Die Universalgrammatik von Noam Chomsky


Scientific Essay, 2006

17 Pages


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Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

1. Chomskys Universalgrammatik: Entstehung und Veränderung
1.1 „Syntactic Structures“
1.2 Standardtheorie
1.3 Extended Standard Theory (EST)
1.4 Revised Extended Standard Theory
1.5 Government and Binding Theory (GB)
1.6 Minimalist Programme

2. Chomskys politische Publikationen und Ideale
2.1 Gemeinsamkeiten zwischen linguistischer Forschung und politischem Engagement
2.1.1 Rationalität
2.1.2 Modularität
2.1.3 Kreativität
2.2 Humanistische und anarchistische Traditionen in Chomskys Werk
2.3 Chomskys Kritik an der amerikanischen Außenpolitik
2.3.1 Positionen der „Falken“ und „Tauben“ im Vietnamkrieg
2.3.1 Der Begriff des “just war”

Zusammenfassung

Literatur

Einleitung

Im Jahre 1991 veröffentlichte Asa Kasher eine Aufsatzsammlung mit dem Titel „The Chomskyan Turn“, wobei sich der erwähnte Umbruch durch eine Veränderung der linguistischen Perspektive im Werk Chomskys auszeichnet. Dieser Umbruch betrifft in erster Linie die Abkehr von strukturalistischen und induktiven Sprachtheorien, die auf Beschreibungs- und Verallgemeinerungskonzepten beruhen. Stattdessen nahm Chomsky die Existenz universal- und einzelsprachlicher Regeln an, die geleitet von einem „grammatischen Instinkt“ den Spracherwerb erst möglich machen. Diesen „grammatischen Instinkt“ beschreibt Chomsky wie folgt:

"The human mind is a biologically given system with certain powers and limits. As Charles Sanders Peirce argued, 'Man's mind has a natural adaption to imagining correct theories of some kinds. (...).' The fact that 'admissible hypotheses' are available to this specific biological system accounts for its ability to construct rich and complex explanatory theories."[1]

Chomsky richtete sich an dieser Stelle gegen die in der Linguistik seiner Zeit weitverbreitete Meinung, dass Spracherwerb durch Lernstrategien erfolge, die eben auf induktiven Methoden basiere. In dieser Arbeit soll zum einen die Entstehung und Veränderungen seiner linguistischen Theorien dargestellt werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Menschenbild Chomskys, welches er in seinen zahlreichen politischen Arbeiten entwirft. Chomsky begann mit dem Eintritt der USA in den Vietnamkrieg seine Arbeit als politischer Autor und Analytiker, insbesondere der amerikanischen Außenpolitik. Die Frage, inwieweit das linguistische und politische Werk Chomskys miteinander in Verbindung stehen wird, ebenfalls Bestandteil dieser Arbeit sein.

1. Chomskys Universalgrammatik: Entstehung und Veränderung

1.1 „Syntactic Structures“

Die erste Version der generativen Grammatik stellte Chomsky in seiner 1957 erschienenen Publikation „Syntactic Structures“ dar. Wie der Name bereits verkündet, nimmt diese Theorie lediglich Bezug auf die Syntax und lässt die Semantik außen vor. Chomsky verglich Sprache mit einem Instrument oder Werkzeug, dessen Struktur dargestellt und beschrieben werden könne, ohne die Art und Weise seines Gebrauchs zu beschreiben.[2] Chomskys Theorie enthält drei wesentliche Komponenten:

1. Phrase Structure Rules

Die Phrasenstruktur ordnet jedem grammatikalischen Satz eine strukturelle Beschreibung zu. Man beachte im nachfolgenden Beispiel der Phrasenstruktur, dass die Pfeile in beide Richtungen zeigen könnten, da beide Seiten sich gegenseitig konstituieren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das generative Element der Phrasenstruktur ist seine Eigenschaft als Rahmen für Variablen, deren Austausch grammatikalisch sinnvolle Sätze ergibt.

