Die Stuckausstattung der Stiftskirche Kremsmünster


Diplomarbeit, 2013

189 Seiten, Note: 3,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Forschungsstand
1.2 Ziel, Aufbau und Methode
Problemstellung
Aufbau, Methodik
1.3 Quellenlage
Die bildlichen Quellen
Die schriftlichen Quellen

2 Die Ausgangssituation - der mittelalterliche Bau
2.1 Baubeschreibung
Portal I Narthex | Läuthäuser | Westempore
Pfeiler I Hauptschiff | Seitenschiffe
Querhaus | Vierung | Chorquadrat | Hauptchor | Nebenapsiden
2.2 Programm

3 Die Erneuerung ab 1613
3.1 Baubeschreibung
Portal | Narthex | Läuthäuser | Westempore
Pfeiler | Hauptschiff | Seitenschiffe
Querhaus | Chorquadrat | Hauptapsis | Nebenchöre
3.2 Die Genese des frühbarocken Umbaus
Der Auftraggeber
Der Baumeister
Die Stuckierungen
Das Programm
3.3 Die Amtszeit der Äbte Negele und Buechauer 1637-1669

4 Die zweite barocke Bauphase unter Abt Erenbert II. Schrevogl (ab 1673)
4.1 Baubeschreibung
Portal | Narthex | Läuthäuser | Westempore
Hauptschiff | Seitenschiffe | Pfeiler
Querhaus | Vierung | Chorquadrat | Nebenchöre
4.2 Spätere Renovierungen und Erweiterungen 1703-1712
4.3 Das Programm
Kremsmünster als ecclesia angelica
52 Statuen
4.4 Die verantwortlichen Künstler
Forschungsgeschichte
Verhältnis Colomba/Barbarini
Giovanni Battista Barbarini („Barberini", „Barberino", „Barbarino")
Herkunft der Künstler - Valle d'Intelvi
4.5 Die Vorbilder
a: Stuckräume: Dom von Passau
a. Stuckräume: Wiener Servitenkirche
b: Altäre: Maria Plain
4.6 Die Rolle Erenbert II. Schrevogls

5 Das Material Stuck
5.1 Die Erzeugung von Stuck
5.2 In Kremsmünster verwendete Stucktechniken

6 Resumée

Appendix
Anhang 1:
Anhang 2:
Anhang 3:
Anhang 4:

Lite raturve rzeichnis

Tafeln:

Abbildungsverzeichnis

Glossar

Abstract

1 Einleitung

Das südlich von Linz gelegene Benediktinerkloster Kremsmünster wurde von Tassilo III. im Jahr 777 anlässlich des Todes seines Sohnes Gunther gegründet.

Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht das Baugeschehen des 17. Jahrhunderts in der Stiftskirche und die Auseinandersetzung mit ihrer gotischen Substanz aus dem Jahr 1232. Viele Veränderungen wurden durch die beteiligten Künstler und Auftraggeber in Architektur, Malerei, Plastik und Ikonografie in mehreren Phasen erwirkt. Im Jahr 1614 wurde der Ostteil der Kirche erstmals durch Stuck ausgezeichnet. Diese Ausstattung ist uns nicht erhalten geblieben, denn der aufgeschlossene Abt Erenbert II. Schrevogl (reg. 1669-1703) ließ die Stiftskirche ab 1680 durch den italienischen Künstler Giovanni Bat­tista Barbarini (* um 1625/26 Laino, Val d'Intelvi; f 1691 ebenda) miterhöbterStucatur: und allerhand Selzamer Gips arbeith verckhlöden. [1] Das neue Zusammenspiel von Variati­onen plastischer Kunst zeigt seit 1680 modernste, italienische Dekorationsformen im Sinne Berninis in einer der kennzeichnendsten Ausführungen des Stuckbarock im heuti­gen Österreich.

1.1 Forschungsstand

In der Geschichte des Stiftes wurde speziell in Jubiläumsjahren immer wieder neu über die eigene Entwicklung reflektiert. Zum 1200-jährigen Gründungsjubiläum entstand 1977 in der Reihe der österreichischen Kunsttopographie (ÖKT) ein zweiteiliger Band, in dem alle vorhandenen Daten und Fakten gewertet und aufgelistet wurden.[2]

Leonore Pühringer-Zwanowetz hat sich am intensivsten mit der komplexen Bauge­schichte der Stiftskirche Kremsmünster des 17. Jahrhunderts befasst:

Erstens konnte die Forscherin in der sehr ausführlich bearbeiteten Kunsttopographie[3] viele Fragen durch gute Quellenforschung[4] klären. Hier ist die gesamte bis dahin er­schienene Literatur mehr oder weniger enthalten und auf jeden Fall mit einbezogen. Nicht nur deswegen bildet dieses Buch eine gute Grundlage für die vorliegende Arbeit.

Zweitens hat Pühringer-Zwanowetz sich mit dem Artikel „Die Barockisierung der Stifts­kirche von Kremsmünster" profiliert und nicht nur das Thema Stuck erstmals in zu­sammenhängender Form dargelegt.[5] Der Verdienst dieses Artikels ist eine vorläufige Klärung von der Zuschreibung des Bauentwurfes aus der letzten großen Bauphase in der Stiftskirche.

Gerade eines der Standardwerke über die Kunst des Barock in Österreich aus 1995 rezi­tiert „die für die Raumwirkung wichtige Stuckausstattung [...]"[6] und spielt auf die Bedeu­tung des Künstlers Giovanni Battista Barbarini an, der „die entscheidenden Akzente in seinem Schaffen nach 1669 [in der Wiener Servitenkirche] setzt, die bereits in den Hochbarock vorausweisen", geht jedoch im gesamten Buch kein einziges Mal auf das, von allen Arbeiten wahrscheinlich umfangreichste Werk desselben Künstlers[7] ein: die Stuckausstattung der Stiftskirche Kremsmünster im heutigen Österreich.

Der Grund für eine solch offensichtliche Geringschätzung der Stuckdekoration von Kremsmünster ist möglicherweise aus Meinrad von Engelbergs Buch „Renovatio eccle- siae"[8] abzuleiten. Der Autor greift den Begriff des Modus auf und versucht, uns vorsichtig „die unübersehbaren Gegensätze [zweier] Bauten nicht sofort als Unterschiede von Qua­lität und Anspruch, sondern als differierende Strukturen, als konzeptionell klar zu un­terscheidende Modi" [9] deuten zu lehren. Der verwendete Modus wird bestimmt vom Re­sultat, das eine erwünschte psychische Wirkung erzielt. Hier verweist der Autor auf die, zumeist freie Wahl der Auftraggeber zwischen den verschiedenen Modi und damit da­rauf, dass zwischen den Modi keine Wertabstufung zu erkennen ist. Engelberg schrieb, dass das Dekorum nicht zwingend zu einer bestimmten Form verpflichtete.

Die rezenteste Arbeit über den Künstler, die in unserem Zusammenhang von größerer Bedeutung sein sollte, ist von Andrea Spiriti: „Giovanni Battista Barbarini. Un grande scultore barocco" von 2005[10] und verwirrt durch schlichtweg falsche Aussagen im Be­zug auf die Stiftskirche Kremsmünster. In dem Kapitel, das sich konkret der Stuckarchi­tektur des Innenraumes widmen soll, werden wichtige Tatsachen (der Einfachheit hal- ber?) weggelassen. Das Kapitel beschäftigt sich hauptsächlich mit dem gesamten Stifts­komplex, der zum Größten Teil kein Werk Barbarinis ist. Datierungen divergieren teil­weise stark von jenen in der ÖKT, nicht nachvollziehbare Hypothesen werden aufge­stellt.[11] italienische Wortspiele und interessante Fach(?)ausdrücke, die auch nicht in einschlägigen Lexika[12] gefunden werden können, machen den Text schwer verständlich. In der Literaturangabe sind zwar alle grundlegenden Publikationen angeführt, dennoch hat man beim Lesen das Gefühl, dass manche Ergebnisse kaum bis gar nicht berücksich­tigt worden sind. Allerdings hat dieser Autor einige wirklich interessante Gedanken zum ikonografischen Programm und zur stilistischen Herkunft der Ausstattung. Er misst dem Auftraggeber eine wichtige Rolle bei und diese Annahme erscheint mir in der Tat ein­leuchtend. Ein wirklicher Verdienst ist auf jeden Fall das durch eine CD beigelegte Bild­material, welches mit der deutlichen Ausnahme der österreichischen Werke des Künst­lers größtenteils durch gute Aufnahmen besticht. Hier muss noch hinzugefügt werden, dass ein beigelegter Grundriss das Gefühl für die Räume mit ihren Ausstattungen we­sentlich gesteigert hätte.

Rudolf Preimesberger wird durch seinen, am 28. November 2012 in Passau gehaltenen Vortrag[13] mit dem Titel „Ecclesia Angelica - Künstlermigration, Konflikt und Anpassung in der Stiftskirche Kremsmünster" auch in unserem Zusammenhang sehr interessant. Glücklicherweise konnte ich diesen Vortrag durch einen Hinweis meiner Betreuerin Dr. Ingeborg Schemper-Sparholz verfolgen. Unglücklicherweise ist dieser Vortrag noch nicht publiziert worden und aus diesem Grund sehe ich es auch als meine Aufgabe, manch einleuchtenden Gedanken im Namen Rudolf Preimesbergers der Kunstforschung unseres Institutes zu vermitteln.[14] Dieser Vortrag hatte hauptsächlich die Engelsstatuen zum Thema, die Michael Zürn der Jüngere für die Nebenapsiden der Stiftskirche schuf.

Im Zuge dessen wurde gezielt auf die Wirkung der Gesamtheit der Ausstattung der Stiftskirche durch ihr ikonografisches Programm eingegangen.

1.2 Ziel, Aufbau und Methode

Problemstellung

In den Forschungen zu Kremsmünster ist mir aufgefallen, dass ein großer Teil der Lite­ratur Schwierigkeiten mit der Einteilung der einzelnen Bauepochen hat, die im sehr um­fangreichen Band der ÖKT nicht unbedingt leicht verständlich und klar aufgearbeitet wurden. Leonore Pühringer-Zwanowetz selbst greift die Problematik der Barockisierun- gen indirekt auf, indem sie auf verschiedene Ereignisse einzeln hinweist, diese aber nicht konsequent benennt:

„Die erste Barockisierung (Baubeginn 1614)", „Die zweite Barockisierung (1679-1682)", „Die Neuerungen des frühen 18. Jhs.", „Die Vollendung der Barockisierung ab 1710".[15] Ich möchte auf die unscharfen Termini und zeitlichen Grenzen dieser Bauphasen hin­weisen, die dadurch Verwirrungen hervorgerufen haben. Die tradierte Einteilung der einzelnen Bauphasen, die von Pühringer-Zwanowetz erstellt wurde und nicht weiter hinterfragt worden ist, erschwert nicht nur dem Laien von Beginn an ein klares Ver­ständnis der stattgefundenen Prozesse. Als Beispiel muss ich einfach den italienischen Barockforscher Andrea Spiriti anführen, der die von Pühringer-Zwanowetz vorgeschla­gene Handhabung völlig missversteht.[16] Ist die Datierung einer Barockisierung allein auf die neue Stuckdekoration der ersten beiden Phasen zurückzuführen? Wenn ja, warum ist dann die letzte als „Vollendung der Barockisierung" benannt?

