Das Bündnis für Arbeit- Theorie, Praxis und Erfolge


Seminararbeit, 2002

43 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsübersicht

1. Problemstellung

2. Verbändeforschung und Ablösung des Pluralismuskonzepts
2.1 Verbände im Wandel

3. Tripartistischer Korporatismus
3.1 Gründe für den Ruf nach tripartistischen Vereinbarungen
3.2 Exkurs „ Konzertierte Aktion“
3.2.1 Interessenlagen der korporativen Akteure
3.2.1.1 Das Interesse der Regierung
3.2.1.2 Das Interesse der Gewerkschaften
3.2.1.3 Das Interesse der Arbeitgeberverbände
3.2.2 Auswertung der Konzertierten Aktion
3.3 Globalisierung und Strukturwandel durch technischen Fortschritt
3.4 Die Interessenlagen im tripartistischen Korporatismus S. 9 3.4.1 Das Interesse der Verbände an korporatistischen nstitutionen
3.4.2 Das Interesse der Regierung an korporatistischen Institutionen
3.5 Funktions- und Erfolgsbedingungen korporatistischer Institutionen
3.5.1 Funktionsbedingungen politischer Verträge
3.5.2 Bedingungen für den Erfolg koporatistischer Institutionen
3.6 Gefahren durch tripartistische, korporatistische Vereinbarungen
3.6.1 Tendenz zur Besitzstandswahrung und zur Unbeweglichkeit S. 16
3.6.2 Der Außenwettbewerb als offene Flanke
3.6.3 Kurzfristorientierung
3.6.4 Paketlösung zu Lasten Dritter
3.6.5 Konflikte mit der demokratisch- politischen Grundordnung

4. Nach dem Ende der Konzertierten Aktion- vor dem Bündnis für Arbeit
4.1 Bündnis für Arbeit als Regierungsprogramm
4.1.1 Organisationsstruktur
4.2 Motive der Beteiligten
4.2.1 Interessenprofile der Akteure
4.2.2 Interessenlage des Staates
4.2.3 Interesse der Arbeitgeber
4.2.4 Interesse der Gewerkschaften
4.2.5 Exkurs: Machtasymmetrie Arbeit und Kapital
4.3 Interventionsdrohung des Staates
4.4 Dienstleistungsgesellschaft als Lösungsansatz
4.5 Bewertung des Ansatzes
4.6 Folgen für das Bündnis

5. Bewertung des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit
5.1 Bewertung hinsichtlich Abbau der Arbeitslosigkeit
5.2 Strukturelle Probleme- Mangelnde Öffnung und Dezentralisierung
5.3 Mangelnde Transparenz und Legitimation
5.4 Föderalismus
5.5 Ordnungspolitische Kritik
5.6 Fazit

Literatur

1. Problemstellung

Es ist festzuhalten, dass die Bundesrepublik Deutschland seit Ende der 70er Jahre einer anhaltenden und steigenden Massenarbeitslosigkeit unterliegt. Man musste zu der Einsicht gelangen, dass eine Marktwirtschaft nicht zwangsläufig Vollbeschäftigung schafft. Dass diese Situation nicht länger andauern darf, darüber ist sich die Führung des Staates einig, doch um Lösungswege zu erzielen, müssen die Ursachen für die Arbeitslosigkeit verstanden sowie gesellschaftliche Veränderungsprozesse, wie z. B. die Auflösung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses, einbezogen werden. Die Konzertierung von Interessen, also das Zusammenfließen der unterschiedlichen Interessenlagen von Regierung, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden soll eine Möglichkeit darstellen, die für die Beteiligten beste Lösungsstrategie zu entwerfen. Dabei ist das „ Bündnis für Arbeit“ jedoch nicht der erste und wird auch nicht der letzte Versuch sein, um Arbeitslosigkeit abzubauen. In der vorliegenden Arbeit soll herausgefunden, ob eine tripartistische Kooperation geeignet ist, Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen? Dabei werden die Erfolgsbedingungen und die Funktionsfähigkeit der Konzertierung von Interessen und der tripartistischen Korporatismusstrukturen erarbeitet und wie diese erfolgreiche Lösungspakete vor dem Hintergrund des Neokorporatismus, des Strukturwandels der Verbände und der Globalisierung liefern können. Im gleichen Atemzug soll eine Antwort auf die Frage gefunden werden, ob das „ Bündnis für Arbeit“ seinem Zweck gerecht wird.

