Entwicklung von Längenvorstellungen im jahrgangsgemischten Unterricht durch Stützpunktwissen


Examensarbeit, 2012

28 Seiten, Note: 2,00


Leseprobe

Inhalt

Einleitung

1 Thematische Begründung
1.1 Begründung der Stoffauswahl
1.2 Bezug zum Berliner Rahmenlehrplan

2 Theoretische Ausführungen
2.1 Begriffsklärungen
2.1.1 Klärung des Begriffs „Stützpunktwissen“
2.1.2 Klärung des Begriffs „Längenvorstellung“
2.1.3 Klärung des Begriffs „jahrgangsgemischter Unterricht“
2.2 Curriculare Fundamente
2.3 Fachdidaktische Positionen zur Entwicklung der Größenvorstellung
2.4 Beschreibung und Begründung ausgewählter Inhalte

3 Bedingungsfeldanalyse
3.1 Allgemeine Unterrichtsvoraussetzungen
3.2 Spezielle Lernvoraussetzungen – Lernstandserfassung
3.3 Unterrichtliche Konsequenzen

4 Ziele
4.1 Hypothesen
4.2 Evaluation der Hypothesen
4.3 Intentionen und Kompetenzen der Unterrichtseinheit

5 Didaktisch-methodische Entscheidungen
5.1 Planungszusammenhang
5.2 Didaktisch-methodische Konzeption der Unterrichtseinheit
5.3 Didaktische Reduktion

6 Darstellung ausgewählter Unterrichtssituationen

7 Gesamtreflexion
7.1 Ergebnisse der zweiten Lernstandserfassung
7.2 Interviews
7.3 Resümee

8 Literaturverzeichnis und Anmerkungen

Erklärung

Was für uns banale Gewohnheiten sind, werden fundamentale Entdeckungen,

wenn wir es bei Jüngeren, weniger Routinierten entstehen sehen.

(Freudenthal, 1978, S. 74)

Einleitung

Jahrgangsgemischte Klassen sind „IN“.

Kinder lernen am meisten von ihren älteren Mitschülerinnen und Mitschülern. Die wiederum entwickeln ihre Kompetenzen, indem sie die Fragen der Lernanfängerinnen und Lernanfänger beantworten bzw. ihnen etwas erklären. Denn „Erklären ist Wiederholen, Üben und Anwenden – ein Lernen auf höherer Ebene“[1]. Der Alltag jedoch sieht oft anders aus.

Zahlreiche Hospitationen zeigten mir, dass Unterricht in der jahrgangsgemischten Schulanfangsphase leider sehr häufig in jahrgangshomogenen Teilungsgruppen stattfindet. Die Begründung hierfür liegt in den Themenfeldern des Rahmenlehrplans. Denn nicht alle lassen sich so aufbereiten, dass Schülerinnen und Schüler des ersten und zweiten Schulbesuchsjahres gleichzeitig daran arbeiten können. Die Ratlosigkeit des Kollegiums ist deutlich spürbar. Auch ich als Lehramtsanwärterin stehe vor dieser Herausforderung. Mein Anliegen liegt besonders darin, möglichst oft beide Jahrgangsgruppen gleichzeitig zu einem Lerngegenstand zu unterrichten, um auf diese Weise das Potenzial, welches diese große Heterogenität mit sich bringt, nutzen zu können. Daher suchte ich für meine Arbeit nach einer Alternative, einem Themenfeld, das sich gut für die gesamte Klasse umsetzen lässt – und fand den Themenkomplex Größen und Messen, der sehr geeignet schien für die Entwicklung einer entsprechenden Unterrichtsreihe.

Das erste Kapitel der vorliegenden Arbeit begründet die Themenwahl und stellt den Bezug zum Berliner Rahmenlehrplan her.