Ich schlage vor, dass eine andere zeitliche Eingrenzung und der von Meinrad von Engel­berg vorgeschlagene Terminus der Renovatio sehr dienlich für ein besseres Verständnis der verschiedenen Phasen wäre, die sich auch über die früheren und späteren Jahrhun­derte hinziehen. Während ich der zeitlichen Abgrenzung der ersten Barockisierung nur zustimmen kann (obwohl hier auch ein Enddatum bestimmt werden müsste und das Formengut wohl eher noch aus der Spätrenaissance hervorgeht), fände ich es leichter nachvollziehbar, die folgenden Veränderungen aus dem Standpunkt der jeweilig regie- renden Äbte zu besprechen. Demnach gäbe es insgesamt drei Renovationes, die in mei­nem Zusammenhang wichtig erscheinen: eine erste unter Abt Anton Wolfradt (1613­1615), eine zweite unter Abt Erenbert II. Schrevogl (1676-1703) und eine dritte unter AbtAlexander II. Strasser (1709-1712).

Ich möchte prüfen, ob die tradierte zeitliche Einteilung wirklich sinnvoll erscheint, denn kurz vor der zweiten Barockisierung 1680/82 wurde im Jahr 1676 die, der Stiftskirche zugehörige Marienkapelle neu errichtet. Die Renovatio unter Abt Erenbert II. zieht sich demnach von 1676 bis zu seinem Tod 1703. In der nächsten Renovatio unter Abt Ale­xander II. ab 1709 wurde die vorherige Renovatio gedanklich weitergeführt und bis 1712 vervollständigt. Es wurde an den Plänen von 1680 teilweise festgehalten und durch weitere Additionen an den damaligen Zeitgeschmack angepasst.

Der damals topmoderne Neubau der Marienkapelle entstand nur drei Jahre vor der zweiten Barockisierung im Jahr 1676 und steht in direktem Zusammenhang mit dem 900. Gründungsjubiläum. Der Neubau kann als Startschuss für weitere tiefgreifende Verän­derungen gesehen werden und ich behaupte, dass viele Ideen und Anregungen für eine neue Ausstattung bereits damals transportiert worden sind. Ohne diese Veränderung wäre die Umwandlung des Innenraums von 1680 sicherlich nicht in der Form zustande gekommen. Nach der Einteilung von Pühringer-Zwanowetz wird der Kapellenneubau noch im Zusammenhang mit der ersten Barockisierung gesehen.

Aufbau, Methodik

In der vorliegenden Arbeit möchte ich anhand der Beschreibung der durchgeführten Veränderungen die Brauchbarkeit der Termini erste und zweite Barockisierung prüfen. Dazu werde ich von der Ausgangssituation des mittelalterlichen Baues am Ende des 16. Jahrhunderts ausgehen (Abb. 1). Ich werde durch eine Baubeschreibung versuchen auf­zuzeigen, wie der Bau damals ausgesehen haben kann.

Dann werde ich zur ersten größeren Veränderung der Stiftskirche durch eine Baube­schreibung Stellung nehmen. In diesem Kapitel werde ich auf die Situation des Auftrag­gebers Abt Anton Wolfradt (reg. 1613-1639) und des Baumeisters Marx Martin Spaz[17] eingehen. Die Stuckaturen, die in der ersten Barockisierung gemacht wurden, sind heute nicht mehr erhalten. Sie wurden 1682 abgenommen und in modernerer Form angetra­gen. Zum Glück ist uns eine Malerei von Theodor Schrödter aus dem Jahr 1641 (Abb. 2) erhalten, die eine Innenansicht der Stiftskirche Richtung Osten zeigt. Auch wenn ver­gleichbare Werke desselben Stuckateurs Johann Baptist I. Spaz[18] heute nicht mehr exis­tieren, werde ich versuchen, dem Leser neben einer neuerlichen Baubeschreibung einen Eindruck dieser vergoldeten und stark an die Architektur gebundenen Stuckdekoratio­nen zu vermitteln. Abgeschlossen wird die Betrachtung durch eine mögliche Interpreta­tion des Programmes der Ausstattung.

Die zweite Barockisierung lässt sich diffiziler in ein einziges Projekt fassen, da sie nicht nur die Neuausstattung der Kirche durch Stuckarchitektur ausdrücken, sondern eine ständige Verbesserung und mehrmalige Neugestaltung der Stiftskirche charakterisieren soll (Abb. 3). Zunächst werde ich anhand einer dritten Baubeschreibung aufzeigen, wie mit dem teilweise bereits umgestalteten und teilweise noch belassenen Sakralraum während der Periode unter Abt Erenbert II. Schrevogl (reg. 1669-1703) umgegangen wurde. Folgend wird interessant, in wie weit Abt Alexander II. Strasser (reg. 1709­1731) die Pläne seines Vorgängers im frühen 18. Jahrhundert ausführte. An dieser Stelle wird auf die Intention der Aussage der Ausstattung eingegangen werden. Wie schon er­wähnt, ist der Vortrag Preimesbergers hier maßgeblich für die Interpretation gewesen.

Die Frage nach dem verantwortlichen Künstler scheint immer noch eine interessante zu sein. Die Forschungsgeschichte wird uns in das Thema einführen. Die schriftlichen Quel­len, die im Zusammenhang mit einer richtigen Zuschreibung stehen, werden eine Rolle spielen. Daraus wird ersichtlich, dass die Comasken Giovanni Battista Barbarini und sein Nachbar Giovanni Battista Colomba an der neuen Innenausstattung von 1680 maßgeb­lich beteiligt waren. In der Folge werde ich näher auf die Biographie und Umkreis des Künstlers Barbarini eingehen, die immer noch einer genaueren Untersuchung bedürfen.

Als nächstes Bedarf es einer Findung der Vorbilder und Einordnung der Ausstattung von der Stiftskirche Kremsmünster in das barocke Geschehen auf dem Boden des heutigen Österreich und Süddeutschland. Als ideales Vergleichsbeispiel scheint mir in erster Linie der Dom von Passau zu sein, der in den selben Jahren neu ausgestattet wurde und auf derselben Stilstufe wie die Stiftskirche Kremsmünsters steht. Als weiteres mögliches Vorbild ist sicherlich die Servitenkirche in Wien anzusprechen, die Barbarmi schon 1669 ausgestattet hatte. Im weiteren Sinne werden auch Gebäude interessant, die den Künstler inspiriert haben könnten. Hier tappt die Forschung weiter im Dunkeln: Die Frage, ob Barbarini jemals selbst in Rom war, oder nicht, wird wohl ohne weitere Quell­hinweise nie klar beantwortet werden können.

Im nachfolgenden Punkt werde ich mich über die Rolle des Auftraggebers äußern. Die­ses Kapitel wird sich um die Frage drehen, was Abt Erenbert II. Schrevogl zur Ausstat­tung beigetragen hat und warum der Abt und Konvent eine solche Umwandlung des Raumes für notwendig empfanden.

Am letzten Punkt der gesamten Arbeit greife ich das Material Stuck auf, da die Stuck­kunst nie „akademische" Ehren erlangte.[19] In den Kunstakademien des 11. und 18. Jahr­hunderts ist sie nicht im Kanon der gelehrten und praktizierten Fächer zu finden. Wahr­scheinlich sind es deswegen selbst Kunsthistoriker heute nicht unbedingt gewöhnt, sich auch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die Vorstellung der Herstellung von Stuck ist so viel leichter fassbar; zudem braucht man einfach eine Erklärung, wenn man wissen will, wie vor so langer Zeit solche Arbeiten in so kurzer Zeit beendet werden konnten. Die Stuckarchitektur der Stiftskirche Kremsmünster war innerhalb der erstaunlich knappen Zeitvon nur zwei Jahren vollendet.

1.3 Quellenlage

Ich fühle mich verpflichtet, im Bezug auf das Archiv von Kremsmünster einmal mehr darauf hinzuweisen, dass dort noch vieles, vielleicht sogar noch unbekanntes (?)[20] Quel­lenmaterial vorhanden ist. Erstaunlicherweise fehlen diesem begüterten Stift vor allem die finanziellen Mittel, um diesen - für die Wissenschaften wesentlichen - Teil der Stiftsgeschichte aufzuarbeiten. Ich war selbst vor Ort, um Aufnahmen von Grundrissen und Verträgen zu machen und war überrascht - einerseits über die Ausdauer der uner­müdlichen Bibliothekare, die in den dunklen, engen und ungeheizten Räumen arbeiteten, andererseits über eine derartig hoffnungslos-unübersichtliche Aufbewahrung von Do- - 8 - kumenten aus 1200 Jahren Stiftsgeschichte, die mehr oder weniger ungeordnet als lose Zettelstapel in Kartons zwischenliegen. Zu meinem Unglück wurden Teile des Archives seit dem Erscheinen der ÖKT verlegt, so sind die dort zu findenden Angaben kaum noch einwandfrei nachvollziehbar. Einige Abbildungen, die in der ÖKT gezeigt werden, waren überhaupt nicht mehr auffindbar. Es hängt, wie gesagt, von den zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln ab, zu welchem Zeitpunkt das vorhandene Material mehr oder we­niger vollständig digital ausgewertet, verarbeitet und benutzbar gemacht werden wird. Bis zu diesem fernen Tage X istjedes Bild der Stiftsgeschichte ein unvollständiges.

Die bildlichen Quellen

Es gibt mehrere zeitgenössische Darstellungen der Kirche, die alle voneinander in Art und Inhalt divergieren. Ein Grundriss ist von 1613/14 (Abb. 4) und ist stark zerfallen. Die zweite Darstellung ist ein Kircheneinblick von 1641 (Abb. 2), hier zeigt sich viel­leicht, was von dem ersten Grundriss umgesetzt wurde und was nicht. Die dritte Quelle ist wieder ein Grundriss von 1676 (Abb. 5), der unmittelbar vor der endgültigen Um­wandlung der Raumschale der Stiftskirche entstand. Carlo Antonio Carlone zeichnete diesen Riss, der hauptsächlich das Neubauprojekt der Marienkapelle thematisiert. Als weitere Quelle wird eine Stiftsansicht herangezogen, die zum 900. Gründungsjubiläum 1677 durch den Stecher Matthäus Küsell nach einer Zeichnung von Clemens Beuttler angefertigt wurde (Abb. 6). Die wahrscheinlich für uns wichtigste Quelle ist der Riss von 1680, der wohl aus der Zeit des Kontraktabschlusses zwischen Colomba, Barbarini und Schrevogl stammt und auf dem wiederum Abweichungen zur tatsächlichen Ausführung bestehen (Abb. 7).