2. Verbändeforschung und Ablösung des Pluralismuskonzepts

Zu Beginn der fünfziger Jahre gewann man die Ansicht der „ Herrschaft der Verbände“ ( Alemann/ Heinze 1981, 12), die die staatliche Autorität durch ihre Macht der Interessen gefährdeten. Diese Betrachtungsweise wurde jedoch Ende der fünfziger Jahre durch eine stärkere Thematisierung in der Wissenschaft im Neopluralismus abgelöst. Sie waren nun nicht mehr eine Bedrohung oder Gefahr für den Staat, sondern wurden als autonome und legitime Elemente im politischen Willensbildungsprozess anerkannt und nahmen Einfluss auf die Gesetzgebung ( ebd., 16) Im Mittelpunkt stand die autonome Organisierbarkeit von sozialen Interessen und die Herausbildung des Gemeinwohl aus deren Konflikt. Ihnen wurde die Aufgabe von Intermediären zugeschrieben, die individuelle Interessen aggregierten und in den politischen Entscheidungs- und Willensbildungsprozess hinein trugen, wobei sie unbewusst an der Formulierung allgemeiner Interessen beteiligt waren. Diese einseitige Betrachtungsweise der Beziehung zwischen Staat und Verbänden übersah jedoch, dass Großverbände eng mit Parteien und Politik verflochten waren ( ebd., 20) So fand Ende der siebziger Jahre die Ablösung durch den Neokorporatismus statt, welcher beinhaltete, dass eine Interessenartikulation und Druckausübung nicht nur seitens der Verbände auf staatliche Institutionen in Form von lobbying und pressure groups stattfindet, sondern dass sie aktiv an der Formulierung und Implementation von Politik beteiligt sind. Man kann dies als Kooperation von Staat und Verbänden bezeichnen in der Form eines gleich- oder wechselseitigen Austauschs ( Keman 1996, 497) Die Verbände tragen durch den Bezug zu ihren Mitgliedern zur gesellschaftlichen Ordnung bei und damit auch zur Steuerung hochkomplexer Gesellschaften. Im Gegenzug werden sie durch den Staat in ihrer Organisationsfähigkeit unterstützt und erhalten Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen. Dies geschieht auf der Grundlage der Annahme, dass moderne Gesellschaften für ihre Konfliktlösung Institutionen benötigen, um die Bildung von Absprachen zu erleichtern, die für alle Teilnehmer einen Konsens erzielt und dabei die geringsten Kosten verursacht ( ebd., 499) Das System des Korporatismus ist modern spiegelbildlich zum Pluralismus zu verstehen. Es wird aus einem Interessenvermittlungssystem gebildet, welches aus einer begrenzten Anzahl nicht konkurrierender, hierarchisch strukturierter und abgegrenzter, singulärer Zwangsverbände besteht, welche über staatliche Anerkennung verfügen. Ihnen wird ferner ein ausdrückliches Repräsentationsmonopol zugesprochen, wofür sie im Gegenzug gewisse staatliche Auflagen zu erfüllen haben ( Schmitter 1979, 94f) Im steuerungstheoretischen Zusammenhang wird Korporatismus von LEHMBRUCH als ein neuer Steuerungsmodus behandelt, welcher durch den wachsenden Konsensbedarf für staatliches Handeln zunehmend an Bedeutung gewinnt ( Lehmbruch 1996, 737) Die anhaltende Untersystembildung führt zu einer steigenden Komplexität des Gesamtsystems und damit zu einer zunehmenden Differenzierung, da viele spezifische Funktionen nicht funktional ersetzbar sind. Dieser Umstand erfordert Steuerung. Durch Integration der Teilsysteme und deren Einbezug in den politischen Entscheidungsprozess unter der Voraussetzung eines „ Gesamtsysteminteresses“ kommt es zu mehr Leistungsanforderungen. Auch die Steigerung der Vetomacht der gesellschaftlichen Akteure führen einerseits zur Entlastung des politischen Systems, andererseits ist die Gefahr der Verweigerungsfähigkeit groß. Man gelangt schlussfolgernd zu der These, dass das politische System nicht mehr in der Lage ist, seine Integrationsaufgabe zur Zufriedenheit aller zu erfüllen, auch bedingt durch die Überlastung durch die hohe Ausdifferenzierung der Interessenlagen und der zunehmenden Spannweite politischer Aufgaben. Eine Antwort auf die Frage, wie funktional differenzierte Gesellschaften integriert und die Steuerungsfähigkeit des Systems erhalten bzw. hergestellt werden können, ist der Neokorporatismus. Durch die Einbindung von Verbänden soll zusätzliches Steuerungspotential gewonnen werden. Dabei werden in korporatistischen Verhandlungssystemen Interessenausgleiche angestrebt, deren wichtigste Instrumente Verhandlungen und Absprachen sind, in denen die beteiligten Akteure ( gesellschaftliche und staatliche) konsensfähige Strategien entwerfen. Die Kernbereiche der korporatistischen Austauschlogik sind die Politikfelder Wirtschaft und Arbeit, in denen unter Berücksichtigung makroökonomischer Zielvorgaben zwischen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Regierung ausgehandelt wird. Die Vertreter innerhalb des korporatistischen Rahmens haben grundsätzlich unterschiedliche Bedürfnisse, sind jedoch in der Marktwirtschaft stark voneinander abhängig und wollen vor allem Nullsummeneffekte verhindern ( Keman 1996, 510)