Im Anschluss folgen die Klärung der Begriffe „Stützpunktwissen“, „Längenvorstellung“ und „jahrgangsgemischter Unterricht“, ein kurzer Einblick in die curricularen Fundamente, die Darstellung der fachdidaktischen Positionen zur Entwicklung der Größenvorstellung sowie die Beschreibung und Begründung ausgewählter Inhalte. Danach gebe ich einen Überblick über die allgemeinen Unterrichtsvoraussetzungen und stelle die Lerngruppe vor. Daraus leite ich Konsequenzen für meinen Unterricht ab und stelle Hypothesen für die Einheit auf.

Im fünften Kapitel erläutere ich meine Unterrichtseinheit unter didaktisch-methodischen Aspekten. Dem schließt sich einerseits die Beschreibung ausgewählter Unterrichts­situationen an, die Gesamtreflexion andererseits bildet, unter Einbeziehung der Zielvorstellungen, den Abschluss meiner Arbeit.

1 Thematische Begründung

1.1 Begründung der Stoffauswahl

Auslöser für meine Themenwahl war die Situation in einer Sportstunde, in der die Schülerinnen und Schüler der Klasse A2 verschiedene Erfahrungen im Umgang mit dem Ball sammelten. Auf dem Weg zum Balldiplom durchliefen sie eine Wurfschulung, wobei es zu folgender Situation kam: Ein Schüler warf den Ball sehr weit und bekam von der ganzen Klasse Beifall. „Das sind ja bestimmt über 100 Meter!“, sagte ein Schüler. „So ’n Quatsch, 100 Meter kann man ja gar nicht werfen. Das ist viel zu viel“, sagte ein anderer Mitschüler. Das machte mich neugierig und ich fragte mich, was Schüler in der Schulanfangsphase wohl für eine Vorstellung von Größen haben.

Da es in der Mathematikdidaktik viele Studien über das Vorwissen von Grundschulkindern in Bereichen der Arithmetik gibt, jedoch nur eine geringe Anzahl im Bereich Größen und Messen, insbesondere im Bereich der Längenkonzepte[2] bei Kindern, entschied ich mich, dies zum Thema der vorliegenden Arbeit zu machen.

Gerade der Größenbereich Längen nimmt bei Kindern eine besondere Rolle ein. Denn hier haben sie häufig die meisten außerschulischen Erfahrungen gesammelt. Schon im Kindergarten vergleichen sie ihre Körpergrößen miteinander und auch bei den regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen können sie beobachten, dass sie gemessen werden und die Länge ihres Körpers genau festgehalten wird.

Zudem wird ihnen durch die ständig zunehmende Kleider- und Schuhgröße ihr eigenes Wachstum bewusst. Besonders in der heutigen Zeit, in der viele Familien – beispielsweise bedingt durch die Arbeitssituation – getrennt von den Großeltern leben, spielen Entfernungen für Kinder eine immer größere Rolle. Welches Kind hat noch nicht die Frage gestellt: „Ist es noch weit?“[3]

1.2 Bezug zum Berliner Rahmenlehrplan

Die Größe Längen ist im Rahmenlehrplan Grundschule: Mathematik im Themenfeld Größen und Messen verankert. Neben dem praktischen Messen spielt besonders das gedankliche Messen eine große Rolle. Durch den handelnden Umgang mit Objekten aus der Umwelt der Schülerinnen und Schüler sollen sie „vielfältige inhaltsreiche Vorstellungen von Repräsentanten“[4] der jeweiligen Größe erwerben.

Die vorliegende Unterrichtseinheit orientiert sich an den im Rahmenlehrplan Grundschule: Mathematik festgelegten Anforderungen und Kompetenzen. Zum einen fördert sie inhaltsbezogene mathematische Kompetenzen, wie Größenvorstellungen besitzen und mit Größen in Sachsituationen umgehen. Die Schülerinnen und Schüler sollen Standardeinheiten der Größe Längen kennen, Größen vergleichen, ordnen, schätzen und messen. Zudem sollen sie Repräsentanten für diese Standardeinheiten kennen, die im Alltag wichtig sind. Auch das Umwandeln von Größenangaben stellt einen wichtigen Punkt im Themenfeld dar. Ebenso soll das sachgerechte Messen mit unterschiedlichen Messinstrumenten und geeigneten Einheiten geschult werden.[5]

Zum anderen fördert die Unterrichtseinheit die Entwicklung allgemeiner mathematischer Kompetenzen. Die Schülerinnen und Schüler der verschiedenen Altersklassen sind dazu angehalten, beim Beschreiben ihrer Gedankengänge – unter anderem beim Lösen von Aufgaben – miteinander zu kommunizieren sowie ihre Lösungswege argumentativ zu unterstützen.

