Das bedingungslose Grundeinkommen. Ausgestaltung sowie mögliche Einbettung in das Konzept der Wohlfahrtsstaatstheorie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

18 Seiten, Note: 1.5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Mögliche Ausgestaltung eines Grundeinkommens
2.1 Negative Einkommenssteuer
2.2 Allgemeines Grundeinkommen (Sozialdividende)

3. Die Einbettung des Bedingungslosen Grundeinkommens im Konzept des Wohlfahrtsstaats
3.1 Identifizierung eines Post-Produktivistischen Wohlfahrtsstaatstypus
3.2 Performance des Postproduktivisten Regimes

4. Pro Argumente eines Bedingungslosen Grundeinkommens

5. Kontra Argumente eines Bedingungslosen Grundeinkommens

6. Sozialexperimente zur negativen Einkommenssteuerung

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

9. Anhang

1. Einleitung

Die Verfassung zahlreicher Staaten heben das Recht auf ein Leben in Würde hervor. Anders als in einer reinen Agrargesellschaft ist das Leben in einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft ohne die Nutzung bestimmter Leistungen anderer nicht möglich (Presse, 2009: S. 1). Dahrendorf (1986) meint dazu, dass ein Leben in Würde folglich ein finanzielles Einkommen voraussetzt. Wird dieses finanzielle Einkommen an Bedingungen geknüpft, wird auch das „Leben in Würde“ an Bedingungen geknüpft. (Dahrendorf, 1986) Während der Begriff des Grundeinkommens erst im 20. Jahrhundert aufgekommen ist, existierte die Idee eines Mindesteinkommens bereits lange davor. Beispielsweise garantierte die Verfassung des antiken Sparta zwischen 700 und 200 v. Chr. jedem Mitglied der Gesellschaft die lebensnotwendigen Güter, unabhängig von erbrachter Arbeitsleistung (Wagner 2009:S.4).

Es gibt verschiedene Definitionen des Begriffs des Grundeinkommens. Vanderborght und Van Parijs (2006) definieren es als „Einkommen, das von einem politischen Gemeinwesen an alle Mitglieder individuell und ohne Gegenleistung ausgezahlt wird.“ (Vanderborght und Van Parijs, 2006: S. 37). Insbesondere der Verzicht auf eine Gegenleistung und die Kontrolle sonstiger Einkünfte und Vermögenswerte macht aus einem Grundeinkommen ein bedingungsloses Grundeinkommen (Vanderborght und Van Parijs, 2006: S. 37 ff.).

Zahlreiche bekannte Persönlichkeiten wie Fourier, Stuart Mill, Walras, Einstein oder die Ökonomen Samuelson, Hayek, Friedman oder Tobin setzten sich im 20. Jahrhundert für ein (bedingungsloses) Grundeinkommen ein und machten teilweise auch Finanzierungs-vorschläge dazu (Presse 2009: S.2).

In der vorliegenden Arbeit werden die Pro- und Kontraargumente eines bedingungslosen Grundeinkommens und mögliche Formen dessen diskutiert. Ausserdem wird auch untersucht, inwiefern sich das Konzept des garantierten Mindesteinkommens in die klassische Wohlfahrtsstaatstheorie einbetten lässt.

2. Mögliche Ausgestaltung eines Grundeinkommens

2.1 Negative Einkommenssteuer

Das Konzept einer negativen Einkommenssteuerung ist dadurch gekennzeichnet, dass es das „Steuersystem nach rückwärts verlängert“ (Opielka und Vobruba, 1985: S. 12f.). Wenn jemand kein Einkommen aus dem Arbeitsmarkt generiert, erhält er einen vereinbarten Mindesteinkommenssatz. Die Höhe der staatlichen Leistung nimmt jedoch mit zunehmendem Arbeitseinsatz kontinuierlich ab. Überschreitet das Arbeitseinkommen einen kritischen Wert, fallen positive Steuern an, aus welchen die Zahlungen für die Bezüger von geringem beziehungsweise gar keinem Einkommen vorgenommen werden (Engler, 2005: S.122). Die Idee einer negativen Einkommenssteuer gewann in den 1960er und 1970er Jahre in den USA immer mehr an Beliebtheit nachdem Ökonomen die Auffassung vertraten, dass dadurch der Wohlfahrtsstaat gestrafft oder verbessert werden könne (Lewis/Pressman/Widerquist, 2005: S.1).

