'Waltz with Bashir': Die Aufarbeitung des Traumas im Comic


Hausarbeit, 2012

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Historische Einführung
2.1 Vorgeschichte
2.2 Der Libanonkrieg von
2.3 Das Massaker von Sabra und Shatila

3 Waltz with Bashir - Die Geschichte eines Traumas
3.1 Die Aufarbeitung des Traumas im Comic
3.2 Theoretische Grundlagen zum Trauma-Begriff
3.3 Waltz withBashir als Traumageschichte

4 Zusammenfassung

5 Literaturverzeichnis

Einleitung

Der Film Waltz with Bashir, der auf der deutschen Homepage zum Film als der „erste animierte Dokumentarfilm in Spielfilmlänge“1 gepriesen wird, hat nach seiner Veröffentlichung im Jahr 2008 zahlreiche internationale Filmpreise gewonnen.2 In dem Film arbeitet ein israelischer Soldat über 20 Jahre nach dem Libanonkrieg seine eigene Kriegsgeschichte auf. Ari, der Protagonist des Filmes, wird durch ein Gespräch mit einem Freund, der ebenfalls im Krieg gedient hat, dazu angehalten, seine eigene Rolle und Funktion im Libanonkrieg herauszufinden. Im Laufe der Recherche stellt sich heraus, dass er durch den Krieg traumatisiert worden ist.

Sein Trauma wird im Laufe des Filmes artikuliert und mithilfe verschiedener professioneller Hilfe sozusagen therapiert. Ari interviewt zudem mehrere Personen, die am Krieg teilgenommen haben. Durch die Aussagen der anderen Kriegsteilnehmer sowie die Deutung seines traumatischen Flashbacks kehrt Aris gesamte Erinnerung an den Krieg zurück. Auf diese Weise erkennt er seine Rolle in dem Krieg, kann sich mit ihr im Nachhinein auseinandersetzen und sie schließlich verarbeiten.

Die vorliegende Hausarbeit bezieht sich auf den ein Jahr nach der Ausstrahlung des Filmes veröffentlichten gleichnamigen Comic von Ari Folman und David Polonsky. Zur Einführung in die Thematik der Graphic Novel3 wird anfangs ein kurzer Abriss über den historischen Hintergrund gegeben. Anschließend wird sich auf das Problemfeld des Traumas konzentriert. Die Arbeit beschäftigt sich in erster Linie mit dem Flashback des Protagonisten. Dieser wird zunächst anhand des Comics detailliert analysiert, um ihn in einem nächsten Schritt mit Hilfe der augenblicklich gängigen Traumatheorien ausführlich zu interpretieren. Die Arbeit hat zum Ziel, aufzuzeigen, dass Aris Kriegsgeschichte tatsächlich die eines Traumatisierten ist und die Graphic Novel Waltz with Bashir das Problemfeld des Traumas adäquat, gemessen an der dazu existierenden Theorie, repräsentiert. Es soll außerdem herausgestellt werden, dass der in dem Comic dargestellte Flashback durch die in ihm wiedergegebenen psychoanalytischen Deutungen gewissermaßen selbsterklärend ist und diese wiederum mit der gängigen Traumatheorie konform gehen. Schließlich soll dargelegt werden, dass es Waltz with Bashir mittels verschiedener Verfahren gelingt, zum einen die Trauma-, zum anderen aber auch die Kriegsgeschichte des Protagonisten treffend wiederzugeben und auch dem Leser die Unterschiede zwischen diesen beiden Strängen bewusst zu machen.

