Jack the Ripper und Kriminalität im viktorianischen London

“Yours truly Jack the Ripper”


Seminar Paper, 2011

19 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Kriminalität im viktorianischen London
II. 1 Die Londoner Unterschicht
II. 2 Die viktorianische Sichtweise und Formen von Kriminaität

III. Jack the Ripper
III.1 Die Whitechapel Morde
III. 2 Jack the Ripper und die Londoner criminal class

IV. Fazit

V. Kriminalitätsgeschichte

Anhang

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

I. Einleitung

Die Morde Jack the Rippers, die im ausgehenden 19. Jahrhundert im Londoner Armenviertel Whitechapel stattfanden, gelten bis heute auf der ganzen Welt als ein Mysterium. Die Theorien die im Laufe der Jahre um die niemals aufgeklärten Morde entstanden sind füllen heute ganze Bücherregale. Selbst in Film und Fernsehen greift man gerne auf die Geschichte des Rippers zurück. Die meisten Arbeiten beschäftigen sich mit der Frage wer dieser Mensch war, der fünf Frauen auf so grausame Weise umbrachte. In dieser Arbeit soll es jedoch nicht darum gehen, sich an etwaigen Täterdiskussionen zu beteiligen. Vielmehr soll die Einordnung Jack the Rippers in die viktorianische Sichtweise gegenüber der Kriminalität im Fokus stehen. Die Frage wird sein, inwieweit Jack the Ripper dem Bild der Londoner criminal class entspricht. Die Arbeit ist zu diesem Zweck in zwei Teile aufgeteilt.

Im ersten Teil werden sowohl die Londoner Unterschicht als auch die gesellschaftliche Sicht auf Kriminalität thematisiert, um eine Grundlage zu schaffen. Dabei wird darüber hinaus das Konzept der criminal class angesprochen.

Im zweiten Teil der Arbeit werden zunächst die Whitechapel Morde behandelt, um anschließend verschiedene Theorien näher zu betrachten. Mit letzteren wurde der Versuch unternommen, Jack the Ripper gesellschaftlich näher zu bestimmen. Ausgehend davon wird in einem Fazit versucht, eine Einschätzung zu seiner Zugehörigkeit zur criminal class vorzunehmen.

Gelöst von den beiden beschriebenen Hauptteilen wird sich die Arbeit der Frage widmen, inwieweit es sich für einen Historiker lohnt sich mit Kriminalitätsgeschichte zu beschäftigen.

II. Kriminalität im viktorianischen London

II.1 Die Londoner Unterschicht

Beschäftigt man sich näher mit der Gesellschaftsstruktur des viktorianischen Londons so fällt auf, dass die Jahre des 19. Jahrhunderts in Englands Hauptstadt geprägt waren von einer starken Trennung, die sich grob als Trennung zwischen der armen und der reichen Bevölkerung bezeichnen lässt. Diese Schere zwischen arm und reich beschränkte sich jedoch nicht ausschließlich auf das Sozialgefüge der Großstadt. Vielmehr kristallisierte sich bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts eine geographische Trennung der beiden Hauptbevölkerungsschichten heraus, welche noch heute das Stadtbild Londons dominiert. Während die gehobene Bevölkerung das West End ihr Zuhause nennt, lässt sich das East End schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Armenviertel bezeichnen. Mit den Firmen verschwanden auch die möglichen Arbeitgeber aus dem östlichen Teil der Großstadt. Was blieb war die Überbevölkerung die der vorherige Aufschwung mit sich brachte. Innerhalb von nur wenigen Jahren war die Bevölkerung von 1,8 auf 4,5 Millionen Menschen angestiegen.[1] Resultierend aus der starken Zuwanderung trafen im Londoner East End eine Vielzahl von Kulturen und Sprachen aufeinander. Auf engstem Raum lebten Engländer, Franzosen, Deutsche, Iren, Ostasiaten, Osteuropäer, Afrikaner und Juden in teilweise menschenunwürdiger Manier zusammen. Bereits 1830 war die Wohnsituation so angespannt, dass ganze Familien gezwungen waren in kleinen Einraumwohnungen zu leben. Ein halbes Jahrhundert später, in den 1880er Jahren, verschärfte sich diese Situation noch weiter durch Massenimmigration von Juden die, aufgrund von Pogromen in Russland und anderen osteuropäischen Ländern, aus ihrer Heimat fliehen mussten.[2] Die im East End gelegenen Docklands von London boten so im Laufe des 19. Jahrhunderts einer Vielzahl von Flüchtlingen und Arbeitssuchenden aus aller Welt die Möglichkeit, auf dem Seeweg schnell und einfach nach London einzureisen und sich dort niederzulassen. Die logische Folge war ein ständiges Wachstum einer sehr vielfältigen Unterschicht, welcher dazu führte, dass der Graben zwischen Arm und Reich immer größer wurde. Es ist demnach nicht verwunderlich, dass im viktorianischen London eine recht eigenwillige Sichtweise gegenüber der Kriminalität und den als kriminell geltenden Menschen vorherrschte.