2.2 Allgemeines Grundeinkommen (Sozialdividende)

Im Gegensatz zur negativen Einkommenssteuer erhält bei dem Modell der Sozialdividende jedes Mitglied der Gesellschaft ein steuerfinanziertes Grundeinkommen unabhängig von der Bedarfs-, Einkommens- und Vermögenslage. Es handelt sich dabei um einen Universaltransfer, welcher ohne Vorbehalte vorheriger Bedürftigkeitsprüfung jedem Individuum zusteht (Wolf, 1991: S.392). Die Bedingungslosigkeit soll insbesondere auch jene gesellschaftlich nützliche Arbeit ermöglichen und entlöhnen, die sich nicht in der Form traditioneller Erwerbsarbeit vollzieht. Dazu können Tätigkeiten wie häusliche Erziehung, gemeinschaftsbezogene, freiwillige und unvergütete soziale Dienste in der Gesellschaft gehören (Mitschke, 2000:S. 47f.). Die Sozialdividende sieht vor, dass jeder Bürger vor allen sonstigen Einkommen ein Grundeinkommen erhält. Das Grundein-kommen soll wie ein Vorschuss wirken, welcher zum Bruttoeinkommen jeder Person dazukommt und später durch Besteuerung abgezogen wird (Vanderborght und Van Parijs, 2005: S. 53).

Beide Systeme sind insofern leistungsfreundlich, als dass jene Personen welche im Erwerbsleben partizipieren, ein höheres Einkommen garantieren als die Grundsicherung ihnen zur Verfügung stellt (Engler, 2005: S. 125). Bezüglich der möglichen Höhe des Grundeinkommens lässt sich sagen, dass es bei einer schrittweisen Umstellung des Steuer- und Abgabensystems nur noch von einer Steuer abhängt, der Konsumsteuer in Form der Mehrwertsteuer. Entscheidend ist demnach, wie viel Ertrag die Mehrwertsteuer, welche im Zuge der Umstellung zunehmend auch für alle übrigen Staatsaufgaben und -ausgaben herangezogen werden muss, für das Grundeinkommen bereitstellen kann. Die Mehrwertsteuer hat aus dynamischer Sicht positive Wohlfahrtseffekte für sämtliche Einkommensklassen. Diese Effekte entstehen etwa durch die steuerliche Entlastung der Einkommen und der Unternehmenserträge und die damit verbundenen Vorteile für Investitionen, welche wiederum zu einer Steigerung des Kapitalstocks führen. (Jokisch und Kotlikoff, 2007). Meiner Meinung nach kann man dem jedoch entgegenhalten, dass die Mehrwertsteuers insofern regressiv wirken kann, als tiefere Einkommensklassen einen höheren Prozentsatz ihres Einkommens für den Konsum aufwenden müssen als die mittleren und hohen Einkommensklassen.

3. Die Einbettung des Bedingungslosen Grundeinkommens im Konzept des Wohlfahrtsstaats

3.1 Identifizierung eines Post-Produktivistischen Wohlfahrtsstaatstypus

Viele Befürworter des BGE erachten das Konzept des Grundeinkommens als vorteilhaft weil es auch bürokratische Hürden abbauen könne und den Sozialstaat vereinfache. Aus politologischer Sicht scheint es sinnvoll das Modell des bedingungslosen Grundein-kommen genauer zu analysieren und zu überprüfen inwiefern es sich in das Konzept der Wohlfahrtsstaatstheorie einbetten lässt. Goodin (2001) liefert zu diesem Thema einen spannenden Input indem er in seiner Arbeit „Work and Welfare: Towards a Post-Productivist Welfare Regime“ zusätzlich zu den „three worlds of welfare capitalism“ von Esping-Andersen das Konzept eines Post-Produktivistischen Regimes in die Theorie einbettet.