2 Historische Einführung

Waltz with Bashir beschäftigt sich mit dem im Jahr 1982 zwischen Israelis und Palästinensern ausgefochtenen Krieg im Libanon. Um den Comic verstehen zu können, ist ein kurzer historischer Abriss über den Krieg notwendig.4

2.1 Vorgeschichte

Im Jahr 1970 kamen Palästinenser der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO, Palestine Liberation Organization) in den Libanon, nachdem sie aus Jordanien vertrieben worden waren. Sie siedelten sich im Süden, nahe der israelischen Grenze, an und errichteten ihr Hauptquartier in Beirut. Durch die Ankunft der muslimisch geprägten Palästinenser verstärkte sich der innerlibanesische Konflikt zwischen den Muslimen und den christlich-maronitisch geprägten Phalangisten,5 der schließlich in einen Bürgerkrieg mündete. Im Jahr 1976 entschloss sich Israel, die Phalangisten mit Waffenlieferungen im Bürgerkrieg gegen die PLO zu unterstützen.6

Wegen eines von Palästinensern an Isrealis verübten Attentats in Tel Aviv besetzte die israelische Armee im Jahr 1978 den Süden Libanons bis zum Fluss Litani über sieben Tage lang. Diese Belagerung ist unter dem Namen „Operation Litani“ bekannt. In dieser Zeit gelang es den Israelis, die Infrastruktur der PLO zu zerstören. Nach einer Resolution der Vereinten Nationen zog Israel seine Kräfte aus dem Nachbarland wieder ab. Die PLO und die Israelis lieferten sich in der Folge dennoch oft Schusswechsel, welche meist von israelischer Seite ausgingen. Der amerikanische Diplomat Philip Habib erreichte schließlich einen Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien.7

2.2 Der Libanonkrieg von 1982

Der israelische Präsident Menachem Begin ernannte in seiner zweiten Amtszeit, die 1981 begann, Ariel Sharon zum Verteidigungsminister. Sharon glaubte, dass die PLO Israel vom Libanon aus angreifen wolle. Der Krieg zwischen den Israelis und den Palästinensern brach aus, nachdem ein israelischer Botschafter von einem Palästinenser im Jahr 1982 in London getötet wurde. Israel attackierte daraufhin Ziele der PLO im Libanon. Offiziell wollte Sharon die Palästinenser bis zu 45 km in das Landesinnere des Libanons vertreiben. Eine Bombardierung Beiruts war demnach - zumindest offiziell - ausgeschlossen. Im Hintergrund jedoch plante er, die PLO vollends des Landes zu verweisen und sich dabei mit den Phalangisten zu verbünden. Dies ging schließlich so weit, dass sogar die PLO von den Plänen Sharons Kenntnis besaß, nur die israelischen Minister nicht.8

Das israelische Militär belagerte Beirut und stellte dort die Wasser-, Strom- und Lebensmittelversorgung ab, um die Regierung zu zwingen, die PLO zum Schutz der eigenen Bevölkerung aus der Stadt zu stoßen. Israel nahm verschiedene Plätze in Beirut ein. Die Besetzung wurde für Beirut letztlich unerträglich, so dass die Regierung die PLO aufforderte, Beirut zu verlassen. Sharon hatte demnach sein Ziel innerhalb von knapp drei Monaten erreicht. Die Palästinenser verließen Beirut.9

2.3 Das Massaker von Sabra und Shatila

Am 23.08.1982 wurde Bashir Gemayel, Anführer der Phalangisten, zum Präsidenten des Libanon gewählt. Noch vor Amtsantritt kam er am 14.09.1982 bei einem Bombenanschlag ums Leben. Für dieses Attentat wurde die PLO verantwortlich gemacht. Gemayel hatte vor seiner Wahl zum Präsidenten angedeutet, mit Israel einen Friedensvertrag zu unterzeichnen. Um „die Ordnung wiederherzustellen“10, marschierten israelische Truppen in Beirut ein. Die Phalangisten drangen am 16.09.1982 in die palästinensischen Flüchtlingslager von Sabra und Shatila ein, um, wie es offiziell hieß, die letzten PLO-Kämpfer zu vertreiben, die sich dort angeblich versteckt hielten. Bis zum 18.09.1982 wurden hunderte von Zivilisten, darunter auch Kinder, ermordet.11 Die Israelis nahmen an diesem Massaker nicht direkt teil, doch sie unterstützten die Phalangisten mit unter anderem Waffenlieferungen, Lebensmittelversorgung und der Bewachung der Lager. Dieser Völkermord rief weltweite Empörung hervor. Zum ersten Mal in der Geschichte Israels ging die Bevölkerung zum Protestieren auf die Straße. Diese Demonstrationen führten zu einer von einem Ausschuss vorgenommenen Ermittlung, die Israel eine Mitverantwortung an dem Massaker nachwies. Sharon wurde persönlich für die Vorgänge in den Flüchtlingslagern verantwortlich gemacht, woraufhin er als Verteidigungsminister zurücktrat.12

