Marienburger Tresslerbuch der Jahre 1399-1409 tritt uns als verhältnismäßig hoch entwickelte Form der Buchhaltung entgegen. Das Tresslerbuch ist das Hauptbuch über Einnahmen und Ausgaben der Hauptkasse des Ordensstaates, geführt vom Tressler, sozusagen dem Schatzmeister des Deutschen Ritterordens. Enthält der Begriff ‚Buchhaltung‘ auch heute noch den Sinn des Ablegens von Rechenschaft, so gilt das erst recht für das Tresslerbuch, denn bereits die Statuten des Deutschen Ordens verlangten von allen Beamten eine durchgehende und sorgfältige Rechnungsführung. Der Sinn der Aufzeichnungen begegnet uns also auch im Tresslerbuch in dem von Dieter Scheler[1] angesprochenen Sinn, daß Rechnen zunächst die verantwortliche Darlegung einer geführten Verwaltung, die Kontrolle der Verwaltung von Nutzungen durch deren Inhaber ist. Rechnen und Rechtfertigung erhalten im Rahmen der Schriftlichkeitsentwicklung neue Formen und Dimensionen.

Gegenstand der Arbeit soll sein, am Beispiel des Marienburger Tresslerbuchs die Dimension der Herstellung und der Anordnung von Schrift zu beleuchten. Es soll also gefragt werden, wie die Aufzeichnungen durchgeführt und warum sie in der vorliegenden Weise geordnet wurden. Dabei steht nicht so sehr die handwerkliche Technik des Schreibens im Vordergrund, sondern die materiellen und sozialen Aspekte und Bedingungen. So wurden die Aufzeichnungen des Tresslerbuchs nicht vom Tressler selbst geführt, sondern in erster Linie von dem ihm jeweils zugewiesenen Schreiber. Da es sich um eine Jahresabrechnung handelt, ist zu fragen, ob die Aufzeichnungen jeweils fortlaufend während des Abrechnungsjahres oder erst zum Ende des Abrechnungszeitraums zusammengefaßt wurden. In jedem Fall stellt sich die Frage, ob z.B. diktiert oder von Vorlagen abgeschrieben wurde. Wie könnten diese Vorlagen ausgesehen haben und wer hat diese hergestellt und vorgelegt? Solche Fragen lassen sich auch im Rückschluß auf die Struktur des Geschriebenen beantworten, womit auch die Dimension der Anordnung des Geschriebenen berührt werden muß. Welchen Sinn macht die Strukturierung, nach welchen sachlichen Gesichtspunkten werden die Ausgaben und Einnahmen differenziert, wird in Naturalien oder ausschließlich in Geld ausgewiesen? Welche Fehler sind in der Struktur gemacht worden und warum? Erleichtert die Struktur auch die Berechnung und Prognose der Einnahmen und Ausgaben oder dient sie in erster Linie anderen Zwecken?

Die Besonderheit des Tresslerbuchs besteht darin, daß es die rein fiskalische Rechnungslegung eines Staates belegt, und zwar geführt von einem Orden, der gleichzeitig Territorialherr und Wirtschaftsmacht war. Es dürfte daher anderen Charakter haben als z.B. die schriftliche Wirtschaftsführung des Stiftes Xanten oder der Handelsbücher der Hanse.

Zwar liegt das Marienburger Tresslerbuch auch in einer Edition vor, jedoch hat die Edition die Anordnung des Textes im Original nicht beibehalten. Für die Arbeit mußte also im wesentlichen das Original der Quelle herangezogen werden. Die Edition diente als Lesevorlage.

Die Literatur zum Tresslerbuch ist im Gegensatz zur Fülle der Veröffentlichungen zum Deutschen Orden recht dünn, da die Quelle vorrangig zur Untersuchung der Wirtschaftsgeschichte herangezogen wird. Maßgeblich sind daher immer noch die Untersuchungen von Albert Klein[2][3].

Das Tresslerbuch hat einen Umfang von 296 zum größten Teil umseitig beschriebenen Blättern im großen Folioformat 405 mm x 285 mm. Da eine Untersuchung des gesamten Buches den Rahmen der Arbeit sprengen würde, war es angebracht, sich auf wenigstens ein Jahr zu konzentrieren. Die Arbeit beschäftigt sich daher mit den Aufzeichnungen des Jahres 1402, weil in diesem Jahr Unregelmäßigkeiten auftreten, die o.g. Rückschlüsse erlauben, und ein Schreiber des Tresslers zum ersten Mal namentlich genannt wird. Trotzdem wird es nötig sein, auf Unterschiede zu den anderen Jahren zu verweisen und auf sie zurückzugreifen.

