Philosophieren mit Kindern im Sachunterricht


Dossier / Travail, 2011

25 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ansätze für das Philosophieren mit Kindern
2.1 Der Begriff und zentrale Themenbereiche der Philosophie
2.2 Philosophieren mit Kindern
2.3 Philosophieren mit Kindern in der Grundschule
2.4 Philosophieren mit Kindern im Sachunterricht
2.5 Methoden beim Philosophieren mit Kindern

3 Philosophieren im Sachunterricht – ein Unterrichtsbeispiel
3.1 Beschreibung der Unterrichtseinheit
3.2 Darstellung der didaktischen Entscheidungen einer Unterrichtsstunde zum Thema „Die Freundschaftssonne“
3.3 Begründung der Auswahl der Methoden
3.4 Reflexion der Stunde in Bezug auf Theorie, Praxis und Kompetenzen des Philosophierens mit Kindern und mögliche Alternativen

4 Entwicklungsmöglichkeiten von Kompetenzen der Lehrkraft und
der Schüler/-innen

5 Schlussbetrachtung und Perspektiven

Quellenverzeichnis

Literatur

Internetquellen

Zeitschriften

Anhang

1 Einleitung

Im Laufe meiner Ausbildungszeit als Anwärterin für das Grundschullehramt stellte sich mir die Frage, wie der Unterrichtsablauf gestaltet werden kann, um die Lernprozesse der Kinder zu optimieren. In der Lerngruppe im Fach Sachunterricht gab es infolge einer hohen Schülerfluktuation und eines Klassenlehrerwechsels ein großes soziales Konfliktpotential. Aus diesem Grund hatte ich den Wunsch, ein kooperatives, lernförderliches Klima durch eine Kommunikation zu schaffen, mit deren Hilfe die Schüler/‑innen lernen, einander zu achten und wertzuschätzen. Dies ist eine Teilkompetenz im Bereich „Unterrichten“, die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst entwickeln sollen (vgl. Studienseminar Aurich 2010). Die Schüler/‑innen hatten ein großes Bedürfnis, sich mitzuteilen im Hinblick auf Konflikte, die sie miteinander erlebten, und sie benötigten an manchen Stellen Hilfe, um Streitigkeiten zu klären. Soziale Beziehungen positiv durch Kommunikation und Interaktion zu gestalten ist nach der APVO Lehr ein Teilbereich im Kompetenzbereich „Erziehen“. Aus diesem Grund sind die Themenfelder „Unterrichten“ und „Erziehen“ eine Herausforderung, um die eigenen Kompetenzen als Lehrerin oder Lehrer weiterzuentwickeln.

Angeregt durch vielfältige Impulse aus der Fachliteratur des Sachunterrichts, beschäftigte ich mich mit dem Thema „Philosophieren mit Kindern“, erstellte zu dieser Thematik eine Unterrichtseinheit und führte sie durch. Ausgehend von diesen Erfahrungen soll in der vorliegenden Arbeit die Frage untersucht werden, inwieweit es möglich ist, durch das Philosophieren mit Kindern die Kompetenzen der Lehrperson im Bereich „Unterrichten“ und „Erziehen“ zu verbessern, die Lernprozesse der Schüler/‑innen zu optimieren und ein kooperatives, lernförderliches Klima zu schaffen.

Nach der Einordnung des Philosophierens mit Kindern in den philosophischen Kontext, seine verschiedenen Ansätze und Methoden wird die Entwicklung dieses Faches der letzten Jahrzehnte umrissen. Anschließend wird der Bezug zum Fach Sachunterricht und die Möglichkeiten des Philosophierens mit Kindern in diesem Fach exemplarisch an einer Unterrichtsstunde dargestellt. In einer abschließenden Betrachtung wird die eingangs gestellte Frage reflektiert, inwiefern sich das Philosophieren mit Kindern eignet, um die eigenen Kompetenzen im Bereich „Unterrichten“ und „Erziehen“ weiterzuentwickeln.

2 Ansätze für das Philosophieren mit Kindern

2.1 Der Begriff und zentrale Themenbereiche der Philosophie

Der Begriff „Philosophie“ geht auf die griechischen Wörter „philos“ – Freund – und „sophia“ – Weisheit – zurück und heißt wörtlich übersetzt „Freund der Weisheit“ oder „Liebe zur Weisheit“ (vgl. Brockhaus Enzyklopädie 1992). Ausgehend von vier zentralen Fragen des Philosophen Kant sind die Themenbereiche der Philosophie (vgl. Brüning 2010):

- die Erkenntnistheorie mit der Fragestellung: Was kann ich wissen? Diese Disziplin der Philosophie beschäftigt sich mit den Grenzen menschlicher Erkenntnis;
- die Ethik mit der Fragestellung: Was soll ich tun? Die Ethik beschäftigt sich mit Normen und Wertvorstellungen einer Gesellschaft, ihren Regeln und der Frage, was Gerechtigkeit ist;
- die Religion mit der Fragestellung: Was darf ich hoffen? Die Frage nach dem Sinn des Lebens, den Wünschen, Hoffnungen und Träumen der Menschen sind Themenbereiche der Religion;
- die Anthropologie mit der Fragestellung: Was ist der Mensch? Die Stellung des Menschen in der Welt, die Einzigartigkeit des Menschen und der Unterschied zwischen Mensch und Tier sind zentrale Themen in der Anthropologie.