2 Theoretische Ausführungen

2.1 Begriffsklärungen

2.1.1 Klärung des Begriffs „Stützpunktwissen“

Stützpunktwissen oder auch Stützpunktvorstellungen sind verinnerlichte Vergleichsgrößen, Repräsentanten aus der Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler. Sie haben eine Schlüsselfunktion bei der Entwicklung von Größenvorstellungen, sie sind die Voraussetzung für das Schätzen in Alltagssituationen[6] sowie für die Anwendung der Mathematik im Allgemeinen.[7] Einmal fester Bestandteil im Gedankengut der Schülerinnen und Schüler, können sie als mentale Ersatzwerkzeuge dienen, um die Größe eines Objekts schätzend zu bestimmen.[8] Der Aufbau und die Entwicklung von grundlegenden Stützpunkten sind ausschlaggebend für die Qualität des Schätzens. Der Aufbau soll nach Winter zentrales Unterrichtsziel sein und orientiert sich an dem Zusammenspiel von konkreten Messprozessen und verinnerlichten Messerfahrungen.[9]

Es gibt drei Arten von Stützpunktwissen: gegenständlich (Tür), körpereigen (Schritt) und konventionell (Lineal).[10]

2.1.2 Klärung des Begriffs „Längenvorstellung“

Unter dem Begriff Längenvorstellung wird die mentale Darstellung über Repräsentanten der Größe Längen verstanden.[11] In der Literatur werden zwei Kategorien aufgezeigt: Zum einen gibt es die unmittelbaren Längenvorstellungen, die durch situative materielle Handlungen dargestellt werden, wie zum Beispiel ein Zentimeter mit der Daumenbreite eines Kindes oder ein Meter mit einem großen Schritt. Zum anderen gibt es die mittelbaren Längenvorstellungen, die auf der sprachlich-symbolischen Ebene beschrieben werden: Ein Kilometer kann nicht einfach so dargestellt, jedoch sprachlich umschrieben werden (z. B. die Entfernung von der Schule zum Bahnhof[12] ).

2.1.3 Klärung des Begriffs „jahrgangsgemischter Unterricht“

Das Prinzip der Jahrgangsmischung ist nahezu 100 Jahre alt! Bereits Maria Montessori, Peter Petersen sowie Célestin Freinet waren der Meinung, dass die optimale Entwicklung eines Kindes unter anderem durch die Jahrgangsmischung gewährleistet werden kann.[13] Mit dem Begriff ist das Zusammenlegen der Klassen 1 und 2 in eine heterogene Lerngruppe gemeint. Angelehnt an den konstruktivistischen Lernbegriff sollen Schülerinnen und Schüler ihr Wissen, welches sie in vielfältigen Erfahrungen gesammelt haben, stets neu konstruieren. Dabei steht die eigenverantwortliche Auseinandersetzung mit den Lerninhalten im Vordergrund. Die Verschiedenheit der Kinder ist der Motor für soziales und sachbezogenes Lernen. Sie regen sich wechselseitig an, helfen sich gegenseitig und entwickeln besonders ihre Sozial- und personale Kompetenz.[14]

2.2 Curriculare Fundamente

Das schulinterne Curriculum der Peter-Witte-Grundschule ist auf der Grundlage der Berliner Rahmenlehrpläne gestaltet. Es umfasst neben themenorientierten und Jahrgangsstufenplänen unter anderem auch die Fachpläne der Fachkonferenzen. In der Schulanfangsphase haben die Lehrerinnen in Anlehnung an den Rahmenlehrplan Grundschule: Mathematik als gemeinsame Arbeitsgrundlage Mindeststandards für das zweite Schulbesuchsjahr festgelegt. Im Bereich Größen und Messen sind in Hinblick auf das Thema der vorliegenden Arbeit zwei Schwerpunkte als Zielsetzung vermerkt: Zum Übergang in die 3. Klasse kennen Schülerinnen und Schüler typische Repräsentanten der Größe Längen (cm, m) und sind in der Lage, Längen zu schätzen, zu messen und zu zeichnen.