Ein entscheidender Faktor in der Klassifikation des Wohlfahrtsstaatstypus liegt in der Ausgestaltung von Arbeit und Wohlfahrtsleistungen. Dem liberalen Wohlfahrtsstaat könnte symbolisch der Slogan „Work, not Welfare“ zugeschrieben werden weil jeder durch den Arbeitsmarkt sich mehrheitlich selber versorgen soll. Beim korporatistischen Wohlfahrtsstaat kann man von „Welfare through work“ sprechen, da die Familien abhängig von den Beiträgen des Arbeitnehmers und seines Arbeitgebers vergütet werden (Goodin, 2001: S.13). Der Sozialdemokratische Slogan, „Welfare and work“ beinhaltet generöse Leistungen welche jedoch wie die beiden anderen Regime auch an produktive Mitwirkung am Arbeitsmarkt gekoppelt sind. Aktive Arbeitsmarktpolitiken bemühen sich zudem um Vollbeschäftigung innerhalb der Bevölkerung. Alle drei Wohlfahrtsstaaten streben demnach nach einem möglichst hohen Produktivitätsniveau und folgen der Logik, dass „without work, there can be no welfare. If no one produces anything, there will be nothing for government to redistribute to anyone.“ (Goodin, 2001: S.14)

Postproduktivisten unterscheiden sich nun insbesondere in ihrer Haltung gegenüber Beschäftigung und dem daraus resultierenden Anspruch auf staatliche Leistungen. Das Recht auf staatliche Unterstützung ist nicht mehr an der Partizipation am Arbeitsmarkt gebunden während jedoch immer noch eine hinreichende Anzahl an Arbeitskräften den Sozialstaat finanzieren müsste. Somit sind sie nicht „Anti-Produktivisten“ sondern glauben vielmehr daran, „that economic productivity can be sustained at moderatly high levels on the basis of far less than full employment“. (Goodin, 2001: S. 15) Sie propagieren mehr gesellschaftliche Freiheit und sehen auch keine Ökonomische Notwendigkeit in der Vollbeschäftigung. Goodin (2001) gibt ihnen insofern recht, als etwa die Arbeitslosen-zahlen der USA auf eine solche Entwicklung hinweisen (Goodin, 2001: S.17). Postproduktivisten bauen ihre Analyse der Autonomie mittels einer Einrahmung ihres zentralen Policyanliegens auf: „ They strive to secure people's autonomy by ensuring that people recieve an income adequate to their needs, on terms which impinge minimally on their freedom of action“. (Goodin, 2001: S.17) Zeit stellt dabei das einzig knappe Gut dar. Postproduktivistische Modelle wurden nach Goodins Meinung noch nicht von politischen Akteuren umgesetzt, es gebe bloss Annäherungen an das Modell. Er verwendet den Niederländischen Sozialstaat in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren als Referenzmodell für einen Postproduktivistischen Wohlfahrtsstaat (Goodin, 2001: S.18).

Ein Indikator zur Messung der Wohlfahrtsstaatstypen liegt im Verhältnis vom Beschäfti-gungslevel und den Sozialstaatsausgaben. Während liberale Länder (etwa die USA, Schweiz oder Japan) eine hohe Beschäftigung und eine tiefe Staatsquote aufweisen, lassen sich sozialdemokratische Länder im Bereich eines hohen Staatshaushalts gekoppelt mit einer hohen Beschäftigungsquote ansiedeln. Das Postproduktivistische Regime (Niederlande) siedelt Goodin bei dem generösen korporatistischen Typus (Belgien, Österreich, Frankreich) an, was eine hohe Staatsquote mit einer tiefen Partizipationsrate auf dem Arbeitsmarkt verbindet (Goodin, 2001:S. 20). Er sieht im Fall der Niederlande jedoch insofern einen Unterschied, als die Niederlande im untersuchten Zeitraum deutlich höhere Sozialausgaben getätigt haben und die Partizipation am Arbeitsmarkt noch tiefer war als bei den anderen korporatistischen Ländern welche hohe Ausgaben für den Wohlfahrtsstaat ausgaben (Vgl. mit Graphik 1 im Anhang). Als weitere Begründung, den Fall Niederlande postproduktivistisch zu betrachten, argumentiert Goodin mit der Tatsache, dass bei den anderen korporatistischen Staaten die sozialstaatliche Ausgabenerhöhung keine Änderung des konservativ-katholischen Regimes mit sich brachte, während in den Niederlanden die Erhöhung der Staatsquote mit einem Paradigmenwechsel und der niederländischen „Entsäulung“ einherging (Goodin, 2001: S.23).