2.2 Philosophieren mit Kindern

Am Anfang des Philosophierens steht das Staunen – eine Fähigkeit, die einen Prozess der selbstständigen Auseinandersetzung mit einer Frage oder Idee in Gang setzt. Sich wundern oder staunen können ist eine Fähigkeit, die kleine Kinder mitbringen, die jedoch verloren gehen kann, wenn es keine Anregungen gibt (vgl. Freese 1994).

Beim Philosophieren mit Kindern werden Alltagsfragen der Schüler/‑innen oder Naturphänomene aufgegriffen und zum Anlass des Nachdenkens genommen. Prozesse des Staunens, des Nachdenkens, des Zweifelns, des Weiterdenkens und Infragestellens werden in Gang gesetzt. Dabei gilt es für die Lehrkräfte, eine bestimmte Haltung in einem Gespräch einzunehmen und sich verschiedener Methoden beim Philosophieren zu bedienen. Eine konkrete Alltagsfrage wird in diesem Prozess zu einer grundsätzlichen Frage, sie wird in einen größeren Kontext gestellt. Dabei nimmt die Lehrkraft eine besondere Rolle ein, indem sie das Gespräch mit den Kindern moderiert, jedoch nicht steuert. Philosophische Gespräche sind ergebnisoffen. Es geht also vielmehr darum, Begriffe zu klären und zu hinterfragen, die eigenen Meinungen zu begründen und sich im Gespräch aufeinander zu beziehen (vgl. Michalik 2010). Die Gesprächsleitung muss einerseits die inhaltliche Qualität der Beiträge fördern, andererseits die Qualität des Gesprächs als eines Prozesses der gemeinsamen Arbeit an einem Problem sicherstellen. Prinzipiell können vier verschiedene Ansätze des Philosophierens für, von und mit Kindern unterschieden werden:

1. Kinderphilosophie orientiert sich an der Äußerung Aristoteles, ein Sichwundern sei der Anfang der Philosophie. In dem Prozess des Entdeckens der Welt, in der sie leben, sind Kinder unmittelbar in dieser Haltung, nehmen nichts als selbstverständlich hin, hinterfragen viele Dinge. Der Philosoph und Arzt Karl Jaspers (1883–1969) prägte den Begriff der Kinderphilosophie und beschäftigte sich mit Philosophien von Kindern. Er war davon überzeugt, dass es eine bestimmte Nähe zwischen Kindern und der Philosophie gibt (vgl. Ebers 2006).
2. Die Vermittlungstheorie vertritt den Ansatz, den Kindern Philosophie zu vermitteln. Hauptvertreter dieser Richtung ist Matthew Lipman. Er entwickelte Geschichten für Kinder, die mit der Protagonistin Pixie den Kindern philosophische Gedanken und Erkenntnisse näherbringen sollten. Lipman geht von einem sprachanalytischen Ansatz aus, der die Förderung der logisch-argumentativen Denkfähigkeit in den Mittelpunkt stellt.
3. Liegt der Schwerpunkt auf der Bezeichnung „Philosophie von Kindern“, wird die Stellung des Kindes bzw. die Haltung, die dem Kind gegenüber im Gespräch eingenommen wird, betont. Vertreter dieser sogenannten Haltungstheorie ist der Philosoph Gareth B. Matthews (vgl. ebd.). Er betont das natürliche Bedürfnis des Kindes zu philosophieren, sich zu wundern, zu fragen und zu eigenen Sinn- und Wertedeutungen zu kommen (vgl. Pfeiffer 2004).
4. Die Aufklärungstheorie begreift die Philosophie als eine Tätigkeit mit Kindern. Der Prozess des Philosophierens zur Verständigung über sich und die Welt steht hier im Vordergrund. Im Vordergrund stehen Fragen, die von Kindern ausgehen. Ekkehard Martens ist seit den 1980er Jahren ein bekannter Vertreter dieser Ausrichtung des Philosophierens mit Kindern (vgl. Ebers, Melchers 2006). Martens bezeichnet das Philosophieren mit Kindern als elementare Kulturtechnik (Müller/Pfeiffer 2004), deren zentrale Tätigkeiten er in einem „Fünf-Finger-Modell“ beschreibt (vgl. Schaffert, 2011):

- Phänomenologie – etwas wird genau beobachtet und differenziert beschrie- ben
- Begriffsbildung – begriffliche, argumentative Prüfung
- Dialektik – Widerstreit über verschiedene Behauptungen
- Hermeneutik – unterschiedliche Sichtweisen vom jeweiligen Standpunkt als vorläufiges Wissen verstehen
- Spekulationen entwickeln, fantasieren und sinnieren, ob etwas auch ganz anders verstanden werden kann