In Anbetracht dieser erhaltenen Quellen sollten wir gut über die Zustände vor und nach den Bauphasen aufgeklärt sein und ein genaues Bild von ihnen haben. Die im Laufe des 17. Jahrhunderts entstandenen Zeichnungen zeigen aber so unterschiedliche Details, dass Fragen zu den Umgestaltungen auftauchen. Für manche werde ich versuchen, Ant­worten zu finden, alle Fragen können jedoch auf keinen Fall in einer Diplomarbeit, die sich hauptsächlich mit der Stuckausstattung befassen soll, ausgearbeitet werden und müssen weiterhin offen bleiben.

Die Projektdarstellung von 1613/14

Den ältesten Grundriss des Kircheninnenraumes, den wir hatten (momentan nicht auf­findbar), ist eine Projektdarstellung (Abb. 4), die vor der ersten größeren Modernisie­rung entstand, datiert auf das Jahr 1613. Die Abbildung des Erdgeschoßes ist besonders im Bereich des westlichen Langhauses stark zerfallen. Im Westen werden die Läuthäu­ser (westlichste Turmjoche) vergittert dargestellt. In der Zeichnung sind die mittelalter­lichen Bündelpfeiler nicht ummantelt, aber vereinfacht dargestellt. Gezeigt sind außer­dem ein durchgehend erhöhtes Querhaus; eine, der Vierung zugehörige Stirnwand, die den Restbestand des Lettners bildet; ein mehrfarbiges, damals gerade neu verlegtes Steinpflaster; sowie elliptische, verlängerte Nebenchorräume. Der zu diesem Zeitpunkt vorhandene Trinitätsaltar in der „neu aufgestellten vorderen Basilika"[21] fehlt in der Wiedergabe, genauso wie das Chorgestühl, das sich damals in der Vierung befand. Nur das Gunthergrabmal und der Kreuzaltar sind auf ihrem Platz. Diese Skizze stellt also nur teilweise den Ist-Zustand des Inneren von 1613 dar und lässt noch keine Absicht eines größer angelegten Umbaus erkennen. Daraus folgt, dass sich der Plan während dem Bauprozess veränderte.

Das Rotelbuch von 1641

Die zweite Darstellung ist ein Einblick Richtung Osten aus dem Rotelbuch von 1641 (Abb. 2, Abb. 8) und weist die Einrichtung und Gliederung des Kirchenraumes nach der ersten Barockisierung auf. Sie zeigt, was von dem früheren Plan von 1613/14 umgesetzt wurde und auch, was davon nicht zur Umsetzung kam. Wir müssen bei der Auswertung der Miniatur allerdings der künstlerischen Freiheit des Malers Raum lassen und dürfen deswegen nicht erwarten, dass alles genau so gewesen ist, wie es hier dargestellt wur­de.[22] Allerdings stimmen viele Details mit den aus Rechnungen überlieferten Baudaten überein.

Der Riss von 1676 durch Carlo Antonio Carlone

Carlo Antonio Carlone wurde 1676 berufen, um einen Neubau der Marienkapelle, die südlich an die Stiftskirche anschließt, zu planen.[23] In diesem Zusammenhang steht sein Grundriss (Abb. 5) des ersten Obergeschosses des Südteils der Stiftskirche aus dem Jahr 1676. Die Bausubstanz ist genau skizziert, bei genauerer Betrachtung fallen die extrem verbreiteten Seitenschiffsfenster auf, die rosa laviert eingezeichnet sind. Sie wurden bei dem Umbau der Stiftskirche nicht ausgeführt. Ausgehend von ihren umfangreichen Stu­dien zum Gegenstand vertritt Pühringer-Zwanowetz mit Recht die „Möglichkeit, dass er [Carlone] im künstlerischen Anschluss an die mit der Stiftskirche räumlich verbundenen neue Marienkapelle für die erstere an eine in den sonstigen Einzelheiten dem Stukka­teur zu überlassende Barockisierung dachte."[24]

Dieser Plan zeigt uns eine zugemauerte erste südliche Arkade. Uns sind keine Rechnun­gen über eine solche Bautätigkeit erhalten geblieben. Wir müssen annehmen, dass diese Abmauerung in den Jahren zwischen 1641 und 1676 ohne jede weiteren Belege ent­standen ist und genauso wenig dokumentiert wieder entfernt wurde.

Die Stiftsansicht von 1677

Der Stich (Abb. 6) entstand zur 900-Jahr-Feier 1677 und zeigt, außer der mittlerweile erbauten Marienkapelle auch die, in der Ausführung noch gar nicht begonnenen damali­gen Bauvorhaben nach dem Plan Carlones von 1676.[25] Das südliche Pultdach stößt sehr knapp unter dem Mittelschiffsdach an und es sind keine südlichen Obergaden darge­stellt. Dabei waren diese sicher vorhanden, wenn auch sehr klein ausgeformt. Dem Plan Carlones entsprechend werden die südlichen Seitenschiffsfenster betont verbreitert dargestellt. Pühringer-Zwanowetz schließt daraus, dass der Zeichner Clemens Beuttler, der, wie man an der maßstabsgetreuen Darstellung der Laternen im Ostteil der Kirche sieht, um ein möglichst genaues Bild bemüht war und die damals aktuellen Planungs­entwürfe miteinbezogen hat.

Der Riss von 1680

Zuletzt gibt es noch einen Riss, der in der Zeit um 1680 entstanden sein soll (Abb. 7) und in seinem Schema auf den Grundriss von 1613/14 (Abb. 4) aufbaut.[26] Folglich stammt dieser Riss aus der Zeit, in der Barbarini und Colomba in Kremsmünster tätig waren. Allerdings ist uns tatsächlich unbekannt, von welcher Hand er gefertigt wurde. Dieser Riss enthält wesentliche, erst ab 1710 in teils modifizierter Form ausgeführte, Einzelhei- -li­ten: die Querschiffstiege aus dem Mittelschiff und die Stiftergruft vor dem Hochaltar. Hier sind die Nebenaltäre des Langhauses an die Seitenschiffswände gerückt und voll­ständig. Ausgenommen dem fünften südlichen Joch, wo sich der Eingang zur Marienka­pelle befindet, enthält jedes Joch des Langhauses einen Altar. Auch wenn der Plan hin­sichtlich der Ausstattung von Vorhalle und Fassade bereits durch die Bauvorgänge von 1681 überholt ist, so blieb er doch in den damals nicht ausgeführten Punkten für die folgende Zeit maßgeblich. Der Narthex bekam einen polygonalen Grundriss und die Fas­sade wurde durch einen Vorbau neu gestaltet (Abb. 9).

Die schriftlichen Quellen

Die Quellenlage zu Kremsmünster ist durch die, von P. Neumüller zusammengestellten ,Archivalischen Vorarbeiten' von 1961 gut, sie enthalten viele vorhandenen Kammerei­rechnungen des Stiftes.[27] Schriftliche Quellen gibt es bemerkenswert viele im Stiftsar­chiv aber wie gesagt kann man nicht sicher sein, ob alle entscheidenden Quellen bereits ausfindig gemacht, berücksichtigt und übersetzt sind. Der Vertrag von Abt Anton Wolf- radt mit dem Baumeister Marx Martin Spaz aus 1614 ist nicht mehr erhalten.

Das Stiftsarchiv Kremsmünster verwahrt ein Schriftstück, das ein Interimsvertrag oder Vertragsvorschlag ist, der von G. B. Colomba auf den 10. Januar 1680 datiert wurde und die Bedingungen der Werkmeister enthält (Anhang 1, Abb. 10a, b). Zwei Namen von Künstlern stehen unter dem Vorschlag: Giovanni Battista Colomba und Giovanni Battista Barbarmi. Pühringer-Zwanowetz hat die Handschrift von G. B. Colomba in beiden Unter­schriften erkannt und schließt daraus, dass die beiden Künstler ein gutes Verhältnis miteinander gehabt haben müssen.[28] Es kann angenommen werden, dass dieser Vertrag, der in Abwesenheit Barbarinis in seinem Namen durch Colomba unterschrieben wurde, zur Besichtigung vorab diente. Aus dem Datum und Zusammenhang kann man Ostern 1680 als Beginn an den Arbeiten in Kremsmünster ableiten.[29]

Des weiteren haben wir eine undatierte Aufstellung (Anhang 2, Abb. 11) in der Hand­schrift Giovanni Battista Colombas[30] aus der hervorgeht, was in der Stiftskirche durch die italienischen Künstler gestaltet werden sollte.

Der eigentliche Vertrag, der im Stiftsarchiv nur in Kopie: Spaltzötl Copy aufbewahrt ist, stimmt mit dem vorher besprochenen Vertragsvorschlag stellenweise im Wortlaut überein. Diese Kopie trägt weder Datum, noch Unterschrift (Anhang 3, Abb. 12 a, b, c, d). Der Originalvertrag wurde von einem Vorriß begleitet, der im Stiftsarchiv nicht auffind­bar ist und wahrscheinlich auch von Colomba erstellt wurde.[31]

Ein zweiter Vertrag zwischen Abt Erenbert II. und Giovanni Battista Barbarini ist auf Italienisch geschrieben (Abb. 13 a, b), enthält beide Unterschriften und das Datum Juni 1681.[32] In diesem Vertrag sind die italienischen Mitarbeiter genannt, die in der Stiftskir­che mit Barbarini arbeiteten[33] und die Bedingungen, unter denen sie arbeiteten,[34] au­ßerdem, was sie genau anfertigen sollten und wie viel Gulden[35] sie dafür erhalten wür­den.

2 Die Ausgangssituation - der mittelalterliche Bau

Das heutige Aussehen der Stiftskirche verdanken wir hauptsächlich der dreischiffigen Pfeilerbasilika mit ihrem gestaffelten Dreiapsidenchor, die ab dem Jahre 1232 unter Abt Heinrich von Plaien (reg. 1230-1247) neu gebaut wurde (Abb. 1). Der Bau des Langhau­ses wurde unter der Führung des Abtes Friedrich von Aich (reg. 1274-1325) abge­schlossen.[36] Nach 1350 wurde das Gebäude mit dem Bau des reduzierten Westwerkes durch Abt Ernst III. von Ottsdorf (reg. 1349-1360) vollendet. Die Länge des Kirchenbau­es beträgt 62 Meter. Preimesberger nimmt an, dass wahrscheinlich schon im dreizehn­ten Jahrhundert so monumental gebaut wurde, weil Herzog Friedrich der Streitbare vergeblich versuchte, Kremsmünster von seiner ausgedehnten Diözese Passau unab­hängig und zu dem Sitz eines eigenen österreichischen Bistums zu machen.[37]

Der Artikel von Erika Doberer war mir bei der Beschreibung des mittelalterlichen Baus sehr dienlich.[38] Dieser hier hervorragend betriebenen Forschung fehlt jedoch eine sys­tematische Untergliederung, die das Leserverständnis deutlich erhöhen würde.

2.1 Baubeschreibung

In der Beschreibung der einzelnen Gebäudeteile gehen wir immer von West nach Ost und von Unten nach Oben, die einzelnen Joche sind immer von Westen aus gezählt und benannt.