II.2 Die viktorianische Sichtweise und Formen von Kriminalität

Aufgrund der Lebensumstände und der ethnischen Zusammensetzung der Londoner Unterschicht, wurde das East End von der höheren Gesellschaft, welche passend zu ihrem Stadtteil auch West Ender genannt werden, als Brutstätte für Kriminelle und Prostituierte, sowie als Zentrum von Sittenverfall, Kriminalität und Seuchen angesehen. Für die „normalen“ Bürger besteht somit eine eindeutige Verbindung zwischen Kriminalität und Unterschicht.

Einige christliche Missionare und andere geistliche Amtsinhaber bezeichneten das East End gar als the abyss, also den Abgrund oder die Hölle.[3] Unterstützt wurde diese überaus einseitige Haltung von der Londoner Presse, welche gleichzeitig als Katalysator für das schlechte Bild der armen Bevölkerung diente. Seit den 1840er Jahren war eine, wenn auch langsame, stetige Verbesserung hinsichtlich der Kriminalität im Armenviertel zu erkennen.[4] Die Presse berichtete dennoch weiterhin, den jährlichen Berichten die eine Verbesserung dokumentierten zum trotz, von einer steigenden Kriminalitätsrate.[5]

Immerhin ging aus Polizeiberichten hervor, dass über 100.000 Menschen in London lebten, die ohne Chance auf eine Arbeit waren und daher versuchten mit Hilfe von Raub, Diebstahl und Plündrerei durch den Tag zu kommen. Geschahen derartige Verbrechen außerhalb der so genannten twilight area, in diesem speziellen Fall dem Londoner East End, in der sich die Kriminellen für gewöhnlich aufhielten, wurden sie dennoch der Unterschicht vorgeworfen. Der Theorie nach bewegten deren Mitglieder sich nämlich auch außerhalb ihrer üblichen Wohnviertel, um ihre täglichen Bedürfnisse zu befriedigen.[6] Die Vorverurteilung der armen Bevölkerung ging sogar soweit, dass man im West End an die Existenz einer so genannten criminal class glaubte. Eine Bevölkerungsschicht, die sich aufgrund ihrer fehlenden moralischen Werte und ihrem schlechten Umfeld zu Verbrechen geradezu hingezogen fühlt und nicht nur aus purer Verzweiflung das Gesetz bricht. Heute wird zwar gemeinhin bezweifelt, dass eine solche criminal class jemals existierte, dennoch reichte die bloße Vorstellung dessen für die normale Bevölkerung damals aus, um die Unterschicht mit allen Arten von Verbrechen in Verbindung zu bringen.[7] Neben den bereits angesprochenen Formen der Kriminalität wie Diebstahl und Plünderei sollten darüber hinaus die Jugendkriminalität, Gewaltverbrechen und Prostitution erwähnt werden. Prostitution nimmt hierbei jedoch eine Sonderstellung ein. Die Jugendkriminalität wurde bereits im frühen 19. Jahrhundert als ein ernstes Problem ausgemacht. Bereits 1820 erfolgte mit dem Malicious Trespass Act die Verabschiedung eines ersten Gesetzes. Nur wenig später traten außerdem der Vagrancy Act (1824) und der Larceny Act (1827) in Kraft. Diese drei Gesetze richteten sich gezielt gegen kleinere Vergehen wie Bettlerei und Diebstahl, welche bei Jugendlichen im besonders hohen Maße vorkamen. Zwanzig Jahre nach dem Larency Act folgte 1847 der Juvenile Offenders Act welcher eine Schnellgerichtsbarkeit bei jugendlichen Straftätern bis 14 Jahren ermöglichte.[8] Mit Hilfe dieser Normen wurde das Ziel verfolgt eine heranwachsende Kriminalität schnellstmöglich zu unterbinden. Die zuvor genannte Kategorie Gewaltverbrechen schließt Raub, Körperverletzung, Totschlag und Mord mit ein. Überraschenderweise war die häufigste Art der Gewaltverbrechen die häusliche Gewalt und nicht etwa die Gewalt zwischen Fremden. Auch hier wurde der Versuch unternommen, die Verbrechen durch das Anwenden von Gesetzen einzudämmen. Zu diesem Zweck erließ die Regierung 1863 den Security from Violence Act, welcher drastische körperliche Strafen gegen Straftäter legalisierte. Darüber hinaus trat 1869 der Habitual Criminals Act in Kraft. Durch ihn wurde die Grundlage einer Art Verbrecherkartei geschaffen, die es der Polizei ermöglichte etwaige Wiederholungstäter schneller in Gewahrsam nehmen zu können.[9]
Der Security from Violence Act stellte einen Rückschritt in der Strafpolitik dar. Wurden noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts viele Straftäter auch für vergleichsweise kleinere Verbrechen mit dem Tode bestraft, änderte sich das bereits in 1820er Jahren. Man bemühte sich nun die unterschiedlichen Verbrechen auch in unterschiedlich hohem Maße zu bestrafen, um so eine gerechtere Form der Strafpolitik zu schaffen. In der Folge wurde die Todesstrafe nahezu abgeschafft. Diese Vorgehensweise änderte sich jedoch mit Erlass des Security from Violence Act. Durch das gesteigerte Interesse der Medien an Gewaltverbrechen sah sich die Regierung gezwungen wieder härter gegen eben diese vorzugehen.[10]