2.3 Fachdidaktische Positionen zur Entwicklung der Größenvorstellung

Damit Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, beispielsweise beim Lösen von Sachaufgaben „unsinnige“ Ergebnisse kritisch zu reflektieren, ist eine Vorstellung über diese Größe vorausgesetzt. Die Entwicklung dieser Vorstellung ist eines der grundlegenden Anliegen der Grundschulmathematik. In der Literatur findet sich immer wieder eine Stufenabfolge für das Einführen der ersten Einheit einer Größe wieder, die dem Abstraktionsprozess zugrunde liegt und „den kulturhistorischen Entwick­lungsprozess im Laufe der Menschheitsgeschichte widerspiegelt“[15]. Diese didaktische Stufenfolge wird in der Literatur oft leicht abgewandelt.[16] Die immer wiederkehrenden und teilweise auch in aktuellen Schulbüchern vertretenen Stufen sind folgende:

1. Erfahrungen in Sach- und Spielsituationen sammeln,
2. direktes Vergleichen von Repräsentanten einer Größe,
3. indirektes Vergleichen mithilfe von selbst gewählten Maßeinheiten,
4. indirektes Vergleichen mithilfe von standardisierten Maßeinheiten, Messen mit verschiedenen Messgeräten,
5. Umrechnen: Verfeinern und Vergröbern der Maßeinheiten,
6. Rechnen mit Größen.[17]

Neben Franke, Winter und anderen Fachdidaktikern kritisiert Nührenbörger diesen „kleinschrittigen, formalisierten und nach Schwierigkeiten isolierten Lehrgang“[18] mit der Begründung, dass die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler über Messinstrumente und standardisierte Einheiten nicht ausreichend berücksichtigt werden.

[...]


[1] Herzig; Lange 2006, S. 12.

[2] Vgl. Nührenbörger 2002, S. 1.

[3] Vgl. Peter-Koop 2011, S. 4.

[4] Vgl. Berliner Rahmenlehrplan Grundschule: Mathematik 2004, S. 30.

[5] Vgl. Beschlüsse der Kultusministerkonferenz 2004, S. 11.

[6] Vgl. Peter-Koop 2001, S. 7.

[7] Vgl. Grund 1992, S. 43.

[8] Vgl. Schipper; Dröge; Ebeling 2000, S. 211.

[9] Vgl. Köller u.a. 2007, S. 94.

[10] Vgl. Nührenbörger 2002, S. 49.

[11] Vgl. Grund 1992, S. 42.

[12] Vgl. Nührenbörger 2002, S. 41.

[13] Vgl. Herzig; Lange 2006, S. 19.

[14] http://www.isb.bayern.de/isb/download.aspx?DownloadFileID=64bc1082e7f40db11a425b7eacc969a5; letzter Zugriff am 28. 01. 2012 um 23:17 Uhr.

[15] Franke 2003, S. 195.

[16] Vgl. Radatz/Schipper/Dröge/Ebeling 1998, S. 170.

[17] Vgl. Franke 2003, S. 201.

[18] Nührenbörger 2002, S. 95.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Entwicklung von Längenvorstellungen im jahrgangsgemischten Unterricht durch Stützpunktwissen
Note
2,00
Autor
Jahr
2012
Seiten
28
Katalognummer
V210148
ISBN (eBook)
9783656384311
ISBN (Buch)
9783656386919
Dateigröße
1294 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
flexible Schulanfangsphase, jahrgangsgemischter Unterricht
Arbeit zitieren
Cindy Kushmann (Autor:in), 2012, Entwicklung von Längenvorstellungen im jahrgangsgemischten Unterricht durch Stützpunktwissen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210148

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