Portal I Narthex | Läuthäuser | Westempore

Man betrat die spätromanische Basilika um 1300 durch ein spätromanisches Stufen­portal aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Westen (genauer: Südwesten). Die Öffnung des Trichterportals war über sechs Meter breit und führte drei Meter in die Tiefe.

So befand man sich unter dem reduzierten Westwerk im querrechteckigen Narthex, der durch ein Eisengittervom Kirchenraum abgetrennt war. Die Verbindung zu den nördlich und südlich anschließenden beiden Turmräumen bestand wahrscheinlich aus zwei gro­ßen Spitzbogenöffnungen mit reich gegliederten Archivolten.[39] Die Bündelpfeiler der Vorhalle waren aufgrund des Gewichtes der darüber liegenden beiden Türme und Em­pore breiter und reicher profiliert als jene des Langhauses. Die Türme glichen sich nicht ganz genau, der spätromanische Nordturm war höher und stärker (im Erdgeschoss 70 cm breiter) als der südliche Turm.

Vom so genannten ,Läuthaus', das sich im Erdgeschoss des südlichen Turmjoches be­fand, zog man durch Seile, die durch die Gewölbe nach oben geführt wurden, an den Turmglocken.[40] In den 1930er und 40er Jahren wurden Freilegungsarbeiten durchge­führt.[41] Damals wurden etwa 40 Raummeter barockes Mauerwerk aus diesen Räumen entfernt. Das mittelalterliche Läuthaus hatte eine kubische Form von sechs Metern Sei­tenlänge[42] und war durch ein Kreuzrippengewölbe abgeschlossen.[43] Man erkannte, dass die frühgotischen Knospenkapitelle der Bündelpfeiler des Westwerkes ursprünglich in Gelb und Grün gefasst waren (Abb. 14). In der Westwand des südlichen Läuthauses be­fand sich eine romanische Wendeltreppe, die später zugemauert wurde.[44] Im nördlichen Seitenschiff war eine kleine Maueröffnung an der Nordseite. Beide Läuthäuser öffneten sich durch breite Bögen zu den Seitenschiffen hin.[45]

Die Westempore lief durch, verband also beide Türme. Die Kreuzrippengewölbe des Sängerchores hatten dieselbe Höhe wie diejenigen des Querhauses und umklammern so die tiefer abschließenden Seitenschiffe. Damals noch wurde der Westchor durch drei große, gotische Fenster an der Westseite erhellt.[46] Die Form dieser Fenster lässt sich an den in der ÖKT veröffentlichten Abbildungen nachvollziehen (Abb. 15 a, b). Analog zum östlichen Hauptchor befand sich an der gegenüberliegenden, westlichen Seite der Laien­chor, den der Allerheiligenaltar schmückte,[47] die Empore hatte also im Mittelalter eine völlig andere Bestimmung als heute.

Pfeiler I Hauptschiff | Seitenschiffe

Die insgesamt zwölf gotischen Bündelpfeiler, auf denen Gewölbe und Dachstuhl ruhen, hatten eine Breite von weniger als 190 cm.[48] Nur die beiden westlichen Pfeiler sind heu­te noch breiter, da sie zusätzlich die Türme stützen müssen. Die Halbsäulen der Quer­gurte, die sich mit den vom Rippenkreuz heruntergezogenen Diensten und Schäften zu Bündelpfeiler vereinen, sind größtenteils unter der jüngeren Schicht gut bewahrt. Sie stehen im Gegensatz zu den Basen, deren Form einige Abbrüche an ihren vorspringen­den Teilen vermuten lassen.[49] Ein Teil der Nebenaltäre bestand bereits im Mittelalter, die Serie wurde jedoch erst im Laufe der Zeit vervollständigt. Die einzelnen Altäre wa­ren auch anders angeordnet als heute: Sie waren nach Osten orientiert und standen, wie das Rotelbuch aus dem Jahr 1641 (Abb. 2) zeigt, vor den Pfeilern. Wir haben keine wei­teren Hinweise auf die Ausstattung der Seitenschiffe.

Das westlichste Joch des Hauptschiffes ist nahezu quadratisch, neun Meter breit und doppelt so hoch.[50] Die vier anschließenden, regelmäßigen Joche des Langhauses sind durch im Mittelschiff queroblonge Joche gegliedert. Das mittelalterliche östlichste Mit­telschiffjoch war durch den Kreuzaltar, das dahinter liegende Grabmal Gunthers und den nach Osten abschließenden, monumentalen Lettner gegliedert.[51] Der Wandaufriss des Langhauses war zweiteilig und bestand aus den Arkadenbögen und den Fenstern dar­über. Diese Zonen wurden durch ein durchgehendes, schmales Sohlbankgesims vonei­nander abgegrenzt, das zu den Obergaden auf der Südseite bzw. zu den blinden Oberga­den an der Nordseite überleitete (Abb. 2). Über dem mittleren der insgesamt fünf nörd­lichen Langhausjoche befand sich seit 1513 eine Orgel.[52] Die ihr zugehörige Balgkammer lag im Dachboden des Seitenschiffes. Bei der Renovierung im Jahr 1975 wurden Unter­suchungen an den Baugliedern des Hauptschiffes gemacht. Sie ergaben, dass die Gewöl­be frühgotische, vierteilige Kreuzrippen aus Tuffstein mit Birnstabprofil und doppelter Kehle sowie Knospenkapitelle an den Gurtvorlagen aufwiesen.[53]

Die Seitenschiffe sind sechs Meter breit und zwölf Meter hoch.[54] Im nördlichen Seiten­schiff fand man bei einer Untersuchung im Jahr 1972 Rippenansätze und Schlusssteine. Südlich des Münsters schloss ein Ambitus an das Gebäude, den man vom ersten westli­chen Joch aus durch ein weiteres Stufenportal betreten konnte.[55] Analog zu diesem Zu­gang befand sich im zweiten nördlichen Joch ein drittes Stufenportal. Diese beiden Por­tale lagen genau in der Nord-Süd-Achse.[56] Die Anordnung der Bänke im Kircheninneren bestand ursprünglich aus drei Reihen: zwei Reihen entlang der Außenwände und eine im Mittelschiff.

Querhaus | Vierung | Chorquadrat | Hauptchor | Nebenapsiden

An die insgesamt fünf Langhausjoche schließt sich im Osten das einjochige, nicht ausla­dende (mit den Mauern der Querschiffe fluchtende) Querhaus an. Nach dem Baube­fund[57] entsprach in der Kirche des 13. Jahrhunderts die Querschiffshöhe dem tiefen Bo­denniveau der Seitenschiffe. Einzig die Vierung, das Chorquadrat und die Hauptapsis hatten ein stark erhöhtes Niveau. Aufgrund der inkludierten Vierung war der Mönch­schor nach Westen hin um ein Joch verlängert.[58] Das Querhaus hatte zwei große Rund­fenster in den Querschiffarmen, die nicht regelmäßig angelegt waren.[59] Man nimmt an, dass diese Fenster unter Abt Friedrich von Aich durch Maßwerk und Glasfenster geglie­dert wurden.[60] Der einzige Gebäudeteil, der vom frühromanischen, wohl flach gedeckten Ursprungsbau in den gotischen Neubau integriert wurde, ist in den Grundmauern der heutigen Schatzkammer versteckt, die nördlich an den Querarm der Kirche anschließt. (Abb. 9) Diese Grundmauern wurden im Zuge von Restaurierungen im Jahr 1973 ent­deckt.[61]

Die mittelalterliche Vierung war erhöht und über zwei, seitlich angelegte Treppen zu erreichen, die in die Querhausarme führten. Diese Treppen bildeten die Trennung zu den Querhausarmen.[62] Die Pfeiler wurden durch Knospenkapitelle und dem darüber ansetzenden vierteiligen Kreuzrippengewölbe weitergeführt. Im Scheitelpunkt des Ge­wölbes in der Vierung war im Mittelalter ein großer Steinring. Am westlichen Ende der Vierung stand der schon erwähnte Lettner, der um 1509 abgebrochen wurde. In der Vie­rung befand sich außerdem das Chorgestühl, das später in die Westempore verlegt wur­de. Zwei Stufen leiteten von der Vierung in den gelängten Raum des Chorquadrats.

1974 wurden im Chorquadrat kurzzeitig die Postamente der Wandvorlagen freigelegt, die bereits die Diagonalrippen des Kreuzrippengewölbes im Chorjoch vorbereiten.[63] In der nördlichen und südlichen Wand des Chorquadrats war jeweils eine Dreiergruppe von spitzbogigen Wandnischen eingelassen.[64] Im Chorquadrat stand auf dem älteren Stipes ab 1530 ein Altarretabel, der von Hans Peysser in Nürnberg gefertigt wurde (nicht mehr erhalten).[65]

Der Hauptchor war, wie das Chorquadrat und die Vierung, wahrscheinlich schon im 13. Jahrhundert erhöht.[66] Im Hauptchor befand sich an jeder Polygonseite dieses 5/10- Abschlusses ein hohes Rundbogenfenster mit einem darüber angeordneten kreisrunden Fenster das durch spitzbogige, wulstförmig profilierte Schildbögen nach oben hin abge­schlossen wurde.[67] Die Schildbögen waren in Rot gefasst. In allen fünf Polygonseiten befanden sich unter den Rundbogenfenstern weitere frühgotische Nischenpaare (Abb. 17), ähnlich jenen des Chorquadrats, die verschiedenfarbig gefasst waren. In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden diese Paare teilweise wieder freigelegt. Jedes Paar ist durch eine Mittelsäule verbunden und durch zwei weitere Ecksäulen von den beiden Seiten abgeschlossen.

Die mittelalterlichen Nebenapsiden, die im Osten an das Querhaus anschlossen, hatten kurze, niedrige, polygonale 5/10-Abschlüsse (Abb. 1). Sie waren durch ihre verminderte Größe deutlich vom mittig gelegenen Hauptchor abgesetzt (Abb. 18). In der nördlichen Apsis wurde 1974 ein nach Innen wulstförmig gerahmtes Rundbogenfenster freigelegt. Es zeigt durch seinen unteren Abschluss, dass das Bodenniveau der Nebenapside im Mit­telalter tiefer gelegen haben muss als heute. Dadurch waren die Apsiden der Laienkirche zugehörig. Es ist anzunehmen, dass in den Nebenapsiden die Beleuchtungssituation ähn­lich wie im Hauptchor war. Wahrscheinlich wiederholte sich das Schema der Durchfens- terung des Hauptchores. Das bedeutet, dass in den Nebenapsiden wohl ebenfalls unter den Rundfenstern wieder Rundbogenfenster waren. Der südliche Nebenaltar war dem Hl. Stephanus und der nördliche den zwölfAposteln geweiht.[68]

Zusammenfassend kann man sagen, dass die architektonische Struktur der Kirche ty­pisch für einen Sakralbau aus der Zeit um 1230 war. Durch die erhöhte Vierung und das nicht ausladende Querhaus besaß die Kirche dennoch einen spezifischeren oder eigen­willigeren Charakter. Wie Restaurierungsergebnisse zeigen, war der Innenraum poly­chrom gefasst. Unser Wissen darüber beschränkt sich auf die ornamentalen Motive in den Läuthäusern und monochromen Fassungen bestimmter Architekturteile.