2.1 Verbände im Wandel

Verbände sind Interessenorganisationen, die wichtige Integrations-, Vermittlungs- und Steuerungsleistungen für das politische System erbringen. Sie verfügen über ein eigenständiges Legitimationspotential und können damit zur Akzeptanz und Durchsetzung allgemeinverbindlicher Entscheidungen beitragen ( Reutter 2000, 7) Auch die unpolitischen und zivilgesellschaftlichen Vereinigungen leisten ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Integration, steigern mithin die kollektive Wohlfahrt und unterstützen die liberale Demokratie. Sie nutzen als Instrumente der Integration ihre Präsenz vor Ort, den unmittelbaren, persönlichen Kontakt, sowie die Ehrung von Mitgliedern und erzeugen dabei ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Andererseits sind jedoch auch Organisationshemmnisse, Strukturschwächen und Funktionsdefizite zu verzeichnen. Gründe dafür sind verschiedener Natur. Es ist zunächst ein Wandel in der ehrenamtlichen Tätigkeit von dauerhaften Bindungen und Verpflichtungen zu eher kurzzeitigen, projektbezogenen Engagements zu beobachten. Dabei spiegelt das Spektrum der registrierten Verbände zwar wichtige soziale und politische Konfliktstrukturen wider, auf denen schließlich zeitverzögert gesellschaftliche Veränderungen folgen können, jedoch weisen besonders gesellschaftlich marginale Gruppen, wie zum Beispiel Arbeitslose, systematische und dauerhafte Vertretungsschwächen auf ( ebd., 10) Aus diesen und weiteren Angaben werden folgende Schlussfolgerungen gezogen: zum einen ist die Organisations- und Konfliktfähigkeit von Verbänden abhängig von schichtenspezifischen Faktoren wie Bildung und von der Verfügung über vor allem finanzielle Ressourcen der Mitglieder. Weiterhin prägten Streeck/ Schmitter den Unterschied der Mitgliedschafts- und Einflusslogik ( ebd.), wobei die erstere der zweiten mitunter enge Grenzen setzt. Denn einerseits müssen die Verbände ihren Mitgliedern ausreichend Anreize liefern, um schließlich von ihnen Ressourcen extrahieren zu können, aber andererseits müssen sie auch dem Staat Anreize dafür bieten, um von ihm Tauschressourcen, Zugänge und Einflussmöglichkeiten zu erwerben. Mitgliedschafts- und Einflusslogik stellen dem entsprechend konkurrierende organisationspolitische Imperative dar. Auch die Größe einer Organisation ist von Bedeutung, hierbei gilt die Faustregel, je größer diese ist, um so geringer wird der Einfluss auf die Mitglieder. Auch die hohe Entwicklungsdynamik von ökologischen und ideellen Verbänden, sowie Interessenvertretungen der Risiko- und Dienstleistungsgesellschaft gehen einher mit dem Bedeutungsverlust von etablierten Verbänden.

