Multimorbidität und Polypharmazie im höheren Lebensalter


Hausarbeit, 2012

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Multimorbidität
2.1 Prävalenz und Inzidenz der Multimorbidität

3. Polypharmazie
3.1 Probleme und Gefahren der Polypharmazie
3.2 Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
3.3 Verordnung Potenziell Inadäquater Medikation

4. Strategien zur Vermeidung von Polypharmazie
4.1 Negativlisten
4.1.1 Beers Kriterien
4.1.2 PRISCUS Liste
4.2 Screening-Instrumente und Algorithmen
4.2.1 Medication appropriateness index
4.2.2 Good-Palliative-Geriatric-Practice-Algorithmus
4.2.3 Naranjo Qestionaire
4.2.4 Pflegerische Überwachung der Arzneimittelwirkung-Skala

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

In einer Gesellschaft des Demografischen Wandels entstehen zunehmend neue Herausforderungen.

Neben ökonomischen Herausforderungen, die bedingt sind durch die wachsende Zahl älterer Menschen und die sinkende Zahl der Menschen im mittleren Lebensalter, die einen aktiven Beitrag zur Finanzierung des Sozialstaats leisten, stehen die Versorgungsherausforderungen im Gesundheitssektor (Bäcker, Naegele, Bispinck, Hofemann, & Neubauer, 2010:163).

Ein Teilbereich des Gesundheitssektors, der von diesen Herausforderungen in zunehmendem Maße betroffen ist, ist der Bereich der gesundheitlichen Versorgung von älteren und hochaltrigen Menschen. Besondere Versorgungsrisiken, die in diesem Zusammenhang genannt werden können, sind Multimorbidität und Polypharmazie. Besonders schwerwiegend und belastend für die Betroffenen, ist zudem die Versorgung mit Potenziell Inadäquater Medikation (PIM) im höheren Lebensalter. In meiner Ausarbeitung stelle untersuche wie Multimorbidität und die Versorgung mit komplexen Medikamentenregimes bewältigt werden können und welche Strategien und Ansätze zu einer geringeren Verordnung von PIM existieren.

2. Multimorbidität

Eine konsensuale Definition der Multimorbidität lässt sich derzeit in der Wissenschaft nur schwer ausmachen. Während Kuhlmey (2011:915) Multimorbidität als „das gleichzeitige Auftreten und Bestehen mehrerer Erkrankungen, deren einzelne Bedeutung für die Wiederherstellung von Gesundheit nicht in einer Hierarchie gebracht werden kann“ definiert und auf eine genaue Spezifizierung anhand einer Anzahl der bestehenden chronischen Krankheiten verzichtet, geben Wiesner und Bittner (2005:490) an, dass es sich um Multimorbidität handelt, wenn zwei oder mehr Krankheiten innerhalb einer Person diagnostizierbar sind. Die Herstellung einer Hierarchie (s.o.) ist dabei auf die Differenzierung von Multimorbidität und Komorbidität zu beziehen.

Während es sich bei der Multimorbidität um eine Ansammlung chronischer Erkrankungen nebeneinander – unter Umständen mit Überschneidungen - handelt, handelt es sich bei der Komorbidität um eine Erkrankung, die ihre Genese auf der Basis einer anderen Erkrankung hat (Beyer et al., 2007:311). Als Beispiel wäre die Entwicklung von Polyneuropathien auf der Basis des Diabetes mellitus zu nennen.

Neben den sich akkumulierenden chronischen Einzelerkrankungen kommt es häufig zu weiteren Symptomen, die schließlich in Funktionseinschränkungen und Behinderung enden können und mit einer starken Beeinflussung des Alltags der betroffenen Person einhergehen (Kuhlmey, 2011:915).

Eine weitere Herausforderung in der Versorgung von Menschen mit einer Multimorbidität kann das Auftreten von altersphysiologischen Veränderungen und deren Wechselwirkung mit den bestehenden Erkrankungen sein. Diese Einschränkungen können beispielsweise eine nachlassende Sehkraft, der Abbau von Muskelmasse und Muskelkraft oder auch das Nachlassen des Gleichgewichts sein (Scheidt-Nave, Richter, Fuchs, & Kuhlmey, 2010:441).

Als relevantes Outcome der Personengruppe ist die gesundheitsbezogene Lebensqualität „health-related quality of life“ (HRQOL) zu nennen, welche mit zunehmender Multimorbidität sinkt (Hodek, Ruhe, & Greiner, 2009:1181).

2.1 Prävalenz und Inzidenz der Multimorbidität

Valide Daten für die Verbreitung von Multimorbidität sind bislang in der Bundesrepublik kaum vorhanden (Wiesner & Bittner, 2005:490). Dies ist nicht zuletzt bedingt durch eine schlechte epidemiologische Datenlange, methodologische Schwierigkeiten in der Erfassung von Multimorbidität und die fehlende einheitlichen Definition (Saß, Wurm, & Ziese, 2009:56).