2.2 Programm

P. Altman Pötsch hat in seinem Artikel über „Die Stiftskirche als klingendes Sinnbild der Trinität"[69] sehr anschaulich dargelegt, wie Grundfläche der 63 Meter langen, mittelalter­lichen Kirche in drei hintereinander liegende Quadrate mit einer Seitenlänge von 21 Me­tern geteilt werden könnten, die ein Sinnbild der Trinität charakterisieren würden. Je­dem Gebäudeabschnitt würde eine klare Bedeutung zugesprochen: der Westteil ent­spräche Gott Vater, der die Türme tragen würde. Das dazwischenliegende Drittel, das den Heiligen Geist repräsentiere, würde durch die, sich dort zum Gebet versammelnden Gläubigen ausgedrückt werden. Das östliche Drittel des Gebäudes weist Pötsch dem Sohn Gottes zu. Im Johannesevangelium fände die Erhöhung des Sohnes statt, die sich im erhöhten Niveau der Vierung, Chorquadrats und Hauptchores manifestiere.[70] Hier findet während der Messe die liturgische Wandlung statt, wo der Sohn im Opfer dem Vater dargebracht wird. Ob diese Gedanken wirklich schon in dieser Form im Jahre 1230 in der Architektur widergespiegelt wurden, kann nicht bewiesen werden.

3 Die Erneuerung ab 1613

Die nachmittelalterlichen Veränderungen, die den sakralen Raum wiederholt ,modern' erscheinen ließen, wurden nie durch einen einheitlich strukturierten, die gesamte Anla­ge umfassenden Plan bestimmt. Die einzelnen Veränderungen gehen auf die unter­schiedlichen Äbte zurück. Keiner der Äbte entwarf jemals ein für die nachfolgenden Ge­nerationen verbindliches Gesamtkonzept. So entstand ein über die Jahre langsam ge­wachsenes Ensemble. Zwei Äbte verdienen besondere Beachtung: Abt Anton Wolfradt und Abt Erenbert II. Schrevogl. Unter ihnen wurde die Kirche in zwei Phasen grundle­gend in ihrer plastischen Ausstattung verändert. In ihrem Auftrag bekam die gesamte Raumschale eine neue künstlerische und ikonografische Aussage.

Vorerst strukturierte Abt Anton Wolfradt (reg. 1613-1639) den Chorraum durch eine Neuinszenierung des Altares (Abb. 16) und durch den Einbau von Laternen um. Die Ne­benapsiden wurden neu aufgerichtet und der gesamte Chorbereich bekam ein frühbaro­ckes Stuckkleid. Marx (Marcus) Martin Spaz leitete das Bauvorhaben, die Stuckaturen wurden von Johann Baptist Spaz[71] ausgeführt. Malereien von David von Dölln sind im Hauptchor und Nebenapsiden nachgewiesen.[72] Im Folgenden möchte ich die baulichen Veränderungen aufgreifen, um dann auf die Wirkung der Stuckausstattung im ikonogra- fischen Programm einzugehen.

3.1 Baubeschreibung

Portal I Narthex | Läuthäuser | Westempore

Das mittelalterliche Stufenportal (vgl. S. 13) wurde in der frühbarocken Phase unter Abt Anton Wolfradt zugemauert. Der Riss von 1613/14 (Abb. 4) zeigt ein nach innen trichterförmig geöffnetes Portal. Diese Darstellung, genau wie die Innenansicht im Ro­telbuch von 1641 (Abb. 2) geben keinen Aufschluss über eine Gestaltung der Fassade. Durch Stiftsansichten kann man jedoch nachvollziehen, wie sie zu diesem Zeitpunkt ausgesehen hat (Abb. 6, Abb. 15b).

Der Narthex (vgl. S. 13) ist im Riss von 1613/14 (Abb. 4) weiterhin als querrechteckiger Raum wiedergegeben und enthielt zwei Weihwasserbecken an beiden Seiten zur Öff­nung des Langhauses hin. Die Durchgänge zu den Läuthäusern wurden unter Abt Wolf­radt teilweise vermauert, so dass sie nun nicht mehr spitzbogig, sondern rechteckig wa­ren. Über eine Änderung des Gewölbes ist uns nichts bekannt.

Im nördlichen Läuthaus (vgl. S. 13) wurden Bemalungen angebracht, die in der mittelal­terlichen Tradition standen und die stilistisch einen Kontrapunkt zur neuen, modernen Ausstattung des Innenraums darstellten. Die Fassung, die sich durch rote und orangene Ornamente auszeichnete, ist durch den Maler Aubertin entstanden und wurde später übertüncht.[73] Auf dem Riss von 1613/14 (Abb. 4) scheinen die Wendeltreppen, die in die Westempore führen, durch Fenster ersetzt worden zu sein. Der Grundriss gibt kei­nen Aufschluss über den Standort eines Aufganges zur Sängerempore.

In der Westempore (vgl. S. 14) fand man Malereireste, die motivisch mit jenen des nördlichen Turmraumes übereinstimmen, auch sie sind in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden. Diese Malereien weisen dieselben Ornamente auf wie jene der Läuthäuser und sind demnach auch durch den Maler Aubertin 1617 entstanden.[74] Abt Anton Wolfradt ließ die Turmpfeiler bis zur Kämpferzone mit schräg Vorgesetzten Wandvorlagen verkleiden, nicht aber die Gewölbe.[75] Unter Abt Anton Wolfradt wurde das Chorgestühl aus der Vierung in die Westempore übertragen. Dort war es längsge­richtet angeordnet und stand sich in zwei Teilen gegenüber.[76]

Pfeiler I Hauptschiff | Seitenschiffe

Abt Anton ließ auch die gotischen Pfeiler (vgl. S. 14) des Langhauses partiell umman­teln.[77] Die 1641 unter Abt Bonifaz Negele entstandene Rotelzeichnung (Abb. 2) doku­mentiert das. Die Pfeiler, die das Mittelschiff von den Seitenschiffen trennten, waren jetzt keine gotischen Bündelpfeiler mehr, sondern besaßen einen rechteckigen Grund­riss. Auffallend ist, dass das neu eingeführte Kämpfergesims nun erstmals eine horizon­tale Zäsur im Wandaufriss bildete. Über dem Kämpfergesims war der Wandaufriss nach wie vor der alte. Den ersten und zweiten nordwestlichen Pfeiler überspannte direkt un­terhalb der Kämpfer eine Holzbrücke, die zur Orgel führte. Parallel dazu verlief eine zweite Brücke in der südlichen Arkade. Wie man in der Rotelzeichnung gut sehen kann, befand sich an dem vierten nördlichen Pfeiler eine Kanzel, die von Lucas Abent um 1600 geschaffen wurde. Sie erhielt in der Bauphase unter Abt Anton ab 1613 einen großen Schalldeckel, die reich mit Rollwerk verziert wurde.[78]

Die mittelalterliche Wölbung des Hauptschiffes (vgl. S. 15) bestand noch. Man erkennt in der Miniatur (Abb. 2), dass das Hochschiff in der früheren Bauphase des 17. Jahrhun­derts nicht verändert wurde. Es ist immer noch ein gotisches, vierteiliges Kreuzrippen gewölbe zu sehen. Man erkennt figurative Malereien, unter den kleinen Obergaden an der südlichen Seite die wahrscheinlich mittelalterlichen Ursprunges sind.

1975 wurden im Zuge der Recherchen für die österreichische Kunsttopographie Baube­funde[79] des gesamten Stiftskomplexes erstellt. Die Stiftskirche wurde von Wladimir Obergottsberger und anderen vom Amt der oö. Landesregierung durch eine schemati­sche Darstellung detailreich niedergelegt. Der Schnitt (Abb. 19), der uns im Bezug auf die Lichtverhältnisse im Obergaden interessiert, verläuft durch den Scheitelpunkt des ersten westlichen Jochs. An den Ostseiten der angrenzenden Türme finden sich inner­halb des heutigen Dachstuhles sichtbare Reste ehemaliger sehr steiler Dachschrägen. Diese sind auf der Darstellung durch gestrichelte Linien an den Turmmauern gekenn­zeichnet. Da das Pultdach an der Südseite relativ weit oben ansetzt, waren hier nur klei­ne Obergaden möglich. Im Dachboden des nördlichen Seitenschiffes gab es wegen der eingebauten Orgelbalgkammer (vgl. S. 15) im Dachgeschoß des dritten Joches gar keine Obergaden. Die Rotelbuchdarstellung (Abb. 2) und eine Malerei von nach 1616/17 (Abb. 20) untermauern diesen Befund. Wegen des Gewichtes der Orgel, das auf den dritten und vierten nördlichen Pfeiler lastete, mussten diese durch vorgezogene Pfeilerumman­telungen verstärkt werden. Dieses Detail ist auch in der Miniatur (Abb. 2) ersichtlich.

Die Buchseite aus dem Rotelbuch zeigt relativ reale Verhältnisse. In der Darstellung sind die Nebenaltäre noch an den einzelnen Pfeilern geostet und nicht allein dadurch ist uns versichert, dass diese Umstellung in die Abseiten (vgl. S. 15) der Kirche erst in der spä­teren Bauphase geschah. Wenn man auf den Ausschnitt der Miniatur im Rotelbuch (Abb. 2) schaut, zeigt uns dieser einen schmalen Einblick in das südliche Seitenschiff. (An die­ser Stelle ist die Miniatur leider nicht gut erhalten). Man sieht drei Malereien von Büsten oder gemalten Skulpturen, die in rot, grün und gelb mit Mitren und Pektoralien beklei­det sind.

Querhaus | Chorquadrat | Hauptapsis | Nebenchöre

Nach Erika Doberer ist es wahrscheinlich naheliegend,[80] dass Anfang des 17. Jahrhun­derts das Bodenniveau der Vierung erhöht und vereinheitlicht wurde. Bislang betrat man die Vierung durch je eine Treppe aus den Querhausarmen. Im Jahre 1511 hatte man den Lettner abgebrochen.[81] Die Erhöhung des Querhauses (vgl. S. 16) stellt in der For­schung ein Problem dar, denn man ist sich aufgrund fehlender Rechnungen uneinig, wann sie entstanden sein könnte.[82]

In den Jahren 1614/15 wurde auch das Chorquadrat (vgl. S. 16) tiefgreifend umgestal­tet (Abb. 8). Der Stipes des Altares aus dem Jahr 1530 blieb an derselben Stelle, wurde aber ab 1618 durch die Figuren von Hans Degler und den architektonischen Aufbau von Georg Scheible völlig neu gestaltet und zusammengestellt.[83] Der Altar aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts der Weilheimer Schule (Abb. 16) war der Dreifaltigkeit ge­weiht.[84] Der Altar glich einem, sich über mehrere Etagen erstreckenden Triumphbogen, der in seinen Bogenöffnungen aus Holz geschnitzte Figuren enthielt. In der untersten Etage befand sich Christus, darüber Gott Vater und oben der Heilige Geist in Gestalt ei­ner Taube. Weitere sechs Figuren begleiteten das Ensemble. Das durch die Apsisfenster des Hauptchores eindringende natürliche Licht beleuchtete den Altar von hinten und strahlte so durch dessen diaphane Struktur. Im Lexikon der christlichen Ikonografie[85] wird darauf hingewiesen, dass im Allgemeinen das Göttliche durch Licht symbolisiert wird. Dieses Licht verkörpert also Christus selbst und tritt vermehrt in diesem Teil der Kirche auf.