2. Transformational Rules

Während die Phrasenstrukturgrammatik ausschließlich Regeln der Phrasenstruktur enthält, enthält die Transformationsgrammatik sowohl Regeln der Phrasenstruktur, der Transformation und der Morphophonemik. Transformationsregeln enthalten solche, die die Konvertierung eines „phrase markers“ in einen anderen konstituieren. An einem Beispiel lässt sich dies sehr einfach zeigen. Legen wir den Satz "The man will hit the ball." z ugrunde entsteht gemäß der Phrasenstrukturregeln die Struktur NP+Verb+NP oder weiter unterteilt Det+N+Aux+V+Det+N. Wird nun der Aktivsatz in einen Passivsatz transformiert, so entsteht die Phrasenstruktur

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

oder der Satz „The ball will be hit by the man.“ Die transformatorische Regel bewirkt die Vertauschung von “en+hit” zu „hit+en“ und (3.) morphophonemische Regeln verwandeln „Verb+en“ zu z. B. „ridden, opened, hit“. Das dem Hilfsverb zugeordnete „be+en“ und dem NP zugeordnete „by“ markieren, dass der Ball das Subjekt des Passivsatzes ist. Der Gebrauch von z. B. Adjektiven oder Relativsätzen bedingt dabei die Anwendung jeweils eigener Transformationsregeln.[3]

1.2 Standardtheorie

Im Jahre 1965 entwickelte Chomsky seine syntaktischen Strukturen zur sog. Standardtheorie weiter. In „Aspects of the Theory of Syntax“ (1965) verdeutlicht und unterstreicht Chomsky seine Hypothese, dass Kinder eine Sprache lernen, indem sie ein Regelsystem konstruieren:

„Clearly a child who has learned a language has developed an internal representation of a system of rules that determines how sentences are to be formed, used and understood. […] he must possess, first, a linguistic theory that specifies the form of the grammar of a possible human language, and, second, a strategy for selecting a grammar of the appropriate form that is compatible with the primary linguistic data. […] as a long-range task for general linguistics, we might set the problem of developing an account of this innate linguistic theory that provides the basis for language learning.”[4]

Matthews hat darauf hingewiesen, dass Chomsky mit dieser Spezifizierung die linguistische Sichtweise maßgeblich verändert hat. Der Verfasser definierte an dieser Stelle zwei unterschiedliche Grammatiken: eine als genetische Anlage des Kindes und eine weitere, die die erste zum Untersuchungs- und Beschreibungsgegenstand hat und von Linguisten verfasst wird. Die grammatische Theorie verhält sich analog zur Grammatik: Eine Theorie ist dem Kind angeboren und der Linguist untersucht in seiner Theorie eben diese. Nach Chomsky beschreibt letztere „die Form der Grammatik einer menschlichen Sprache“.[5] Neu ist hier die Annahme, dass ein Wissen von Universalien, welches zudem detailliert und spezifisch ist, dem Kind angeboren ist. Chomsky war sich im Klaren darüber, dass das Ziel einer Grammatik, welche alle möglichen Grammatiken als optionale Realisierungen in sich enthält, nur langfristig entstehen könnte. Er forderte als Anfangspunkt die Klassifizierung von unterschiedlichen Grammatiken und eine Klassifizierung möglicher struktureller Beschreibungen.[6]