3. Tripartistischer Korporatismus

Ein besonderes Charakteristikum des tripartistischen Korporatismus ist, dass sich die Regierung in einem Verhandlungsprozess mit den Vertretern von mächtigen Interessengruppen an einen Tisch setzt, um mit ihnen Lösungsansätze für spezifische wirtschaftspolitische Aufgaben zu erarbeiten. Die Spannweite der Verhandlungen reicht dabei von wechselseitiger Orientierung bis zur Aushandlung konkreter Maßnahmen und Verhaltensweisen ( Weßels 2000, 17) Charakteristisch ist insbesondere, dass die Regierung wirklich verhandelt, also mehr als nur den Rahmen für die Verhandlungen von Verbandsvertretern zu setzen oder Vermittler zu spielen. Sie nimmt statt dessen aktiv auf das Ergebnis der Verhandlungen zwischen den Verbänden Einfluss und ist ebenso bereit, selbst Leistungen zu erbringen und zu empfangen. Das Aufgabenfeld korporatistischer Institutionen ist nicht fest eingegrenzt, sondern es wird von den Beteiligten im Laufe der Verhandlungen entwickelt ( Offe 1981, 76) Institutionen des tripartistischen Korporatismus sind daher eher prozess- als zielorientiert.

3.1 Gründe für den Ruf nach tripartistischen Vereinbarungen

Korporatistische Institutionen sollen als ergänzende Elemente der marktwirtschaftlichen Ordnung dienen, insbesondere dort, wo Märkte offenbar versagen. Ein tief liegender Grund für das Misstrauen in Marktlösungen ist die Bedrohung durch vorübergehende negative Rückwirkungen des technischen Fortschritts. Ferner verhelfen korporatistische Institutionen den Verbänden, die zunehmend durch die Globalisierung unter Druck geraten, zur Wahrung ihrer Legitimität und ihres Einflusses ( Alemann 2000, 5) Der Regierung erlauben korporatistische Institutionen schließlich die Bildung von Paketen, in denen das Gemeinwohl berücksichtigt wird und die Opfer der beteiligten Parteien gerecht verteilt werden können. Gerade vor dem Hintergrund, die Gunst der Wiederwähler zu gewinnen, ist dies ein wichtiger Aspekt. Dazu kommt, dass die Regierung in einer schwierigen Lage oft das Interesse hat, dem Wähler eine aktive Rolle in Konsensgesprächen zu vermitteln, selbst wenn daraus nicht zwingend Problemlösungen folgen.

3. 2 Exkurs „ Konzertierte Aktion“

Zum Ende der Ära Adenauer und in einer wirtschaftlichen Krisensituation war die Zeit reif für einen neuen Politikmodus ( Schroeder 1999) Die „ Konzertierte Aktion“ sollte als ein Instrument wechselseitiger Konsultationen fungieren. Ihr Ziel war es, die Inflationstendenzen nachhaltig zu bekämpfen und die anschwellende Arbeitslosigkeit abzubauen. Dabei sollte das Zusammenspiel der entscheidenden einkommenspolitischen Akteure eine Art „ zwanglosen Zwang“ ( ebd.) schaffen, der die Einkommenspolitik so beeinflusste, dass diese schließlich als eigenständiges System weiter funktionsfähig werde. Die handelnden Akteure hatte dabei wie folgt unterschiedliche Bedingungen und Motivationen, die ihre Handlungsfähigkeit prägten.

3. 2. 1 Die Interessenlagen der korporativen Akteure

3. 2. 1. 1 Das Interesse der Regierung

Das Eingreifen der Regierung spielte sich vorwiegend im Feld der Tarifpolitik ab, da sich die Tarifverbände nur unzureichend selbst regulieren konnten. So wurden seitens der Regierung für die Tarifverbände Verhaltensmaßregeln und Lohnleitlinien festgesetzt und schließlich ein Sachverständigenrat errichtet. Dieser sollte eine Kommunikation auf der Spitzenebene ermöglichen und wurde von Arbeitgebern und Gewerkschaften gleichermaßen akzeptiert. Grund dafür war sicher unter anderem, dass das staatliche Handeln eine eher flankierende Rolle spielte, vorzugsweise um ein Einigungsziel zu erreichen und drohende Streiks zu vermeiden; es fanden demnach keine direkten Interventionen statt. Auch, da das Bestehen der „ Konzertierten Aktion“ eng mit der Persönlichkeit und Autorität des Wirtschaftsministers Schiller verbunden war, erfolgte sie als Instrument zur Herstellung „ sozialer Symmetrie“ ( ebd.)