3 Waltz with Bashir - Die Geschichte eines Traumas

Der im Jahr 2009 veröffentlichte Comic Waltz with Bashir13 beschäftigt sich mit der zuvor geschilderten Thematik, insbesondere mit dem Massaker von Sabra und Shatila. Der Protagonist der Graphic Novel, Ari, arbeitet in dieser seine eigene Kriegs- und Traumageschichte auf. Die Geschichte Aris wird im folgenden als Traumageschichte gelesen. Dazu wird das Trauma des Protagonisten zunächst detailliert wiedergegeben. Um Aris Erkenntnisprozess genau nachvollziehen zu können, ist es unabdingbar, die in dem Comic dargestellte Aufarbeitung des Traumas ausführlich wiederzugeben.14 Der Protagonist der Graphic Novel erhält seine Erinnerungen an den Libanonkrieg zunächst durch Gespräche mit Menschen, die ebenfalls in diesem Krieg gedient haben. Die Graphic Novel beginnt mit einer Unterhaltung mit Boaz, der ihm von seinem durch den Libanonkrieg verursachten Trauma berichtet (S. 6 ff.). Er fragt Ari, ob er nie an den Krieg denke, und spricht ihn direkt auf das Massaker von Sabra und Shatila an (S. 12). Ari erkennt, dass er keine Erinnerung mehr an die Geschehnisse des Krieges hat (ebd.).

Kurz nach dem Gespräch erscheint der Flashback des Protagonisten zum ersten Mal (S. 14). Dieses Traumbild besteht aus mehreren Panels, die in den Farben Orange und Schwarz gehalten sind. Der Leser sieht zertrümmerte Hochhäuser an einer Strandpromenade. Aus dem Wasser davor steigen drei junge Männer, von denen einer Ari in jungen Jahren ist (S. 15). Sie betreten eine Straße an der Strandpromenade und gehen diese hinunter. Die folgenden Panels sind in gedeckten, dunklen Farben gehalten. Auf der Straße kommen ihnen Frauen entgegen, die schmerzverzerrte Gesichter haben. Die Panels zeigen Ari zunächst frontal. Beim Betrachten der Panels bekommt der Leser den Eindruck von einer Kamerafahrt, die sich hinter den Protagonisten begibt, kurz seine Perspektive einnimmt und ihn schließlich wieder frontal zeigt, dieses Mal jedoch nur sein Gesicht (S. 16 f.). Auffällig an der gesamten Panelfolge des Flashbacks ist, dass ihn ihr nur wenige Worte vorkommen. Lediglich die erklärenden Beschreibungen Aris aus dem Off werden dort wiedergegeben, und das auch nur in wenigen Panels.

Durch das Aufblitzen des Traumbilds wird auch dem Leser bewusst, dass Ari im Unterbewusstsein noch Erinnerungen an den Krieg hat, sie aber, aus welchem Grund auch immer, verdrängt haben muss. Ein Bruchstück der Erinnerung ist mit dem Flashback, bedingt durch das Gespräch mit Boaz, plötzlich aufgetaucht. Durch die Verdrängung der Erlebnisse und das plötzliche Wiederauftreten derselben liegt es nahe, Ari als einen vom Libanonkrieg traumatisierten anzusehen.