Die frühgotischen Zwillings- und Drillingswandnischen im unteren Teil des Raumes wurden laut Baubefunden vermauert.[86] Offensichtlich galten diese als altmodisch und hätten nicht zu dem neuen Raumbild gepasst. Das im Rotelbuch dargestellte, verstärkte Kämpfergesims, das die Wand in zwei Zonen teilte, lag auf der Höhe der Kämpfer der Gurtbögen. Es verlief in gleichbleibender Höhe durch den Raum des Langhauses. Über diesem Gesims setzte ein neu gewölbtes barockes Tonnengewölbe an, das mit teilweise vergoldeten Stukkaturen versetzt war und an beiden Wangen ein rechteckiges Fresko rahmte. Vor allem die Lichtsituation änderte sich beträchtlich: Das Chorquadrat erhielt an dem Scheitelpunkt des Gewölbes eine große, achtseitige, doppelt durchfensterte La- terne die durch ein Zwiebeldach abgeschlossen war.[87] Das polygonale Apsisgewölbe (vgl. S. 17), das im Mittelalter durch gotische Zwickel in einzelne Segmente gegliedert war, wurde nun architektonisch zusammengefasst und ausgerundet. Anstelle der ehe­maligen Polygonecken traten Wandvorlagen, die nach oben mit einem bescheidenen Kapitell abschlossen. Zwischen den Wandvorlagen befanden sich die Rundbogenfenster. Die Rundfenster blieben bestehen und wurden durch ein stuckiertes Bogenfries, das über die Kapitelle verlief, ästhetisch gebunden. Die Rotelbuchdarstellung stimmt mit den Renouierungen in diesem Dachbereich, die uns durch Rechnungen bekannt sind, überein.[88]

Um 1614/15 wurden die Nebenchöre abgerissen und anschließend neu errichtet (vgl. S. 17) Sie wurden nun länger und höher. Unter den Nebenchören wurde jeweils eine Kryp­ta eingefügt, die als Begräbnisstätte der Äbte dienen sollte.[89] Die polygonalen Abschlüs­se wurden durch runde ersetzt, dadurch entstanden aus den Apsiden elliptische Zentral­räume (Abb. 9). Beide Apsiden erhielten sechsseitige Laternen, die mit Zwiebeldächern eingedeckt waren.[90] Die Beleuchtungssituation änderte sich auch durch die beiden Rundbogenfenster und die mittig darüber liegenden kleineren Rundfenster.[91] Es muss damals in den Apsiden im Vergleich zu den tiefer liegenden ersten östlichen Jochen des Langhauses relativ hell gewesen sein.

3.2 Die Genese des frühbarocken Umbaus

Der Auftraggeber

In den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts wurden Visitationen durchgeführt, die er­kennen ließen, dass große Missstände im Kloster herrschten.[92] Sie waren der Anlass dafür, dass die folgenden Äbte nicht mehr frei gewählt, sondern durch den Landesfürs­ten eingesetzt wurden. Mit Abt Erhard Voit (reg. 1571-1588) und Johannes III. Spindler (reg. 1589 - 1600) wurde die soziale Substanz dahingehend verstärkt, dass schließlich der frei gewählte Alexander a Lacu (reg. 1601-1613) die Position Kremsmünsters auch auf politischer Ebene verstärken konnte. Ihm folgt der abermals frei gewählte Abt An­ton Wolfradt (reg. 1613-1639) nach, unter dem die erste größere Neugestaltung des mittelalterlichen Baues stattfinden konnte. Der Abt stammte aus Köln und hatte in Rom Philosophie studiert, bevor er die Profess in Heiligenkreuz ablegte. Danach ging er wie­der nach Rom, um als Doktor der Theologie im Jahre 1607 zum Priester geweiht zu wer­den, er war also hochgebildet. Er war als Sammler bedeutender Bücher berühmt und wurde als erster Bischof von Wien gefürstet.[93] In der Zeit, als Abt Anton Wolfradt dem Stift vorstand, erhielt er noch weitere, bedeutungsvolle Funktionen: Ab 1624 war er Hofkammerpräsident (das entspricht dem heutigen Finanzminister) und ab 1630 Bi­schof in Wien. 1631 erreichte er sogar den Reichsfürstenstand. Unter ihm wuchs der Personalstand des Klosters und er sorgte für eine gute Ausbildung seiner Kleriker.[94] Er versuchte den Bau in erster Linie zu erhalten und nicht zu modernisieren, denn den Ausgang für die Umbauten in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts bildeten das schadhaft gewordene Dach und die Wände der Stiftskirche.[95]

Der Baumeister

Das nicht erhaltene Konzept zum Umbau 1614/15 lieferte der Baumeister des kaiserli­chen Schlosses in Linz, Markus II. (Marcus Martini, Marx Martin) Spaz. Dieser führte nicht nur die Entwürfe aus, sondern sorgte als ausführender Maurermeister auch für ihre Umsetzung.[96] Der Stuckateur der Hauptapsis war Johann Baptist I. Spaz,[97] der aus Mailand stammte und unter anderem auch 1605 in Scharnstein (OÖ.) und 1607 in Linz tätig war.[98]

Die Familie Spaz ist eine Architekten-, Maurer-, Steinmetzen- und Bildhauerfamilie aus Lanzo im Valle d'Intelvi, die vom 16. bis ins 18. Jahrhundert aktiv gewesen ist. Zwischen 1589 und 1719 war sie auch im Stift Kremsmünster tätig.[99] Bisher ist noch keine Ab- handlung über die genauen familiären Verhältnisse dieser Künstlersippe entstanden. Jedenfalls ist uns durch erhaltene Rechnungen eine langfristige Beziehung zwischen Künstlern aus dem Valle d'Intelvi und Kremsmünster gesichert.

Die Stuckierungen

Am interessantesten an der ersten größeren Veränderung des 17. Jahrhunderts sind für uns die im Rotelbuch dargestellten (Abb. 22) Stuckdekorationen des Hauptchores. Der gesamte Bereich über den Kämpfern in der Gewölbefläche des Chorschlusses und des Chorquadrats ist stuckiert. Diese Feststellung deckt sich größtenteils mit dem Kontrakt zwischen Spaz und Abt Anton Wolfradt (der nicht nur den, hier beschriebenen Gebäude­teil betrifft): [...] capelin an der Rechtn Hanndt [südlicher Nebenchor], von vnnden bis zu obrist vnnd also durch vnd durch, das ganze gwelb, sambt der tribuina über sich vnd der Faciata hervor der übergebnen vnd verglichnen visier oder abriß gemäß [...]100 Durch die betonte Helligkeit in diesem Raumabschnitt sind Details der Ausstattung nicht deutlich erkennbar. Es lässt sich allerdings ausmachen, dass die Stuckausstattung - symptoma­tisch fürjene Zeit - stark an die Architektur gebunden ist.

Die anderen Werke des Johann Baptist I. Spaz sind bedauerlicherweise heute in einem Zustand erhalten, der einen Vergleich nicht sinnvoll erscheinen lässt. Ein angemessenes Vergleichsbeispiel zur Stuckausstattung liefert uns die nur fünf Jahre später (ca. 1620) entstandene Stuckierung der Chorkapellen der Franziskanerkirche in Salzburg (Abb. 21), die in ähnlich strengem Muster die Architektur verfolgt. Das geschieht durch Astragal und Eierstäbe und viele kleinteilige Plastiken. Diese Stuckatur ist zudem in Gold und Weiß gefasst. Die Gestaltung der Kapellen zeigt zarte, florale Rankenwerke. Auch hier treten die Fresken eher hinter der reich gestalteten plastischen Ausstattung zurück.

Das Programm

Das ikonografische Programm wurde im Bezug auf die Dreifaltigkeit betont. Der in die­ser Phase erstmals angewandte Stuck veränderte die Wirkung des Lichtes enorm, das zusätzlich durch den Einbau der neuen Laterne verstärkt wurde. Wie man in dem Kir­cheneinblick von 1641 im Original gut erkennen kann war der Stuck in Gold gefasst (Abb. 2). Das einfallende Licht muss einen strahlenden Eindruck des Hochchores er-[100] wirkt haben. Die Darstellung von 1641 weist an den Seiten des Okulus der Laterne im Chorquadrat zwei stuckierte Tondi auf in denen jeweils eine Figur zu vermuten ist. Ob diese Tondi mit Malerei oder Stuck gestaltet wurden, lässt sich nicht erkennen. Das Ver­gleichsbeispiel aus Salzburg (Abb. 21) lässt erkennen, dass diese kleinen Flächen meist freskiert waren. Die Fläche unter den Tondi ist durch reiche Goldfassung gekennzeich­net. In den Zwickeln über den Tondi scheint die Stuckatur in Kremsmünster weiß ge­fasst gewesen zu sein und die architektonischen Gliederungen in ihrer Struktur einzu­rahmen. Im Scheitelpunkt der Hauptapsis befand sich ein weiteres Tondo. Dieses Tondo beinhaltet kein figürliches Relief, nur ein weißer, nicht genauer auszumachender Fleck ist zu sehen. Die restliche Gewölbefläche ist auch hier durch reiche Goldfassung be­schrieben.

Wahrscheinlich wurde die Ikonografie der Ausstattung des Chorraumes während dieser Bauperiode nicht grundlegend verändert (vgl. S. 18). Ich verweise noch einmal kurz auf das Patrozinium der Stiftskirche, das dem Welterlöser geweiht war, sowie auf die neue Altarkomposition, die von einem Trinitätsprogramm bestimmt wurde. Es kann ange­nommen werden, dass durch die verstärkte Wirkung des Lichtes die Dreifaltigkeit und die im Konzil von Trient festgelegte permanente Realpräsenz Christi[101] noch konsequen­ter betont und verehrt wurde. Demzufolge könnte man annehmen, dass in den Tondi des Chorquadrates Gottvater und der Sohn Gottes dargestellt waren, während im Chorhaupt eine Taube den Hl. Geist verkörpert hat. Diese Aufteilung würde dem sonstigen ikono- grafischen Programm entsprechen und eine Anbringung an so zentraler Stelle in den Hauptachsen des Hauptchores wäre auch gerechtfertigt.

Zusammenfassend gesagt wurden zwischen 1614 und 1621 unter der Leitung von Marx Martini Spaz folgende Veränderungen verwirklicht: die Pfeiler partiell ummantelt (vgl. S. 20); wahrscheinlich wurde das Querhaus durchgehend erhöht (vgl. S. 21); die beiden Nebenapside abgerissen, verlängert und erhöht neu gebaut (vgl. S. 23); die Grüfte vor den Altären der Nebenapside eingefügt; alle Chöre neu eingewölbt und mit Laternen versehen (vgl. S. 23); die Wandnischen des Hauptchorraumes zugemauert; den Hauptal- tar neu aufgestellt und nicht zuletzt die Gewölbe des Chores und Chorquadrats bis zur Vierung stuckiert (vgl. S. 25).