3. 2. 1. 2 Das Interesse der Gewerkschaften

Für die Gewerkschaften war von zentraler Bedeutung im Hinblick auf die „ Konzertierte Aktion“, dass durch ihre Beteiligung ein sozialdemokratischer Politikwechsel befördert wurde. Denn sie sahen nur in einer solchen Regierung die Fähigkeit des exklusiven Zugangs zu den Gewerkschaften, um diesen zum Zweck der sozialen Gerechtigkeit und der Förderung des ökonomischen Wachstums zu nutzen. Auch waren sie der Ansicht durch ihre Beteiligung ernster genommen zu werden und an neuer Anerkennung zu gewinnen. In den Augen der Gewerkschaften sollte der Staat in dieser modernen und sozialen, wirtschaftspolitischen Interventionsform seinen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit und Symmetrie leisten. Jedoch zeichneten sich heftige innerorganisatorische Auseinandersetzungen innerhalb der Gewerkschaften ab. Zum einen war die Verbandsspitze an den Verhandlungen beteiligt, mittlere Funktionäre wurden jedoch in ihrem Mitspracherecht eingeschränkt. Auch wurde die Befürchtung laut, dass die „ Konzertierte Aktion“ wirkliche Tatbestände verschleiert und die Gewerkschaften mit ihren Forderungen unter die Koalitionspolitik unterordnet.

3. 2. 1. 3 Das Interesse der Arbeitgeberverbände

Die Arbeitgeberverbände akzeptierten die aktivere Rolle des Staates nur im Sinne der keynsianischen Wirtschaftspolitik. Sie stimmten für eine Versachlichung der Tarifpolitik, um die Kosten für Konflikte zu Reduzieren und verbesserte Rahmendbedingungen für wirtschaftliches Wachstum zu schaffen. Ihre Teilnahme erfolgte jedoch nur unter der Bedingung, dass keine Eingriffe in die Dispositionsfreiheit der Unternehmen vorgenommen wird.

3. 2. 2 Auswertung der „ Konzertierten Aktion“

Das erste Spitzengespräch fand 1967 statt, ihr Ende fand die „ Konzertierte Aktion“ bereits 1977. Gründe dafür lagen in der fehlenden Entscheidungskompetenz der Beteiligten und der ständigen Ausweitung des Teilnehmerkreises. Dadurch kam es zu wachsenden Diskrepanzen. Ebenso standen die lohnpolitischen Diskussionen oftmals geld-, preis-, investitions- und beschäftigungspolitischen Zielen entgegen. Ferner erfolgten Mitgliederproteste durch die Sparpolitik in den Gewerkschaften. Auf der anderen Seite sind jedoch auch beachtliche Steuerungserfolge zu verzeichnen ( ebd.) Sie fanden ihren Ausdruck in maßvollen und längerfristigen Lohnabschlüssen und stützten somit das Konjunkturprogramm. Die „ Konzertierte Aktion“ erzielte Erfolge bei der Inflationsbekämpfung und der Modernisierung der Bundesrepublik. Sie festigte und förderte die gewerkschaftliche Handlungsfähigkeit. Weiterhin ermöglichte sie einen Politikwechsel und stabilisierte damit das deutsche Modell der industriellen Beziehungen.

3. 3 Globalisierung und Strukturwandel durch technischen Fortschritt

Die westeuropäischen Wohlstandsgesellschaften stehen nun vor vielen Herausforderungen. In der öffentlichen Diskussion werden am häufigsten genannt: der durch die Globalisierung beschleunigte Strukturwandel, die Krise des Sozialstaats und die hohe Arbeitslosigkeit

Diese Herausforderungen sind ganz wesentlich Folgen der Veränderungsdynamik. Die Globalisierung der Märkte hängt vor allem mit dem technisch- wirtschaftlichen Fortschritt auf dem Gebiet der Kommunikation und des Transports zusammen. Strukturwandel und Beschäftigungsproblem stehen in einem Zusammenhang mit den Rationalisierungsfortschritten in praktisch allen Branchen der Wirtschaft.

Der technisch- wirtschaftliche Fortschritt und Wandel schafft für die meisten Menschen eine enorme Steigerung des materiellen Lebensstandards. Ständig stellt er aber auch Marktpositionen von Unternehmern und Arbeitnehmern in Frage.

Im Kern geht es bei der Beurteilung korporatistischer Institutionen um die Abwägung zwischen der Erhaltung der Wachstumsdynamik im Marktprozess auf der einen und der Hoffnung auf der anderen Seite, dass korporatistische Lösungsversuche die Anpassungsprobleme lösen können.