2.3 Philosophieren mit Kindern in der Grundschule

Philosophieren mit Kindern gibt es als Unterrichtsfach nur in Mecklenburg-Vorpommern und auf Hawaii (vgl. Pfeiffer 2008). Gemeinsam mit den Bundesländern Brandenburg, Berlin, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern wurde ein Rahmenplan für Philosophieren in der Grundschule erstellt (vgl. Kultusministerium Mecklenburg-Vorpommern 2004). Dort ist formuliert, dass die Schüler/-innen am Ende der Klasse 4 gewisse Standards erreicht haben sollen: Kinder

- „formulieren eigene philosophische Fragen so, dass ihre Mitschüler/innen sie verstehen
- suchen allein bzw. in der Lerngruppe nach Antworten auf Fragen
- äußern eigene Gedanken und Gefühle und setzen diese zu denen ihrer Mitschüler in Beziehung
- erkennen Konflikte in ihrem Umfeld und können Angebote zur Konfliktlösung unterbreiten
- halten Gesprächsregeln ein und handeln sie untereinander aus
- drücken Gedanken und Gefühle mittels repräsentativer Symbolisierungen aus
- beschaffen sich Informationen zu ausgewählten Sachverhalten selbstständig, bereiten diese sprachlich auf und werten sie kontextbezogen/sachangemessen“ (ebd. S. 14).

Es ergeben sich die folgenden möglichen Verlaufsformen im Unterricht (vgl. ebd.):

1. Phase: Auffinden von Nachdenkenswertem: Fragen der Schüler, Naturphänomene oder gesellschaftliche Probleme

2. Phase: eigenen Beispiele nennen, Vergleich Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Formulieren von Antworten und weiterer Fragen

3. Phase: Rückblick auf Ausgangssituation: Ist eine andere Sicht auf das Problem ent- standen, würde ich anders handeln?

2.4 Philosophieren mit Kindern im Sachunterricht

Im Sachunterricht steht die Sache im Vordergrund. Die einer Sache innewohnende Eigenart fordert das Staunen heraus (vgl. Schulte-Janzen 2001). Das Staunen über einen Begriff oder ein Phänomen löst Fragen aus, die zum produktiven Denken anregen. Dies ist ein wichtiger Schritt für das Philosophieren mit Kindern (s. Kapitel 2.3). Das bedeutet, dass bisherige Pfade des Denkens verlassen werden und ein neues Bild, eine neue Auffassung über eine Sache entstehen kann, ähnlich wie bei dem didaktischen Ansatz des Conceptual Change im Sachunterricht, bei dem Alltagswissen neu interpretiert und durch Integration von Wissensbestandteilen weiterentwickelt wird (vgl. Möller 2007). Dabei wird bei der Auswahl der Sachen die Lebenswirklichkeit der Kinder berücksichtigt. Der kritische Bildungsanspruch des Sachunterrichtes fordert, dass die Kinder nicht nur faktisches Wissen in den Kategorien von richtig und falsch erwerben, sondern der Sachunterricht soll den Schüler/‑innen unterschiedliche Deutungsmuster der Lebenswelt ermöglichen. Dabei ist die Lehrkraft nicht die Expertin für sämtliche Fragen, sondern sie ist kritische Begleiterin des kindlichen Selbstbildungsprozesses (vgl. v. Reeken 2003). Das Philosophieren mit Kindern unterstützt diese Prozesse, indem es die Denk- und Argumentationsfähigkeiten der Kinder stärkt und ergebnisoffene, diskussionsanregende und an die Lebenswelt der Kinder anknüpfende Impulse gibt.

Im niedersächsischen Kerncurriculum lassen sich Themen für das Philosophieren mit Kindern im Sachunterricht an folgenden Stellen verorten (Niedersächsisches Kultusministerium 2006):

- „Das Gespräch und die Entwicklung einer Fragekultur als gemeinsame Form des Nachdenkens unterstützen ebenfalls die sprachlich-kognitive Durchdringung von Sachverhalten“ (ebd. S.9).
- Perspektive Natur: „Der Aufbau einer Fragehaltung, das Bilden von Hypothesen, das Identifizieren eines Problems sowie die Entwicklung von Problemlösekompetenz gehören zu den grundlegenden prozessorientierten Kenntnissen und Fertigkeiten, die im Rahmen der naturbezogenen Perspektive zu entwickeln sind“ (ebd. S. 12).
- Urteilen und Handeln, die eigene Meinung vertreten:
- „eigene Bedürfnisse und Wünsche erkennen und achten […]
- Argumente prüfen und akzeptieren, modifizieren oder verwerfen […]“ (ebd. S. 15).

[...]

Fin de l'extrait de 25 pages

Résumé des informations

Titre
Philosophieren mit Kindern im Sachunterricht
Note
2,0
Auteur
Année
2011
Pages
25
N° de catalogue
V210267
ISBN (ebook)
9783656385882
ISBN (Livre)
9783656387121
Taille d'un fichier
1736 KB
Langue
allemand
Mots clés
philosophieren, kindern, sachunterricht
Citation du texte
Kirsten Lindenthal (Auteur), 2011, Philosophieren mit Kindern im Sachunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210267

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