Zunächst ist es von Nutzen, sich die Organisationsstruktur des Ordens im Ordensstaat vor Augen zu führen.

2. Die Verwaltungs- und Organisationsstruktur des Ordens in Preußen im 14. und 15. Jahrhundert

Die oberste Herrschaft in Preußen lag im 14.Jh. ausschließlich in den Händen von Ordensmitgliedern. Als geistliche Korporation auf der Grundlage der Ritterordensregel erfüllte der Deutsche Orden zugleich staatliche und rechtspolitische Funktionen.[4] Diese Verbindung von geistlichen und weltlichen Aufgaben gab der Tätigkeit des Ordens in Preußen ihren Charakter. Das grundlegende Fundament der Ordensverfassung waren seine Statuten aus dem 13. Jahrhundert. Sie wurden jedoch den besonderen Verhältnissen in Preußen entsprechend modifiziert.

2.1 Die Statuten und die wichtigsten Ordensämter

An der Spitze des Ordens stand der Hochmeister. Er wurde auf Lebenszeit durch das Generalkapitel in Marienburg gewählt, das sich aus den Landmeistern und den preußischen Gebietigern zusammensetzte. Größeren Einfluß als das Generalkapitel erlangten im 14. Jh. die führenden Ordensgebietiger in Preußen: der Großkomtur, zugleich engster Ratgeber und Stellvertreter des Hochmeisters, der Ordensmarschall, zugleich Komtur von Königsberg und militärischer Stellvertreter des Hochmeisters, der Trapier, zugleich Komtur von Christburg, und der Großspittler , zugleich Komtur von Elbing. Zusammen mit dem führenden Finanzbeamten , dem Ordenstressler, der ständig in der Marienburg residierte, bildeten diese den –in den Statuten nicht vorgesehenen- Großgebietigerrat, der seit Ende des 14. Jhs. zu einer Art Beratergremium für die Hochmeister wurde.[5] Die wichtigste Organisationseinheit des Ordens waren die Konvente. Sie waren in den einzelnen Burgen untergebracht und standen unter der Führung der Komture. Die Ritterbrüder kamen überwiegend aus dem Reichsgebiet nach Preußen durch Vermittlung der dortigen Ordenshäuser, die in sog. Balleien, vor allem im Südwesten des Reiches, zusammengefaßt waren.

Nach Regel 22 der Statuten waren die Ordensmitglieder zu persönlicher Eigentumslosigkeit verpflichtet. Nur die Gesamtheit des Ordens durfte Besitz halten. In den Statuten wird auch bestimmt (Gewohnheiten 16), daß der Hochmeister den Unterhalt für seinen Hofstaat durch Vermittlung des Tresslers aus dem Tressel, der Ordenskasse, erhalten soll.[6] Die obersten Ordensmitglieder sollen jedes Jahr vor dem Generalkapitel ihr Amt zurückgeben und über den Zustand desselben genau Rechenschaft abgeben (Gewohnheiten 7a und 18). Im Ordensstaat traf dies auch auf alle anderen Ämter, insbesondere auf die Komture zu, die regelmäßig vom Hochmeister abberufen und mit einem neuen Amt betraut wurden. Bei der Ämterübergabe waren sie verpflichtet, das hinterlassene Inventar zu verzeichnen und die Überschüsse an die Marienburger Kasse abzugeben.[7] Der Tressler sollte nach den Statuten den Hochmeister über die Einnahmen regelmäßig auf dem Laufenden halten.

2.2 Die Verwaltung des Deutschordensstaates

Entsprechend seiner Struktur als geistliche Korporation organisierte der Deutsche Orden den Verwaltungsaufbau in Preußen. So war der Hochmeister zugleich Oberherr des Deutschordensstaates mit umfangreichen Machtbefugnissen fast monarchischer Art. Im Gebiet des Ordensstaates führte der Orden ein recht einheitliches Verwaltungssystem ein. Das gesamte Staatsgebiet wurde in grundlegende Verwaltungseinheiten –die Komtureien- gegliedert. Die Oberen der Konvente – die Komture - waren zugleich Leiter der ihnen unterstellten Territorialeinheiten, und der diesen untergeordneten kleineren Einheiten (Pflegeämter, Kämmerämter). Zum Aufgabenbereich des Komturs gehörte nicht nur die Leitung der Burg und die Verwaltung des Gebiets der Komturei. Er zog in dieser Eigenschaft auch die Abgaben der Bevölkerung ein und führte die Ritterschaft im Falle einer bewaffneten Expedition. Ihm untergeordnet waren die Funktionsträger der niederen Verwaltung: Vögte und Pfleger, Fischmeister, Waldmeister und Kämmerer.