3. 4 Die Interessenlagen im tripartistischen Korporatismus

3. 4. 1 Das Interesse der Verbände an korporatistischen Institutionen

Der Prozess der Globalisierung erleichtert die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland und erodiert daher die Macht der nationalstaatlich organisierten Verbände. Der durch den technischen Fortschritt induzierte Strukturwandel schwächt viele der sektoral organisierten Verbände. ( Beides gilt für Arbeitnehmer- wie Arbeitgeberverbände) Korporatistische Einrichtungen geben den Verbänden den Anschein zusätzlicher Legitimation. Sie federn dadurch den Druck der Globalisierung und des Strukturwandels auf die Verbände ab. Das hilft diesen, die Anpassung des ihnen dienlichen Status quo weiter hinauszuschieben. Die heute in der Politik einflussreichen Interessengruppen stemmen sich vielfach gegen marktkonforme Lösungen, die geeignete Antworten der Individuen und Unternehmen auf die Herausforderungen des technischen Wandels und der Globalisierung wahrscheinlicher, vielfach sogar erst möglich machen. Denn sie müssten dann Besitzstände ihrer Mitglieder hergeben. So fühlen sich Gewerkschaften aufgerufen, die „ Errungenschaften" des Sozialstaats sogar dann zu verteidigen, wenn sie marktkonformen Antworten entgegenstehen. In der Tat ist die Reform des sozialstaatlichen Status quo bei den Mitgliedern äußerst unpopulär, da die in der längeren Sicht erst erkennbaren Vorteile einer Aufgabe von Besitzständen nicht oder nur schwer plausibel gemacht werden können. Die Motivation der betroffenen Verbände, und zwar sowohl der Gewerkschaften als auch der Arbeitgeberverbände, den Status quo zu verteidigen, indem sie den für sie nachteiligen Marktprozess in korporatistischen Verhandlungen aufzuhalten versuchen, ist daher groß. Die leichtere Organisierbarkeit der Status-quo-Interessen verstärkt diesen Prozess. Die Welt der Interessenverbände wird von den Interessen etablierter Unternehmer und Arbeitsplatzbesitzer dominiert, während die Interessen der Konsumenten, insbesondere ihr Interesse an Innovation und Fortschritt, wesentlich schwerer zu organisieren sind. Noch schwerer sind die Interessen künftiger Arbeitnehmer und Unternehmer zu organisieren, die auf den Ergebnissen heutiger Innovationstätigkeit aufbauen können. Verbandsspitzen profitieren von korporatistischen Institutionen schließlich auch im Binnenverhältnis zu ihren Mitgliedern. Verbände müssen im Stande sein, die Interessen ihrer Mitglieder zu einer einheitlichen Position zu aggregieren. Das ist nur möglich, wenn die Verbandsspitze einen ausreichenden Entscheidungsfreiraum hat und wenn die Verbandsmitglieder das Verhandlungsergebnis dann auch umsetzen. Manchen Verbandsführungen gelingt diese Organisationsleistung aus eigener Kraft. Es ist für die Verbandsspitze jedoch verführerisch, sich dabei staatlicher Hilfe zu bedienen. Die Beteiligung an korporatistischen Arrangements verschafft der Verbandsspitze im Innern des Verbandes nicht nur zusätzliche Legitimität. Oft kann sie der Regierung auch ganz konkrete finanzielle Zuwendungen oder Zugeständnisse in Gesetzesvorhaben entlocken. Zudem kann die Regierung, gestützt auf ihre Parlamentsmehrheit, auch das Recht als Mittel einsetzen, um die Verbandsorganisation zu erleichtern.

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Details

Titel
Das Bündnis für Arbeit- Theorie, Praxis und Erfolge
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar: Erosion der Konsensgesellschaft? Die Entwicklung des Parteien- und Verbändesystems nach der Wiedervereinigung
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
43
Katalognummer
V21020
ISBN (eBook)
9783638247399
Dateigröße
785 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bündnis, Arbeit-, Theorie, Praxis, Erfolge, Seminar, Erosion, Konsensgesellschaft, Entwicklung, Parteien-, Verbändesystems, Wiedervereinigung
Arbeit zitieren
Alexandra Schwerin (Autor:in), 2002, Das Bündnis für Arbeit- Theorie, Praxis und Erfolge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21020

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