Eine weitere Form der Kriminalität ist, wie bereits erwähnt, die Prostitution, welche eine Sonderstellung einnimmt.
Der in der viktorianischen Zeit vorherrschenden strengen Sexualmoral zum Trotz war diese nämlich zunächst nicht verboten. Erst als sich immer mehr Mitglieder der Royal Navy mit Geschlechtskrankheiten infizierten, begann die Regierung damit Prostitution zu kriminalisieren. Der Contagious Diseases Act von 1864 verpflichtete Prostituierte dazu sich einer gynäkologischen Untersuchung zu unterziehen. Es folgten zwei Gesetzeserweiterungen in den Jahren 1866 und 1869 die die Norm verschärften. Die erste sah vor, dass sich bekannte Prostituierte alle drei Monate einer Untersuchung unterziehen mussten. Zu diesem Zweck konnten die Frauen bis zu 24 Stunden in Polizeigewahrsam genommen werden. 1869 wurde es der Polizei schließlich ermöglicht, auch Frauen, die unter dem Verdacht standen sich zu prostituieren, zu verhaften und regelrecht zu einer Untersuchung zu zwingen.[11]

In London war es für die Polizei jedoch äußerst schwierig gegen die Prostitution vorzugehen, da sie es nicht mit einem organisierten Geschäft sondern vielmehr mit Gelegenheitsprostitution zu tun hatten. Des Weiteren sahen viele Polizisten diese immer noch als einen Kavaliersdelikt an und gingen nicht mit vollem Einsatz an die Sache heran.[12]

[...]


[1] Curtis, L. Perry: Jack the Ripper and the London Press, New York 2001, S. 33 [i.F.z.a.: Curtis: Jack the Ripper and the London Press, S. xy.].

[2] Curtis: Jack the Ripper and the London Press, S. 33.

[3] Curtis: Jack the Ripper and the London Press, S. 42.

[4] Curtis: Jack the Ripper and the London Press, S. 44

[5] Casey, Christopher A.: Common Misperceptions: The Press and Victorian Views of Crime, in: Journal of Interdisciplinary History 41 (2011) 3, S. 368 [i.F.z.a.: Casey: The Press and Victorian Views of Crime, S. xy].

[6] Best, Geoffrey: Mid-Victorian Britain 1851-1875, S. 271-272.

[7] Beier, A.L.: Identity, Language, and Resistance in the Making of the Victorian „Criminal Class“: Mayhew’s Convict Revisited, in: Journal of British Studies 44 (2005) 3, S. 499-500.

[8] Shore, Heather: Crime, Policing and Punishment, in: Williams, Chris (Hrsg.): A Companion to Nineteenth-Century Britain, Oxford 2004, S. 383-384 [i.F.z.a.: Shore: Crime, Policing and Punishment, S. xy.].

[9] Shore, Heather: Crime, Policing and Punishment, S.384-385.

[10] Casey: The Press and Victorian Views of Crime, S. 370-372.

[11] Ogborn, Miles: Law and Discipline in Nineteenth Century English State Formation: The Contagious Diseases Acts of 1864, 1866 and 1869, in: Journal of Historical Sociology 6 (1993) 1, S. 40-45.

[12] Shore, Heather: Crime, Policing and Punishment, S.386-387.

Excerpt out of 19 pages

Details

Title
Jack the Ripper und Kriminalität im viktorianischen London
Subtitle
“Yours truly Jack the Ripper”
College
Ruhr-University of Bochum
Grade
2,0
Author
Year
2011
Pages
19
Catalog Number
V210061
ISBN (eBook)
9783656381976
ISBN (Book)
9783656382577
File size
9067 KB
Language
German
Keywords
Jack the Ripper, Großbritannien, Viktorianisches Zeitalter, Kriminalität, London, 19. Jahrhundert
Quote paper
Julian Hatzig (Author), 2011, Jack the Ripper und Kriminalität im viktorianischen London, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210061

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