3. Textpräsentation

3.1 Beschreibung der Handschrift

Das Marienburger Tresslerbuch ist Teil des ehemaligen Marienburger Archivs, das sich bis zum Ende des zweiten Weltkriegs in Königsberg und danach in Göttingen befand. Das Marienburger Archiv wird jetzt in Berlin, im Geheimen Staatsarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, aufbewahrt. Das Marienburger Tresslerbuch trägt dort die Signatur OF XX 140.

Das Tresslerbuch wurde auf Papier geschrieben, die erste und letzte Seite sind Pergamentblätter. Die Ränder der ersten Blätter sind mit Papiereinrahmungen verstärkt. Die Lesbarkeit wird dadurch nicht beeinträchtigt. Als Schreibstoff wurde braune Tinte verwendet. Die Kolumnen sind mit Bleistift vorgezeichnet.

Der Text ist in Notulaschrift verschiedener Schreiberhände verfaßt, wobei die Jahresberichte 1399-1401, 1402-1408 und 1409 von jeweils einem Schreiber geschrieben wurden. Für die Jahre 1402-1408 ist als Schreiber ein Johannes Thuwernicz angegeben. Die anderen Schreiber sind unbekannt.

Das Tresslerbuch umfaßt 296 Blätter, die mit Bleistift durchnummeriert sind. Die Blätter haben großes Folioformat (405:285 mm). Die Blätter sind auf 300:205 mm in zwei Kolumnen beschrieben, allerdings finden sich am inneren, äußeren und oberen Rand immer wieder Eintragungen. Eine Linierung der Zeilen ist nicht erkennbar. Je Kolumne bewegt sich die Zeilenanzahl zwischen 50 und 62. Am Unterrand der Seite befinden sich unter den Kolumnen jeweils Summenzahlen. Der Einband ist aus Pappe mit einem Lederrücken unbestimmten Alters.

[...]


[1] Einführungskurs Alteuopäische Schriftlichkeit, „Mit dem Geld rechnen “,. KE 6

[2] Klein, Albert: Entstehung und Komposition des Marienburger Tresslerbuches, Leipzig 1905, unveränderter Neudruck, Bremerhaven 1973.

[3] Klein, Albert: Die zentrale Finanzverwaltung im Deutschordensstaate Preußen am Anfang des XV. Jahrhunderts, Leipzig 1904.

[4] Biskup, Marian/Labuda Gerard, Die Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen: Wirtschaft, Gesellschaft, Staat und Ideologie, Osnabrück 2000, Seite 300.

[5] Zu diesem gehörten auch die Komture von Danzig und Thorn als die bedeutendsten Vertreter Pommerellens und des Kulmerlandes sowie die Bischöfe. Boockmann, Hartmut: Der Deutsche Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, Seite 189.

[6] Klein, Albert wie Anm. 3, Seite 4.

[7] Jähnig , Bernhart: Zur Wirtschaftsführung des Deutschen Ordens in Preußen vornehmlich vom 13. bis zum frühen 15. Jahrhundert, in: Arnold, Udo (Hrsg.): Zur Wirtschaftsentwicklung des Deutschen Ordens im Mittelalter, Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, Band 38, Seite 113-147, hier Seite 144.

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Das Marienburger Tresslerbuch als Beispiel mittelalterlicher Rechnungslegung
Université
University of Hagen  (Historisches Institut)
Cours
Präsenzseminar: Der Deutsche Orden in Preussen vom 13.-16.Jahrhundert (FU Hagen)
Note
1,3
Auteur
Année
2001
Pages
22
N° de catalogue
V2097
ISBN (ebook)
9783638112918
Taille d'un fichier
558 KB
Langue
allemand
Mots clés
Marienburger, Tresslerbuch, Beispiel, Rechnungslegung, Präsenzseminar, Deutsche, Orden, Preussen, Jahrhundert, Hagen)
Citation du texte
Karsten Müller (Auteur), 2001, Das Marienburger Tresslerbuch als Beispiel mittelalterlicher Rechnungslegung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2097

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