3.1 Die Aufarbeitung des Traumas im Comic

Die Hauptfigur der Graphic Novel begibt sich zu Ori, seinem besten Freund, der gleichzeitig auch Therapeut ist (S. 18). Er fragt ihn, warum der Flashback erst erschienen ist, nachdem Boaz ihn von seinem Trauma erzählt hat. Ori erklärt ihm, dass das menschliche Gedächtnis „dynamisch“ (S. 21) ist:

Wenn Einzelheiten fehlen und es dunkle Flecken gibt, ergänzt es die Erinnerungen mit Dingen und Geschehnissen, die nie stattgefunden haben. (ebd.)

[...]


1 Deutsche Homepage des Filmes: http://waltz-with-bashir.pandorafilm.de/film.php, Aufrufam 14.01.2013.

2 Englische Homepage des Filmes: Waltz with Bashir, http://waltzwithbashir.com/, Aufrufam 14.01.2013.

3 Der Begriff der „Graphic Novel“ wurde, sicherlich auch mit Blick auf die Vermarktung derselben, für thematisch anspruchsvolle und narrativ komplexe Comics geschaffen. Die Verfasserin benutzt die beiden Begriffe „Comic“ und „Graphic Novel“ im folgenden synonym, da noch keine literaturwissenschaftlich eindeutige Definition des letzteren Ausdrucks besteht, die eine genaue Differenzierung beider Begriffe voneinander ermöglichen würde.

4 Die nachfolgende Zusammenfassung muss aus Platzgründen knapp und oberflächlich sein. Unberücksichtigt bleibt z. B. die Rolle Syriens in dem Libanonkrieg, da sie für das Thema der vorliegenden Arbeit nicht von Bedeutung ist.

5 Die Phalange-Partei wurde im Jahr 1936 von Pierre Gemayel gegründet. Sie besteht aus militärischen Einheiten und ist libanesisch-nationalistisch ausgerichtet. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Partei sind die christlichen Milizen, die der maronitischen Kirche nahestehen. Die syrisch-maronitische Kirche ist eine der größten und ältesten im Libanon, die den römischen Papst als Oberhaupt anerkennt. Seit der libanesischen Verfassung von 1926 haben die Maroniten einen Anspruch auf Stellung des Staatspräsidenten. Vgl. Art. „Phalange“ und „Maroniten'“. Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 14, 19. Auflage, Mannheim 1991, S. 73 und S. 237.

6 Bregman, Ahron: Israel's Wars. A History Since 1947. New York 2010, S. 146 ff.

7 Ebd., S. 149 ff.

8 Ebd., S. 152 ff.

9 Ebd., S. 170 ff.

10 Ebd., S. 175.

11 Die Zahl der Ermordeten schwankt zwischen 800 und 3.000. Weisfeld, A.: Sabra and Shatila: A New Auschwitz. Hrsg. v. Jerusalem International Publishing House. Ottawa 1983, S. 5.

12 Bregman, S. 175 ff.

13 Als Textgrundlage dient die Ausgabe der Süddeutschen Zeitung Bibliothek: Folman, Ari und Polonsky, David: Waltz with Bashir. München 2011. Die Seitenzahlen zu Zitaten und anderen Belegen aus dem Buch werden in Klammern im Fließtext angegeben.

14 Hiermit ist ausschließlich Aris Traumageschichte gemeint. Aus Platzgründen muss eine Analyse und Interpretation der in dem Comic ebenfalls dargestellten anderen Traumata unterbleiben. Des Weiteren wird größtenteils auf Randbemerkungen zu dem im Comic dargestellten Kriegsgeschehen verzichtet, es sei denn, sie sind für die Deutung von Aris' Trauma unabdingbar.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
'Waltz with Bashir': Die Aufarbeitung des Traumas im Comic
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Deutsche Literatur)
Veranstaltung
Seminar Comic und Geschichte
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
21
Katalognummer
V210322
ISBN (eBook)
9783656385028
ISBN (Buch)
9783656386735
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Waltz with Bashir, Sabra und Shatila, Trauma, Comic, Graphic Novel
Arbeit zitieren
B.A. Julia Hans (Autor:in), 2012, 'Waltz with Bashir': Die Aufarbeitung des Traumas im Comic, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210322

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