Neben den wissenschaftstheoretischen Hypothesen konkretisierte Chomsky auch die Bestandteile der Theorie, die nun aus einer syntaktischen, einer semantischen und einer phonologischen Komponente bestehen, von denen jedoch lediglich die syntaktische Komponente generativ ist und die anderen interpretativ. In der Standardtheorie wird die syntaktische Komponente durch die „Tiefenstruktur“ und die „Oberflächenstruktur“ spezifiziert. Die syntaktische Komponente besteht zum einen aus einem Basisteil bestehend aus kategorischen Regeln (s. o. Phrasenstruktur) und dem Lexikon, welches die Tiefenstrukturen generiert, die alle für die Transformation benötigten Informationen enthält. Zum zweiten enthält die syntaktische Komponente einen Transformationsteil, der die Tiefenstrukturen in Oberflächenstrukturen wandelt. So enthält der Basisteil die semantische Interpretation und der Transformationsteil die phonologische Komponente. Grammatik wird so zu einem integrativen System von Regeln, welches die Aussprache eines Satzes mit seiner Bedeutung in Verbindung bringt. Ein entscheidender Unterschied zur Vorgängertheorie ist die Existenz des Lexikons, welches gemeinsam mit den syntaktischen, semantischen und phonologischen Informationen nun die Basis für eine korrekte Funktion der Regeln darstellt. Diese Informationen bezeichnet Chomsky als „Bestandteile“. Der zentrale Gegenstand der syntaktischen Komponente sind die Transformationen, weshalb die generative Grammatik auch als Transformationsgrammatik oder generative Transformationsgrammatik bezeichnet wird.[7]

1.3 Extended Standard Theory (EST)

Chomskys Standard Theory hinterließ ein erhebliches Problem bezüglich der von ihm postulierten Tiefenstruktur. Nehmen wir als Beispiel die Sätze:

A: Bresnan criticized Chomsky.

B: Bresnan’s criticism of Chomsky.

Es ist offensichtlich, dass beide Sätze dieselben “logischen Beziehungen“ wiedergeben, doch ist es schwer, eine gemeinsame Tiefenstruktur auszumachen. Wenn wir annehmen, dass Version A als Basis fungieren soll, ergibt sich, dass die Nominalisierung in B nicht nur das Verb in eine nominelle Form bringen müsste, sondern auch Adverbien zu Adjektiven und das Subjekt zum Genitiv umformen müsste. Zudem müsste dem Objekt eine Präposition vorangestellt werden. Zwischen criticized und der Nominalisierung criticism besteht der Unterschied, dass letztere quantifizierbar ist, während das Verb mit dem Subjekt im Singular übereinstimmen muss. Horrocks nannte weitere Beispiele bezüglich des Einsatzes von Präpositionen, die gegen Chomskys Modell der Tiefenstruktur sprechen.[8] Um diesen Problemen Rechnung zu tragen, erweiterte er den Umfang der semantischen Regeln von denen er einige der Oberflächenstruktur zuordnete. Auf der Ebene der Oberflächenstruktur sollten nun die Bestandteile Intonation, Betonung, Aspekt, Quantifizierung, Satzfokus und im Satz enthaltene Voraussetzungen berücksichtigt werden. Von diesem Zeitpunkt an bestimmte die Tiefenstruktur nicht mehr die semantische Repräsentation eines Satzes und linguistische Arbeiten aus der Folgezeit lehnten die Idee der Tiefenstruktur vollkommen ab.[9]

[...]


[1] Chomsky (A),

[2] Matthews,

[3] http://www.ifi.unizh.ch/CL/volk/SyntaxVorl/Chomsky.html

[4] Chomsky, in: Matthews, S. 210f

[5] Matthews, S. 211f

[6] Ebd., S. 216f

[7] http://www.ifi.unizh.ch/CL/volk/SyntaxVorl/Chomsky.html

[8] Horrocks, S. 56f

[9] Hickey,

Excerpt out of 17 pages

Details

Title
Die Universalgrammatik von Noam Chomsky
Author
Year
2006
Pages
17
Catalog Number
V210729
ISBN (eBook)
9783656387503
ISBN (Book)
9783656389460
File size
484 KB
Language
German
Keywords
Chomsky, Noam, Universalgrammatik, generative, Grammatik, Sprache, Spracherwerb, Außenpolitik, Politik
Quote paper
MA Guido Maiwald (Author), 2006, Die Universalgrammatik von Noam Chomsky, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210729

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