3.3 Die Amtszeit der Äbte Negete und Buechauer 1637-1669

Zwischen den Veränderungen, die unter Abt Anton Wolfradt und Abt Erenbert II. Schre- vogl geschehen sind, liegen insgesamt 40 Jahre, in denen zwei weitere Äbte in Krems­münster eingesetzt wurden. Abt Bonifaz Negele amtierte von 1637 bis 1644. Anders als sein Vorgänger wurde er vom Konvent gewählt, letztendlich aber wegen „Nepotismus und Verschwendungssucht"[102] abgesetzt. Auch Abt Bonifaz betätigte sich als Bauherr. Unter anderem entstand unter ihm die so genannte Moschee (Gartenhaus) im Stiftsare­al,[103] ließ aber die Kirche unangetastet. Sein Nachfolger Abt Placidus Buechauer, stand dem Stift von 1644 bis 1669 vor. Unter ihm gestaltete Wolfgang Grinzenberger den Prä­laten- und Konviktshof um. Durch die Neugestaltung der beiden Höfe stand das Kirchen­gebäude nicht mehr an der Nordseite frei, sondern stieß jetzt an das Konviktsgebäu­de.[104] Abt Placidus konnte in seiner relativ kurzen Amtsperiode wieder geordnete Ver­hältnisse herstellen. Ein ikonografisches Detail ist mir wichtig hervorzuheben und zwar änderte sich im Jahr 1654 das Patrozinium des südlichen Nebenchores: Ab jetzt war er dem Hl. Agapitus geweiht, während der nördliche weiterhin den 12 Aposteln geweiht war.[105]

4 Die zweite barocke Bauphase unter Abt Erenbert II. Schrevogl (ab 1673)

Unter der Führung des Schongauer Abtes Erenbert II. (reg. 1669-1703), der erneut durch den Landesfürsten eingesetzt wurde, erlebte das Kloster seine barocke Blüte­zeit.[106] Der Abt revitalisierte und modernisierte den gesamten Stiftsbereich. Dies war Ausdruck eines neuen Gedankens, das sich in der planmäßigen Ausstattung des Kirchen­raums ausdrückt. „In diesem Streben nach conformità im Kirchenraum darf man die Fol- ge des Konzils von Trient und der Reform der katholischen Kirche sehen, gleichwenn sich das Konzil nicht explizit zu der Dekoration des Sakralraumes äußerte."[107]

Die Baumaßnahmen begannen mit den Nebenräumen der Kirche.[108] Die Schatzkammer und die beiden Sakristeien erhielten 1674 eine neue Stuckausstattung, die Johann Peter Spaz und Giovanni Battista Mazza im Jahr 1674[109] in direkt „altmodischer" Art ausführ­ten (vgl. Franziskanerkirche Salzburg aus ca. 1620, Abb. 21). Die einzelnen, im Verhält­nis eher klein gehaltenen Elemente sind nicht sehr plastisch und stark an die Architek­tur gebunden. Zwei Jahre später, im Jahr 1676 wurde die Marienkapelle zum Anlass der 900-Jahr-Feier neu errichtet und stuckiert. Der Abriss der alten Kapelle und der Neubau waren binnen kürzester Zeit unter der Leitung von dem comaskischen Maurermeister (vgl. S. 52, S. 60) Carlo Antonio Carlone (*1635 Scaria, Intelvital, f 1708, Passau) vollen­det.[110] Die Stuckausstattung in der Marienkapelle (Abb. 24) entstand durch Johann Peter Spaz (derselbe, der zwei Jahre früher die Schatzkammer stuckierte). Diese Ausstattung erscheint vor allem durch das große Gewölbefresko sehr modern.

Anschließend und wohl gemerkt nach dem Jubiläum, wurde die Ausstattung der Kirche durch die Künstler Giovanni Battista Barbarini (* 1625 Laino, Intelvital; f 1691 ebenda) und Giovanni Battista Colomba (* 1638 Arogno, Tessin; f 1693 Warschau) verändert: In den Jahren 1680 bis 1682, also innerhalb von nur zwei Jahren, wurde die gesamte De­ckenfläche der Kirche und die Hochschiffwände stuckiert; außerdem wurden die Gewöl­beflächen der Narthex und der Nebenapsiden neu gewölbt.[111]

Die anschließenden Veränderungen von 1682-1694 fanden unter der Leitung von Carlo Antonio Carlone statt. Aus dem Konglomerat der vielen verschiedenen Gebäude, die süd­lich der Kirche gelegen sind, wurde ein zusammenfassendes Klosterareal mit Kaisersaal, Sommerabteitrakt, Refektoriumstrakt, Kapiteltrakt, Konventtrakt. Dieser Neubau entwi­ckelte eine großzügig ausgebildete Südfront des Klosters.

Ein weiteres Mal wurde Abt Erenbert II. als Bauherr aktiv, als er 1701 begann, einen Plan für eine Neugestaltung der Kirchtürme zu entwickeln. Die Pläne wurden jedoch zu Lebzeiten Abt Erenberts II., also bis 1703, nicht umgesetzt. Seine Nachfolger Abt Hono- rius Aigner (reg. 1703-1704) und Abt Martin III. Resch (reg. 1704-1709) ließen den Baumeister mit den Arbeiten fortfahren die Schrevogl initiiert hatte, diese Gedanken wirkten also noch nach und wurden umgesetzt.

Die Umgestaltungen der Nebenräume von 1673, der 1676 durchgeführte Abbruch und Neubau der Marienkapelle sowie die Umgestaltungen der anderen Teile des Komplexes werden in der ÖKT nicht zur Bauphase der dort so benannten „zweiten Barockisie- rung"[112] gerechnet.

Summa summarum bekam die Stiftskirche ein neues Raumbild durch die Stuckierung des Raums und Freskierung der verbleibenden Gewölbeflächen und die Neupositionie­rung und Neugestaltung der Altäre. Die Orgel wurde aus dem Dachboden des dritten nördlichen Joches auf die Westempore übertragen und das Chorgestühl, das bisher ei­nander gegenüber stand, wurde quer zum Kirchenraum gestellt. Das alles erfolgte nach einem genau festgelegten ikonografischen Plan, also im Hinblick auf eine bestimmte Aussage. Aus den Quellen wird allerdings deutlich, dass das Ergebnis der Umgestaltun­gen nicht von Beginn an absehbar war. Die Ideen, die umgesetzt wurden, entstammten der subjektiven Erfahrung des Zeitgeistes des regierenden Abtes, während dem die Iko­nografie nicht verändert, sondern eher noch verstärkt wurde.

4.1 Baubeschreibung

Durch die Ausführungen in dem Kapitel über die bildlichen Quellen (vgl. S. 8) sollten wir einen Überblick über die entstandenen Pläne und Ideen bekommen haben. In folgendem Kapitel werden die durchgeführten Veränderungen der Raumschale durch bauliche Maßnahmen und die Stuckatur Schritt für Schritt näher beschrieben und sollen so zei­gen, dass die zweite Umgestaltung in der Regierung Abt Erenberts II. ein andauerndes Projekt mit ineinander übergehenden Abläufen war. Die Pläne wurden immer wieder neu überarbeitet, was zu einer präziseren Betonung der Ikonografie führte. Benedikt Finsterwalder schrieb die Situation 1699 nieder (Anhang 4). Abt Erenbert II. Schrevogl ließ die Kirche ab 1680 durch Selzame erfindung eines Maylendischen Künstlers mit Na­men Johann Baptist Barbarino aus und Inwendig mit erhöhter Stucatur: und allerhand Selzamer Gips arbeith verckhlöden.113 Danach wurde die Kirche von den vier Grabenber­gerischen gebrieder mit Freskomalerei ausgeziert.

Die Stuckatur zeigt ein reichhaltiges Repertoire an verschiedensten Arten von Blattstä­ben und christologischen Symbolen, ist in der Ausführung großförmig und von teilweise starker Plastizität gekennzeichnet.[113] [114] Die figuralen Teile der Stuckdekoration bestehen aus den Engeln an den Hochschiffwänden, Querhaus und Hochchor und den 52 Figuren an den Gewölbefüßen der Seitenschiffjoche, die der Forschung bis heute Rätsel aufgeben. Als weiteres interessantes Detail fällt die teilweise asymmetrische Gestaltung von Kar­tuschen auf, in denen der Künstler eine ganze Stilstufe vorweg zu nehmen scheint.

Besonders ist die Lösung des Narthex, wo das ursprüngliche Kreuzrippensystem des Gewölbes durch Holzverschalungen ausgerundet und durch ein großes Fresko zusam­mengefasst wurde. Die neue Gewölbeform leitet in Verbindung mit seiner prononcierten Engelsikonografie in eine himmlische Sphäre über.

Die meisten der 27 Gewölbejoche sind in ihrer Struktur gleich; es handelte sich, wie ge­sagt, um gotische, vierteilige Kreuzrippengewölbe. In den Gewölben des Langhauses, Querhauses und der Westempore findet sich in jeder Gewölbekappe ein Fresko, das von einer Stuckkartusche eingefasst wird. Die Kreuzrippen werden durch Blatt- und Frucht­stäbe betont und im Scheitel verschiedenartig zusammengefasst. In den Pendentifs be­finden sich immer andere Muster. Hier manifestiert sich sehr klar die Eigenständigkeit Barbarinis.

Portal I Narthex | Läuthäuser | Westempore

Wie auf dem Riss von 1680 (Abb. 10) zu sehen ist, blieb das Portal (vgl. S. 13, 19) wäh­rend der zweiten Barockisierung unverändert. Man übernahm das vermauerte Stufen­portal von der früheren Erneuerung.

Der Narthex (Vgl. S. 13, 19) wurde hingegen neu eingewölbt (Abb. 25). Wir wissen aus den Kammereirechnungen von 1681, dass im Mai und Juni dieses Jahres die Ziegel Zum Orgel gewolb[115] geliefert wurden. Unter der dicken Stuckschicht wurde bei der Restau­rierung 1976 außerdem eine Holzverschalung in der flach-kuppeligen Wölbung ent­deckt.[116] Im jüngeren barocken Grundriss von 1680 (Abb. 7) ist die Darstellung des Narthex aus dem älteren Grundriss von 1614 (Abb. 4) übernommen.[117] Der Narthex ist im Riss von 1680 immer noch rechteckig eingezeichnet und stammt folgerichtig aus der Phase der Planung, musste also durch Barbarmi verändert worden sein. Mutmaßlich stammt dieser Grundriss von 1680 von G. B. Colomba. Ab der Lieferung der Ziegel für die neue Einwölbung des Narthex im Mai 1681 war der Riss überholt. Die genaue Datie­rung dieses Risses ist deswegen von Interesse für uns, da Details erkennbar sind die erst in der nächsten Bauphase um 1710/12 durch den Baumeister Jakob Prandtauer (1660­1720) realisiert wurden.