Wiesner und Bittner werteten in Ihrer Studie Daten des Bundes-Gesundheitssurveys aus dem Jahr 1998 und die Daten der 9. kontrollierten Bevölkerungsvorausberechnung aus und kamen zu dem Ergebnis, dass die jährliche Prävalenzrate der Multimorbidität im Alter von 18-79 Jahren bei der männlichen Bevölkerung 39,2% und bei der weiblichen Bevölkerung 57,3% beträgt. Ebenso konstatieren sie einen Anstieg der durchschnittlichen Zahl der Erkrankungen mit zunehmendem Lebensalter. Die jährliche Inzidenzrate geben Wiesner und Büttner mit 5,8% für denn männlichen Anteil der Bevölkerung an und mit 6,9% für den weiblichen Teil der Bevölkerung (Wiesner & Bittner, 2005:490).

Im Telefonischen Gesundheitssurvey zu chronischen Krankheiten und ihren Bedingungen des Robert Koch Instituts aus dem Jahr 2003 (n=8318) finden sich zwar keine Ergebnisse zur Prävalenz und Inzidenz der Multimorbidität, jedoch werden dort bestimmte Erkrankungen nach Bereichen gruppiert und zu einem Gesamtpunktwert zusammengefasst und so ein Morbiditätsindex gebildet (Kohler & Ziese, 2004:24).

Auch anhand dieses Morbiditätsindexes wird deutlich, dass ein steigendes Alter mit Multimorbidität korreliert. So haben laut des Indexes 39,3% der weiblichen Studienteilnehmer über 65 Jahren Krankheiten in 3-4 Bereichen, bei den männlichen Teilnehmern sind es 36,2%. Zum Vergleich sind es im Bereich der 18-29 jährigen Teilnehmer mit Krankheiten in 3-4 Bereichen 12,5% und bei den Teilnehmerinnen im gleichen Altersbereich 25,7%. Zudem zeigt sich, dass Frauen stärker gesundheitlich belastet sind als Männer, wie auch Personen aus niedrigeren sozialen Schichten (Kohler & Ziese, 2004:26). Wie zuvor geschildert, existieren beim geriatrischen Phänomen der Multimorbidität mehrere Erkrankungen nebeneinander, dies bedeutet, neben der enormen Krankheitslast für den Betroffenen, eine jeweils individuelle medikamentöse Therapie der nebeneinander bestehenden chronischen Einzelerkrankungen. Somit münden Krankheitsverläufe von multimorbiden Patienten häufig in einem zusätzlichen Versorgungsrisiko. Die Rede ist dabei vom geriatrischen Phänomen der Polypharmazie.

3. Polypharmazie

Ähnlich wie beim Begriff der Multimorbidität verhält es sich mit dem Begriff der Polypharmazie, wenn man eine konsensuale Operationalisierung anstrebt. Nach Jörgensen (2001:1004) spricht man von Polypharmazie, wenn gleichzeitig mehr als 5 Medikamente verordnet sind. Aus der Untersuchung von Gosch und Roller aus dem Jahr 2010 geht hervor, dass österreichische Patienten mit einem Alter von über 75 Jahren durchschnittlich acht Medikamente einnehmen. Weiterhin merken Sie an, dass neben der ärztlich verordneten Medikation noch drei bis vier weitere freiverkäufliche Medikamente eingenommen werden (Gosch & Roller, 2010:261).

Neben der Zunahme von Erkrankungen im Alter kommt es zu einer veränderten Pharmakokinetik. Unter Pharmakokinetik lässt sich die Veränderung „der Resorption, Verteilung, Metabolisierung und Elimination eines Wirkstoffs im Körper“ verstehen (Kralovec, 2007:43).

Einen entscheidenden Teil tragen dazu die Reduzierung der Leberdurchblutung, der Rückgang der Bluteiweiße im Serum und der Rückgang der Filtrationsrate der Niere bei (Burkhardt, Wehling, & Gladisch, 2007:1222-1223).

3.1 Probleme und Gefahren der Polypharmazie

Ergebnisse aus mehreren Studien belegen, dass die Einnahme einer hohen Anzahl verschiedener Medikamente mit negativen Konsequenzen – oder Outcomes – für die Patienten verbunden sein kann. Neben diesen negativen Konsequenzen können weitere Probleme in der Behandlung der Patienten auftreten, die nur mittelbar auf eines der verordneten Medikamente zurückgeführt werden können. Zu diesen Risiken gehören ein erhöhtes Risiko für den falschen Gebrauch der Medikamente, Medikament-Medikament-Interaktionen, das Nichteinhalten der Medikation und Nebenwirkungen (Hajjar, Cafiero, & Hanlon, 2007:345-346).

Aufgrund der zuvor genannten Probleme kann es im Verlauf der Pharmakotherapie zu einer Eskalation der Medikamentenverordnung kommen, wenn zusätzliche Medikamente eingesetzt werden, um die auftretenden Symptome, die durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) und / oder Interaktionen entstehen, zu behandeln (Burkhardt et al., 2007:1222).

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Multimorbidität und Polypharmazie im höheren Lebensalter
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Fakultät für Sozialwissenschaft)
Veranstaltung
Gesundheit im Alter: Epidemiologische, sozialwissenschaftliche und verhaltenswissenschaftliche Grundlagen
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
16
Katalognummer
V210231
ISBN (eBook)
9783656384557
ISBN (Buch)
9783656385585
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Evidence-based Nursing, Gerontologie, Polypharmazie, Multimorbidität
Arbeit zitieren
Sebastian Riebandt (Autor:in), 2012, Multimorbidität und Polypharmazie im höheren Lebensalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210231

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