Goodin analysiert noch weitere Indikatoren um den Postproduktivistischen Wohlfahrtsstaat zu identifizieren. Teilzeitarbeit betrachtet er als entscheidenden Bestandteil, weil Postproduktivisten an die Freiwilligkeit appellieren und jemand sein Arbeitspensum reduzieren könne um weiteren Interessen nachzugehen (Goodin, 2001: S.25). Wenn man die Erwerbsquote am Arbeitsmarkt mit dem Anteil der Teilzeitarbeiter in einem Diagramm darstellt (für Männer und für Frauen), zeigt sich in beiden Fällen ein deutliches Bild: Während die korporatistischen Staaten die tiefsten Teilzeitarbeitsquoten aufweisen und im liberalen Wohlfahrtsstaat vor allem Männer einer bezahlten Tätigkeit nachgehen, hebt sich der Postproduktivistische Fall der Niederlande wieder hervor. Hier findet man sowohl für Männer als auch für Frauen die höchste Teilzeitarbeitsquote und leicht höhere Partizipationsraten am Arbeitsmarkt von Frauen. (Vgl mit Graphik 2 und 3 im Anhang)

3.2 Performance des Postproduktivisten Regimes

Nachdem die Regimetypen identifiziert wurden kann auch eine Analyse bezüglich ihrer Performance gemacht werden. Zwei wichtige Eckpfeiler eines Staates mit bedingungsl-osem Grundeinkommen sind die Einkommensabsicherung und aus temporaler Sicht die Möglichkeit, auch anderen Beschäftigungen als bezahlter Arbeit nachzugehen (Goodin, 2001:S.29). Wenn man die Proxys der Armutsrate und jährlichen Arbeitsstunden in denen man bezahlter Arbeit nachgeht graphisch aufzeigt, fällt auf, dass der Postproduktivistische Fall Niederlande heraussticht, indem er eine tiefe Armutsquote mit den am deutlich tiefsten jährlichen Arbeitsstunden im bezahlten Arbeitsmarkt verbindet. (Vgl. mit Graphik 4 im Anhang).

Dieses Resultat ist auch konsistent, wenn man unbezahlte Haushaltsarbeit inkludiert (Vgl. mit Graphik 5 im Anhang). Die Niederlande weisen zudem eine der höchsten Quoten der freiwillig nicht am Arbeitsmarkt partizipierenden Erwerbsbevölkerung auf, was die Komponente der Freiwilligkeit und der Bedingungslosigkeit unterstreicht (Vgl. mit Graphik 6 im Anhang). Das Niederländische Modell hat deshalb so gut funktioniert, weil viele Frauen teilzeiterwerbstätig wurden. Den Slogan „Wohlfahrt ohne zu Arbeiten“ ist natürlich utopisch und trifft auch hier nicht zu (Goodin, 2001: S.38). Der Fall der Niederlande zeigt jedoch auch, dass die ökonomischen Tradeoffs Arbeit versus Freizeit und Gleichheit versus Effizienz sich nicht immer ausschliessen müssen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das bedingungslose Grundeinkommen. Ausgestaltung sowie mögliche Einbettung in das Konzept der Wohlfahrtsstaatstheorie
Hochschule
Universität Bern  (Institut für Politikwissenschaften)
Note
1.5
Autor
Jahr
2013
Seiten
18
Katalognummer
V210395
ISBN (eBook)
9783668270473
ISBN (Buch)
9783668270480
Dateigröße
1056 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
**** Der Text liefert einen guten Überblick über die Literatur des BGE (auch praktische Sozialexperimente, nicht nur Theorie) und die wichttigsten Pro- und Kontraargumente sowie weiterführende, hilfreiche Literatur***
Schlagworte
Bedingungsloses, Grundeinkommen, BGE, Einkommen, Mindestlohn, Wohlfahrtstaat, Politikwissenschaft, Armut, Lohn, Arbeit, Freizeit, Einkommenssteuer, negative, götz, Sozialstaat, Staat, Beschäftigung
Arbeit zitieren
Michael Obrist (Autor:in), 2013, Das bedingungslose Grundeinkommen. Ausgestaltung sowie mögliche Einbettung in das Konzept der Wohlfahrtsstaatstheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210395

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