An den vier Gewölbeanläufen finden sich ovale, stuckierte Medaillons, die mit stuckier- ten Draperien unterlegt sind und von einer, mit Blumen gefüllten Vase bekrönt wer­den.[118] In den Medaillons befinden sich gemalte Engel, die Spruchbänder schwingen und damit auf ihre Funktion als Mittler zwischen Himmel und Erde hinweisen. Diese Medail­lons erinnern stark an die Medaillons im Gewölbe der Wiener Servitenkirche (vgl. S. 61), die schon 1669 von demselben Künstler Giovanni Battista Barbarini ausgestattet wurde (Abb. 26 a, b, c, d).[119] An den Seiten finden sich stuckierte Zweige, über den Öffnungen zu den angrenzenden Räumen sind noch weitere Kartuschen angebracht, die mit den Vasen durch Festons verbunden werden. Die Vasen sind mit Frucht- und Blumenbündeln ge­füllt, von denen Bänder wegflattern. Die Türöffnungen zu den Läuthäusern sind recht­eckig und profiliert gerahmt, mit Kartusche und Volutenaufsatz.[120] Darüber befindet sich erneut eine Blumenvase mit giebelförmig angelegter Girlande. Über dem Kämpfergesims des Narthex führt eine schmale, querkannelierte Leiste die Rahmungen der Öffnungen entlang.

[...]


[1] Finsterwalder Haupturbar 1699, Anhang 4.

[2] ÖKT 1977.

[3] Pühringer-Zwanowetz 1977 a-c.

[4] A.V. 1961.

[5] Pühringer-Zwanowetz 1977d.

[6] Lorenz 1994, S. 20.

[7] Hoffmann 1928, S. 53.

[8] Engelberg 2005.

[9] Engelberg 2005, S. 24.

[10] Spiriti 2005.

[11] die Erhöhung des Querhauses und die Durchfensterung des Hauptschiffes werden Barbarini oder Car- lone zugeschrieben, obwohl weder eine Rechnung, noch eine der Darstellungen der Stiftskirche mit dieser Annahme übereinstimmen würde. Die Altarengel der Nebenchöre werden als alleiniges Werk von Giovan­ni Battista Spaz dargestellt, hiermit werden die erhaltenen Kontrakte mit Michael Zürn dem Jüngeren vollständig ignoriert; schlussendlich schreibt der Autor über die von Colombo angefangenen Fresken, die dann von den Brüdern Grabenberger vollendet worden wären, wobei spätestens nach Pühringer- Zwanowetz 1977c (S. 211, Anm. 180) durch die gute Quellenrecherche annehmen kann, dass Colomba an den Fresken tatsächlich nichts gemalt hat.

[12] Koepf2005.

[13] Vortrag von Rudolf Preimesberger zum Thema „Ecclesia Angelica - Künstlermigration, Konflikt und Anpassung in der Stiftskirche Kremsmünster" (Passau 2012).

[14] Dies geschieht selbstverständlich mit der ausdrücklichen Genehmigung von Seiten des Referenten.

[15] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 204.

[16] Spiriti 2005, S. 211: „Questa prima fase può dirsi conclusa con la facciata, che reca la data 1681 [...]".

[17] genaue Lebensdaten unbekannt.

[18] genaue Lebensdaten unbekannt.

[19] Koller 2008, S.86.

[20] Mündlicher Hinweis des Bibliothekars von Kremsmünster, Pater Petrus Schuster OSB.

[21] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 251.

[22] Pühringer-Zwanowetz 1977d, S. 197.

[23] Pühringer-Zwanowetz 1977d, S. 200.

[24] Pühringer-Zwanowetz 1977d, S. 200.

[25] Pühringer-Zwanowetz 1977d, S. 201.

[26] Pühringer-Zwanowetz 1977b, S. 44.

[27] A.V. 1961.

[28] Pühringer-Zwanowetz 1977d, S. 205.

[29] Hoffmann 1928, S. 53.

[30] Pühringer-Zwanowetz 1977d, S. 243, S. 207.

[31] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 210.

[32] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 212.

[33] Girolamo Battista Perusi, Pietro Preti, Carlo Antonio Martinelli, Girolamo Alferi (Alfieri?) und der Öster­reicher Wolfgang Grinzenberger.

[34] Sie haben im Sommer und Herbst von morgens fünf Uhr bis Abends sechs Uhr, im Winter von morgens sechs Uhr bis abends sechs Uhr am Werk zu sein.

[35] Für Arbeiten in der Kirche erhielten Barbarini und seine Gesellen 100 fl. im Monat.

[36] Pitschmann 1977, S. 90.

[37] Vortrag von Rudolf Preimesberger zum Thema „Ecclesia Angelica - Künstlermigration, Konflikt und Anpassung in der Stiftskirche Kremsmünster" (Passau 2012).

[38] Doberer 1977.

[39] Doberer 1977, S. 143.

[40] Mayrhofer 1949, S. 115.

[41] Mayrhofer 1949, S. 111.

[42] Pötsch 2012, S. 89.

[43] Mayrhofer 1949, S. 116.

[44] Mayrhofer 1949, S. 115.

[45] Doberer 1977, S. 144.

[46] Doberer 1977, S. 146, Mayrhofer 1949, S. 115.

[47] Hagn 1852, S. 363 Nr.336.

[48] Pötsch 2012, S. 88.

[49] Doberer 1977, S. 140.

[50] Pötsch 2012, S. 89.

[51] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 203, Doberer 1977, S. 112.

[52] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 204.

[53] Doberer 1977, S.137, 140.

[54] Pötsch 2012, S. 88.

[55] Doberer 1977, S. 106.

[56] Pötsch 2012, S. 98.

[57] Wiribal 1973, S.1-7; Eckhart 1973, S. 22, S. 196.

[58] Doberer 1977, S.112.

[59] Doberer 1977, S.119.

[60] Noricus, 674.

[61] Doberer 1977, S. 108.

[62] Doberer 1977, S.152.

[63] Doberer 1977, S. 140.

[64] Doberer 1977, S. 142.

[65] Pühriner-Zwanowetz 1977c, S. 251.

[66] Doberer 1977, S. 140, S. 142.

[67] Doberer 1977, S. 115.

[68] Pachmayr 1777-1782, S. 384, S. 447, S. 506.

[69] Pötsch 2012, S. 87-102.

[70] Heilige Schrift, Joh. 3,14: "Wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden."

[71] Der Vertrag vom 5. April 1615 ist mit Batista Spaz mane propria unterzeichnet und wird nach einer Zusammenstellung mit Johann Baptist I. Spaz (der Ältere) als Unterzeichner des Kontraktes aufgelöst. Siehe: Kühnel 1968, S. 86, S. 92.

[72] A.V. 1961, Bd. I, Regest 1149.

[73] Doberer 1977, S. 144.

[74] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 209.

[75] Doberer 1977, S. 144.

[76] Finsterwalder Haupturbar, 1699, Anhang 4.

[77] Doberer 1977, S. 142.

[78] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 266.

[79] Befund siehe Pühringer-Zwanowetz 1977d, Anm. 37, S. 197.

[80] Doberer 1977, S. 141.

[81] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 204.

[82] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 208.

[83] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 251.

[84] Pötsch 2012, S. 90.

[85] Holl 1974a, S. 98.

[86] Doberer 1977, S. 142.

[87] A. V. 1961, I., Reg. 1117.

[88] A. V. 1961,1, Reg. 1151 (1616, Bl. Nr. 1244).

[89] A. V. 1961,1, Reg. 1092 (1614, Bl. Nr. 1337), 1118 (1615, 19. Nov., Nr. 1204).

[90] Außenansichten siehe Abb. 7-10, S. 65, 67-69, in: ÖKT 1977.

[91] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 234.

[92] Neumüller 1977, S. 67.

[93] Schemper-Sparholz 1983, S. 40.

[94] Neumüller 1977, S. 69.

[95] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 205.

[96] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 208.

[97] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 209.

[98] Labò 1998, S.339.

[99] Von 1589 - 1600 war Hans II. Spaz in der nicht erhaltenen Kirche St. Sigismund tätig; im Jahre 1642 war Johann I. Spaz in der Stiftskirche tätig, von 1600 bis 1613 war Johann Baptist I. Spaz, Bildhauer von Mai­land, in der Stiftskirche tätig, 1712/19 ist Johann Baptist II. Spaz in der Kirche nachgewiesen (Altarposta­mente, Marmorportal der Marienkapelle, Arbeiten im Stiftskomplex und 1644/73 war Johann Peter II. Spaz auch im Konvent tätig. S. Labò 1998, Bd. 31, S. 339.

[100] A. V. 1961, I, Reg. 1124 (1615, Nr. 1223), 1127 (1615, Nr. 1228).

[101] Vortrag von Rudolf Preimesberger zum Thema „Ecclesia Angelica - Künstlermigration, Konflikt und Anpassung in der Stiftskirche Kremsmünster" (Passau 2012).

[102] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 180.

[103] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 461.

[104] Pühringer-Zwanowetz 1977d, S. 198.

[105] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 211.

[106] Neumüller 1977, S. 70.

[107] Dobler 2004, S. 363.

[108] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 181, S. 280.

[109] Der Originalkontrakt mit Unterschriften (Johann Peter Spaz bildthauer und Stucotor in Linz - jouan Batista mazza) und Siegeln, auf dem jedoch das Tagesdatum fehlt, befindet sich im Stiftsarchiv, Kam­mereirechnungen 1674, Beilagen, Bl Nr. 144.

[110] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 210, S. 287.

[111] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 205, Pühringer-Zwanowetz 1977d, S. 219..

[112] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 209.

[113] Finsterwalder Haupturbar, 1699, Anhang 4.

[114] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 236.

[115] Pühringer-Zwanowetz 1977d, S. 204.

[116] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 210, S. 225, S. 226.

[117] Einzig die Weihwasserbecken wurden von dem Narthex in den Kirchenraum umgestellt.

[118] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 237.

[119] Weiterführende Literatur zur Stuckausstattung der Servitenkirche: Telesko 2006, Schemper-Sparholz 1983.

[120] Pühringer-Zwanowetz 1977c, S. 245.

Ende der Leseprobe aus 189 Seiten

Details

Titel
Die Stuckausstattung der Stiftskirche Kremsmünster
Hochschule
Universität Wien
Note
3,00
Autor
Jahr
2013
Seiten
189
Katalognummer
V210834
ISBN (eBook)
9783656384144
ISBN (Buch)
9783656386216
Dateigröße
15985 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stuck, Barock, Barbarini, Barbarino, Barberini, Barberino, Erenbert II. Schrevogl, Anton Wolfradt, Simon Rettenpacher, Marx Martin Spaz, Johann Baptist Spaz, Carlo Antonio Carlone, Kremsmünster
Arbeit zitieren
Gioia Schmid-Schmidsfelden (Autor:in), 2013, Die Stuckausstattung der Stiftskirche Kremsmünster, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210834

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